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 Matthias Holtmann
Matthias Holtmann

Am 17. September 1996 traf FACT SDR3-Musikchef Matthias Holtmann in dessen Büro im Sendezentrum. Zwischen tausenden von CD's stand der ebenso schlagfertige wie vielseitige Radio- und Fernsehmoderator FACT Rede und Antwort, wobei er sich ebenso professionell und locker präsentierte, wie man ihn aus diversen Radiosendungen kennt.

FACT: Danke erst einmal, daß Sie bei Ihrem vollen Terminkalender Zeit für uns gefunden haben.

Holtmann: Ach, das hält sich noch in Grenzen. Wir haben zwar alle gut zu tun hier, aber dieses ständige Gerede von Streß ist oft übertrieben und Wichtigtuerei. Man hat zwar viele Termine, aber nicht selten liegt es auch daran, wie man organisiert ist und das Ganze im Griff hat.

FACT: Wie sieht denn Ihr Tagesablauf aus?

Holtmann: Um halb sieben aufstehen, frühstücken, dann fahr ich meinen Jungen in die Schule. Um 8 bin ich dann als erster im Büro, sag der Putzfrau immer guten Morgen, geh die Post durch und um 9 Uhr habe ich dann immer die erste Konferenz mit den SDR3 Musik-Kollegen. Da unterhalten wir uns über Musikprogramme, über Aktivitäten, und, und, und... . Das dauert meistens so bis um 10, dann kommen andere Termine, ich beantworte Briefe und so weiter. So ab 12 bereite ich mich dann auf die Sendung (SDR3 Treff) vor, die um 14 Uhr jeden Tag beginnt. Gesendet wird teilweise aus dem Studio, teilweise aus dem Clubhaus im Hauptbahnhof, damit das ganze ein bißchen visuell wird. Das dauert dann bis 16 Uhr. Hinterher fahr ich nach Hause oder arbeite hier im Büro weiter, Termine, Interviews, Presse oder Gespräche mit Kollegen, Nachbearbeitung von Sendungen und manchmal auch größere Besprechungen, die anberaumt werden, wenn wir wichtige Aktivitäten haben, z.B. Open Airs. Auf jeden Fall besteht der Job nicht nur aus Sendungen machen und dann nach Hause gehen, sondern man hat auch immer nebenbei noch viel zu tun und kann sich über Arbeit nicht beklagen.

FACT: Aber der Job macht immer noch Spaß?

Holtmann: Sonst würde man's ja nicht so machen und sich so aufreiben. Wenn ich einen Beruf hätte, wo es mir sonntags schon schlecht würde, wenn ich montags wieder arbeiten muß, würde ich wahrscheinlich gleich im Bett bleiben.

FACT: Wie sind sie überhaupt zum Radio gekommen?

Holtmann: Per Zufall. Ich habe in Köln Musik studiert, Klavier und Schlagzeug, hab viel als Studiomusiker gearbeitet und in den USA als Drummer in einer Rockband gespielt. Die Band löste sich irgendwann 1979 auf, ich kam nach Deutschland zurück und brauchte einen Job. Beim SDR war eine Stelle ausgeschrieben, ich habe mich beworben und sie bekommen. Also wirklich Zufall, denn ich hatte eigentlich nie im Sinn, irgendwie in den Medien was zu machen, Moderator, Redakteur, Producer oder so was. Ich kam dazu wie die Jungfrau zum Kinde.

FACT: Was war denn früher Ihr Traumberuf?

Holtmann: Ich wollte immer Arzt werden. Mein Großvater war praktischer Arzt in Westfalen, und es war eigentlich beschlossene Sache, daß ich das auch mal mache. Ich hatte da großes Interesse daran, aber als ich 1970 Abitur gemacht hab gab's diesen absolut schikanösen Numerus Clausus an den Universitäten von 1,3 um sofort anzufangen, und ich hätte mit meinem Schnitt 7 oder 8 Wartesemester gehabt. Da hab ich gesagt, das mach ich nicht mit und studiere lieber Musik. Und später habe ich nicht mehr das Bedürfnis gehabt, noch Medizin zu studieren.

FACT: Und was schätzen Sie an Ihrem Beruf besonders?

Holtmann: Fernsehen mache ich sehr gerne. Ich moderiere in Südwest 3 die Sendung "Extraspät", die nächstes Jahr 24 mal laufen soll. Fernsehen ist einfach noch einmal eine Dimension drauf. Radiomachen ist ein sehr interessantes Medium, aber ein sehr schnelles, unkompliziertes Medium, bei dem man viel auf sich selbst gestellt ist. Im Fernsehen hängt immer ein Stab von 50 Leuten dran, da muß alles viel stärker abgesprochen werden. Dazu kommen die ganzen Fernsehgeschichten, daß das Licht stimmt, daß deine Stichwörter stimmen und so weiter. Außerdem bist du zu sehen, du kannst beispielsweise nicht auf Zettel schauen und solche Dinge. Du kannst eben mit dem Bild sehr viel machen, und insofern ist das auch eine Geschichte, die mir sehr viel Spaß macht, dort sehe ich mittelfristig auch eher meine Zukunft, denn ich mache jetzt schon sehr lange Radio. Ich betreibe das jedoch nicht, also ich verschicke keine Videos an Sender, die Moderatoren suchen, außerdem will ich nicht weg aus Stuttgart, da ich hier gerade familiär sehr verwurzelt bin. Ich denke, daß man da in Zukunft noch einiges machen kann, was jetzt an Potential noch nicht bedient ist.

FACT: Was wäre denn beispielsweise eine Sendung, die Sie machen wollten?

Holtmann: Eine Show mit Talkelementen. Im Prinzip kann man ja gar nicht so viel Neues machen im Fernsehen, es gibt ja alles schon. Talkshows sehen alle aus wie bei David Letterman, haben sogar dieselbe Dekoration, Gameshows sehen alle so aus wie die mit dem Zonk, Musiksendungen sehen alle gleich aus und bei der Samstagabendunterhaltung gibt's auch keine zündenden neuen Ideen. Aber eine gute, skurille Show könnte ich mir schon vorstellen. Das müßte auch gar nicht am Samstagabend oder direkt nach der Tagesschau sein. In diese Zeiten reinzukommen ist sowieso brutal schwer, weil da natürlich jeder mit seinem Konzept rein will. Aber etwas später am Abend eine gut betreute, gut vorbereitete Show - Unterhaltung auf jeden Fall, also ich hätte keine Lust, eine Infosendung zu machen oder ein Magazin zu moderieren. Sowas wie "Extraspät" fände ich schon ganz gut, vielleicht mit ein paar zusätzlichen Elementen noch, und vor allem zu einer anderen Sendezeit. Mitten in der Nacht ist ja vom Kultstatus her schon ganz nett, aber von der Zuschauerreichweite ist das natürlich nicht befriedigend. Wer ist denn schon so bekloppt und stellt nachts um drei Uhr den Fernseher an? Da hast du doch entweder eine schwache Blase oder leidest unter seniler Bettflucht.

FACT: Was sagen Sie eigentlich zu der Senderfusion von SDR und SWF? Unter Umständen ist ja sogar geplant, SDR3 zu kürzen oder sogar ganz zu streichen.

Holtmann: Gespalten. Die Fusion ist nicht aufzuhalten und vielleicht auch nötig, um die ARD für den Konkurrenzkampf mit den Privaten für die kommenden Jahre etwas schlagkräftiger und effizienter zu gestalten. Das ausknipsen bzw. zusammenlegen von SDR3 und SWF3, also 2 Popsendern, halte ich für nicht machbar. Beide haben ihr angestammtes Publikum und sind sehr erfolgreich. Jetzt zu sagen - was man oft hört - die machen ja eh das gleiche, jetzt nehmen wir einfach das Gute von beiden und machen daraus einen noch besseren Sender, halte ich für unmöglich. Das ist, als ob man 2 verschiede Blutgruppen zusammenmischen wollte. Das wird eine klumpige Geschichte, die auch nicht mehr angenommen wird. Das geht auch aus redaktionellen Gründen nicht, beide haben ihre eigene Identität. Das würde niemals funktionieren. Alleine der SDR3 Club hat ja mittlerweile 333.000 Mitglieder.

FACT: Das Konzept scheint ja zu stimmen.

Holtmann: Ja, die Hörerbindung ist bei SDR3 viel größer wie zum Beispiel bei SWF3. Wir haben ein viel kleineres Sendegebiet und damit auch eine größere regionale Verwurzelung. Die Leute sehen in uns doch offenbar mehr als etwas, das nur so nebenbei plärrt am Tag. Das ist schon beinahe eine Institution, ein Politikum, bei dem man dann nicht vom grünen Tisch aus sagen kann, da ziehen wir jetzt einfach mal einen Strich.

FACT: Nun mal zu Ihnen privat. Was haben Sie denn für Vorlieben und Hobbys, welche Musik hören Sie privat?

Holtmann: Ich spiele Klavier und Schlagzeug, auch hobbymäßig, ich mache Sport, laufe, spiele Squash, wenn's geht. Ich wollte irgendwann auch mal mein Boxtraining wieder aufnehmen, aber das schaffe ich abends zeitlich nicht. An Musik höre ich viel Country, Jazz und Klassik, eigentlich auch alles, was so neu kommt, zum Beispiel Prince oder Bon Jovi. Ich bin da nicht so festgelegt.

FACT: Wie kommen Sie denn eigentlich an die Informationen zu der Musik, die Sie spielen, wie entscheiden Sie, was Sie spielen und ob die Platte Potential hat?

Holtmann: Wir sind ein Musikteam von 10 Redakteuren. Wir treffen uns jeden Morgen und reden über die Neuerscheinungen, über die aktuellen Themen. Das wird im Teamkreis vorgeschlagen, entschieden und abgestimmt. Der eine sagt, das kennt ja keiner, der andere sagt, man kann ja auch mal was Unbekanntes spielen, wenn es gut ist. Irgendwann fällt dann halt mal eine Entscheidung. Informationen kriegen wir viel von Plattenfirmen, die füttern uns ständig damit. Das müssen wir alles sichten, auch die ganzen Platten, die hier stehen, bekommen wir als Belegexemplare zugeschickt, weil die natürlich daran interessiert sind, daß unsere Musikredakteure das dann kaufen und im Radio spielen. Da sind dann auch die üblichen Pressewaschzettel mit Informationen dabei. Wenn man dann Studiogäste da hat, muß man sich natürlich detailierter vorbereiten, auch mal eine Biographie lesen und sich tiefergehend über den Background informieren.

FACT: Mal was ganz anderes. SDR3 hatte doch die Spendenaktion Bresovica gestartet, in der für ein Krankenhaus im ehemaligen Jugoslawien gesammelt wurde. Läuft diese Aktion eigentlich noch?

Holtmann: Ja. Das Konto ist offen und die Leute spenden weiter fleißig. Ich bin selbst jetzt auch öfter mal in Zagreb gewesen und habe mir das Kinderzentrum angeschaut. Das ist ganz toll und inzwischen auch mit 130, 140 kriegsgeschädigten Kindern voll belegt. Teilweise Leute mit bösen Kriegsverletzungen, ohne Arme, ohne Beine, teilweise aber auch Leute mit "normalen" Erkrankungen wie Diabetes oder Tumoren, die aber in den Kriegswirren nicht behandelt werden konnten. Für sie alle wird da unten jetzt gesorgt, aber das alles ist natürlich nicht gerade erfreulich, weil wirklich beinharte Schicksale dabei sind.
Wir wollen unter Umständen auch nochmal eine solche Aktion starten, haben aber im Moment noch nichts Konkretes. In Bresovica war das eben so, daß das Haus schon im Bau war und der Caritas dann das Geld ausgegangen ist, so daß wir einspringen konnten. Inzwischen sind wir schon bei gigantischen 9 Millionen Mark.

FACT: Wir danken für dieses Gespräch und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg.

M.S. / J.W. / J.B.