Wehrpflicht
Die Wehrpflicht in Europa: Die grün gekennzeichneten Staaten verfügen über die allgemeine Wehrpflicht, die schwarz gekennzeichneten (BENELUX, GB, Irland, Frankreich, Spanien, Italien ab 2008) über ein Berufsheer.
Karlsruhe/Berlin - Die allgemeine Wehrpflicht in Deutschland verstößt nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVG) nicht gegen das deutsche Grundgesetz. Eine gegenteilige Vorlage des Landgerichts Potsdam wurde vom BVG als unzulässig abgewiesen. Das Landgericht habe nicht ausreichend begründet, warum die Wehrpflicht verfassungswidrig sein sollte, hieß es in dem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss.
Noch andere Gründe vorhanden
So habe das Landgericht seine Meinung nur auf die Veränderung
der sicherheitspolitischen Lage gestützt. Es habe dabei außer
Acht gelassen, dass der Gesetzgeber die Einführung der Wehrpflicht
nicht nur von einer bestimmten sicherheitspolitischen Lage abhängig
gemacht habe, urteilten die Verfassungsrichter. Außerdem
hätte das Landgericht übersehen, dass es noch andere
Gründe gebe, an der Wehrpflicht festzuhalten, wie beispielsweise
Bündnisverpflichtungen.
Klage eines Totalverweigerers
Dem Verfassungsgericht lag eine Vorlage des Landgericht Potsdam
vor. Dieses kam auf die Klage eines Totalverweigerers hin zu der
Auffassung, dass durch die geänderte sicherheitspolitische
Lage die allgemeine Wehrpflicht verfassungswidrig sei. So sei
eine Verteidigung nach dem Wegfall des Kalten Krieges und der
NATO-Osterweiterung nicht mehr wie bisher erforderlich.
FDP und Jusos für Abschaffung
Während die Union den Gerichtsbeschluss begrüßte,
setzten sich Jusos und FDP weiter für die Abschaffung der
Wehrpflicht ein. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt erklärte
am Mittwoch: "Die Diskussion wird weitergehen." Auch
Juso-Chef Niels Annen sagte, nun müsse die Politik ihre Hausaufgaben
machen. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund forderte die
Politiker auf, schnell Klarheit über den Fortbestand der
Wehrpflicht und des Zivildienstes zu schaffen.
Bestehende Bündnisverpflichtungen
Die Verfassungsrichter äußerten sich nicht zu den Möglichkeiten
einer Bundeswehrreform. Die gegenwärtige Diskussion über
eine eventuelle Abschaffung der Wehrpflicht zeige, dass es sich
um eine sehr komplexe Materie handle, heißt es in ihrem
Beschluss. Der Gesetzgeber habe in eigener Verantwortung über
eine verfassungsgemäße Reform zu entscheiden, bei der
bestehende Bündnisverpflichtungen sowie eine funktionstüchtige
Verteidigung gewahrt würden.
Grundlegende staatspolitische Entscheidung
Die Entscheidung zwischen einer Berufsarmee und der Wehrpflicht
sei eine grundlegende staatspolitische Entscheidung, die sich
auf wesentliche Bereiche des gesellschaftlichen und staatlichen
Lebens auswirke, urteilten die Richter weiter. Bei einer Reform
spielten deshalb neben den verteidigungspolitischen Gesichtspunkten
auch wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Aspekte eine
Rolle.
"Bundeswehr in Mitte der Gesellschaft"
Der verteidigungspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Paul
Breuer (CDU) nannte den Beschluss eine Bauchlandung erster Klasse
für alle Gegner der Wehrpflicht. Diese habe sich für
Deutschland bewährt und müsse in ein neues Gesamt-Verteidigungskonzept
eingebunden werden. "Die Wehrpflicht gibt uns die entscheidende
Vorsorge, uns auf alle sicherheitspolitischen Situationen vorsorgend
einzustellen", sagte er. "Sie hält die Bundeswehr
in der Mitte der Gesellschaft."
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