Handy

*freud* herrscht

SMS verändert die Kommunikation. Vor allem Junge nutzen die Kurznachrichten in einer neuen Sprache.

Von Serge Hediger

Sie treiben es ungeniert im Zug und hemmungslos im Restaurant. Sie ............ es heimlich unter der Schulbank und öffentlich mitten auf der Strasse. Die einen schaffens mit links und flinkem Daumen, andere brauchen beide Hände. Sie sind konzentriert und schnell. Was aber machen die bloss? Sie kommunizieren, doch sie ............ kein einziges Wort.

Wer sich heute etwas zu sagen hat, schreibt. Er tippt die Worte kurz in einer speziellen Sprache ins Handy. SMS - Short Message Service, englisch für Kurzmitteilungsdienst - heisst das neue Medium zum Zweck. Und so viel zu sagen hatten sich die Menschen noch nie. Vor allem Jugendliche im Alter zwischen 15 und 25 Jahren.
Jeden Tag werden in der Schweiz rund vier Millionen Kurznachrichten über Mobiltelefone ............ . Über zwei Millionen allein auf dem Netz der Swisscom - dreimal mehr als noch vor einem Jahr. Die Beliebtheit wächst weltweit: Neun Milliarden SMS-Botschaften ............ im vergangenen September versandt, im Dezember werden es zehn Milliarden sein.

SMS-Kommunikation ist meist banaler Smalltalk, dafür aber bis zur Unverständlichkeit ............ . Das liest sich dann beispielsweise so: *freud* CU nxt WoEn thx & LieGrü :-0 Übersetzt heisst das: Ich freue mich. Wir sehen uns nächstes Wochenende. Danke und liebe Grüsse. Küsschen. Derartige Kryptografie erscheint häufig auf den Displays der jugendlichen Handy-Benutzer. Beispielsweise bei Sabrina Baumer aus dem zürcherischen Geroldswil: ILYF - «I Love You Forever» ist die Buchstabenfolge, die die Coiffeuse-Lehrtochter am häufigsten ins Handy ............, wenn sie ihrem Freund schreibt.

i. Ergänzen Sie die Lücken im Text :

 verkürzen  tippt  spricht  schreiben
 verschickt  macht  würden  verschüsselt
 tun  reden  wurden  schicken

70 Prozent der Schweizer Bevölkerung besitzen ein Mobiltelefon. SMS war ursprünglich ein kostenloser Zusatzdienst, ein Pager im Handy. Mit dem Kurznachrichten-Boom hat keiner gerechnet. «Was vor wenigen Jahren noch eher eine Randerscheinung gewesen ist, hat sich heute in ein Phänomen des Massenmarkts verwandelt», kommentiert Jim Healy von GSM, dem Verband der weltweit marktführenden Mobiltelefon-Technologie. «In der Welt der drahtlosen Kommunikation stellen wir auf allen Märkten eine Veränderung vom Verbalen zur visuellen Vielheit fest.»

Die Attraktivität der Textbotschaften liegt im günstigen Preis. Eine SMS kostet je nach Telecomfirma 20 oder 25 Rappen. Zum Handykauf als Geschenkidee für Weihnachten locken Telecomfirmen mit 200 Gratis-SMS. Das macht das Versenden von Kurznachrichten - SMSlen, Simsen oder Sümseln genannt - besonders bei Taschengeld- oder Lehrlingslohn-Empfängern beliebt. Jugendliche sind die intensivsten Handyschreiber.

In der Liste ihrer Ausgaben stehen die Kosten für SMS mit 19 Prozent bereits an vierter Stelle. Mehr Geld von ihren durchschnittlich 412 Franken Lohn oder Taschengeld geben 13- bis 22-Jährige gemäss einer Umfrage des TV-Senders Viva-Swizz nur noch für den Ausgang, CDs und Kleidung aus. Mobiltelefonieren steht im jugendlichen Medienbudget abgeschlagen auf Platz 8, die Kosten fürs Internet auf Platz 10.

ii. Wie schreibt man genau im Text ?

Am Anfang
niemand hat daran gedacht
nicht im Zentrum
DIe Mobiltelefonie
anziehen
Die HauptSMSverwender
laut

160 Buchstaben und Satzzeichen kann eine SMS maximal lang sein. Diese Beschränkung der Textlänge hat eine neue Sprache hervorgebracht. Sie besteht aus einem Mix von Englisch und Deutsch, geschrieben in freier Interpretation der Rechtschreibregeln, aus Abkürzungen und comicartigen Gefühlsäusserungen. Satzzeichen werden nur für Piktogramme und die aus dem Internet bekannten Emoticons verwendet - Smiley-Gesichter aus Punkt, Komma und Strich.

Der Chat-Jargon verbindet Teens zu einer verschworenen Gemeinschaft. Ihre Sprache ist vergleichbar mit Geheimschriften, wie sie Schüler seit jeher erfinden. «Damit signalisieren sie Zugehörigkeit gegen innen und Unverständlichkeit gegen aussen. Die SMS-Sprache symbolisiert Inklusion und Exklusion», sagt der Hamburger Trendforscher Holm Friebe. «Wer 15 ist, will nicht, dass Eltern oder Lehrer die eigene Kommunikation nachvollziehen können», sagt der Schweizer Martin Campiche, Marketingdirektor von Motorola. «Da findet etwas statt, von dem Autoritätspersonen keine Ahnung haben.»

Handy-Herstellerin Motorola hat diesen Herbst die University of East London beauftragt, das SMS-Verhalten Jugendlicher zu untersuchen, für die sie eigens den Begriff Generation Txt (Text) geschaffen hat. «Die Generation Txt will anders sein», kommt die druckfrische Studie zum Schluss, «und sie will sich von älteren Menschen unterscheiden. Das erreicht sie durchs SMS-Texten.» Deshalb auch die eigene Sprachschöpfung. «Damit unterscheiden sich die, die draus kommen, vom Rest. Die Sprache Txt muss erlernt und konsequent angewendet werden, um mit ihren Veränderungen vertraut zu sein. Die Sprache Txt ist eine Subkultur.»

Das stört Walter Krämer vom Verein zur Wahrung der deutschen Sprache gewaltig. «Die aktuelle Unterwanderung der deutschen Sprache durch E-Mail und Konsorten ist mehr als nur ein pseudokosmopolitisches Imponiergefasel ahnungsloser Zeitgeistjogger», entsetzt sich der Deutsche Krämer im Buch «Soziales im Netz». «Es ist ein historisch einzigartiger Massenselbstmord einer in Tausenden von Jahren gewachsenen Wörter- und Regelgemeinschaft namens deutsche Sprache, den wir heute ohne Gegenwehr geschehen lassen.»
Sein Schweizer Kollege Johannes Wyss vom Verein für die deutsche Sprache dagegen sieht die Wirkung von SMS gelassene. Sprachhüter Wyss hat auch einen gewissen Druck beobachtet: «Würde ein Jugendlicher so schreiben, wie er es in der Schule gelernt hat, stünde er schnell ausserhalb einer Gruppe.» Malerlehrling Nadja Gross aus dem sanktgallischen Schmerikon etwa schreibt ausschliesslich in Mundart: «Nur so kann ich sagen, was ich denke.»

iii. Beantworten Sie die folgenden Fragen :

i. Erklären Sie die Grammatik der SMS-Botschaften ?
ii. Warum ist die SMS so wichtig für Jugendlichen ?
iii. Warum, Ihrer Meinung nach ist Walter Krämer so negativ über SMS ?
iv. Warum schreibt man nicht in der Schwiez auf Hochdeutsch ?

SMSlen ist die Fortsetzung der Chat-Room-Gespräche auf einem anderen Medium, ein Kommunikations-Pingpong. «Die ständige Erreichbarkeit erfordert ständiges Antworten», sagt die Kinder- und Jugendpsychologin Melanie Grigoleit und warnt: «Das kann dazu verleiten, dass man alle Gefühle wie Traurigkeit oder Sehnsucht, die etwas unangenehmer zum Aushalten sind, sofort durch SMS wegschafft.» Psychologin Grigoleit hält es für wichtig, dass Jugendliche solche Gefühle auch ohne Handy aushalten können, damit keine «Abhängigkeit im sozialen Sinn» entsteht.

Über 800 Millionen SMS wurden in der Schweiz in den ersten neun Monaten dieses Jahres versandt, und ein Ende des Wachstums zeichnet sich nicht ab. Denn nach den Jugendlichen entdecken auch gestandene Geschäftsleute die Diskretion und die präzise Kürze einer geschriebenen Mitteilung. Für wachsendes SMS-Verkehrsaufkommen sorgen schliesslich Informationsdienste. Ein Englisch-Deutsch-Englisch-Wörterbuch, Aktienkurse, Wettervorhersagen, die Ergebnisse der Fussball-Nationalligaspiele - als Kurzmitteilung für 30 bis 50 Rappen ist alles erhältlich. Selbst die grosse Liebe: Tele 24 startet im Februar mit der Dating-Show «SMS - Ich liebe dich».

iv. Übersetzen Sie den kursiv gedrückten Text aus dem Deutschen ins Englische :

SMS ist die viel zitierte Killer-Applikation fürs Mobilfunknetz, will heissen: die erste massenmarktfähige Zusatzanwendung. Und ein Gewinn bringendes E-Commerce-Modell dazu: An den SMS-Diensten verdienen Info-Anbieter und Netzoperators gemeinsam. «Wir besorgen den Transport und das Inkasso über die Telefonrechnung, die Informations-Provider werden durch uns entschädigt», sagt Sepp Huber, Mediensprecher der Swisscom. «E-Commerce galt lange als Flop, das aber ist eine funktionierende Partnerschaft.»

v. Schreiben Sie einen Brief an die Berner Zeitung um Ihre Meinung über die Vorteile oder Nachteile der SMS-Botschaften zu erklären. (180 Wörter)

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Abkürzungen in Deutsch
liegrü (liebe Grüsse)
woen (Wochenende)
osä (oder so ähnlich)
zumi o zudi (zu mir
oder zu dir)

 

Abkürzungen in Englisch
cu oder cul (see you later, wir sehen uns)
ic (I see, ich verstehe)
g, d&r (grinning, ducking
and running, «Gring ache u seckle»)
2day (today, heute)
2l8 (too late, zu spät)
b4 (before, vorher)
rna (ring, no answer:
ich habe angerufen, aber keiner ging ran)
4u (for you, für dich)
asap (as soon as possible,
so schnell wie möglich)
imho (in my humble opinion, nach meiner bescheidenen Meinung)
4get (forget, vergiss es!)
t2u l8r (talk to you later, rufe dich später an)

Smilie-Sammlung

Sprachführer für den SMS-Jargon

Abkürzungen

Bild-SMS und Klingeltöne:
smssprueche

www.cool-sms.de
www.natelskyline.ch

www.diax.ch

Jugend-Umfrage von Viva-Swizz

Duden der Szenesprachen

Verein zur Wahrung der deutschen Sprache

 

«Grenzen setzen»

SMS-Manie bei Jugendlichen: Psychologin Melanie Grigoleit rät zur Beschränkung.

FACTS: Frau Grigoleit, warum schreiben sich junge Menschen täglich 40 SMS?
Melanie Grigoleit: Jugendliche sind für ihre Ablösung von zu Hause und ihre Identitätsfindung auf Kontakte zu Gleichaltrigen angewiesen. Dank SMS können sie diesen Kontakt auch zu Zeiten und an Orten herstellen, wo die andern Kollegen nicht wirklich da sind.

FACTS: Schreiben statt Reden am Telefon - was passiert da?
Grigoleit: Früher hat man im Klassenunterricht Zetteli geschrieben an den Schulschatz oder die beste Freundin. Heute geht das auf dem SMS-Weg.

FACTS: Ein soziale Tätigkeit?
Grigoleit: Durch das Schicken und Empfangen von solch ganz privaten
Botschaften wird man zu jemandem, der gefragt ist und der scheinbar Freunde
und Freundinnen hat - das soziale Prestige steigt.

FACTS: Warum so viele Abkürzungen?
Grigoleit: Weil es praktisch ist. Ausserdem entwickelt sich dadurch so etwas wie ein Code, was zur Bildung einer eigenen Jugendkultur gehört. Besonders das Amerikanische wird importiert, weil es cool ist und der Amerikanisierung unserer ganzen Gesellschaft entspricht.

FACTS: Wie wertet die Schulpsychologie den SMS-Boom ?
Grigoleit: Der Boom stellt Eltern und Lehrer vor die neue, alte Herausforderung des Grenzenziehens. Zum Beispiel keine SMS während des Abendessens oder im Schulzimmer. Jugendliche sollen auch erfahren, dass nicht alles gratis ist. Prepaid-Karten setzen Grenzen. SMS-Kosten, die darüber hinausgehen, müssen vom Sackgeld beglichen werden.

 

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