Die Dichtung
Und es war in diesem Alter... Da
nahte
Auf der Suche nach mir
Die Poesie. Ich weiß nicht,
woher
Sie kam, vom Winter oder vom Fluß.
Ich weiß nicht wie noch wann,
nein, da waren keine Stimmen, war
nicht
Wort noch Schweigen.
Doch von der Straße her rief
es mich,
aus dem Gezweig der Nacht,
plötzlich unter anderen,
zwischen heftigen Flammen
oder allein bei der Rückkehr,
dort war sie, gesichtslos,
und sie rührte mich an.
Ich wußte nicht, was sagen,
mein Mund
Wußte nichts
zu benennen,
meine Augen waren blind,
und irgend etwas schlug heftig
in meiner Brust,
Fieber oder verirrte Schwingen,
und ich gewöhnte mich, einsam
zu sein,
als ich jene Brandwunde
entzifferte,
und ich schrieb die erste verschwommene
Zeile nieder,
unklar, gestaltlos, pure
Nichtigkeit,
reine Weisheit,
eines, der nichts begreift,
und auf einmal sah ich
enthülst
und offen
den Himmel,
Planeten, wogende Pflanzungen,
das Dunkel durchlöchert,
durchsiebt
von Pfeilen, Feuer und Blumen,
die überwältigende Nacht,
das All.
Und ich, winziges Menschenwesen,
trunken von der großen gestirnten
Leere,
ihr ähnlich, ein Ebenbild
des Geheimnisses,
ich fühlte mich reiner Teil
des Abgrundes,
rollte mit den Sternen dahin,
los stürmte mein Herz in den
Wind.
Das Mädchen aus Holz kam nicht
zu Fuß daher:
Dort auf den Ziegelsteinen
saß es plötzlich,
alte Blumen der See bedeckten sein
Haupt,
sein Blick hatte die Schwermut
der Wurzeln.
Dort blieb es, unser freies Leben
betrachtend,
das Kommen und Sein und Gehen
und Wiederkehrn auf der Erde,
den seine geregelten Blütenblätter
entfärbenden Tag.
Es überwachte uns, ohne uns
zu gewahren,
das Mädchen aus Holz.
Das von den uralten Wogen gekrönte
Mädchen,
dort blickte es mit seinen vernichtenden
Augen:
es wußte, wir lebten in einem
entfernten Netz
aus Zeit und Wasser und Wellen
und Klängen und Regen,
ohne zu wissen, sind wir da wirklich
oder sind wir sein Traum.
Das ist die Geschichte
von dem Mädchen aus Holz.
Wenn Deine Augen nicht des Mondes
Farbe hätten,
und die Tage mit Lehm,
mit Arbeit und Feuer,
und du gefangen nicht hättest
der Luft Behendigkeit,
wenn du nicht eine Woche
wärst aus Bernstein,
wenn du der gelbe Augenblick nicht
wärst,
in dem der Herbst durch Ackerwinden
aufwärts klimmt
und auch das Brot nicht,
das der funkelnde Mond
herstellt, sein Mehl spazierenführend
auf dem Himmel,
oh Heißgeliebte, ich würde
dich nicht lieben!
In deiner Umarmung umarme ich,
was existiert,
den Sand, die Zeit, des Regens
Baum,
und alles lebt, auf daß ich
lebe:
ohne in die Ferne fortzuziehen,
kann ich alles sehn:
in deinem Leben
gewahr ich alles Lebendige.
Texte entnommen aus:
Pablo Neruda: "Viele sind wir"
Sammlung Luchterhand