Folgendes Gespräch führte FACT am 2. Oktober mit Paul Linz, dem Trainer der Stuttgarter Kickers. Der Zweiundvierzigjährige, der erst im Februar vom SV Meppen zu den Kickers gekommen war, rettete die “Blauen” in der vergangenen Saison vor dem Abstieg und spielt momentan mit seiner Mannschaft um die Aufstiegsplätze mit. FACT unterhielt sich mit ihm über die Kickers, persönliche Dinge und den deutschen Fußball. Dabei war der Fußballtrainer gerade beim Thema Bundesliga-Aufstieg eher vorsichtig mit seinen Prognosen.
FACT: Herr Linz, mit Ihrem Vorgänger Wolfgang Wolf haben wir einmal über die “Vision 2000” gesprochen. Gibt es die immer noch, bzw. muß man daraus jetzt vielleicht sogar eine “Vision 1999” machen?
P.L.: Das ganze ist ja nur eine Vision, und Visionen muß man immer haben. Wir müssen schauen, daß wir die Grundlage mit 15 Punkten aus dem guten Saisonstart jetzt festigen. Wenn wir dann aus der Abstiegsgefahr mal raus sind sieht man immer noch, was machbar ist.
FACT: Stichwort guter Saisonstart. Denken Sie, daß Sie diese Saison schon aufsteigen können, oder wollen sie das vielleicht noch gar nicht und lieber erst nächstes Jahr mit einer gefestigten Mannschaft in die Bundesliga?
P.L.: Ob vielleicht dieses oder nächstes Jahr muß man sehen. In diesem Geschäft kann man sowas schwer vorausplanen, es kann alles so schnell gehen. Natürlich wollen wir aufsteigen, aber wann das sein wird, kann keiner sagen.
FACT: Nun waren die Kickers ja schon zweimal in der Bundesliga und jedesmal genau so schnell wieder unten. Denken Sie, daß die Kickers auch von der Struktur und dem Umfeld her überhaupt fähig sind, in der Bundesliga zu spielen? Die lokale Konkurrenz ist groß, wo sehen Sie die Notwendigkeit für Verbesserungen?
P.L.: An so etwas denke ich noch überhaupt nicht. Mit solchen Dingen werden wir uns dann beschäftigen, wenn es nötig ist.
FACT: Aber für einige der seitherigen “Kellerkinder” in Ihrem Kader ist die Höhenluft schon ungewohnt. Heben da schon manche ab und kommt dann so ein kleiner Rückschlag wie zuletzt in Fürth (0:1) vielleicht gerade zur rechten Zeit?
P.L.: Eine Niederlage ist nie gut, weil sie immer drei Punkte kostet, die dann zum Schluß fehlen könnten. Von Abheben kann auch noch keine Rede sein. Die Runde ist noch jung, wir haben schließlich erst acht Spiele hinter uns. Da kann man noch gar nichts genaues sagen. Es kann noch alles passieren. Jetzt müssen wir uns zuerst festigen und oben festsetzen.
FACT: Wo sehen Sie denn die Hauptdefizite in Ihrer Mannschaft?
P.L.: Defizite gibt es immer. Aber daran kann man arbeiten und sich als Mannschaft verbessern.
FACT: Wie sind Sie persönlich aufgenommen worden bei den Kickers? Gab es Probleme bei der Nachfolge von Wolfgang Wolf, der ja doch eine zentrale Rolle im Verein gespielt hat?
P.L.: Ich bin hier sehr gut aufgenommen worden, es gab überhaupt keine Probleme. Wir haben ja als erstes auch den Abstieg verhindert und es lief in der Zeit, in der ich jetzt hier bin, insgesamt ganz gut. Als Trainer hängt die Reaktion des Umfeldes natürlich auch hauptsächlich von diesem Erfolg ab.
FACT: Es gefällt Ihnen also in Stuttgart?
P.L.: Ja, absolut. Ich habe ja jetzt auch einen Dreijahresvertrag bei den Kickers, das zeigt, daß beide Seiten an einer längerfristigen Zusammenarbeit interessiert sind. Ich hoffe, hier noch einiges bewegen zu können. Aber in diesem Geschäft weiß man halt nie, was passiert.
FACT: Wenn sie sich nicht gerade mit Fußball beschäftigen, was machen Sie denn dann?
P.L.: Zuerst einmal ist jetzt endlich meine Familie da, nachdem ich das erste halbe Jahr alleine hier war. Darüber bin ich sehr froh und ich habe da noch einiges nachzuholen. Ansonsten spiele ich auch noch ganz gerne Tennis, aber dazu bin ich hier noch gar nicht oft gekommen. Ich bin viel auf der Geschäftsstelle und auch sonst mit dem Verein gerade sehr ausgelastet.
FACT: Gibt es denn mit der Familie Schwierigkeiten in diesem Job, gerade in einer solchen Situation, wie Sie sie gerade beschrieben haben?
P.L.: Ich bin als Trainer bis jetzt nur zweimal umgezogen, zuerst nach Meppen und jetzt nach Stuttgart. Von daher ging das noch. Wir haben auch noch ein Haus in Trier, wohin man sich mal zurückziehen kann. Ich muß schließlich auch an meine beiden Kinder denken, die jetzt 5 und 15 sind.
FACT: Sie können sich also schon vorstellen, noch eine ganze Weile im Trainergeschäft zu bleiben?
P.L.: Ja, auf jeden Fall. Mein Ziel ist es natürlich, schon noch eine Klasse höher zu kommen.
FACT: Wie beurteilen Sie denn die Situation der deutschen Nationalmannschaft? Ist die Schwarzmalerei angebracht?
P.L.: Unsere Nationalmannschaft war 1996 nach dem Europameistertitel nicht so gut wie sie gemacht wurde, und genauso ist sie jetzt nicht so schlecht. Natürlich muß sich da einiges ändern, aber man sollte nicht in Panik verfallen.
FACT: Und solche Aktionen wie zwei Verantwortliche (Teamchef und Bundestrainer) oder das erneute Comeback von Lothar Matthäus?
P.L.: Einen wie den Lothar Matthäus kann man immer in die Nationalmannschaft zurückholen. Natürlich muß man aber auch eine gewisse Verjüngung vorantreiben. Dabei kann ich es allerdings nicht verstehen, wenn dann solche Leute wie Ballack oder Reich urplötzlich Nationalspieler werden, obwohl sie nicht einmal Stammspieler in der Bundesliga sind. Das geht zu schnell. Da macht einer mal fünf gute Spiele, und schon ist er in der Nationalmannschaft. Früher mußte man sich über einen längeren Zeitraum beweisen. Was Ribbek und Stielike betrifft kann man nur sagen, daß diese beiden natürlich auch extrem erfolgsabhängig sind. Gewinnen sie die beiden wichtigen ersten Spiele in der Qualifikation, war alles richtig. Bei Mißerfolg werden sie’s schwer haben.
FACT: A propos Erfolg: Was tippen Sie denn für das nächste Kickers-Spiel gegen Wattenscheid?
Da muß man wohl schon gewinnen? (Anm.d.Red.: Spiel fand erst nach Redaktionsschluß statt.)
P.L.: Man muß nie gewinnen, man soll bloß und will es versuchen. Es spielt ja immer auch noch ein Gegner mit, und Wattenscheid darf man nicht unterschätzen. Wir müssen kompakter und taktisch disziplinierter spielen, dann können wir auch Erfolg haben.
FACT: Wir danken für dieses Gespräch und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg.
J.B. |