Rowdytum und Randalismus
Nach der Wiedervereinigung wurde die Öffentlichkeit durch die massive Zunahme gewalttätiger Ausschreitungen gegen Ausländer aufgeschreckt. Insbesondere die Brutalität der Täter brachte die Vorfälle, wie beispielsweise die Attacken gegen Flüchtlingsheime in Hoyerswerda oder Mölln, zum Teil unter Beifall der Bevölkerung, in die Tagespresse und somit in die öffentliche Diskussion. Vor allem Ostdeutschland rückte in den Mittelpunkt nationaler und internationaler Medien. Auch im Jahre 10 der Vereinigung hat sich die Situation nicht verbessert. Im Gegenteil! Horrormeldungen reißen nicht ab: Letzte Woche explodierte in Düsseldorf eine Bombe. Osteuropäische Juden waren das Ziel des mörderischen Gewaltaktes. An diesem Wochenende hetzten 20 Jugendliche zwei Afrikaner durch Eisenach. Am 14. Juni starb der Mosambiquaner Alberto Adriano an den Folgen barbarischer Misshandlungen durch jugendliche Rechtsextremisten. Am 17. Juni wurden bei einem Brandanschlag in Ludwigshafen drei Kinder von Kosovo-Albanern verletzt. Auf der Insel Usedom brachten rechte Gewalttäter einfach einen Obdachlosen um. Was ist los in diesem Land?
Es scheint, als sei der braune Sumpf, der aus der Mitte der Gesellschaft
entspringt, normal geworden: Nationalbefreite Zonen, ein homogener
rechter Kleidungsstil, dumpfe Parolen und Fremdenhass gehören
in Ostdeutschland längst zum Alltag. Matthias Platzeck, neuer
SPD-Vorsitzender Brandenburgs, kritisierte deshalb zu Recht, dass
Kampfhundeattacken mehr nationale Solidarisierung auslösen,
als die täglichen Übergriffe und Hetzjagden auf Ausländer.
Plötzlich überschlagen sich Äußerungen von
Politikern, die zum Kampf gegen Rechtsradikalismus aufrufen. Und
das reichlich spät! Wie kann man sich sonst erklären,
dass die NPD im Januar diesen Jahres durchs Brandenburger Tor
marschierte, oder dieses Wochenende in Stuttgart eine offizielle
Demonstration abhielt? Einzig und allein Bundestagspräsident
Wolfgang Thierse wird nicht müde, auf seinen Reisen durch
ostdeutsche Länder mit Menschen vor Ort zu sprechen, Projekte
zu besichtigen und zu mehr Widerstand zu ermuntern. So resümierte
er kürzlich in der Wochenzeitung "Die Zeit": "Ich
schäme mich für dieses Land" und fordete am 20.
Juli, dem Jahrestag des fehlgeschlagenen Hitlerattentates, verstärkte
Zivilcourage in der Bevölkerung.
Was muss noch alles passieren, um das Land aus dieser erschreckenden
Lethargie zu reißen? Müssen wir vielleicht erst warten,
bis Green-Card-Besitzer Opfer des braunen Terrors werden? Die
internationale Aufmerksamkeit ist uns dann sicherlich gewiss.
Weltoffen und tolerant will sich Deutschland als Gastgeber der
Fussball-WM 2006 geben. Um dem Ziel näher zu kommen, muss
aber noch einiges geschehen! Politiker aller Parteien, Gewerkschaften,
Industrie, Handel, Medien sowie die gesamte Bevölkerung sind
aufgerufen, sich gegen das Erstarken des Rechtsextremismus zu
wenden. Kurzfristig geplante PR-Aktionen mit Prominenten und die
üblichen Sonntagsreden werden da nicht ausreichen. Denn solange
populistische Töne die Öffentlichkeit dominieren, wirken
politische Äußerungen von Politikern gegen Rechtsradikalismus
und Fremdenhass halbherzig: "Kinder statt Inder" Aktionen,
Unterschriftensammlungen gegen die doppelte Staatsbürgerrecht,
Sprüche wie "die Grenzen des Zumutbaren sind erreicht"
werden wohl kaum mehr Zivilcourage innerhalb der Bevökerung
bewirken. Deshalb: Wehret geschlossen den Anfängen!
Weitere Artikel zum Thema:
-Rechtsextreme
Gewalt verharmlost von Samuel Laster
-Rechtsextremismus
in den Medien von Burkhard Schröder:
-Wie berichtet das Ausland über die rechtsextreme Gewalt?
Ohne
die üblichen NAZI-Klischees... von Jochen Wittmann:Die
Berichterstattung britischer Medien.