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 Mathias Richling

Am 24.10.1997 sprach FACT mit dem bekannten Kabarettisten Mathias Richling, der zur Zeit mit seinem neuen Programm “Ich muß noch was beRICHLINGen” in Deutschland unterwegs ist. Richling gehört zu den gefragtesten und ausdauernsten Künstlern seiner Zunft und ist einem breiten Publikum durch zahlreiche Theater- und Fernsehauftritte vertraut geworden. Der Kabarettist, der zudem in unserem Stadtbezirk wohnt, gastiert am 13. Dezember in Stuttgart in der Liederhalle.

FACT: Herr Richling, Sie machen mit Ihrem neuen Programm gerade Station in Berlin bei den “Wühlmäusen”. Wann sind Sie damit denn in Stuttgart zu sehen?

M.R.: Am 13. Dezember im Hegelsaal. Das ist vorerst mal der einzige Termin, aber wenn es gut ankommt, könnte ich mir vorstellen, daß ich im nächsten Jahr vielleicht noch einige Auftritte dranhänge.

FACT: Wie lange spielen Sie ein Programm normalerweise?

M.R.: Das kommt darauf an. Ich habe Programme, die spiele ich schon seit fünfzig Jahren, das Problem dabei ist nur, daß ich noch gar nicht so alt bin. Aber im Ernst: Zum Beispiel den “Fernsehschwaben” spiele ich schon seit dreizehn Jahren, weil der sich natürlich auch textlich immer wieder erneuert und heute ganz anders aussieht wie damals. Normalerweise geht das dann so zwei, drei Jahre, man geht in die verschiedensten Städte solange das Programm gewünscht wird. Natürlich aktualisiert man dabei aber auch und wirft alles raus, was nicht mehr aktuell ist. Seit Jahren warte ich zum Beispiel darauf, Herrn Kohl rauszuschmeißen aber der ist immer noch aktuell.

FACT: Sie wechseln Programme also nicht komplett?

M.R.: Nein. Es gibt ja auch sogenannte ewige Nummern, die man auch in vielen Jahren noch aufführen kann. Das hält sich so etwa die Waage mit den aktuellen Themen.

FACT: Hat sich denn an Ihrem Stil im Laufe der Jahre etwas verändert?

M.R.: Natürlich, das hoffe ich sehr, wobei es eigentlich die Aufgabe der Kritiker und Zuschauer ist, das zu beurteilen. Im Grunde genommen ist aber jedes Programm für mich eine Synthese aus dem, was man vorher gemacht hat und dem, was man neues macht. Der Zuschauer möchte ja auch einen gewissen Wiedererkennungseffekt und das sehen, was er erwartet. Das kann man ihm auch ruhig geben, aber natürlich nicht immer. Deshalb hoffe ich eigentlich, daß jedes Programm eine Weiterentwicklung des vorhergegangenen ist.

FACT: Sie machen ja in erster Linie politisches Kabarett. Wollen Sie das beibehalten oder driften Sie auch mal in andere Bereiche ab?

M.R.: Das will ich schon beibehalten, aber natürlich bin ich auch immer offen für neue Möglichkeiten. Das beinhaltet ja der Beruf des Kabarettisten: Ich bin alleine, kein Mensch schreibt mir vor, was ich zu tun habe. Wenn ich beispielsweise einen Dirigenten darstellen möchte, dann mache ich das einfach.

FACT: Wie lange brauchen Sie denn, bis Sie ein neues Programm entwickelt haben?

M.R.: Ich schreibe die aktuellen Stücke ja immer nebenher, und wenn ich dann genug beisammen habe, sage ich: so, das könnte jetzt ein neues Programm werden. Dann nehme ich mir zwei Monate Zeit, um das mit meinem Regisseur Günter Verdin zu proben, denn wir ziehen das ja beinahe wie eine Theaterinszenierung auf, was für das Kabarett auch nicht unbedingt normal ist, denn oft reicht es ja, sich einfach auf die Bühne zu stellen und zu erzählen, was man zu sagen hat.

FACT: Arbeiten Sie immer mit dem gleichen Team zusammen?

M.R.: Ja, Regisseur und Techniker sind schon seit vielen Jahren mit mir unterwegs. Das hat viele Vorzüge, weil man sich einfach besser kennt.

FACT: Denken Sie, daß Sie eine Art Stammpublikum haben?

M.R.: Ja natürlich. Aber andererseits ist das Publikum doch auch sehr durchmischt, es kommen immer wieder neue hinzu, anders kann ich mir auch die Zuschauerzahlen nicht erklären.

FACT: Gibt es Städte, in denen Sie besonders gerne auftreten?

M.R.: Ja. In Berlin zum Beispiel spiele ich sehr gerne, weil die Leute vom Denken her sehr fit sind. Aber das wechselt auch immer sehr: Ich spiele auch gerne in Berlin, Hamburg, Karlsruhe, ich spiele überall gerne.

FACT: Sie machen selbst eher anspruchsvolles Kabarett, bei dem man mitdenken muß. Momentan ist ja aber auch eine andere Form des Kabaretts auf dem Vormarsch, die sich eher auf dem banalen Kalauerniveau bewegt und beispielsweise von Michael Mittermaier oder Ingo Appelt verkörpert wird. Was halten Sie davon?

M.R.: Ich will das so nicht bestätigen. Von dieser banalen Form, dem sogenannten Kalauer, lasse ich mich auch gerne mitreißen, weil er - medizinisch gesagt - einfach auflockert. Im Moment ist eben die ganze Linie von den angesprochenen Kabarettisten so, aber auch das hat natürlich seine Berechtigung. Wenn die Leute jetzt eine Zeit haben wollen, in der man mehr über banale Sachen lacht, dann ist das in Ordnung. Es hat Zeiten gegeben, wo das ganze Volk über Heinz Erhardt gelacht hat, ich selbst auch. Heute würde er vielleicht mit seiner Komik wieder besser ankommen, aber zwischendurch gab es sicher eine Zeit, in der das nicht so gewesen wäre. Das wechselt alle paar Jahre, die eine Generation ist politisch sehr interessiert und die nächste wieder weniger. Das kann man zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber auch verstehen. Sich heutzutage politisch animieren zu lassen ist nicht leicht, weil es im Großraum Politik in Deutschland nicht gerade viele Alternativen gibt. Das macht sowohl den Wähler als auch den Zuschauer lethargisch dafür. Deshalb finde ich den momentanen Trend völlig in Ordnung, das ist einfach eine ganz andere Schiene.

FACT: Passen Sie sich diesem Trend mit an?

M.R.: Nein, natürlich nicht, aber das muß man ja auch nicht. Es ist einfach interessant zu beobachten. Das politische Interesse tritt in einer wellenförmigen Bewegung auf. Das hat was mit einer Abgrenzung gegenüber der vorhergegangenen Generation zu tun. Kinder beispielsweise nehmen politisch ja auch oft die Gegenposition zu ihren Eltern ein, wobei es überhaupt nicht darauf ankommt, in welche Richtung diese denken.

FACT: Achten Sie bei politischen Themen eigentlich darauf, daß keiner bevorzugt wird und jeder gleichmäßig sein Fett abbekommt?

M.R.: Nein, das ist mir völlig wurscht. Je nachdem, was anliegt. Ich mache ja Kabarett und keine Parteipolitik.

FACT: Haben Sie deshalb schon einmal richtig Ärger bekommen?

M.R.: Ja, das wissen Sie ja. Wobei trotz der Geschichte mit der ARD damals die Fernsehpräsenz immer noch die gleiche ist. Man hat eben mehr Sender, aber nicht mehr Leute. Man kann immer noch nicht länger arbeiten, schlafen oder fernsehen als früher, deshalb können natürlich auch die Einschaltquoten nicht mehr so hoch sein.

FACT: Aber Sie legen schon Wert darauf, im Fernsehen zu sein?

M.R.: Man muß heutzutage Wert darauf legen. Der Zuschauer an sich ist nicht mehr so bereit, ins Theater zu gehen und sich jemand neues anzuschauen, wenn er den nicht schon vom Fernsehen her kennt. Junge Kollegen, die jetzt gerade anfangen und keine Fernsehpräsenz haben, tun sich furchtbar schwer und spielen am Abend vor zwanzig, dreißig Leuten. Die Experimentierfreudigkeit des Publikums hat schon merklich nachgelassen. Das hat eben auch mit der Reizüberflutung durch die Medien zu tun. Aber da kann man nicht darüber diskutieren, das ist einfach so und man muß schauen, wie man damit zurechtkommt.

FACT: Aber Sie haben doch bestimmt auch klein angefangen?

M.R.: Ja schon, aber ich kann mich beispielsweise erinnern, daß ich mit achtzehn im Mainzer Unterhaus-Theater gespielt habe, und obwohl mich kein Aas kannte, war es trotzdem voll. Das hatte weniger mit mir zu tun, sondern damit, daß das Publikum gesagt hat, das Unterhaus hat ein gutes Programm, da gehen wir hin, egal wer kommt. Das ist heute nicht mehr so.

FACT: A propos Anfänge: Wie sind Sie dazu gekommen, Kabarettist zu werden?

M.R.: Oh, ich kann's nicht mehr hören! Eigentlich habe ich Architektur studiert und geschreinert, um mir das Studium zusammenzuzimmern. Ganz am Anfang habe ich neben dem Studium her im Renitenztheater gespielt, später dann Soloprogramme gemacht. Das hat schon in der Schule angefangen, da habe ich richtige Programme vor der Klasse ausprobiert. Mein Lateinlehrer hat sich einmal eine Viertelstunde lang nicht ins Klassenzimmer getraut, weil er dachte, daß der Physiklehrer von der vorangegangenen Stunde noch drin ist. Das war aber natürlich ich. Nach dem Abi war ich dann schon am Theater.

FACT: Aber ein Traumberuf war das schon für Sie?

M.R.: Das kann man so nicht sagen. Man kann sich das nicht aussuchen, die Dinge entwickeln sich, wie man sich selbst entwickelt. Ich konnte nur sagen, daß ich in irgendeiner Form zur Bühne will, ich hätte mir aber auch Regiearbeit vorstellen können. Wer weiß das schon mit sechzehn? Ursprünglich wollte ich mal Biologie studieren, dann Musik, anschließend wiederum in die Meeresforschung. Aber das hat sich dann - auch durch den Erfolg auf der Bühne - alles aufgelöst. Aber das hat auch viel mit Glück zu tun, man weiß ja nie, wie's ausgeht, es hätte genausogut schiefgehen können. Die richtigen Leute an der richtigen Stelle zu treffen ist auch sehr wichtig.

FACT: Gibt es in näherer oder fernerer Zukunft etwas, was Sie unbedingt machen wollen?

M.R.: Nein, wenn es das gäbe, hätte ich es schon längst gemacht. Wenn ich so weiterarbeiten kann wie bisher, bin ich eigentlich zufrieden. Aber das kann man schwer sagen. Das Leben ergibt sich.

J.B.