NPD
Berlin - Nach dem vorläufigen Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens geraten der deutsche Innenminister Otto Schily und sein nordrhein-westfälischer Kollege Fritz Behrens (beide SPD) massiv unter Druck. Vor einer Rechtfertigung Schilys im Bundestags-Innenausschuss verlangte die CDU, der Minister müsse die volle Verantwortung für den Skandal übernehmen. Behrens musste einräumen, dass ein hochrangiges NPD-Mitglied jahrelang bis 1995 auch Mitarbeiter des Verfassungsschutzes war. Die rot-grüne Koalition in Berlin hat sich indes für eine Fortsetzung des Verbots-Prozesses gegen die rechtsextreme NPD trotz der Panne ausgesprochen.
Innenminister räumt Fehler ein
Schily räumte nach Angaben von Mitgliedern des Bundestags-Innenausschusses
beim Umgang mit dem NPD-Verbotsverfahren schwere Fehler seines
Hauses eingeräumt. Ein Staatssekretär habe es versäumt,
ihn darüber zu informieren, dass ein Zeuge beim Verbotsverfahren
gegen die NPD Informant des Landesamtes für Verfassungsschutz
in Nordrhein-Westfahlen gewesen sei, berichteten übereinstimmend
Mitglieder des Ausschusses in Berlin. Nach Angaben des CDU-Innenexperten
Erwin Marschewski handelt es sich bei dem Staatssekretär
um Claus Henning Schapper (SPD). Marschewski forderte den Rücktritt
Schilys. Es sei Zeit, dass der Minister seinen Schreibtisch räume.
V-Mann war ehemaliger NPD-Landesvize
Die deutsche Regierung hatte ebenso wie Bundestag und Bundesrat
ein Verbot der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands beantragt.
Dabei wurde dem Gericht aber nicht mitgeteilt, dass ein in der
Begründung genannter NPD-Politiker in früheren Jahren
mit dem Inlands-Geheimdienst als Vertrauensmann ("V-Mann")
zusammengearbeitet hatte.
Das für ein Verbot zuständige Bundesverfassungsgericht
hatte am Dienstag die für Februar anberaumte mündliche
Verhandlung abgesetzt, als es von der Spitzeltätigkeit eines
der vorgeladenen NPD-Politiker erfuhr. Politiker der Regierungs-Koalition
sprachen von einem ärgerlichen Fehler. Dies ändere aber
nichts daran, dass die NPD aggressiv-kämpferisch verfassungsfeindliche
Ziele verfolge.
Berlin/Halle - Der ehemalige deutsche Verfassungsgerichtspräsident Ernst Benda hat sich pessimistisch über den Fortgang des NPD-Verbotsverfahrens geäußert. Um Erfolg zu haben, müsse der Antrag vor dem Bundesverfassungsgericht praktisch neu gestellt werden, sagte Benda am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "Berlin Mitte". Es sei unwahrscheinlich, dass dies noch vor der Bundestagswahl gelinge. Ob unter den vom Karlsruher Gericht geladenen NPD-Funktionären weitere V-Männer des Verfassungsschutzes sind, war weiterhin unklar.
NPD-Teinnahme an Wahlen wahrscheinlich
Benda sagte, dass die Verfassungsrichter nun die Frage nach der V-Mann-Problematik insgesamt stellen würden. Dann müssten die Antragsteller möglicherweise in Anwesenheit des NPD-Anwalts Horst Mahler darüber Auskunft geben, wie der Verfassungsschutz innerhalb der NPD tätig gewesen sei. Die Politik habe dieses Problem noch nicht wirklich erkannt. Er sprach sich dafür aus, die Anträge von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat so umfassend zu überarbeiten, dass es auf einen neuen Antrag hinauslaufe. Weil das Verfahren dann wohl nicht vor September abgeschlossen werden könne, werde die NPD wahrscheinlich an der Bundestagswahl teilnehmen und die Wahlkampfkosten erstattet bekommen.
Unklarheit über die Zahl der V-Leute
Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz versicherte in der gleichen Sendung, dass unter den von dem Gericht geladenen 14 "Auskunftspersonen" außer dem ehemaligen NPD-Funktionär Wolfgang Frenz keine weiteren V-Leute des Verfassungsschutzes seien. Der FDP-Innenpolitiker Edzard Schmidt-Jortzig sagte dagegen in mehreren Radiointerviews, es sei nicht auszuschließen, dass unter den 14 noch weitere V-Männer seien. Die Sitzung des Innenausschusses am Donnerstagabend habe darüber keine Klarheit gebracht.
Weitere Spekulationen
Sachsen-Anhalts Innenminister Manfred Püchel (SPD) gab Anlass zu Spekulationen über weitere V-Leute. In einem Interview der "Mitteldeutschen Zeitung" sprach er sich gegen eine Überarbeitung der Verbotsanträge aus und sagte zur Begründung: "Es ist nicht möglich, die Anträge zu überarbeiten und unsere Quellen einfach rauszustreichen. Dann wären diese ja enttarnt." Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion Wolfgang Bosbach (CDU) forderte am Freitag Korrekturen an den Anträgen: Um ein Scheitern des Verfahrens zu verhindern, müssten die Antragsteller nun über eine Optimierung beraten, sagte Bosbach im Deutschlandradio. Auch der ehemalige Verfassungsschutz-Präsident Eckart Wertebach forderte im ZDF eine Überarbeitung der Verbotsanträge.
Deutschlands Innenminister Otto Schily (SPD) gerät wegen der NPD-Spitzelaffäre nun auch in den eigenen Reihen unter Druck: Die Pannen Schilys seien eine "Katastrophe", sagte SPD-Innenexperte Kemper der Bild Zeitung. Er forderte Schily auf, dem Verfassungsgericht die Namen aller V-Männer zu nennen. Es dürften "keine Fakten mehr verschleiert werden".
Die FPD forderte am Montag erneut, die NPD-Verbotsanträge
zurückzunehmen. Es bestehe die Gefahr, dass das Verfassungsgericht
die Beweise nun nicht mehr für glaubhaft halte, so FPD-Innenexperte
Stadler: In den Anträgen beziehe man sich auf "Behördenzeugnisse"
dabei könne es sich aber auch um Erkenntnisse von V-Männern
handeln.
Eine Änderung der NPD-Verbotsanträge scheint aber vorerst
vom Tisch. Laut der Süddeutschen Zeitung will die Regierung
die Verfassungsrichter über die Hintergründe der V-Mann-Affäre
informieren. Zudem wolle man den Gerichten zur Problematik Rede
und Antwort stehen. Damit solle ein Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens
verhindert werden. Zuvor hatten Regierung und Opposition eine
Überarbeitung der Anträge gefordert.
KURIER (Printausgabe)