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 Wolle Kriwanek

Wolfgang “Wolle” Kriwanek wird in der Öffentlichkeit gerne als Schwabenrocker bezeichnet. In letzter Zeit ist er vor allem mit der neuen VfB - Hymne “Stuttgart kommt” wieder in aller Munde. Kriwanek kann mittlerweile auf eine über zwanzigjährige Bühnenkarriere zurückblicken, ist aber im Hauptberuf Lehrer. FACT traf den Musiker am 21.06.1997 in seinem Wohnort Backnang.

FACT: Sie sind im Hauptberuf Sonderschullehrer in Winnenden. Läßt sich das zeitlich mit Ihrer Musikerlaufbahn vereinbaren?

WK: Das geht schon. Wenn man in der Öffentlichkeit steht, täuscht das ein bißchen. Andere Lehrer sind in der Politik oder im Sportverein. Ich kann viel zu Hause machen und mir vorher schon ein bißchen einteilen. Mit meiner Band spiele ich ja hauptsächlich am Wochenende, nur ganz selten mal unter der Woche. Das kann man schon organisieren.

FACT: Sie schreiben ja auch zusätzlich noch eine Kolumne in der “Sonntag Aktuell” über hoffnungsvolle Nachwuchsbands.

WK: Dafür war ich erst gestern unterwegs und habe mir eine Band angesehen. Das muß ich mir eben rechtzeitig einteilen, denn ich schreibe erst über eine Band, wenn ich sie selbst gesehen habe. Früher, nachdem “Sonntag Aktuell” auf mich zugekommen war, erschien die Kolumne alle vier Wochen, das war schon sehr heftig. Jetzt haben wir noch ein oder zwei andsere Schreiber dazugenommen, so daß ich nur noch alle sechs Wochen dran bin. Die Zeit braucht man einfach, denn oft sieht man auch eine Band, bei der man noch bis zu einem späteren Zeitpunkt warten will, und außerdem bin ich eben auch selbst viel mit meiner Band (“Wolle Kriwanek Band”, die Redaktion) unterwegs. Aber das läßt sich organisieren, vor allem auch, weil ich in der Schule für langfristige Einheiten plane. Da setze ich mich dann hin und strukturiere beispielsweise mal Mathematik für drei Wochen durch, so daß ich dann nur noch die Unterlagen raussuchen und die Arbeitsblätter kopieren muß.

FACT: Welche Fächer unterrichten Sie denn?

WK: Alle, außer ein paar, was aber Zufall ist. Ich bin Sonderschullehrer für schwer erziehbare Kinder, und da muß man alles können. Ich bin zum Beispiel auch Klassenlehrer.

FACT: Ist es Zufall, daß Sie an einer Sonderschule unterrichten, oder wollten Sie das schon immer?

WR: Ich habe Grund- und Hauptschule studiert und wollte eigentlich später Realschullehrer werden. Ich bin aber dann zuerst an einer Sonderschule gelandet, was mir viel Spaß gemacht hat, weil man dort sehr emotional und mit einer ganz anderen Qualität unterrichten kann. Daher habe ich mich dann entschlossen, Sonderschulpädagogik nachzustudieren, und bin dann auch dabei geblieben.

FACT: Haben Sie durchgehend unterrichtet oder aufgrund Ihrer Musikkariere mal eine Pause eingelegt?

WK: Ich war von 1980 bis 1986 beurlaubt, dann hat Vater Staat eine Entscheidung gefordert: entweder kündigen oder wieder voll einsteigen. Ich habe mich dann entschieden, in die Schule zurückzugehen. Eine schwere Entscheidung, aber damals war die Dialektwelle sowieso gerade abgerollt und es war relativ ruhig. Ich habe dann auch viel für andere produziert und mit meiner Band trotzdem weitergemacht.

FACT: Wollten Sie schon immer Lehrer werden, oder war der Traum von der Musikkarriere größer?

WK: Seit meinem zwölften Lebensjahr wollte ich Lehrer werden. Ich hatte damals so ein Schlüsselerlebnis. Ich war zum ersten Mal allein in England, bei einer Freundin meiner Eltern, die dort Sonderschullehrerin in einem Heim war. Das war eine ganz heftige Abteilung, und als ich mit den Jungen dort Fußball gespielt habe, hat einer eine Verletzung vorgetäuscht. Wie ich zu ihm hingegangen bin, um zu sehen, was Sache ist, ist er aufgestanden und hat ein Tor geschossen. Da war ich als Zwölfjähriger total frustriert und habe ihn das auch spüren lassen. Da hat er mir dafür am nächsten Morgen meine Schuhe geputzt, die man damals noch vor der Tür stehen hatte, und zwar braune Schuhe blitzblank mit schwarzer Schuhcreme. Das war eine ganz hilflose Geste, die mich aber unheimlich berührt hat, so sehr, daß ich - so komisch das heute klingen mag - beschlossen habe, Lehrer für solche Kinder zu werden.

FACT: Sie haben die Musik also nie als ernsthafte Alternative betrachtet oder mit dem Gedanken gespielt, den Lehrerberuf dafür aufzugeben?

WK: Nie. Das hätte ich mir selbst eigentlich nie zugetraut. Ich habe das Gitarrespielen bei den Pfadfindern gelernt und dann mit einer Beat-Band in Jugendhäusern gespielt. Später habe ich angefangen, eigene Songs zu schreiben, gerade schwäbische, und dann hat sich das so langsam hochgeschraubt bis zum ersten Plattenvertrag, den ein Freund für mich eingefädelt hat. Irgendwann hatte ich dann grandiose Musiker um mich herum. Meine jetzigen Bandmitglieder haben zum Teil schon für Chris de Burgh oder Sting gespielt. Ich traue es mich fast nicht zu sagen, aber für mich war die Musik immer ein bezahltes Hobby, ich habe sie nie als Beruf empfunden, obwohl ich sie immer sehr ernsthaft und intensiv betrieben habe und auch Ambitionen hatte.

FACT: In letzter Zeit haben Sie sich vor allem wieder mit dem neuen VfB-Lied “Stuttgart kommt” einen Namen gemacht.

WK: Das kann ich gar nicht so sagen. Wir hatten unsere beste Zeit zu Beginn der achziger Jahre, da haben wir Hallen mit 7000 Leuten gefüllt. Da ging gnadenlos die Post ab, vor allem weil ich der erste Musiker in Deutschland war, der Rockmusik mit Dialekt verbunden hat. Im Frühjahr 1981 beispielsweise haben wir eine Tournee durch ganz Süddeutschland gemacht, bei der alle Hallen ausverkauft waren. Ich habe das damals manchmal selbst nicht glauben können, denn wir haben im Prinzip genau dasselbe gemacht wie davor, nur plötzlich lief es, davor nicht, und danach auch wieder nicht so sehr. Das hat mit der Neuen Deutschen Welle dann wieder etwas abgeebbt.

FACT: Nochmal zur VfB-Hymne. Kam der VfB da auf Sie zu?

WK: Der Herr Schäfer kam auf mich zu und hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, sowas zu machen. Das war eine Ehre und eine Herausforderung gleichzeitig für mich, denn es ist schwierig, etwas zu schreiben, was von allen Fans gleichzeitig angenommen werden und über Jahre hinweg aktuell sein soll. Deshalb habe ich lange recherchiert, und auch mit dem Gedanken gespielt, das Lied gar nicht selbst zu singen, sondern etwas für einen internationalen Star wie Elton John zu schreiben. Das hat leider nicht geklappt, und so habe ich das selbst gemacht. Ich habe das Konzept den Verantwortlichen anschließend vorgestellt, und da war gleich einhellig Zustimmung da. Aber insgesamt war das keine einfache Sache, ich mußte eine Menge Vorgaben und Überlegungen beachten.

FACT: Wahrscheinlich wird nach dem Pokalsieg auch der Verkauf kräftig anziehen. Man sieht die Platte gerade in allen Schaufenstern, da soll wohl die Gunst der Stunde genutzt werden!?

WK: Darüber bin ich gar nicht informiert. Ich wußte zuerst nicht einmal, daß das Lied auch in die Plattenläden kommt, das überrascht mich ein bißchen, denn ursprünglich war es nur für den Verkauf im Fanshop vorgesehen. Ich verdiene da auch kaum was dran, ich habe das nicht mit kommerziellen Interessen verbunden.

FACT: Was steht denn im Moment aktuell an?

WK: Wir sind mit der Band nach wie vor viel unterwegs. Ich finde nur ein bißchen schade, daß unsere Musik nicht mehr so oft im Radio läuft, weil Rockmusik generell keinen so hohen Stellenwert mehr hat wie früher. Dadurch haben wir nicht mehr dieselbe Breitenwirkung, aber sind trotz aller Aufs und Abs jetzt über zwanzig Jahre erfolgreich im Geschäft.

FACT: Was hat sich denn in dieser Zeit in der Branche verändert, was gefällt Ihnen, was nicht?

WK: Was mir gewaltig gegen den Strich geht, ist, daß bei den Medien nur noch Erfolg um des Erfolges Willen zählt. Die sind sich nicht zu schade, auch Mist zu spielen, wenn er erfolgreich ist. Das sehe ich aber wahrscheinlich auch aus dem Blickwinkel, daß ich Musik immer aus dem Bauch heraus zum Spaß gemacht habe, ohne kommerziellen Druck. Es gibt zwar immer noch grandiose Sachen, aber vieles ist einfach Geträllere, bei dem Aussagen verschwinden und man nur noch Party, Party, Party hört. Wenn ich Vollprofi wäre, würde ich das sicher nicht machen. Ich bin auch Vorsitzender der “Rockstiftung Baden-Württemberg”, die vom Land und vom SWF unterstützt wird und zum Ziel hat, die Rockmusik auf allen Ebenen zu unterstützen.

FACT: All das klingt ja recht stressig. Sie haben gesagt, Musik ist sowieso Ihr Hobby, aber gibt es daneben noch einen Ausgleich in der knappen Freizeit?

WK: Ich lese sehr gerne und viel, vor allem eben in den Schulferien. Zum Ferienbeginn decke ich mich immer bei meinem Buchhändler ein. Der kennt meinen Geschmack schon ganz genau und gibt mir dann immer Bücher für das ganze nächste Jahr mit, die ich mir dann entsprechend einteile.

FACT: Planung ist also alles?

WK: Ja, vor allem, weil ich in der Schule auch mit Erlebnispädagogik arbeite und dann oft einfach für zwei Wochen nicht da bin. Durch die Mehrfachbelastung ist einfach meine Freizeit immer fremdbestimmt, und meine guten Freunde akzeptieren das auch, genauso wie meine Familie.

FACT: Gibt’s etwas, was Sie unbedingt noch machen wollen?

WK: Ich bin angefragt worden, Songtexte für ein Musical zu schreiben, das nächstes Jahr in Stuttgart auf die Bühne kommen soll. Da ist aber noch nichts spruchreif. Das würde mich sehr reizen, denn das ist ein neues Metier, und es gibt nichts spannenderes, als Neuland zu betreten. Privat würde ich einfach gerne mehr reisen.

FACT: Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg.

J.B. / M.S.