Uli Keuler
 FACT Homepage
 Was ist FACT?
 Exklusiv-Interviews
 Städte in FACT
 aus dem Stadtbezirk
 Informatives
 Werben in FACT
Uli Keuler

Der bekannte schwäbische Mundart-Kabarettist Uli Keuler ist in letzter Zeit mit seinem Programm “Geduld, Geduld, das Schlimmste kommt noch...” bzw. “Uli Keuler spielt”, mit dem er ständig in Baden-Württemberg unterwegs ist, in aller Munde. FACT hat ihn im Rahmen eines Auftritts in Stuttgart-Zazenhausen am 28. Oktober 1994 besucht und das folgende Gespräch mit ihm geführt, das zur besseren Verständlichkeit aus dem Schwäbischen ins Hochdeutsche übersetzt wurde.

FACT: Als erstes würden wir gerne einmal wissen, wie Sie überhaupt dazu gekommen sind, Kabarettist zu werden.

Keuler: Das kann man gar nicht so beschreiben. Das ergibt sich, da stolpert man sozusagen hinein. Früher habe ich eine Zeitlang gezaubert, mit sechzehn war ich in Stuttgart Mitglied im “Magischen Zirkel”. Mit dem Kabarett habe ich eigentlich erst nach dem Abitur angefangen, so etwa mit achtzehn, da habe ich einfach lustige Sachen geschrieben und aufgeführt, zuerst vor Freunden, dann vor Leuten, die ich nicht gekannt habe, dann für Geld, und so ergibt sich das eben. Aber ich hatte kein Schlüsselerlebnis, so daß ich sagen könnte, da habe ich den oder den gesehen und das war der Anfang, ich bin auch nicht irgendwie entdeckt worden. Das geht alles sehr langsam.

FACT: Was haben Sie denn gemacht, bevor Sie das Kaberett als Beruf gewählt haben?

Keuler: Ich habe studiert, Rhetorik, Germanistik und Volkskunde, habe aber beruflich nichts anderes als Kabarett gemacht.

FACT: Sie haben später ja auch den Doktortitel erworben, mit dem Thema “Häberle und Pfleiderer”. Haben Sie sich diese Aufgabe selbst ausgesucht?

Keuler: Ja. Mich hat dieses Thema interessiert und da konnte ich natürlich auch vieles von den Erfahrungen, die ich selber gesammelt habe, mit einbringen, weil man die Dinge einfach ganz anders betrachten kann, nicht nur wegen dem Schwäbischen, sondern weil man weiß, nach welchen Gesetzlichkeiten man verfahren muß, um nicht irgendwelche Dinge in so ein Stück hineinzudeuten, die gar nicht vorhanden sind. Man weiß da eben von innen heraus sehr viel mehr als jemand, der immer nur Seminare gemacht hat und keine praktischen Erfahrungen hat.

FACT: Das läuft jetzt auf den Punkt hinaus, der für viele wohl der interessanteste ist. Wie kommen Sie denn eigentlich auf die einzelnen Szenen?

Keuler: Das ergibt sich eigentlich. Die Szene selbst, die Grundidee, der erste Einfall, also Figur und Situation meistens, das fällt mir irgendwo ein, und zwar seltener durch Beobachten, also daß ich irgendwas sehe und denke, das wäre nicht schlecht; wenn das so ist, bin ich meistens selber beteiligt. Häufiger ist es, daß mir irgendwie auf assoziativem Weg etwas in den Kopf kommt, also z.B. eine Figur, die das oder jenes machen könnte. Das ist aber nur die Grundidee, der allergröbste Umriß. Ich schreibe mir das meistens auf, ich habe da zu Hause einen Zettel mit was weiß ich wievielen Ideen - viel mehr als ich in meinem ganzen Leben an Sketchen schreiben kann. Ich brauche ja schon für eine Szene fast ein halbes Jahr. Jedenfalls wird diese Szene dann nach und nach ausgearbeitet. Ich schreibe das, lerne es, spiele es, merke z.B. da oder dort hängt's noch, dann schreibe ich’s wieder, spiel’s wieder, und das kann dann bis zu zehn, fünfzehnmal so gehen, bis ich die endgültige Fassung habe. Dadurch kommt es auch, daß die Stücke relativ lang sind, weil ich nicht so gerne Dinge wegstreiche. Heute sind ja Sketche oft nur 1 oder 2 Minuten lang, z.B. gespielte Witze, meine Sachen dagegen drehen sich eher um eine bestimmte Atmosphäre, wo ich was mir so einfällt zu dem Thema sammle und präsentiere, wo man aber nicht, wenn man den Schluß versäumt, den ganzen Sketch nicht verstanden hat.

FACT: Testen Sie neue Stücke dann vor Publikum?

Keuler: Jaja, ganz normal. Das würde ich zum Beispiel jetzt heute Abend spielen. Aber immer nur einzelne Teile, ich mache da keine Premiere, wo ich alles neu spiele. Das ist übrigens bei den meisten Clowns und Komikern so: die haben irgendwelche Programme, die sie dann nach und nach entwickeln.

FACT: Einen Testlauf beispielsweise im Freundeskreis gibt es also nicht?

Keuler: Nein. Nur gelegentlich. Ich habe einen Freund, der aus der Branche kommt und der sich da auskennt, dem trage ich das gelegentlich vor. Aber er ist der einzige, eben wenn ich wissen will, ist das jetzt total neben der Kappe, was ich vorspiele, kann man das überhaupt präsentieren, verstehen die Leute überhaupt, wo’s lang geht.

FACT: Und was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf allgemein am besten oder vielleicht auch nicht?

Keuler: Es gibt ja verschiedene Attraktivitäten. (lachend) Im Sommer kann es z.B. ganz angenehm sein, wenn man eine Woche am Bodensee spielt oder so. Aber grob gesagt, daß man sein eigener Herr ist, einem niemand vorschreibt, was man zu tun und zu lassen hat und man wirklich eine Arbeit macht, bei der man sich seine Themen selbst aussucht und seine Zeit selbst einteilt, das finde ich am angenehmsten. Unangenehm ist, daß man doch abends, wenn andere Leute Freizeit haben, oft auf der Bühne stehen muß, und, was wichtiger ist, daß dieser Beruf langfristig gesehen doch eine relativ unsichere Sache ist, wie bei vielen anderen freischaffenden Künstlern. Ich kann mich zwar überhaupt nicht beklagen, mir geht’s materiell eigentlich gut, und wenn das so bleibt bis zur Rente, werde ich einmal zufrieden zurückschauen können, aber das weiß man halt nicht. Da kann man irgendwann weg vom Fenster sein, das ist eine Unsicherheit, mit der man lebt. Nicht, daß ich da Angst haben müßte, aber ich kenne einige Leute in meinem Alter, die waren mal bekannt, die kennt man heute aber nicht mehr und die machen was anderes. Das habe ich immer im Hinterkopf, und deshalb würde ich niemals sagen, so, jetzt hab’ ich’s geschafft, jetzt kann ich mich zurücklehnen.

FACT: Der Bekanntheitsgrad ist in Ihrem Fall ja auch eher regional. Waren Sie auch schon einmal im Fernsehen oder planen Sie etwas in dieser Richtung?

Keuler: Also in Baden-Württemberg bin ich schon ziemlich bekannt, speziell natürlich im schwäbischen Teil. Außerhalb von Baden-Württemberg bin ich relativ unbekannt. Fernsehen und Radio allerdings ist für mich nicht so wichtig, ich muß mich da sogar eher rar machen, weil ich meine Stücke sehr langsam produziere, und wenn das dann in den Medien zu intensiv behandelt wird, sitzt das Publikum im Saal und kann alles schon mitsprechen. Da ist dann der Dampf draußen. Ich habe das mal erlebt, als ich meine zweite Schallplatte (Anm.d.Red.: “Der Betriebsausflug”) gemacht habe, die es im Gegensatz zur ersten noch gibt, und die relativ viele Leute kennen. Ich habe das so Ende der 80er Jahre erlebt, als ich viel von diesen Sachen noch gespielt habe und nicht viel neues dabei hatte, da hätten wir den halben Teil vom Programm im Chor sprechen können. Das ist nicht gerade angenehm. Oder wenn manche schon vorher lachen, dann versteht einer, der das Stück noch nicht kennt, die Pointe nicht. Von daher bin ich auf die Medien gar nicht so erpicht, aber andererseits kann man natürlich auch nicht ganz auf sie verzichten, weil sie schon ein wichtiger Multiplikator sind. Bloß kann man sich damit natürlich einiges kaputtmachen. Da kommen die Leute dann zwei, drei Jahre gerannt wie die Verrückten, aber dann sind sie übersättigt und wollen nichts mehr davon wissen. Deshalb wird es auch erst eine neue Platte geben, wenn nur noch ein paar Stücke aus dem aktuellen Programm dafür in Frage kommen, damit es nicht zuviel wird.

FACT: Gibt es unter Ihren Kollegen vielleicht auch Vorbilder oder finden Sie jemanden besonders originell bzw. nicht originell?

Keuler: Wer mir nicht so behagt, möchte ich jetzt so direkt nicht sagen. Das sind aber gar nicht wenige. Allgemein kann man sagen, was mir nicht besonders gefällt ist diese Comedy-Schiene, wo jeder, dem es vor zehn Jahren mal zu einem Auftritt beim Schulabschlußball gereicht hätte, heute sein Geld damit verdient, daß er mit einer Pappnase und Flossen über die Bühne läuft. Da lachen die Leute wirklich zum Teil über Sachen, bei denen es mir die Schuhe auszieht, sei es von der Tendenz oder vom geistigen Niveau her. (lacht) Ich schaue mir da manchmal Sendungen im Fernsehen bis zum Schluß an, weil ich nicht glauben kann, daß sowas im Fernsehen kommt; so etwas gefällt mir einfach nicht, weil es zu billig ist.
Wer mir dagegen sehr gut gefällt, sind Monty Python. Das sind meine absoluten Lieblingskomiker. Die gefallen mir heute noch so gut wie vor fünfzehn Jahren, die sind immer noch neu. Wer mir auch sehr gut gefällt ist Gerhard Polt.

FACT: Aber richtige Vorbilder gab es keine?

Keuler: Ich würde nicht sagen, daß ich richtige Vorbilder habe. Ich hoffe, daß ich schon ein bißchen eigenständig bin. Gut, ganz früher hat mir Karl Valentin gut gefallen, und wenn einem etwas gefällt, kommt man automatisch ein bißchen in die Schiene rein. Aber wenn jemand ernsthaft arbeitet, wird er schauen, daß er etwas eigenes macht, denn als Kopie kommt man nicht weit.

FACT: Gehen wir mal vom Beruf ein weg. Was machen Sie dann in Ihrer knappen Freizeit am liebsten?

Keuler: Lesen. Ich lese eigentlich gern Romane, speziell englische, aus dem 19. Jahrhundert, oder auch das, was man als “moderne Klassik” bezeichnet. Dazu aber auch jede Menge Sachbücher, v.a. aus dem Bereich Geschichte oder Soziologie.

FACT: Haben Sie außer “Goht a Mo durch dr Wald” (Anmerkung der Redaktion: Eines von Uli Keulers Stücken) einen Lieblingswitz?

Keuler: Ja, aber den erzähle ich nicht öffentlich.
Zu "Goht a Mo durch dr Wald" muß ich sagen, daß das tatsächlich mal einer von meinen Lieblingswitzen war, aber das ist er inzwischen natürlich nicht mehr, weil er sich für mich - weniger für das Publikum - doch ziemlich abgenutzt hat. Ich habe den bestimmt schon tausendmal erzählt, und dann ja immer mehrmals, da kommt man schon auf ein paar tausend mal.

FACT: Wie oft treten sie denn auf?

Keuler: Auf das Jahr verteilt etwa 100 bis 120 mal, überwiegend im schwäbischen Teil Baden-Württembergs, auch oft in eher ländlichen Regionen, vor manchmal 100, manchmal aber auch 1000 Leuten. Dabei suche ich mir eigentlich kein spezielles Publikum, sondern bin froh, wenn es möglichst breit gestreut ist. Wenn da ein Abend mit mir geplant ist, spiele ich nicht nur in einem Kabarett oder Theater, sondern eben auch mal für Schulen oder die Feuerwehr. Mir ist es wichtig, daß es die Leute, die es interessiert, auch erreicht, und daß es dabei auch über die reinen Kabarettgänger hinaus geht.

FACT: Vielen Dank für dieses interessante Gespräch und weiterhin viel Erfolg.

J.B. / M.S.