Jugend
Mit Hansueli Gürber* sprach Chris Winteler
Herr Gürber, glaubt man der neusten Statistik der Jugendstaatsanwaltschaft (TA vom Montag), ist unsere Jugend so kriminell wie noch nie.
Diese Zahlen sollte man nicht dramatisieren. Unter den 9827
neuen Fällen, die im letzten Jahr bei den Zürcher Jugendanwälten
eingegangen sind, sind viele Bagatelldelikte. Doch Hemmungen,
solche Straftaten zu begehen, sind sowohl bei Jugendlichen wie
auch bei Erwachsenen gesunken. Dann hat sich auch das Anzeigeverhalten
geändert: Heute wird schon wegen einer kleinen Schlägerei
Anzeige erstattet.
Was haben denn Jugendliche am häufigsten verbrochen?
In erster Linie haben sie Delikte gegen das Vermögen begangen,
Ladendiebstähle machen hier den grössten Teil aus. Das
ist einfach Mode, man gehört dazu, wenn man mal was geklaut
hat. Dann folgen, mit deutlichem Abstand, Verstösse gegen
das Betäubungsmittelgesetz und das Strassenverkehrsgesetz.
Mädchen, die kiffen, oder Burschen, die ihr Töffli
frisieren, sind demnach kriminell?
Ich brauche das Wort kriminell erst, wenn man befürchten
muss, dass jemand eine kriminelle Karriere einschlagen könnte.
Aber klar, Kiffen oder Töfflifrisieren ist etwas Strafbares,
das in der Statistik erscheint.
Welche Straftat war im letzten Jahr unter Jugendlichen besonders
populär?
In den letzten Jahren zugenommen hat die Gewalt unter Jugendlichen.
Erpressung, Nötigung oder Raub - hier geht es um Macht. Die
Masse machts aus - wenn fünf gegen einen sind, braucht es
zur Einschüchterung kein Messer.
Offenbar gilt es unter Jugendlichen als cool, in einer Clique
ein krummes Ding zu drehen.
Meist gehts einfach darum, die Grenzen auszuloten, das ist
normal für diese Lebensphase. Ein kleiner Teil der Jugendlichen
jedoch steckt in Schwierigkeiten, findet sich in der Gesellschaft
nicht zurecht, hat keine Perspektiven. Ein schweres Delikt begeht
nur einer, der nichts zu verlieren hat.
Der Ausländeranteil der verurteilten jugendlichen Täter
ist im letzten Jahr von 33,9 auf 29,4 Prozent gesunken. Die Schweizer
waren also krimineller als in den Jahren zuvor?
Die Verschiebung ist so minim, sie liegt im Bereich des Zufalls.
Am vergangenen Samstagabend hat eine Gruppe Jugendlicher am
Bahnhof Wetzikon einen 19-jährigen Rekruten überfallen.
Die acht bis zehn Teenager bedrohten ihn mit einem Messer, forderten
sein Geld. Wie verhält man sich in so einem Fall am besten?
Man soll einfach alles machen, um heil aus der Situation zu
kommen. Dabei jedoch die Täter genau anschauen. Und danach
Anzeige erstatten. Die Täter sollen merken, dass man ihr
Verhalten nicht toleriert.
* Hansueli Gürber ist Sprecher der Jugendanwaltschaften
im Kanton Zürich.