Liebessonette
von
Pablo Neruda
XC
Ich vermeinte zu sterben,
fühlte die Kälte nahen,
und von all dem Gelebten nur dich
ließ ich da;
dein Mund war mein Tag, meine irdischen
Nächte
und Deine Haut der von Küssen
gegründete Staat.
In diesem Augenblick hatten Bücher,
und Freundschaft,
die unentwegt angesammelten Schätze,
das durchsichtige Haus, das du
und ich erbauten,
ein Ende;
von allem entsagte ich,
nur nicht von Deinem Augenpaar.
Denn die Liebe, wenn das Leben uns
quält,
ist einzig eine Woge
hoch über den Wogen,
doch wenn, ach, der Tod naht,
um an die Tür zu pochen,
bleibt allein dein Blick für
soviel Leere,
nur eine Helle, um weiterhin nicht
zu sein,
Deine Liebe allein,
um das Dunkel zu schließen.
XCIV
Sterb ich,
so überlebe mich mit all deiner
reinen Kraft,
daß du den Zorn der Blässe
erweckst,
der Todeskälte,
von Süd hin zu Süd,
erheb deine unauslöschlichen
Augen,
von Sonne zu Sonne tönen
soll dein Gitarrenmund.
Will nicht,
daß dein Lachen noch deine
Schritte zögern,
will nicht, daß meiner Freude
Vermächtnis stirbt,
rufe nicht meine Brust,
ich bin fern.
Lebe in meiner Abwesenheit wie in
einem Haus.
So groß ist das Haus der
Abwesenheit,
daß du in ihm durch die Mauern
gehst
und die Bilder aufhängen wirst
in der Luft.
Ein so durchsichtiges Haus ist die
Abwesenheit,
daß ohne Leben ich dich leben
sehn werde,
und leidest du,
meine Liebe,
werde ich nochmals sterben.