Gegen Ende gab's einen Schwung Rosen fuer die Menge: Willy DeVille
weiss, was sich gehoert, vor allem den Damen gegenueber. Eineinhalb Stunden lang hatte er sich zuvor seinem Publikum als personifizierter Schmachtfetzen praesentiert, als Kulturschmelz aus lasziven Posen des fruehen Rock 'n Roll, aus Hardrockmachismo und dem coolkalkulierten Maennercharme der amerikanischen Barszene: die Inkarnation des Club-Rockmusician, ueberzeichnet bis zur Karikatur.
Im schwarzen Pokerdress mit ueberlangem Jackett und Binder war er zunaechst auf die Buehne getreten, hatte sich im Laufe des Abends mehrfach umgezogen und sich nach schwarzem Leder und Torerojaeckchen ueber unbehemdeter Brust entblaettert - bis endlich - aah - beim letzten Abgang alle seinen asketischen Oberkoerper und die Tattoos in natura bewundern durften: Willy hat Sex, er weiss das und zeigt das.
Wie er das Mikro an sich ranzieht, sich in seine Posen hineinspreizt, singt, ohne die Kippe aus dem Mund zu nehmen und sie dann, exakt auf den Akzent des
Drummers, gleichgueltiglaessig auf den Buehnenboden schnippt das alles wird halbseiden, nicht ganz koscher, riecht nach Bodyguard und Kartenspiel, nach Diamanten im Gebiss und "Italian shoes": Willy The Pimp.
Mit dem Lied ueber seine Vorliebe fuer italienisches Schuhwerk beginnt er denn auch das Programm. Min DeVille pur. Von der sauberen, gefilterten Aesthetik der von Mark Knopfler produzierten 87er Solo-LP ist nichts zu spueren. Im ersten Teil hat man beinahe den Eindruck, als mache er einen grossen Bogen um die Songs von "Miracle", stattdessen singt er sich rauh und schmutzig durch die Rhythm & Blues -Highlights der fruehen Werke. Beeindruckend einmal mehr seine stimmliche Ausdruckspalette: In den Balladen trieft er, Kartoffel-im-Hals, vor unterdruecktem Sex, in den aggressiveren Stuecken knurrt, gurgelt und bellt er sich durch seine Love-and-Street-Statements. Im Mittelteil macht sich dann allerdings etwas Langeweile breit: Die musikalische Bandbreite des Songschreibers DeVille ist geringer als die des Saengers, die Stuecke aehneln sich sehr, und vor allem die Balladen drohen mit zunehmender Gefuehlsschwere in schmalzigen Klischees zu versickern.
Erst gegen Ende kommt im Modernes Begeisterung auf, als er zwischen schnelleren, aelteren Stuecken ein paar von den neuen mischt, hart und ungeschoent gebracht auch sie, im Stil von Mink DeVille und nicht von Mark Knopfler.
Buntgemischt das Publikum im Modernes: Der harte Kern der Musik-und Discoszene traf auf die Gelegenheitskonzertbesucher aus dem Umland. Und alle waren gluecklich. Das zumindest spricht doch fuer Mr. DeVille.
(Rainer Koester - TAZ-BREMEN vom 28.11.1988)
Willy Deville, der Mann, der keine Jukebox sein will
Lange hat man drauf warten müssen, am Samstag war es endlich soweit: der Posthof als Hexenkessel, zum Brodeln gebracht durch den einzigartigen Willy Deville.
"Mir ist heute nicht danach, eine Jukebox zu sein, Baby", wendet sich der dandyhafte Geck ohne Umschweife an das Mädchen, das schon nach der zweiten Nummer immerfort "Hey Joe" kreischend Willy Devilles Coverversion des alten Hendrix-Hadern begehrt. "Ich mach das schon ein Weilchen, also laß mich meine Show machen. Wenn's dir am Ende nicht gefallen hat, dann hat's dir nicht gefallen."
Das Ende sei vorweggenommen. Willy Deville, begnadeter Selbstdarsteller im blütenweißen Rüschenhemd und im schwarzen Smoking-Jackett, quasi der Liberace des Rhythm'n'Blues aus New Orleans, hat am Samstag im übervollen Linzer Posthof eine hin- und mitreißende Fiesta hingelegt.
In einer kategorisierenden Schublade hat der extravagante Musikus mit dem zarten Menjou-Bärtchen keinen Platz. Er füllt einen Wandschrank. Angetrieben von seiner hochkarätigen Sechs-Mann-Band krächzt sich der Ungezähmte mit charismatischer Stimme den New- Orleans-Rock von der Seele, saugt dann inbrünstig an seiner Zigarette und verfällt dem alten Blues, um gleich darauf seine Begleitkumpanen zu Fidel, Ziehharmonika und Waschbrett greifen und ein rhythmisches Latino-Feuerwerk im Mariachi-Stil abbrennen zu lassen.
Und doch ganz Wurlitzer, gibt Willy Ben E. Kings "Stand By Me" und seinen "Hey Joe" zum besten. Und am Ende war keiner, dem es nicht gefallen hat.
(Oberösterreichische Nachrichten vom 20.3.1995)
Nun also im Grossen Saal der Frankfurter Alten Oper und weiss der Himmel welchen schnieken Schuppen zwischen New Orleans und Paris: Die Band - laengst nicht mehr die Ur-Besetzung - hat als Ouvertuere schon ein flottes Latino-Instrumental hingelegt, als Monsieur DeVille im langen Mantel auf die Buehne schlendert und sich erst einmal von einem weiblichen Fan druecken laesst. Dann torkelt er in elegant dargestellter Benommenheit zum Mikro und drueckt es mit zwei Fingern von unten ein bisschen hoch, so wie man (Mann!) das Kinn einer Frau fuer einen Kuss anhebt . . .
Der gebuertige New Yorker, der in New Orleans lebt, hat noch mehr Gesten auf Lager, wenig mit dem ganzen Koerper, mehr mit Haenden und Armen. Er schlakst sie in ploetzlicher Bewegung zur Seite weg, damit die Rueschenaermel hochrutschen, wenn er Gitarre oder Mundharmonika spielt. Der Zeigefinger ist immer leicht gestreckt, um laessig ins Publikum weisen zu koennen. Geklatscht wird in spanischer Manier: aus dem Handgelenk, etwas ueber dem abgewandten Kopf. Und mit dem Ringfinger betupft er sich die Stirn, betrachtet aber die Schweissperle auf der Kuppe mit erstaunt veraechtlichem Blick: Nein, man schwitzt vielleicht in der Umarmung einer Frau, aber eine schweisstreibende Rockshow ist nicht sein Ding.
Das hatte die Vorgruppe, Daran & Les Chaises aus Frankreich, versucht, aber nur bewiesen, dass fader Mainstream-Powerrock auch in frankophiler Version langweilt. Die '96er Mink DeVille dagegen verfuegen ueber genug altes und neues Material, um die Show ihres Frontmannes abwechslungsreich zu vertonen. Die grossartigen zwei Backgroundsaengerinnen aus New Orleans bringen das manchmal ausufernde Gemucke der sechskoepfigen Band immer wieder auf den Punkt: Soul.
DeVilles Staerke, triefender Soul mit Flamenco-Flair, bestimmt vor allem das furiose Finale des Konzertes: Bei "Demasiado Corazon" verlaesst das Publikum die ohnehin bloeden Stuehle und feiert die Zugaben tanzend: "Hey Joe" mit Kastagnetten, "Stand By Me" als Aufforderung zur Fan-Treue.
Zur Belohnung werden dann die Blumen vom Mikrostaender zu den Frauen vor der Buehne geworfen. Auch eine Geste mit Stil: Haette Johnny Depps "Don Juan DeMarco" zwanzig Jahre aelter sein sollen, waere Willy DeVille die perfekte Besetzung gewesen.
(Stefan Raulf - Frankfurter Rundschau 5.3.1996)