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`Demütigung statt Schläge: Frauen taktieren subtil.

2003 will Christian Engelhart, 40, in Zürich ein Männerhaus eröffnen.


Demütigung statt Schläge: Frauen taktieren subtil.

Wunden gibts auch so, sagen Fachleute ­ und bieten Hilfe an für Männer in der Opferrolle.
Von Ruth Brüderlin und Nina Merli

Ausgerechnet die brave Julia Roberts schlug zu. Hart und zielsicher. Ihre Tatwaffe: ein T-Shirt. Ihr Opfer: die Frau ihres Geliebten. Kalt lächelnd setzte sich die begehrteste Schauspielerin Hollywoods kürzlich in ein gut besuchtes Café. Weder Pflanzen, Mantel noch andere Gäste behinderten die Sicht auf ihr weisses T-Shirt. Dort prangte in grossen Lettern: «A Low Vera». Die mysteriöse Botschaft auf dem T-Shirt galt Vera Moder, der Ehefrau von Roberts neuem Freund Dany Moder. Diese Vera will sich partout nicht scheiden lassen. A Low Vera lässt sich gleich dreideutig übersetzen. Erstens als «Hallo, Vera» («Ich bin noch da»), zweitens als «Erlaube es, Vera» («Willige endlich in die Scheidung ein») und drittens schliesslich als «würdelose Vera» («Gib endlich auf, du bist geschlagen»).

Die öffentliche Blossstellung ist für das Opfer ein Schlag ins Gesicht. Allerdings einer, der keine Fingerabdrücke hinterlässt. Denn Handgreiflichkeiten gelten als unweiblich und sind darum nichts für kultivierte Frauen. Sie kennen andere Metho-den, eine Rechnung zu begleichen. Perfidere. Wenn Frauen richtig zuschlagen, tragen ihre Gegner keine blutigen Nasen davon, dafür aber ein paar tiefe Schrammen auf ihrer Seele. Das Arsenal an weiblichen Waffen ist beachtlich: anschwärzen, manipulieren, intrigieren, rächen, erschleichen, entziehen, verlassen, verleumden, verraten, verweigern, hintergehen, Schuldgefühle auslösen, blamieren.

Blossstellen ist besonders beliebt in Partnerschaften. Spurt er nicht, lässt sie ihm die Hosen runter. So liess das ehemalige Spice-Girl Mel B. öffentlich verlauten, sie habe sich getrennt, weil Gatte Jimmy Guzlar eine Niete im Bett sei. Wieso sie das erst nach der Hochzeit merkte, bleibt bis heute ein Rätsel. Doch nicht nur bei den Stars sind fiese Tricks beliebt. Auch Susi, 21, aus Sankt Gallen, wischt nach einem Streit ihrem Tom, 23, eins aus, indem sie ihn blamiert ­ am liebsten vor seinem Arbeitgeber. Sie stellt einfach nächtens heimlich den Wecker ab. «Ich muss morgens sowieso nie früh aufstehen», sagt die Studentin lapidar. Anders Tom. Vom Bankangestellten wird pünktliches Erscheinen um acht Uhr erwartet. «Bis er am Abend wieder nach Hause kommt, hat er sich längst abgeregt und ist mir nicht mehr böse», sagt Susi.

Selbstverständlich würde sich Susi nie als gewalttätig bezeichnen. Die Psychologie hingegen schon. «Psychische Gewalt ist absolut mit körperlicher Gewalt gleichzusetzen», erklärt die Psychoanalytikerin und Buchautorin Maja Storch («Die Sehnsucht der starken Frau nach dem starken Mann»). «Frauen und Männer sind unterschiedlich sozialisiert. Typisch männliche Gewalt ist körperlich ­ er schlägt zu. Typisch weibliche Gewalt psychisch ­ sie macht Terror.»

Die Mittel sind verschieden, das Ziel bleibt dasselbe: Disziplinierung und Unterwerfung des Gegners. Dennoch bleibt physische Gewalt bei Frauen ein Tabu. Frauen dürfen zwar selbstbewusst und selbstständig sein, aber nicht aggressiv und schon gar nicht gewalttätig.

Die Feministin Erin Pizzey hinterfragt dieses Bild. Die Engländerin hat 1972 das weltweit erste Frauenhaus gegründet. Ausgerechnet sie fällt mit ihrem Buch «Prone to Violence» («Der Gewalt zugeneigt») ihren Geschlechtsgenossinnen in den Rü-cken: In jahrelanger Arbeit mit Frauen aus schwierigen Verhältnissen hat sie die Erfahrung gemacht, dass viele die Probleme selber verursachten. Eine ketzerische Aussage. Besagt doch das Klischee, dass Gewalt männlich ist. Pizzey sieht das anders. «Frauen, die von Gefühlen wie Rachsucht und Feindseligkeit getrieben werden und ein destruktives Verhalten an den Tag legen, sind Familien-Terroristinnen», schreibt sie. «Sie sorgen ständig für Unruhe und Aufruhr, womit sie bei ihren Angehörigen Ausbrüche provozieren. In der Folge entsteht dann der Eindruck, die anderen seien das Problem, während die heimliche Terroristin als die Unschuldige dasteht, die sich mit Engelsgeduld alles gefallen lässt.»

Markus Theunert, Psychologe FSP und Initiant der Schweizer Männerzeitung (www.maenner.be), bekräftigt: «Liebesentzug oder giftige Kränkungen wie das ständige, zielsichere Bohren in wunden Punkten oder ein zynisches Lächeln, das dem Partner das Gefühl gibt, ein Versager zu sein, sind am Schlimmsten. Versteckte, sys-tematische Demütigungen verletzen tiefer als eine offene Gemeinheit ­ oder eine kräftige Ohrfeige aus dem Affekt.»

Es gibt viele Mittel, subtil gewalttätig zu sein. Nadja, 32, etwa verweigert ihrem Lebenspartner Sex, wenn sie sich über ihn ärgert. «Ich kann das locker drei Wochen durchziehen», sagt die Bankangestellte aus Solothurn. Eva, 26, Modedesignerin aus Zürich, demütigt ihren Freund gerne mit Erzählungen über die Penisgrösse ihres ehemaligen Freundes. Marketingfrau Dolores, 35, diszipliniert ihren Liebsten mit einem spöttischen Blick und hochgezogener Augenbraue, wenn er euphorisch von seinen beruflichen Projekten erzählt. «Ich brauche gar nichts mehr zu sagen», erklärt Dolores, «er weiss, dass ich ihn für einen Träumer und Versager halte.» Ohne die Hand zu erheben, ohne ein lautes Wort und ohne es sich bewusst zu sein, sind diese Frauen hochgradig gewalttätig, ihr Verhalten äusserst aggressiv.

Schon früh versuchte die feministische Forschung nachzuweisen, dass Frauen nicht weniger aggressives Potenzial haben als Männer. Denn Aggression an sich ist nicht unbedingt etwas Schlechtes: Sie ist für beide Geschlechter ein wichtiger Antriebsfaktor. In unserer leistungsorientierten Ge-sellschaft gilt die Maxime: Aggression gibt Power, lässt einen Ziele leichter erreichen. Ohne ein gewisses Mass an Aggression wären alle ­ Männer und Frauen ­ Waschlappen. Dass man Aggression durchaus positiv nutzen kann, lernen Frauen am Gottlieb-Duttweiler-Institut. Unter dem Titel «Böse Mädchen kommen in die Chefetage» wurde das Seminar «Aggressionstraining für Frauen» über zehn Mal durchgeführt, im September ist der nächste Kurs geplant. Das Interesse ist riesig: Der Kurs war bisher jedesmal ausgebucht ­ trotz happigem Preis von 2100 Franken für eineinhalb Tage. «Wer wirklich Karriere machen will, muss manchmal einfach zu fiesen Mitteln greifen», sagt Organisatorin Annemarie Vogl. Wichtiger Bestandteil des Kurses sei der so genannte heisse Stuhl. Jede Teilnehmerin muss im Laufe des Kurses einmal darauf Platz nehmen und wird dann mit den ­ fiktiven, aber äusserst harten ­ Vorwürfen der restlichen Frauen konfrontiert. Gegen die muss sie sich genau so aggressiv wehren können.

Oft aber wissen Frauen nicht wohin mit ihrer Aggression und richten sie gegen sich selber. Die Folgen: Depressionen, Migräne, Selbstverstümmelungen sowie Fress- oder Magersucht. Laut Psychologen sind solche Störungen allerdings oft ein Mittel, um die Aufmerksamkeit der Umwelt, speziell die des Partners, zu gewinnen.

Lieber aber wetzen Frauen ihre Krallen an einem valablen Gegner. Die Bielefelder Soziologin Christiane Schmerl sagt: «Das häufigste Ziel weiblicher Aggression ist eine andere Frau, das zweithäufigste der eigene Ehemann. Das häufigste Motiv aber sind Männer und ihr Verhalten.» Und da sind Frauen nicht zimperlich. Schmerl hat herausgefunden, dass «nicht nur in westlichen Ländern, sondern überall in der Welt weibliche Aggression die volle Bandbreite der menschlichen Möglichkeiten ausschöpft». Schlagen Frauen Krach, geht es laut Schmerl meist um Nahrung, Geld, Land, Männer, den Schutz von Kindern, Ärger mit der Verwandtschaft oder Streit mit dem Ehemann.

Tut er nicht gut, gibts eins auf den Deckel. Weil die Frau aber nicht über genügend körperliche Kraft verfügt, greift sie zu anderen Mitteln, die sie im besten Fall auch noch als bedauernswertes Opfer dastehen lassen. So, wie die ehemalige Miss Schweiz Patricia Fässler, 26. Als ihr Freund Moody Fayed, 32, sie schwanger sitzen liess, trieb sie ab und liess sich in desolatem Zustand fotografieren. Damit wollte sie den Geliebten manipulieren. Er sollte reumütig zu ihr zurückkehren. Es klappte nicht. Dafür waren die Rollen ein für alle Mal verteilt: Arme Patricia versus bösen Moody. Die deutsche Schauspielerin Uschi Glas zeleb-rierte ihr Ehedrama ebenfalls öffentlich. Ihr Gatte Bernd Tewaag ging fremd mit der 30-jährigen Würstchenverkäuferin Anke S. und wurde ertappt ­ er wurde dafür wochenlang mit fetten Schlagzeilen bestraft. Sein Ruf ist ruiniert.

Prominente haben den unvergleichlichen Vorteil, dass sie die Presse einspannen können, um einem Gegner beziehungsweise einer Gegnerin ans Schienbein zu treten. Doch auch unbekannte Zeitgenossinnen verfügen über ein unerschöpfliches Ideen-Reservoir: Handys in Blumentöpfe eingraben, des Gatten Schwarzarbeit beim Steueramt ausplaudern und ­ sehr beliebt ­ ihn aussperren, wenn er nicht zurzeit heimkommt. Oder ihn gar nicht ausgehen lassen. Wie Vivian. Die 29-jährige Journalistin liess den Hund ihres Freundes Frittieröl trinken, in dem sie vorher Schweinefleisch zubereitet hatte (mit süss-saurer Sauce wie in China-Restaurants). Hund und Herrchen verbrachten die halbe Nacht auf der Wiese vor dem Haus ­ «Fido» kotzend und mit Durchfall, Besitzer Freddy dem entgangenen Bier mit Töfffreunden nachtrauernd. Vivian lag derweil mit Unschuldsmiene auf dem Sofa.

Wehe dem Mann, der nicht tut, wie sie will. Karin, 44, aus Zürich rächt sich, wenn sie das Gefühl hat, ihr Mann beachte sie zu wenig. «Ich schicke mir selber riesige Blumensträusse mit Liebeserklärungen», sagt sie. «Oder ich täusche am Telefon Gespräche mit angeblichen Verehrern vor.» Manchmal zieht sie sich auch extra sexy an und behauptet, sie gehe mit einem Kollegen essen. In Wirklichkeit sitzt sie dann bei einer Freundin und schaut Fernsehen.

Weil Frauen solches Tun nicht als Gewalt empfinden, haben sie auch selten ein schlechtes Gewissen. Wozu Reue? Sie haben sich nur gewehrt. Nicole, 27, aus Solothurn wurde nach drei Jahren von ihrem Peter sitzen gelassen. Zutiefst verletzt, drängte die Werbeassistentin vier Kolleginnen, sich im Abstand von mehreren Wochen scheinheilig nach Peters Befinden zu erkundigen. «Sie haben die Verständnisvolle rausgehängt und mit ihm geflirtet», erzählt Nicole. Peter lud jede zum Essen ein. Jede machte ihn nach Kräften an. Jedesmal musste er die Rechnung bezahlen ­ und jedesmal wurde er wie ein Hund weggejagt, wenn er zärtlich werden wollte. «Das war ein harter Schlag», freut sich Nicole, «für sein Ego und für sein Portemonnaie.» Gewissensbisse? «Es ist mir scheissegal, wie er sich fühlt. Hauptsache, ich konnte ihm eins auswischen.» Sie hätte sich auch mit einem kräftigen Schlag auf seine Nase Luft machen können. Aber das liegt nicht jeder. «Denn», sagt Psychoanalytikerin Storch, «körperliche Gewalttätigkeit und Ausrasten sind nicht primär ein Männer- oder Frauenproblem, sondern das Problem eines cholerischen Temperaments. Und das ist geschlechtsunabhängig».

Frauen tun sich allerdings selber keinen Gefallen, wenn sie sich ständig als Unschuldslämmer darstellen. Denn Intrigantinnen werden im Endeffekt nicht ernst genommen. «Dem Mann heimlich eins auszuwischen oder ihn mit Sticheleien zu erniedrigen, ist kein reifes Verhalten», urteilt Psychologe Markus Theunert. «Eine Frau mit Rückgrat sagt geradeheraus, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlt.» Insofern handelt sogar die Frau, die ihrem Liebsten aus Wut das Handy im Blumentopf vergräbt, aufrichtiger als jene, die ihm mit einer möglichst ausgefeilten Softkampftechnik feige in den Rücken fällt. Raffinierterweise bewegen sich rachsüchtige Frauen auch gern genügend weit von der ahndbaren Grenze zur Kriminalität entfernt. Manchmal allerdings passiert ein Lapsus. Die Bündnerin Bett

ina trennte sich von ihrem Ehemann Claude, weil sie sich in einen anderen verliebt hatte. Als aber der Verlassene ebenfalls wieder ein neues Liebesglück fand, war Bettina ausser sich und startete ihren Psychoterror. Sie begann mit anonymen Anrufen. Dann liess sie die Post ihres Nochgatten an ihre eigene Adresse umleiten oder parkierte sein Auto ­ zu dem sie noch immer einen Zweitschlüssel besass ­ heimlich um. In ihrer Wut demolierte Bettina seine Wohnungstüre und erzählte dann der Polizei, er habe sie angegriffen. Der Terror liess erst nach, als Bettina versehentlich ein Droh-Mail von ihrer Geschäftsadresse aus schickte ­ und Claude endlich etwas gegen sie in der Hand hatte.

Ihr Tun war kriminell ­ aber schwer zu beweisen. Selbst wenn Beweise vorliegen, zögern Männer oft, sich freiwillig in die Rolle des Opfers zu begeben. Erstens glauben Autoritäten und Gesellschaft eher der Aussage einer Frau ­ speziell bei heiklen Themen wie Vergewaltigung und Kindsmissbrauch ­, zweitens bedeutet Opfer zu sein, Schwäche zuzugeben, sich nicht wehren zu können, den Kürzeren zu ziehen.

Erst recht schweigen Männer, wenn sie von ihren Frauen verprügelt werden. Noch gehen gegen 90 Prozent der häuslichen Gewalt auf das Konto von Männern, doch die Frauen holen auf. Weibliche Schläger werden ­ Lara Croft, Naomi Campbell und anderen Frauen mit durchschlagenden Fähigkeiten sei Dank ­ zunehmend gesellschaftsfähig. Genaue Zahlen gibt es nicht. Noch nicht. Doch sind bei etwa zehn Prozent der Schlägereien unter Paaren die Frauen diejenigen, die die Hand erheben. Der Zürcher Soziologieprofessor François Höpfliger sagt: «Es ist eine Minderheit von Männern, die von ihren Frauen körperlich gezüchtigt werden. Die meisten schämen sich und fordern kaum Beratung an. Wehrlose Männer gelten als schlapp und stossen ­ auch bei Frauen ­ kaum auf Verständnis.» Fachleute schätzen, dass das Problem von Männern, die regelmässig verprügelt werden, in nächster Zeit rasant zunehmen wird. Noch dieses Jahr soll in Berlin das erste Männerhaus die Pforten öffnen. Ein ähnliches Projekt für Zürich ist bereits in Planung. Wenn Frauen ausrasten, dann richtig. Schaffen sie es nicht mit Körperkraft, sind sie in der Wahl der Waffen nicht zimperlich. Kürzlich verstarb Lisa «Left Eye» Lopes, Sängerin des erfolgreichen Rhythm-and-Blues-Trios TLC («Waterfall») bei einem Autounfall. Mit ihr starb ihr Freund, Football-Profi Andre Rison. 1994 hatte Lopes nach einem Streit seine Millionen-Villa abgefackelt. Er erstattete keine Anzeige. Trotzdem wurde Lopes zu fünf Jahren Gefängnis bedingt verurteilt und in eine Anstalt eingewiesen.

Endet ein Fall vor Gericht, sind gewalttätige Frauen schlechter gestellt als Männer. Kriminelle Frauen erregen nicht nur besonders viel Aufsehen, sie werden für das gleiche Delikt auch härter bestraft als Männer. Erst recht, wenn sie zu Mörderinnen werden. Gerichtsreporter und FACTS-Redaktor Walter Hauser belegt in seinem Buch «Im Zweifel gegen die Frau», dass Frauen für ein Tötungsdelikt viel härter bestraft werden als Männer. Hauser: «Es herrscht eine eigentliche Geschlechter-Justiz. Männern wird viel eher zugebilligt, im Affekt getötet zu haben. In der Folge werden sie eher wegen Totschlags angeklagt. Bei einer Frau hingegen ist sofort von gemeinem, hinterhältigem Mord die Rede, was meist die Höchststrafe bedeutet.» Spätestens dann ist die Frau tatsächlich wieder in der Rolle des Opfers.

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2003 will Christian Engelhart, 40, in Zürich ein Männerhaus eröffnen. Der Initiant glaubt, dass Männer in Krisen vermehrt Hilfe in Anspruch nehmen wollen.

FACTS: Herr Engelhart, wieso braucht es ein Männerhaus?
Christian Engelhart: Das Bedürfnis danach ist gross. Es gibt überall Frauenhäuser, aber ein Pendant für Männer fehlt schlicht und einfach. Dabei ist es höchste Zeit, ein stationäres Hilfs- und Beratungszentrum für Männer einzurichten.

FACTS: Nehmen Männer Hilfe von aussen überhaupt an?
Engelhart: Tatsächlich sind wir Männer darauf programmiert, Krisen oder schwierige Lebenssituationen allein zu bewältigen. Wir sind nicht gewohnt, Hilfe zu suchen. Aber langsam tut sich etwas: Männer lernen allmählich, sich in einer Krise unterstützen zu lassen.

FACTS: Gelten männliche Opfer in unserer Gesellschaft als Waschlappen?
Engelhart: Das ist schon so. Vor allem unter heterosexuellen Männern gelten Geschlechtsgenossen, die nicht konstant Stärke markieren, schnell als Warmduscher. Selbst Frauen suchen primär die so genannte starke Schulter, obwohl sie oft das Gegenteil behaupten. Dabei ist es gerade ein Zeichen von Stärke, Schwäche zeigen zu können.

FACTS: Trotzdem herrscht das Klischee vor, Opfer seien immer weiblich und Täter männlich. Ist weibliche Gewalt ein Tabu?
Engelhart: In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren waren in der öffentlichen Auseinandersetzung stets die Männer die Prügelknaben. Die meisten gehen mit dem Bewusstsein durchs Leben, die Bösen zu sein, die Täter. Darum würde ich eher be-haupten, dass männliche Opfer ein Tabu sind ­ sogar auf Bundesebene.

FACTS: Wieso?
Engelhart: Für nächstes Jahr ist eine nationale Kampagne gegen häusliche Gewalt geplant. Dabei wird aber nur von männlichen Tätern ausgegangen. Von Frauen verübte Gewalt wird nicht einmal in Betracht gezogen. Zudem weist auch die Gesetzgebung Lücken auf. Als unverheirateter Vater habe ich beispielsweise meiner Tochter gegenüber nur Pflichten, aber keinerlei Rechte.

FACTS: Wie drückt sich denn weibliche Gewalt aus?
Engelhart: Einerseits, in dem Frauen körperlich zuschlagen. Anderseits üben sie sehr häufig psychische Gewalt aus. Der Begriff Gewalt müsste genau definiert werden. Denn die psychische Form von Gewalt umfasst eine sehr breite Palette. Etwa gemeinsame Kinder, die von Frauen leider oft als Druckmittel eingesetzt werden. Das geht von der Verweigerung des Besuchsrechts bis zum Aufhetzen gegen den leiblichen Vater. Aber auch Denunziationen, Fertigmachen oder Verleumdung sind Mittel, die Frauen gerne anwenden.

FACTS: Dafür werden Männer öfter handgreiflich. Sind die Folgen von körperlicher und psychischer Gewalt dieselben?
Engelhart: Ich denke schon. Psychische Gewalt, die von Frauen ausgeht, wird tabuisiert oder stark bagatellisiert. Dabei können die Folgen gravierend sein. Etwa dreimal mehr Männer als Frauen bringen sich nach einer Trennung um. Viele Männer gleiten in den Alkoholismus ab, weil sie dem Druck nicht mehr standhalten. Lange war ich selbst überzeugt, Männer seien grundsätzlich die Täter und Frauen die Opfer. Seit ich mich aber intensiv mit Männern in Krisen beschäftige, habe ich meine Meinung geändert. Das Klischee vom Täter Mann und der Frau als Opfer stimmt einfach nicht.

FACTS: Trotzdem: Körperliche Gewalt wird mehrheitlich von Männern ausgeübt.
Engelhart: Neue Studien belegen, dass Gewalt in Beziehungen zu fast gleichen Teilen von Männern und Frauen ausgeht. Greifen Männer zu körperlicher Gewalt, ist das häufig ein Zeichen von Hilflosigkeit, weil sie überfordert sind und nicht mit einer Situation umgehen können. Was keinesfalls eine Entschuldigung sein soll. Wenn hingegen ein Mann von seiner Partnerin geschlagen wird, schämt er sich und behält es lieber für sich ­ daher gibt es auch kaum Zahlen und Angaben über geschlagene Männer.

FACTS: Körperlich ist ein Mann überlegen. Wieso lässt er sich dann schlagen?
Engelhart: Eine schwierige Frage. Die Gründe sind vielfältig und meistens psychosozial: Ohnmachtserlebnisse aus der Kindheit, Gefühle von Hilflosigkeit oder einfach das Unvermögen, sich einer Frau gegenüber adäquat zu wehren.


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