Zeitungsartikel


Der einsame Werwolf auf dem heissen Blechdach.
Willy deVille kommt in die Alte Oper Frankfurt.

Damals, so um 1977 herum, waren Mink DeVille the coolest cats in town - was schon was heissen sollte, wenn man bedenkt, dass Willys Heimat New York City hiess. Seine Band (die er - warum auch immer - Mink DeVille getauft hatte) eine traumwandlerisch sicher groovende Rhythm'n'Soul-Combo von der Lower East Side, ihr Boss der verwunschene Kronprinz des nostalgischen Mantel- und Degen-Undergrounds: Rueschenhemd, Seeraeuber-Jackett, Schaftstiefel, die Haare eine Mischung aus D'Artagnon und Kaept'n Hook, eine spindelduerre Gestalt wie aus einem Vampir-Roman von Anne Rice. Und singen konnte er schon immer.

Willy deVille hat die ersten Jahre seines musikalischen Lebens ausschliesslich schwarze Musik gehoert: Sam Cooke, James Brown, Fats Domino und Ben E. King - da liegen seine Wurzeln. Selbst permanent leichenblass, klang Willy deVille schon immer rabenschwarz.

Die Toene quetschte er irgendwie durch seinen kettenverrauchten Kehlkopf, die Phrasierungen jagte er sehnsuechtig aus der Seele: Es gab und gibt im weissen Rock 'n' Roll kaum eine Stimme, die so unnachahmlich den Blues singt wie die Willys. Nach seinem Debuet-Album "Mink DeVille" wurde er mit Mick Jagger, Lou Reed und Van Morrison verglichen - in einem Atemzug.

Es kam, wie es kommen musste: Die Erwartungen zu hoch, die Band zu zerstritten, die kommenden Alben zu mittelmaessig: Vom Gipfel fuehren alle Wege schnell nach unten. Obwohl die Band immer ein Liebling der Kritiker war, blieb Mink deVille der kommerzielle Erfolg versagt: Ein Top-20-Hit in Grossbritannien ("Spanish Stroll"): Das war's. 1987 loesten sich Mink DeVille auf.

Willy machte solo weiter: Jahre zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betruebt, zwischen Academy Award-Sessel und Gosse, niemals aber zwischendrin - obwohl da genuegend Platz fuer ihn gewesen waere. Drogen und wechselnde Plattenfirmen setzten ihm zu; am Ende zog der eleganteste Crooner des Southern Soul sogar - in den Diensten eines eklig-suessen Whiskey-Likoers - mit Barhocker und Gitarre von einer Promotion-Party zur naechsten, ein einsamer Werwolf auf der Suche nach der verlorenen Zeit.

Der Umzug nach New Orleans, wo er musikalisch schon immer hingehoerte, hat ihn gerettet: "Victory Mixture", seine erste Big Easy-Produktion aus dem Jahre 1990, versammelte so legendaere Groessen wie Dr. John, Allen Toussaint und George Porter von den Meters und klang wie Willys kuestlerisches Coming-out: entschlackt, frisch, neugeboren.

Der Nachfolger "Backstreets Of Desire" (1992) schloss sich stilistisch nahtlos an und warf mit einer Mariachi-Version von "Hey Joe" sogar einen respektablen und laengst verdienten Singlehit ab: Auf einmal sah deVille nicht nur wie ein spanischer Grande im Exil Louisianas aus, sondern klang auch wie einer.

Und jetzt: "Loup Garou" (eastwest), der dritte Teil seiner New Orleans-Trilogie: Das schoenste Willy deVille-Album in zehn Jahren. Ohne anbiedernd oder aufdringlich zu werden, bedient er sich im grossen melting pot der Stadt am Mississippi, fuegt Voodoo-Trommeln, Jazz-Rhythmen, spanische Gitarren, Gospel und Soul zu einer eigenwilligen, stellenweise mysterioes-duesternen Melange zusammen: Musik fuer schwuel-heisse Sommernaechte, wenn Crescent City die Hitze des Tages fuer ein paar Stunden vergisst, der Ventilator in der Kneipe die Luft in zentimetergrosse Stueckchen teilt und die Katze auf dem heissen Blechdach dem Vollmond die Pein ihrer unerfuellten Triebe klagt. Und unten, in den Strassen, womoeglich ein "Loup Garou" um die Ecken streicht.

Im Rahmen seiner Deutschlandtournee spielt der Mann mit dem "Spanish Stroll" und dem "Cadillac Walk" am Sonntag, 3. Maerz, in der Alten Oper Frankfurt.

(Stefan Nink - Frankfurter Rundschau v. 10.02.1996)





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