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«Je heterogener, desto unzufriedener»

Kabinett stößt das Tor nach Deutschland auf

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«Je heterogener, desto unzufriedener»
von: Barbara Spitzer

 

Männer und Frauen bleiben bei der Arbeit eher unter sich - Stereotypen herrschen vor

Von AP-Korrespondentin Barbara Spitzer

München (AP) Männer und Frauen können bei der Arbeit nicht gut miteinander. Dies geht aus einer Untersuchung der Münchner Soziologie-Professorin Jutta Allmendinger hervor, bei der sie Musiker aus 78 Orchestern in Deutschland, Großbritannien und den USA befragte. Das Ergebnis: «Mit steigender Heterogenität einer Gruppe wächst die Unzufriedenheit beider Geschlechter mit der Arbeit, dem Ergebnis und dem Führungsstil», erläutert die Allmendinger im AP-Gespräch.

Gestützt wird der Befund von Ergebnissen aus einem laufenden Forschungsprojekt, die auf Analysen von Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) beruhen: Demnach beschäftigten 1994 rund 38 Prozent aller Betriebe in Deutschland ihrem so genannten Kernberuf ausschließlich Männer und 40 Prozent nur Frauen. In nur zwölf Prozent der Fälle war die Geschlechterverteilung in den für den jeweiligen Betrieb typischen Berufen annähernd ausgeglichen: Der Frauenanteil lag dort zwischen 30 und 70 Prozent der im Kernberuf tätigen Belegschaftsmitglieder. «Und da ist nur eine sehr langsame Veränderung zu erwarten», berichtet Allmendinger über ihr laufendes Projekt.

Noch deutlicher wird die Tendenz zu homogenen Gruppen beim Blick auf die Führungspositionen: In 74 Prozent der Unternehmen waren die leitenden Stellen ausschließlich mit Männern besetzt; in 17 Prozent aller Betriebe dagegen nur mit Frauen und in nur sechs Prozent der Firmen lag der Frauenanteil in leitenden Positionen zwischen 30 und 70 Prozent.

Dass Männer und Frauen bei der Arbeit eher unter sich bleiben, könnte an den Auswirkungen der Gruppenzusammensetzung liegen, erläutert die Soziologin: «Eine einzelne Frau oder ein einzelner Mann in einer Gruppe wird ohne weiteres 'weggesteckt', eine größere Heterogenität ist aber offenbar schwieriger zu bewältigen. Dann entstehen beispielsweise Konflikte um rare Ressourcen wie etwa Führungspositionen.»

Die Solidarität für Angehörige des eigenen Geschlechts führe dazu, dass die jeweilige geschlechtliche Minderheit schnell aufgebe - oder auf einer Beförderung beharre. Vor allem Männer in einer großen Frauengruppe stiegen häufig auf, wie eine Untersuchung gezeigt habe. «Das liegt daran, dass sie mit ihren grundsätzlich besseren Chancen auf dem Arbeitsmarkt auch mehr Druck machen können als Frauen», erläutert die Wissenschaftlerin. Die Tendenz zur Homogenisierung von Gruppen erklärt ihrer Ansicht nach unter anderem auch, warum trotz aller Bildungsoffensiven Männer und Frauen immer noch häufig in getrennten Bereichen tätig sind.

Eine psychologische Erklärung dafür seien Geschlechts-Stereotypen, die unbewusst nach wie vor griffen. «Männer werden spontan immer noch automatisch mit Berufstätigkeit assoziiert, während Frauen eher mit Familie in Verbindung gebracht werden», unterstreicht Allmendinger. Solche stereotypischen Zuordnungen gepaart mit männlichem Machtverhalten wirkten sich auf die Vergabe von Aufgaben und auf die Aufstiegsmöglichkeiten aus. Auch die in den Köpfen fest verankerte Rollenerwartungen wie «Ein Mann macht keine Babypause» trügen dazu bei, dass sich auf dem Arbeitsmarkt in puncto Geschlechtertrennung wenig verändert habe.

«Männer ohne Frauen machen Fehler»

Trotz der Spannungen, die gemischte Gruppen mit sich bringen, verwahrt sich die Soziologin aber gegen den Trugschluss, dass geschlechtshomogene Gruppen erfolgreicher seien, weil sie reibungsloser funktionierten. «Die Normen, die dann vorherrschen, können die persönliche Entwicklung des Einzelnen und die Arbeit der gesamten Gruppen gefährden», hält sie dagegen. Eine größere Heterogenität von Arbeitsgruppen fördere zum Beispiel die Kreativität bei der Suche nach Problemlösungen.

Die Wirtschaftsberaterin und Publizistin Gertrud Höhler ist sogar der Überzeugung, dass Männer ohne Frauen Fehler machen. In ihrem vor kurzem erschienenen Buch «Wölfin unter Wölfen» (Econ Verlag) plädiert sie deshalb für «mixed leadership» (eine gemischte Führung), in der sich die Denkweise der traditionell erfolgs- und sachorientierten Männer und die komplexere Problemsicht der Frauen ergänzen.

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Kabinett stößt das Tor nach Deutschland auf

Green-Card-Regelung für 20.000 Computerexperten beschlossen - CDU lässt Zustimmung im Bundesrat offen

Berlin (AP) Die deutsche Regierung hat 20.000 ausländischen Computerexperten das Tor nach Deutschland geöffnet. Das Bundeskabinett beschloss in Berlin die Green-Card-Verordnung, die aber nur in Kraft treten kann, wenn der Bundesrat zustimmt. CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz ließ das Verhalten der Union in der Länderkammer ausdrücklich offen.

Bayern hatte der Bundesregierung gedroht, die deutsche Green Card im Bundesrat zu stoppen, wenn sie das Arbeitsverbot für Asylbewerber aufhebt. Nach dem Willen von Rot-Grün können ab 1. August zunächst 10.000 Softwarespezialisten kommen, bei Bedarf weitere 10.000. Die Aufenthaltsdauer ist auf fünf Jahre begrenzt.

Trotz der Drohung aus Bayern lehnte Bundeskanzler Gerhard Schröder am Mittwoch noch einmal den Vorschlag der Union ab, im Zusammenhang mit der Green-Card-Regelung über ein Einwanderungsgesetz zu reden. Es gehe jetzt um «schnelle, präzise, unbürokratische» Lösungen und nicht um jahrelange Grundsatzdebatten. Die Green-Card-Maßnahme dürfe nicht mit dem Asylrecht verquickt werden.

Ziel der Regierung ist, den akuten Fachkräftemangel in der Computerbranche zu beheben. Experten gehen von mindestens 150.000 unbesetzten Stellen aus. Schröder nannte die Verordnung einen wichtigen Schritt im «globalen Wettbewerb um die besten Köpfe». Er sprach von 11.000 Stellenangeboten für IT-Fachkräfte, denen 4.700 Anfragen aus dem Ausland gegenüber stünden. Schröder will die Regelung ungeachtet einer Forderung der Wirtschaft nicht auf andere Branchen ausdehnen.

CDU-Vorsitzende Angela Merkel verwarf den Vorstoß der Regierung als «Flickschusterei». Polenz erneuerte die Forderung nach einem «verlässlicheren Konzept für die Zuwanderung einerseits und die Integrationsförderung andererseits sowie eine Initiative zu einer Harmonisierung des Asylrechts auf europäischer Ebene». Dafür wollten sich CDU und CSU im Bundesrat stark machen. «Der Ausgang der Abstimmung bleibt der Debatte im Bundesrat vorbehalten», sagte Polenz. CDU-Internet-Sprecher Thomas Heilmann forderte dagegen Zustimmung in der Länderkammer, obwohl die Green-Card-Regelung «wenig Wirkung» haben werde.

«Nachwuchspflege versäumt»

Schröder betonte, in Deutschland gebe es nicht genügend Computerexperten, der Markt werde aber «jetzt verteilt». Die USA, Frankreich und Großbritannien bemühten sich mit vergleichbaren Maßnahmen um diese Fachkräfte. Schröder begründete die Begrenzung auf 20.000 Experten damit, dass der Druck zur Ausbildung nicht von der Branche genommen werden solle. Er warf der Industrie vor, in der Vergangenheit allgemein die Nachwuchspflege versäumt zu haben.

Voraussetzung für den Aufenthalt in der Bundesrepublik, der bereits eine Woche nach Vorliegen eines Antrags genehmigt werden soll, ist ein entsprechender Hochschulabschluss oder - als Nachweis der Qualifikation - ein zugesagtes Jahresgehalt von mindestens 100.000 Mark brutto. Ausländische Studenten der Informatik oder verwandter Fächer müssen bei Stellenangeboten aus Deutschland nicht in ihre Heimat zurückkehren, sondern können im Rahmen der Regelung die Stelle antreten. Die IT-Fachkräfte können ihre Familien nachkommen lassen und sich in Deutschland selbstständig machen.

Schröder hofft nach eigenen Worten auf mehr Internationalität für Deutschland. Diese «muss verhindern, dass wir uns weiter den Unsinn leisten, mit Fremdenfeindlichkeit Wahlen gewinnen zu wollen.»


Peter Müller knüpft Ja zur Green Card an Einwanderungsgesetz

Junktim des Saarlands und anderer unionsregierter Länder - Quote von 300.000 Zuwanderern pro Jahr - Gabriel gegen Debatte

Hamburg (AP) Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller hat die Zustimmung der Union zur Green-Card-Initiative der Bundesregierung von einem Einwanderungsgesetz abhängig gemacht. «Es wird von Seiten des Saarlandes, auch von Seiten anderer unionsgeführter Bundesländer (im Bundesrat) ein klares Junktim geben», sagte der CDU-Politiker der «Welt am Sonntag». Ein Einwanderungsgesetz müsse noch in der laufenden Legislaturperiode verabschiedet werden. Der niedersächsische Ministerpräsident und SPD-Politiker Sigmar Gabriel dagegen lehnte eine Debatte über ein solches Gesetz am Samstag im Saarländischen Rundfunk ab.

Müller sagte, Zustimmung zu der punktuellen Green-Card-Aktion werde es nur geben, «wenn im Gegenzug über eine Regelung der gesamten Zuwanderungsproblematik geredet wird - in Gestalt eines umfassenden Einwanderungsgesetzes». Darin müssten alle Zuwanderungsgruppen und -gründe berücksichtigt werden: die Fachkräfte, der nachziehenden Familien, Asylbewerber, Bürgerkriegsflüchtlinge und Aussiedler. Als vertretbare Zuwanderungszahl nannte er 300.000 Personen pro Jahr; die Asylbewerber sollen darin enthalten sein.

Müller erneuerte die Forderung der CDU/CSU, mit einem solchen Gesetz auch das Asylrecht neu zu regeln und es als individuelles Recht abzuschaffen. Die Bundesregierung dürfe «nicht länger kneifen» und müsse noch vor der nächsten Bundestagswahl ein Einwanderungsgesetz zu Stande bringen, forderte der Ministerpräsident. Anderenfalls schließe er «eigene Gesetzesinitiativen über den Bundesrat durch die Unionsländer nicht aus».

Dagegen lehnte Gabriel eine solche Debatte ab. Er vermute, dass die CDU sie aber wolle, «um am Ende eine Auseinandersetzung a la Hessen zu führen, wo dann Fremdenfeindlichkeit geschürt wird», sagte er. Die Green-Card-Regelung zur Anwerbung von 200.000 ausländischen Computerexperten sei ausreichend. Er befürwortete es aber, den Unternehmen bei der Anwerbung ausländischer Kräfte Möglichkeiten zu geben, «die sie im Fußball längst haben». Deutschland konkurriere weltweit um Spitzenkräfte. Notwendig sei eine pragmatische Politik, «nicht die ideologische Debatte um ein Einwanderungsgesetz».

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