EU

Mehr Macht dem EU-Volk?

Von Marco Kauffmann

Über die Köpfe ihrer Untertanen hinweg betrieb die Europäische Union bisher ihre Politik. Im Königsschloss zu Laeken gelobten die EU-Staats- und -Regierungschefs Besserung. In der Erklärung von Laeken gestehen die Exzellenzen ein: "Viele Bürger finden, die Europäische Union müsste stärker auf ihre konkreten Sorgen eingehen." Und so beschloss die EU-Spitze am Wochenende, die Zukunft Europas in die Hände eines breit abgestützten Konvents zu legen: Um die 100 Köpfe, unter ihnen gewählte Parlamentarier, sollen eine Verfassung für Europa ausarbeiten. Zugeschaltet werden auch die Zivilgesellschaft und die EU-Beitrittskandidaten.

Einen Konvent einzuberufen und damit eine Art europäische Vernehmlassung durchzuführen, ist eine gute Sache. Der interessierte Bürger soll den Prozess im Internet verfolgen können, soll dort beispielsweise erfahren, ob die 100 Weisen dem Europäischen Parlament mehr Befugnisse einräumen wollen. Der Konvent-Abt, der französische Ex-Präsident Giscard d''Estaing, ist Persönlichkeit genug, um sich nicht von nationalen Interessen vereinnahmen zu lassen und - zusammen mit dem bunten Haufen der Konventualen - bis im Jahre 2003 kluge Reformvorschläge auszubrüten.

Aber das bedeutet noch nicht, dass die machtverliebten EU-Chefs plötzlich zu bürgernahen Politikern konvertiert sind, die einen Teil ihrer Macht bereitwillig abgeben. Der deutsche EU-Parlamentarier Elmar Brok befürchtet zu Recht: "Die Regierungschefs werden sagen: Danke Konvent, das war ein schönes Papier." Und dann damit machen, was ihnen passt. Sie werden die Optionen auswählen, die ihnen genehm sind, den Rest ablehnen.

Zu verhindern ist solches nicht. Der Konvent vermag moralischen Druck auszuüben, wenn er Lösungen vorlegt, die von einer Mehrheit seiner Teilnehmer unterstützt werden. Doch verbindlich entscheiden allein die Staats- und Regierungschefs - vermutlich im Jahr 2004. Erst dann wird sich ein Sondergipfel den Empfehlungen des Konvents zuwenden. Und erst dann wird sich zeigen, wie stark der EU-Spitze Bürgernähe und Demokratie wirklich am Herzen liegen.

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