Rezzo Schlauch
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Rezzo Schlauch

Das folgende Interview führte FACT am 19.05.1998 mit dem bekannten Rechtsanwalt und Grünen-Politiker Rezzo Schlauch in dessen Kanzlei. Rezzo Schlauch, früher lange Jahre im Landtag aktiv, vertritt seinen Wahlkreis nun seit 1994 im Bundestag und ist vielen noch aus dem letzten OB-Wahlkampf in Stuttgart bekannt, in dem er nur denkbar knapp unterlag.

FACT: Herr Schlauch, wir sitzen jetzt hier in Ihrer Kanzlei. Wie bekommt man denn überhaupt den Beruf als Rechtsanwalt mit der politischen Karriere unter einen Hut?

R.S.: Für mich war schon immer während meiner ganzen politischen Karriere sowohl im Landtag als auch im Bundestag sehr wichtig, daß ich meinen Beruf beibehalten habe. Damit bin ich nicht abhängig von der Politik, sondern wirtschaftlich und geistig frei und habe damit die Möglichkeit, auch meiner eigenen Partei deutlich die Meinung zu sagen, wenn ich es für richtig halte. Das Schlimmste bei meinen Kollegen aller Couleur finde ich, wenn sie wirtschaftlich von ihrer politischen Tätigkeit abhängig sind und deshalb Mainstream-Politik machen müssen. Deshalb habe ich meine Anwaltstätigkeit immer beibehalten, aber auch deshalb, weil man da sehr viel näher am Leben und an den Problemen der Leute ist als in Bonn. Die Tätigkeit im Bundestag schränkt das aber schon sehr ein. Ich bin beispielsweise nicht mehr sehr viel bei Gericht, auch zeitaufwendige Dinge wie Drogengeschichten mit jugendlichen Delinquenten, worum ich mich früher sehr intensiv gekümmert habe, mache ich jetzt nicht mehr.  Ich bin schon mehr Abgeordneter als Anwalt.

FACT: Hilft Ihr Beruf, Ihr juristisches Wissen dann auch bei Ihrer Tätigkeit als Abgeordneter oder sind das zwei völlig unterschiedliche Dinge?

R.S.: Das ist eine ideale Kombination. Im Landtag habe ich die großen Untersuchungsausschüsse für meine Partei gemacht, beispielsweise beim Parteispendenskandal oder beim Abhörskandal. Jetzt im Bundestag bin ich innenpolitischer Sprecher meiner Fraktion. Wenn es da um die Abhöraffäre oder bestimmte Verschärfungen im Ausländerrecht geht, habe ich immer den juristischen Background. Den braucht man da auf jeden Fall.

FACT: Sagt Ihnen die Tätigkeit im Bundestag zu oder würden Sie lieber wieder auf einer anderen Ebene arbeiten?

R.S.: Ich glaube, daß die Bundestagswahl im kommenden Herbst und was dabei herauskommen wird eine so wichtige Sache ist, daß es durchaus noch einmal eine spannende Herausforderung ist, der ich mich stellen werde. Im Bundestag ist es einfach so, daß man sehr viel länger braucht, um Fuß zu fassen und sich einzuarbeiten als auf Landesebene. Da sind vier Jahre viel zu kurz, und deshalb freue ich mich eigentlich auch auf die nächsten Jahre.

FACT: A propos Wahl. Der Bundestagswahlkampf der Grünen ist ja nicht immer ganz glücklich verlaufen, wenn man nur an das Stichwort fünf Mark pro Liter Benzin denkt. Wo sehen Sie die wesentlichen Fehler, was hätten Sie anders gemacht?

R.S.: Inhaltlich haben wir da nichts zurückzunehmen. Der Hauptvorwurf war ja, daß wir das alles wenig professionell präsentiert haben. Im Grunde genommen ist das so rübergekommen, als ob wir die Leute ärgern und ihnen das Autofahren vermiesen wollten. Für mich viel entscheidender war der Punkt mit dem Einsatz der Bundeswehrtruppen in Bosnien. Da hat die Partei sich falsch entschieden. Das wird mit Sicherheit korrigiert werden. Die schlechte Botschaft ist einfach, daß der Start verunglückt ist, aber die gute, daß es noch früh genug war, um alles noch geradezurücken und wieder hochzukommen.

FACT: Sie denken also, daß die Grünen trotz allem gut abschneiden werden?

R.S.: Wenn wir nicht noch zusätzliche Fehler machen, glaube ich, daß wir sogar noch besser abschneiden werden als beim letzten Mal. Im Spektrum eines aufgeklärten Bürgertums sind wir inhaltlich - mal abgesehen von den fünf Mark - die einzigen, die wirklich respektable Konzeptionen vorgelegt haben. Uns hat ja nicht nur die ökologische Steuerreform, sondern auch die Einkommensteuerreform viel Reputation verschafft. Wir haben diesmal auch wirklich qualifizierte Akteure, selbst unsere zweite Reihe ist gut besetzt. Deshalb bin ich optimistisch, daß wir da schon Schwung reinkriegen.

FACT: Wie ist denn das Verhältnis zu den Kollegen, gerade von anderen Parteien? Beschränkt sich die Gegnerschaft nur auf den politischen Standpunkt oder kantet man da auch privat noch an?

R.S.: Es gibt beispielsweise die recht interessante Veranstaltung der “Pizza Connection”, wo die unter Fünfunddreißigjährigen von CDU und den Grünen sich alle paar Wochen mal zum Essen treffen und sich austauschen. Da versteht man sich untereinander gut. Ähnliches gilt in einzelnen Fällen auch für die SPD, nur zur FDP haben wir eigentlich keine Kontakte. Es ist jedenfalls nicht so, daß die Härte der politischen Auseinandersetzung auch immer die persönliche Beziehung prägt.

FACT: Sie sind im Bundestag  auch in der Kommission für neue Medien und Informationsgesellschaft. Was denken Sie denn, wie sich Ihre Partei in diesen neuen Medien und insgesamt in der Öffentlichkeit präsentiert?

R.S.: Ich denke, da sind wir auf der Höhe der Zeit. In dieser Hinsicht hat die Partei zum Glück einen riesigen Lernprozeß durchgemacht. Es gab noch in den achtziger Jahren Zeiten, in denen beispielsweise PCs von der Fraktion abgelehnt wurden. Inzwischen nutzen wir die neuen Medien in allen Bereichen. Manches könnte vielleicht noch besser dargestellt werden, aber wenn ich gerade an die fünf-Mark-Geschichte denke, da sind die E-Mails übergequollen. Und bei allen Problemen, die wir damit hatten, war das doch der erste Punkt in diesem Wahlkampf, der inhaltlich diskutiert worden ist, obwohl es nicht darum ging, wer der schönere, dickere oder verbrauchtere Kandidat ist oder wer mehr Ehen hinter sich hat.

Was mich an dieser Diskussion auch sehr erschreckt hat, war der Punkt, daß man dann einfach - wie früher auch schon - gesagt hat: die Grünen spinnen, anstatt Gegenpositionen aufzubauen. Da klammert man sich einfach an den Strohhalm des Status Quo.

FACT: In Deutschland gab es Versuche von Studenten, durch Masseneintritte in die mitgliederschwache FDP einzelne Ortsverbände der Partei zu übernehmen und damit ein Zeichen zu setzen. Dies wurde mit den fadenscheinigsten Ausflüchten verhindert. Wie würde denn Ihre Partei in einem solchen Fall reagieren?

R.S.: Ich würde meiner Partei raten, da so offen wie möglich zu sein. Irgendwelche Abwehrreaktionen halte ich für vollkommen daneben, selbst wenn da ein gewisser Gagaspekt dahintersteckt. Man muß einfach sehen, daß so etwas auch eine ernsthafte Dynamik entwickeln kann. Ich müßte doch behämmert sein, wenn ich dem, was an Potentialen da ist, die Tür weisen würde, insbesondere auch auf dem Hintergrund, daß immer gejammert wird, daß junge Leute sich nicht politisch engagieren wollten. Mit so einer Aktion bestätige ich doch nur das Vorurteil, daß es uninteressant ist, in einer Partei mitzuarbeiten und mache mich unglaubwürdig. Wobei zumindest bei den Grünen in Stuttgart die Mitgliederentwicklung, gerade was junge Leute angeht, sehr positiv ist.

FACT: Stichwort OB-Wahlkampf. Ihre Niederlage war denkbar knapp. Können Sie sich vorstellen, nochmal zu kandidieren?

R.S.: Grundsätzlich ist das Amt des Oberbürgermeisters für mich eine sehr reizvolle Aufgabe. Das wäre mir auch auf den Leib geschrieben. Aber ich gehe trotzdem nicht davon aus, daß ich nochmal kandidiere, weil die Legislaturperiode eines OB acht Jahre beträgt und ich dann nach der nächsten Wahl aus Altersgründen nur noch eine Periode machen könnte.

FACT: Wenn Sie OB geworden wären, was würden Sie anders machen?

R.S.: Ich würde die Bürger an den großen Projekten, die hier anstehen und die Bürgerschaft nach wie vor spalten, mehr beteiligen. Bürgerentscheide fände ich für so grundlegende Entscheidungen angebracht. Außerdem legt der jetzige OB ein wahnsinniges Tempo vor, scheitert damit aber auch immer wieder im Gemeinderat, so daß Entscheidungen endlos vertagt werden. Demokratie geht nun einmal etwas langsamer, deshalb muß man in dieser Beziehung etwas sensibler sein. Auch würde ich mehr Wert auf den Medienstandort Stuttgart legen, denn in diesem Bereich verschlafen wir gerade die Zukunft, obwohl wir ein großes Potential haben. Selbst wenn wir die inhaltliche Gestaltung der jetzigen Politik betrachten, müssen wir feststellen, daß eigentlich ja nicht viel passiert ist. Mit den letzten Geschichten hat Schuster sich ja auch überregional nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Allerdings ist es nicht mein Ding, da jetzt nachzukarten. Ich habe nur Angst, daß Stuttgart zwar wirtschaftlich in neuem Glanz erstrahlt, politisch aber in den Provinzialismus zurückfällt. Da werde ich aber auch als Abgeordneter für Stuttgart versuchen, ein bißchen mehr Power zu bringen.

FACT: Sie sind seit der Gründung der Grünen 1980 Parteimitglied. Waren Sie davor schon politisch aktiv und wann haben Sie sich entschieden, Karriere in der Politik zu machen?

R.S.: Ich war zuvor immer sozial engagiert, aber nie in irgendwelchen Gruppierungen, hatte sogar einen gewissen Widerwillen gegen Parteien. Ich komme zwar aus der Studentenbewegung, war aber auch da nie organisiert, sondern habe mich immer in meinem beruflichen Umfeld engagiert. Ich habe als Jurastudent Knastgruppen gemacht, habe im Bereich Drogen gearbeitet und auch in der Tätigkeit als Anwalt habe ich viel für Jugendliche gemacht. Ich fühlte mich quasi als undogmatischer Linker. Was mich an den Grünen fasziniert hat war, daß gerade in der Gründerzeit viele aus der wertkonservativen Ecke kamen, besonders hier in Stuttgart. Ich hatte das Gefühl, da kommt man so ein bißchen aus dem linken Ghetto raus. Allerdings haben mich die Grünen dann auch unheimlich viel Nerven gekostet, gerade der Fundi-Realo-Streit ging mir auf den Wecker, weil ich zwar eine grobe Richtlinie  habe, aber kein Ideologe und Prinzipienreiter bin. Deshalb gab es auch große Durststrecken, wobei es sich gelohnt hat, da durchzugehen. Tatsächlich in die Partei gegangen bin ich dann aber, weil ich die individuelle Hilfe als Anwalt auf eine generelle Ebene heben wollte.

FACT: Sie pendeln zwischen Stuttgart und dem Bundestag. Bleibt da noch Zeit für den Privatmenschen?

R.S.: Außer in den beiden Sitzungswochen im Monat muß ich normalerweise nicht in Bonn sein. Ansonsten bin ich in Stuttgart präsent und bin da auch leicht zugänglich, beispielsweise in Kneipen. Selbst im Wahlkampf, wo man beinahe täglich Veranstaltungen hat, versuche ich das Ganze eher kommunikativ zu gestalten und habe für wesentliche Dinge, beispielsweise zu hören, wo die Leute der Schuh drückt, schon Zeit. Eine ganz wichtige Sache sind auch gute Freunde, die Verständnis haben, unter Umständen auf Veranstaltungen mitgehen und einem auch sagen, wenn man sich verändert. Das funktioniert bei mir zum Glück gut.

FACT: Vielen Dank für dieses Gespräch und weiterhin viel Erfolg.

J.B. / M.S.