Rot-Rot ?


Rotes Signal für Schröder

Rotrot in Berlin ist ein Signal. So wollen es jedenfalls die Spitzen der PDS verstanden wissen. Das Signal an die Republik sei ihnen wichtiger als die tatsächliche Macht in Berlin, hämmerten sie zweifelnden Anhängern seit Monaten ein.


Ihr charismatisches Aushängeschild, Berlins künftiger Vizebürgermeister Gregor Gysi, stellt das als Opfer dar: Seine Lebensplanung sah anders aus und war lustiger. Aber wenn die Partei ruft, dann folgt er und gibt das Signal: Zwölf Jahre nach dem Fall der Mauer ist die PDS auf dem Weg in die Normalisierung ­ als neue linke Kraft in Deutschland.


Dunkelrot leuchtet es nun erstmals in einem ehemals westlichen Teil der Republik, in Westberlin, und somit dort, wo bis zum Fall der Mauer die PDS-Mutter SED am ekligsten empfunden wurde. Die beiden Bundesländer, in denen die PDS bisher die SPD am Regieren hielt, zählten noch wenig im bundespolitischen Kalkül, außer bei knappen Abstimmungen im Bundesrat. In Mecklenburg-Vorpommern stellt die PDS den kleinen Koalitionspartner der SPD. Die Regierung ist in einer veritablen Krise, das Land hat sich in allen Kriterien weiter verschlechtert. Es ist Schlusslicht unter den 19 Bundesländern, die Landtagswahl im April ist offen.


"Es gibt eine historische Verantwortung."
- Gregor Gysi


Kaum besser läuft es in Sachsen-Anhalt, wo die PDS eine SPD-Minderheitsregierung stützt. "Linke werden immer erst gewählt, wenn es nichts mehr zum Verteilen gibt", witzelt Gysi.


EMOTIONEN Dass die PDS trotz dieser Misserfolge immer stärker wird, ist rational kaum zu erklären, nur emotional. Ostdeutsche wissen, dass die PDS aus der ehemaligen Unterdrückerpartei SED stammt, die hauptverantwortlich für ihre Misere war ­ und wählen sie trotzdem. Wären am Sonntag Wahlen, würden 26,9 Prozent die PDS wählen, gleich viele die SPD und mit 28,4 Prozent nur wenig mehr die CDU (laut Demoskopie Allensbach).


Häufigste Gründe in den Umfragen: Die schlechte Wirtschaftslage, sprich Arbeitslosigkeit; mangelnde Identifikation mit den "neuen" Verhältnissen, sprich Bundesrepublik (nur jeder vierte fühlt sich als Bundesbürger); für rund 60 Prozent der Ostdeutschen brachte die Einheit "weniger soziale Gerechtigkeit, soziale Sicherheit und Solidarität". Und das, obwohl 1990 nur ein Drittel mit dem persönlichen Leben zufrieden war und dies nun weit mehr als die Hälfte ist.


Der große Rest ist jene Mischung aus Alt-Kadern und Protestpotenzial, das zum einem rechtsextrem (13 Prozent für die DVU in Sachsen-Anhalt) ist, zu einem hohen Anteil aber die PDS wählt. Zuletzt war dies in Berlin so.


Dieses Signal steht für mehr: Die FDP wird von großen Teilen der SPD abgelehnt (90 Prozent ihrer Abgeordneten sind Gewerkschaftsmitglieder, aber nur 13 Prozent aller Arbeitnehmer) ­ auch gegen den Willen Schröders.


Laut Umfragen erwarten in der Bundestagswahl im September Rotgrün starke Verluste ­ ohne dass CDU und FDP die Mehrheit gewinnen. Dann steht für die SPD ein neuer Partner bereit ­ die gestärkte PDS. Nach dem Erfolg in Berlin darf sie mehr denn je an ihren Aufstieg glauben ­ und tut das auch.

Reinhard Frauscher, Berlin

APA/jos

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