Stasi

University of Southampton, School of Modern Languages, Lector's Lecture

                              Vorlesung für Finalists: Ostdeutschland und DDR-Vergangenheit

                                 5. Die Stasi - ein Geheimdienst wie jeder andere?

1.  Enstehungs- und Entwicklungsbedingungen der Stasi
2.  Aufgaben der Stasi
3.  Die Stasi gegen die DDR-Opposition
 

Wichtige Begriffe

 MfS (Ministerium für Staatssicherheit),  IM (Informelle Mitarbeiter), Frontstaat, Aufstand der Arbeiter am 17.Juni1953, Hauptverwaltung Aufklärung" (HVA)

1. Entstehungs- und Entwicklungsbedingungen der Stasi

Sowjetische Hilfe:  Instrukteure und Berater des KGB steuerten Aufbau ihres DDR-Pendants und vermittelten ihre Methodik; dazu gab es Kooperationsverträge
- MfS (Ministerium für Staatssicherheit) als "Schild und Schwert der Partei", d.h. Instrument der SED, bedeutet, daß die Partei übergeordnet war und die Arbeit der Stasi auf der Grundlage der SED-Beschlüsse basierte
- Der enorme Ausbau der STASI (85.000 Hauptamtliche und 300.000 IM, Informelle Mitarbeiter) im Lauf der Jahre war möglich geworden, da keine Gesetze über Aufgaben, Befugnisse und Zuständigkeiten existierten, d.h. es gab keine parlamentarische Kontrolle

Formale Gründung des MfS: 8.Februar 1950
Anlass: Umwandlung der "Hauptverwaltung zum Schutz des Volkseigentums", die dem Innenministerium unterstellt war, in eigenes Ministerium
- Vorher hatte die sowjetische Militärverwaltung die innere Sicherheit selbst übernommen - wie Militärverwaltungen in westlichen Besatzungszonen auch

- Geprägt wurde die Stasi von Leuten, die schon in der Weimarer Republik konspirativ für die KPD arbeiteten, und später während des Faschismus, wo Konspiration absolut notwendig war, da jegliche kommunistische Aktivität lebensgefährlich war
- Außerdem gingen Erfahrungen der Emigration, besonders aus der Sowjetunion der 30er Jahre ein, wo der Kampf gegen Konterrevolution und Sabotage unter Stalin auf die Spitze getrieben war und Tausende abgeurteilt wurden, darunter auch viele Unschuldige

Beispiel:  Erich Mielke
- War schon beim Aufbau der Stasi dabei, ab 1957 Minister des Mfs bis 1989
- Floh 1931 von Deutschland nach Moskau (Grund: Beteiligung an Polizistenmord in Berlin - im Rahmen der Auseinandersetzungen der Kommunisten mit Polizei - für diese Tat wurde er mehr als 60 Jahre später von der bundesdeutschen Justiz verurteilt)
- Nahm am spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) auf der Seite der Internationalen Brigaden teil
- Kam 1939 wieder nach Moskau und 1945 zurück nach Deutschland

2. Aufgaben der Stasi

- Schutz der DDR, besonders der volkseigenen Betriebe vor Spionage, Sabotage und Diversion, dabei Konzentration nicht nur auf äußere Feinde, besonders im Westen

• Auch im Innern vermutete man stets feindliche Agenten; das war für die DDR in 50er Jahren als "Frontstaat" des Kalten Krieges durchaus notwendig, da in dieser Zeit die Existenz der DDR längst nicht gesichert war und die Gegenseite ebenfalls mit sehr unfeinen Mitteln kämpfte
• Allerdings blieb dieses Feind-Syndrom des MfS bis zum Schluß erhalten und richtete sich mehr und mehr gegen die eigene Bevölkerung, von der viele tausende Menschen überwacht wurden, die längst nicht alle die DDR beseitigen wollten

- Absicherung der Herrschaft, d.h. Ausschaltung von "Abweichlern" aus den eigenen Reihen

• So geschehen z.B. 1950, wo prominente deutsche Kommunisten, die während der NS-Zeit im westlichen Exil gelebt haben wegen "Hilfe für den Klassenfeind" inhaftiert und aus der Partei entfernt wurden
• Beispiel: Walter Janka, verurteilt zu 6 Jahren in Haft im berüchtigten Gefängnis Bautzen

Das MfS erlebte nur eine ernsthafte Krise: beim Aufstand der Arbeiter am 17.Juni1953, der nicht verhindert wurde, da er für das MfS überraschend ausbrach - denn hier, bei den Arbeitern vermutete man am wenigsten solche "feindlichen Aktivitäten".  Eine Konsequenz des Aufstandes war die große Erhöhung des Personals: So wurde die Zahl von 4000 hauptamtlichen Mitarbeitern 1952 allein bis 1957 auf 17500 erhöht (also mehr als vervierfacht), 1983 erreichte sie 85 000 - der Höchststand, da dann die finanziellen Resourcen erschöpft waren.

- Für Aufklärung im Westen mit Hauptziel Bundesrepublik war die "Hauptverwaltung Aufklärung" (HVA) zuständig, deren Hauptaufgabe die Auslandsspionage  war (DDR-Bezeichnung für die Spione: "Kundschafter für den Frieden")
 Chef: Markus Wolf, der diese erfolgreich operierende Abteilung mehr als 35 Jahre leitete

 Einige Erfolge dieser Abteilung:

• Einschleusung eines Spitzels bis in oberste Ränge der BRD: Günter Guillaume, persönlicher Referent von Willy Brandt (damaliger Bundeskanzler); Enttarnung 1974; die Plazierung eines Spions in unmittelbarer Nähe des Bundeskanzlers löste eine schwere Krise aus, als deren Folge Willy Brandt zurücktrat;
• Einschleusung von 6 Agentinnen des MfS als Sekretärinnen bei bekannten bundesdeutschen CDU/CSU-Politikern
• Als Beispiel des gut funktionierenden Warnsystems der HVA: als 1979  2 Agentinnen des MfS in der BRD festgenommen wurden, setzten sich die anderen 4 erfolgreich nach Ostberlin ab, u.a.  Ursel Lorenzen, die zuletzt im NATO-Generalsekretariat in Brüssel gearbeitet hatte
  
• 3. Die Stasi gegen die DDR-Opposition

- Beobachtung und Kontrolle des latent kritischen Potentials bei der Kirche (als einzige staatsferne Großorganisation, wo bald kirchliche Basisgruppen sich gesellschaftskritisch engagierten) und bei Künstlern und Intellektuellen

• Bsp. für kritische Opposition, künstlerischen Widerspruch und Fürsprache für bessere DDR:  Wolf  Biermann, Robert Havemann, Stefan Heym
• Wolf Biermann:  kam aus dem Westen in den 50er Jahren in die DDR, seit Ende 1965 bestand wegen Kritik an den Zuständen in der DDR Auftrittsverbot für ihn, Ausbürgerung aus der DDR 1976 (er durfte nach einem Auftritt im Westen nicht mehr in die DDR zurückkehren)
• Ein Beispiel, das Schule machte: Der Schriftsteller Jürgen Fuchs, ein regimekritischer Intellektueller wurde 1976 verhaftet und nach 9 Monaten Untersuchungshaft nach West-Berlin abgeschoben (dies war ab Ende 70er Jahre gängige Praxis, um kritisches Potential loszuwerden)

Ab Mitte der 70er Jahre gewisse Öffnung der DDR, bedingt durch weltweite diplomatische Anerkennung der DDR und Durch die Unterzeichnung der KSZE-Schlußakte, wo Menschenrechte wie Freie Ort des Wohnortes zugesichert wurde.  Deshalb enormes Ansteigen der Ausreiseanträge in die Bundesrepublik.

Die Stasi übernahm zunehmend Aufgaben, die ursprünglich nicht zu ihren Pflichten zählte, nämlich
- Die Beschäftigung mit unzufriedenen Bürgern durch Beobachtung, Unterbinden oppositioneller Aktionen, meist schließlich Abschiebung

• Unzufriedenheit mit dem Staat war aber ab Mitte der 70er Jahre ein massenhaftes Phänomen - d.h. die Ursache lag an verfehlter Politik des Staates
• Die Unzufriedenen waren keine Staatsfeinde, wollten also nicht die DDR beseitigen (wie in 50er Jahren noch die Gefahr bestand), sondern wollten Mißstände im Land beseitigen
• Der Staat hatte das nicht erkannt,sondern ging immer davon aus, daß das Staatsfeinde waren, die man loswerden mußte
• Das letztlich auch die Ursache für den Zusammenbruch, denn politisch wurde überhaupt nicht auf Unzufriedenheit eingegangen, auch nicht nach 1985, nach Gorbatschow
• Die Stasi als Exekutive sollte allein fertig werden mit diesen "feindlich-negativen Kräften"
• Aber da nicht die Ursachen, sondern nur Auswirkungen bekämpft wurden, scheiterte letztlich auch die Stasi

Trotzdem funktionierte die Kontrolle des Landes eine Weile ganz gut, denn die Beobachtung aller gesellschaftlichen Kreise war durch die Stasi abgesichert - durch den riesigen Apparat von zuletzt 85 000 HauptamtlichenMitarbeitern.
 

• Die Hauptamtlichen waren allerding nur ein Teil: zur konspirativen Tätigkeit wurden noch massenhaft inoffizielle Mitarbeiter, IM, herangezogen (nach Stasi-Angaben 109 000, von Aussenstehenden wird die Zahl 300 000 genannt).
• Geworben wurden Leute, die in Kontakt mit oppositionellen Gruppen waren
• Aber auch in "normalen" Bereichen (in den Betrieben, Unis etc.) gab es überall IM, die über die Stimmung der Leute, über politische Einschätzungen, evtl. oppositionelles Potential berichten mußten
• Die meisten IM haben freiwillig und ohne Bezahlunggearbeitet
• So entstanden der 180 km lange Aktenbestand von etwa 6 Millionen Personendossiers, davon 2 Millionen von Westdeutschen
• Der Umgang damit ist durch die  "Gauck"-Behörde geregelt:  Jeder kann Antrag auf Einsicht in Akte stellen