Rowdytum und Randalismus


Rechtsradikalismus in Deutschland
von Susanne Glauer, 31.07.2000
Der braune Terror reißt nicht ab. Sonntagsreden von Politikern werden daran wenig ändern - Ein Kommentar

Nach der Wiedervereinigung wurde die Öffentlichkeit durch die massive Zunahme gewalttätiger Ausschreitungen gegen Ausländer aufgeschreckt. Insbesondere die Brutalität der Täter brachte die Vorfälle, wie beispielsweise die Attacken gegen Flüchtlingsheime in Hoyerswerda oder Mölln, zum Teil unter Beifall der Bevölkerung, in die Tagespresse und somit in die öffentliche Diskussion. Vor allem Ostdeutschland rückte in den Mittelpunkt nationaler und internationaler Medien. Auch im Jahre 10 der Vereinigung hat sich die Situation nicht verbessert. Im Gegenteil! Horrormeldungen reißen nicht ab: Letzte Woche explodierte in Düsseldorf eine Bombe. Osteuropäische Juden waren das Ziel des mörderischen Gewaltaktes. An diesem Wochenende hetzten 20 Jugendliche zwei Afrikaner durch Eisenach. Am 14. Juni starb der Mosambiquaner Alberto Adriano an den Folgen barbarischer Misshandlungen durch jugendliche Rechtsextremisten. Am 17. Juni wurden bei einem Brandanschlag in Ludwigshafen drei Kinder von Kosovo-Albanern verletzt. Auf der Insel Usedom brachten rechte Gewalttäter einfach einen Obdachlosen um. Was ist los in diesem Land?


Es scheint, als sei der braune Sumpf, der aus der Mitte der Gesellschaft entspringt, normal geworden: Nationalbefreite Zonen, ein homogener rechter Kleidungsstil, dumpfe Parolen und Fremdenhass gehören in Ostdeutschland längst zum Alltag. Matthias Platzeck, neuer SPD-Vorsitzender Brandenburgs, kritisierte deshalb zu Recht, dass Kampfhundeattacken mehr nationale Solidarisierung auslösen, als die täglichen Übergriffe und Hetzjagden auf Ausländer. Plötzlich überschlagen sich Äußerungen von Politikern, die zum Kampf gegen Rechtsradikalismus aufrufen. Und das reichlich spät! Wie kann man sich sonst erklären, dass die NPD im Januar diesen Jahres durchs Brandenburger Tor marschierte, oder dieses Wochenende in Stuttgart eine offizielle Demonstration abhielt? Einzig und allein Bundestagspräsident Wolfgang Thierse wird nicht müde, auf seinen Reisen durch ostdeutsche Länder mit Menschen vor Ort zu sprechen, Projekte zu besichtigen und zu mehr Widerstand zu ermuntern. So resümierte er kürzlich in der Wochenzeitung "Die Zeit": "Ich schäme mich für dieses Land" und fordete am 20. Juli, dem Jahrestag des fehlgeschlagenen Hitlerattentates, verstärkte Zivilcourage in der Bevölkerung.
Was muss noch alles passieren, um das Land aus dieser erschreckenden Lethargie zu reißen? Müssen wir vielleicht erst warten, bis Green-Card-Besitzer Opfer des braunen Terrors werden? Die internationale Aufmerksamkeit ist uns dann sicherlich gewiss. Weltoffen und tolerant will sich Deutschland als Gastgeber der Fussball-WM 2006 geben. Um dem Ziel näher zu kommen, muss aber noch einiges geschehen! Politiker aller Parteien, Gewerkschaften, Industrie, Handel, Medien sowie die gesamte Bevölkerung sind aufgerufen, sich gegen das Erstarken des Rechtsextremismus zu wenden. Kurzfristig geplante PR-Aktionen mit Prominenten und die üblichen Sonntagsreden werden da nicht ausreichen. Denn solange populistische Töne die Öffentlichkeit dominieren, wirken politische Äußerungen von Politikern gegen Rechtsradikalismus und Fremdenhass halbherzig: "Kinder statt Inder" Aktionen, Unterschriftensammlungen gegen die doppelte Staatsbürgerrecht, Sprüche wie "die Grenzen des Zumutbaren sind erreicht" werden wohl kaum mehr Zivilcourage innerhalb der Bevökerung bewirken. Deshalb: Wehret geschlossen den Anfängen!


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