Nach Bob Dylan die zweite Legende
Vor zehn Jahren starb der belgische Sänger Jacques Brel
Er sang über die Sehnsucht, die Liebe, die Freundschaft, die Jugend, das Alter, die Einsamkeit, die Geburt und den Tod. Jacques Brel, dieser sensible Poet hat mit seinen Chansons eine ganze Jugend beeinflußt -- und Geschichte geschrieben. Vor zehn Jahren starb er.
Wie kaum einem anderen, ausgenommen vielleicht Bob Dylan, ist es Brel gelungen, das Ensemble der menschlichen Gefühle musikalisch zu bündeln und auszudrücken. "Er ist," so charakterisiert ihn sein niederländisches Pendant, der ebenfalls einfühlsame Liedermacher Herman Van Veen, "wie Wasser und Luft, wie Sturm und Ruhe, er ist ein Urelement."
"Brel ist tot, aber seine Lieder leben", behauptet jedoch die weltweite Fangemeinde des 1929 in der Brüsseler Vorstadt Schärbeck geborenen Brel. Die Brel-Fans pilgern in diesen Tagen massenhaft in das "Jacques Brel Centre" in Brüssel, wo eine seiner drei Kinder, die heute 34-jährige France Brel, das Andenken an ihren Vater nicht nur für sich, sondern auch für die Fans wachhält. "Das Telefon steht seit Tagen nicht mehr still," sagt France Brel, die von ihrem Vater vor allem die Nase geerbt zu haben scheint.
"Die meisten Anrufe kommen aus der Bundesrepublik Deutschland, Italien, Australien und Japan." Daß kein Franzose in Brüssel anruft, wo Brel doch seine Karriere in Paris machte und dort zur Kultfigur aufstieg, das liegt einfach daran, daß es auch in der französischen Hauptstadt ein "Jacques Brel-Centre" gibt, an das man sich in diesen Tagen wenden kann.
Was hat Brel so berühmt gemacht, so beliebt, so unwiderstehlich, so einzigartig gemacht? - War es seine Stimme, sein Aussehen, seine Texte? Seine Ausstrahlung, sein Charisma, das Geheimnis seines Erfolgs fußt wohl in der Authenzität, der Ehrlichkeit und dem unwiderstehlichen Charme, mit denen er seine Texte präsentierte. Texte, die einfach unter die Haut gingen und noch immer gehen, wenn man sie hört.
Wie seine berühmte Hommage an Amsterdam beispielsweise, in der er das Seemanns-Milieu in der holländischen Hauptstadt besingt, wie es noch keiner vor und noch keiner nach ihm getan hat. Allein mit dem Chanson "Amsterdam" hat sich Brel selbst ein Denkmal gesetzt.Durch eine andere berühmte Nummer, nämlich mit "Laß mich nicht allein!" (Ne me quitte pas) ist er unvergeßlich geworden. Seine Fans in aller Welt, das scheint festzustehen, sie lassen ihn nicht allein. Für sie lebt er ewig weiter - durch seine Lieder.
(Helmut Hetzel - Die Presse)