Schweiz


Verherrlichtes Vaterland 

Die Landesausstellung 1939 wurde von einem Mann programmiert, der dem faschistischen Denken nahestand. Mit dieser These hat ein Journalist für Aufruhr gesorgt. 

Alice Baumann

Kaum ein Anlass hat die Weltkriegsgeneration und die geistig-politische Entwicklung der Schweiz bis zum Ende des Kalten Kriegs so stark geprägt wie die Landesausstellung 1939. Ein «nationales Heiligtum», das zu besuchen der Schweizer als «nationale Pflicht» empfunden habe, nannte Bundespräsident Etter sie rückblickend im «Landi-Buch» (Atlantis 1940).

Im Unterschied zu derjenigen von 1914 in Bern, die eine Mischung aus Mustermesse, patriotischem Schützenfest und Kirchweih gewesen war, präsentierte sich die Landesausstellung von 1939 im Zürcher Seebecken als eine thematisch organisierte ideologische Lehrveranstaltung. Die ausstellenden Firmen durften nicht unter eigenem Namen auftreten, sondern hatten sich in ein Konzept einzupassen, das, wie es im offiziellen Führer hiess, «dem Schweizervolk und den Ausländern eindrucksvoll und leichtverständlich» zeigen sollte, «was wir können und wollen». Genau gesagt: «Das Schweizervolk von seinem moralischen Wert und seiner Tüchtigkeit zu überzeugen, ist eine der Hauptaufgaben dieser nationalen Kundgebung». Entsprechend gross war die Wirkung der Landi auf das schweizerische Selbstbewusstsein.

So weit, so klar, da allgemein bekannt. Mit weiterführenden Schilderungen hat nun aber Charles Linsmayer, Redaktor der Berner Tageszeitung «Der Bund», eine Flut von mündlichen Protesten und erzürnten Leserbriefen ausgelöst. In seinem drei Zeitungsseiten umfassenden, mit Zitaten gespickten Beitrag lernt man den geistigen Hintergrund der Landi und ihren Stammvater, einen Architekten und Politiker, näher kennen. Armin Meili sei nicht nur mit Ruhm bedeckt worden, er habe «fast diktatorische Vollmacht» besessen, postuliert Linsmayer.

Der Überlieferung zufolge, wonach Meili der Schöpfer einer machtvollen patriotischen Gegenposition gegen den Nationalsozialismus gewesen sei, stellt der hartnäckige Rechercheur die These entgegen, Meilis Landi habe möglicherweise nicht als Antibiotikum gewirkt, das die Krankheitskeime bekämpfte, sondern als «eine Art Impfstoff, der das bedrohliche Gift abwehrte, indem er es dem Organismus selbst zuführte». Linsmayer unterlegt seine Kritik mit Argumenten aus Mund und Feder Armin Meilis, die sich mit dem Blut- und Boden-Pathos der deutschen Nationalsozialisten und der italienischen Faschisten decken.

Hinrichtungen idealisiert

Meilis Zitate sind zudem getränkt von Liebeserklärungen und Treuegelöbnissen an die Heimat und das Vaterland. Erschreckend wirkt sein Beitrag zur Landesverteidigung spätestens dann, wenn Meili betont, die Einführung der Todesstrafe habe Wunder gewirkt, und sich gerne daran erinnert, als «etwa 14 Landesverräter erschossen werden mussten». Sauber, ordentlich, ideologisch gleichgesinnt ­ so stellte sich Meili eine ideale Schweiz vor.

Mit Leib und Seele Artillerie-Leutnant, war er schon von einer «ungeheuren Begeisterung» getragen, als der Erste Weltkrieg ausbrach. Bei einem Besuch der deutschen Reichswehr 1929 anerkannte er, «dass Kriegskunst & Kriegshandwerk nirgends auf der Welt derart gekonnt und gründlich betrieben wurde» und beschrieb sein Wohlgefühl unter Berufssoldaten.

Reaktionär war aus heutiger Sicht ferner Meilis Frauenbild. Der recherchierende «Bund»-Journalist vergleicht es gar mit dem im Nationalsozialismus verankerten Ideal. Wer keine «unberührte junge Frau mit seidenem blonden Leib» war, lief offenbar Gefahr, vom Landi-Direktor als «Aas», «Vampir», «Blaustrumpf» oder «reizlose alte Jungfer» bezeichnet zu werden. Er war der Meinung, eine Frau wolle «sich in erster Linie unter den Schutz eines starken Mannes begeben». Auch seien «alle sentimentalen Sprüche meist gelogen», und die Frau dazu da, dem Mann ein gutes Leben zu bereiten.

Möglichst reinrassig

Meili, der gut 130 Seiten seiner Memoiren dazu verwendet, das Lob seiner Vorfahren zu singen, war stolz darauf, einer Familie zu entstammen, «die von der Völkerwanderung nicht erfasst wurde und noch heute im Bannkreis des Berges Pilatus lebt». Er war überzeugt, rein «arischen Geblüts» zu sein und wurde nie müde, die Franzosen als «Gallier», die Gesichter russischer Generäle als «kalmückische & andere halbasiatische Fratzen» oder die Mexikaner als «Mischlinge mit gestörter arischer Abstammung» zu bezeichnen. Schwarzhäutige Menschen erinnerten ihn an Seelöwen.

Wenn Armin Meili andere Menschen als Mitarbeiter oder Mitbürger klar ablehnte ­ unter ihnen den begnadeten Schweizer Architekten Le Corbusier ­, so berief er sich auf deren Rassenmischung oder gar Vaterlandslosigkeit: «Auch auf die Gefahr hin, zu den kleinen Menschen zu gehören, halte ich mit beiden Händen am Erdreich meines Landes fest.»

Kein Wunder, soll ihm ein deutscher Nazi nach dem Besuch der Landi zugeflüstert haben: «Das haben Sie besser gemacht, als wir das je mit unserer Parteipropaganda tun könnten.»

Für die Mehrheit der damaligen Bevölkerung kam dieser Applaus wohl von der falschen Seite. Denn für sie war die Landi «ein einfach verständliches und idyllisches Dach» über der Schweiz und diente der «kulturpolitischen Abwehr gegen den ausländischen Totalitarismus und der Besinnung auf heimatliche Werte», wie es der Historiker Hans Ulrich Jost in der «Geschichte der Schweiz und der Schweizer» (Band III, Seite 131) ausdrückt.


Second World War: the intellectual defense of the country:

Glorified fatherland

The experience of the 1939 national exhibition ­ a path-breaking adventure for the wartime generation ­ was programmed by a man close to fascist thinking. A journalist has caused uproar with this thesis. 

Alice Baumann

Hardly any occasion so strongly marked the world war generation and the intellectual and political development of Switzerland up to the end of the Cold War as the 1939 national exhibition. A "national shrine" which the Swiss found it a "national duty" to visit, as president of the Confederation Etter called it in retrospect in the "Landi Book" (Atlantis 1940).

In contrast to that of 1914 in Berne, which was a mixture of trade fair, fun fair and kermes, the 1939 national exhibition in the lake Zurich basin was presented as an ideological teaching event, organized by topic. The exhibiting firms were not allowed to use their own names, but had to adapt to a concept which, as was stated in the official guide, will show "to the Swiss people and to foreigners in an impressive and easily comprehensible way what we can and wish to do". Expressed more clearly, "to convince the Swiss people of its moral value and its abilities is one of the main missions of this national demonstration". The effect of the Landi on the Swiss self-confidence was accordingly high.

So far so clear: this is generally known, but now Charles Linsmayer, an editor at the Berne daily, "Der Bund", has brought further explanations which have provoked a flood of verbal protests and angry readers' letters. In his contribution, which covers three newspaper pages, rich in quotations, we get to know more closely the intellectual background of the Landi and of its godfather. Linsmayer postulates that Armin Meili, an architect and politician, was not only covered in praise but possessed almost dictatorial power.

According to the tradition by which Meili was the creator of a patriotic counter-position against National Socialism, the persistent researcher puts forward the thesis that Meili's Landi had possibly not had the effect of an antibiotic that nipped the illness in the bud, but worked as "a type of vaccine which fought the threatening poison by actually bringing it into the body". Linsmayer buttresses his criticism with arguments from the mouth and pen of Armin Meili which coincide with the blood and soil pathos of German National Socialism and Italian Fascism.

Executions glorified

In addition, Meili's quotations are
brimming with declarations of love for and oaths of loyalty to the homeland and the fatherland. The contribution on national defence becomes horrifying at the point when Meili emphasises that the introduction of the death penalty has worked wonders and takes pleasure in reminding readers that " about fourteen traitors have had to be shot". Clean, orderly, ideologically uniform: that is how Meili sees his ideal Switzerland.

Meili, body and soul an artillery lieutenant, had been born aloft by an incredible enthusiasm when the First World War broke out. During a visit to the German defense staff in 1929, he recognized that "nowhere in the world is the art and technique of war so well understood and pursued so thoroughly". And he described his satisfaction about being amongst career soldiers.

In addition, from today's viewpoint, Meili's picture of women was reactionary. The Bund journalist-researcher even compares it with the ideal anchored in National Socialism. Any woman who was not young, untouched, with a silky blond body, apparently ran the danger of being described by the Landi director as "carrion", a "vampire", a "blue stocking" or an "unattractive old maid". He thought that a woman should "in the first place put herself under the protection of a strong man". In addition, "sentimental proverbs were mostly untrue" and a woman existed to provide a good life for her man.

As racially pure as possible

Meili, who devoted a good 130 pages of his memoirs to singing the praise of his forefathers, was proud that he came from a family which had not been affected by the great migration and still lived in the shadow of mount Pilatus. He was convinced that he came of pure "Aryan blood" and never tired of referring to the French as Gauls, of comparing the faces of Russian generals with "Kalmuks and other half-Asian rascals". He referred to the Mexicans as "half-castes of disturbed Aryan descent", black-skinned people reminded him of sea-lions.

When Armin Meili rejected other people as employees or compatriots ­ among them the gifted Swiss architect Le Corbusier, he referred to the fact that they were racially mixed or even without a fatherland: "also faced with the danger of belonging to the small people, I hold on with both hands to the soil of my country". This attitude waspart of his intellectual national defence.

It is not surprising that a German Nazi whispered to him after a visit to the Landi: "you have done it better than we could have done with all our Party propaganda". For the majority of the population of the time, this applause definitely came from the wrong side. Because, for them, the Landi was a "simply comprehensible and idyllic roof" over Switzerland and contributed to the "cultural and political defence against foreign totalitarianism, and the contemplation of traditional values", as historian Hans Ulrich Jost expressed it in his "History of Switzerland and the Swiss people" (volume 3, page 131).

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