Walther Heinrich
Das Platonische Jahr und die Zeit
- Ein "platonischer" Lunisolar-Kalender -
- Der babylonische Oktaëteris-Kalender
-
- Sichtlinien-Systeme in Altamerika -
© Walther Heinrich, 1999, I N T I - V E R L A G, T R I E R (Homepage)
ISBN .3-924060-06-1
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Inhaltsverzeichnis
I. Einführung
II. Das Platonische Jahr
1) Die Ermittlung der Jahreslängen
2) Die Zeit im Platonischen Jahr
3) Das Wandern des Frühlingspunkts und der Mithraskult
4) Die Kommensurabilität
III. Ein "platonischer" Lunisolar-Kalender
1) Kalenderberechnung auf Basis des tropischen
Jahrs
2) Kalenderberechnung auf Basis des siderischen Jahrs
3) Der babylonische Oktaëteris-Kalender
IV. Sichtliniensysteme in Altamerika
1) Die "ceques" um Cuzco
2) Die Scharrlinien bei Nazca
I Einführung
Platons Zeitlehre ist auch heute noch Gegenstand vieler Studien.
Unter anderen ist Gernot Böhme (Idee und Kosmos ,
Frankfurt a.M. : Vittorio Klostermann, ) zur Erkenntnis gekommen,
dass nach Platons Meinung die Zeit nicht ein Kreis ist, sich aber im
Kreis bewegt. Diese Auslegung findet eine anschauliche
Bestätigung in dem von Platon erkannten Grossen Jahr,
wenn man darin für das siderische und das tropische Jahr die
Längen annimmt, die sich aus der nach Platons Vorstellungen
bestehenden Vollkommenen Zahl ergibt, d.h.aus der Summe von
Tagen, innerhalb derer alle Planeten ganze Umläufe vollenden.
Dann nämlich zeigt es sich, dass die Zeit innerhalb dieses
Grossen Jahres in der Form einer Welle verläuft, die
-übergreifend- Vergangenheit und Zukunft miteinander
verknüpft, weil ihre Länge durch die Präzession des
Frühlingspunkts bestimmt ist.
Wenn auch bereits im alten Babylon der durch die Präzession
bedingte Unterschied zwischen dem siderischen und dem tropischen Jahr
bekannt war, so gilt historisch der griechische Astronom
Hipparchos (190-125 v.Chr.) als Entdecker des Wanderns des
Frühlingspunktes. Man nimmt heute an, dass in dieser
Verschiebung das Wirken des Gottes Mithras gesehen wurde und sich der
Mithraskult deswegen stark verbreitet hat.
Die auf das Platonische Jahr anzuwendenden Jahreslängen
gestatten die Erstellung eines auf Sonne und Mond bezogenen
"Lunisolar-Kalenders", der dem Platonischen Jahr angepasst ist und
hier beschrieben wird. Auch der in Babylon angewendete, als
Oktaëteris bezeichnete 8-Jahres-Kalender führt mit
diesen Längen auf einfache Weise zu überraschend genauen
Ergebnissen. Vielleicht kann die Erkenntnis, dass Sonnenjahr und
Mondjahr zu der Zahl 360 in einem festen Verhältnis stehen, zur
Deutung der in Altamerika eingerichteten Sichtlinien beitragen.
II Das Platonische Jahr
Das Vorhandensein eines Grossen Jahres erklärt sich durch die
kreisförmige Bewegung der Erdachse um den Pol der Ekliptik (d.h.
der scheinbaren Umlaufbahn der Sonne um die Erde). Diese, dem Taumeln
eines sich drehenden Kreisels vergleichbare Bewegung ist darauf
zurückzuführen, dass die Anziehungskräfte, die von
Sonne, Mond und Planeten ausgehen, die Erdachse zwingen,
gegenläufig zur Bahn der Sonne einen Kegelmantel zu beschreiben,
der um den Pol der Ekliptik läuft. Diese, Präzession
genannte Bewegung bewirkt, dass die Stellen, an denen die Ekliptik
die Äquatorebene schneidet (das sind die Punkte der
Frühlings- bzw. Herbst-Tagundnachtgleichen), jedes Jahr um etwas
mehr als 50 Bogensekunden vorverlegt werden. Da der Beginn -und damit
die Länge- des tropischen Jahrs durch den Frühlingspunkt
bestimmt wird, ist dieses etwas kürzer als das der wahren
Umlaufzeit der Erde um die Sonne entsprechende siderische Jahr.
Die Länge des, Platonisches Jahr genannten Grossen Jahres
wird der Länge gleichgesetzt, die von der Erdachse benötigt
wird, um einen Umlauf um den erwähnten Kegelmantel zu vollenden.
Man kann diese Zeit -wie es zumeist geschieht- dadurch berechnen,
dass man die jährliche Präzession von ca. 50 Bogensekunden
als Teil eines Vollkreises betrachtet, dessen 360° (bzw.
1.296.000 Bogensekunden) der Länge des siderischen Jahres
anzupassen sind. Das Ergebnis hängt damit von der für das
siderische Jahr angenommenen Länge ab. In Anbetracht der (wenn
auch geringen) Schwankungen, denen der jährliche Lauf der Erde
um die Sonne und die tägliche Umdrehung der Erde unterliegen,
lässt sich ein in fast 26.000 Jahren zu erwartendes Ergebnis
jedoch nicht mit Sicherheit vorausberechnen. Deshalb ist es
verständlich, dass die bisher angestellten Berechnungen mit
25.600, 25.700, 25.800, bzw. 25.850 Jahren zu unterschiedlichen
Ergebnissen geführt haben. Eine Fehleinschätzung ist
allerdings nicht gravierend, solange man dem Platonischen Jahr kein
besonderes Gewicht beimisst und es lediglich als die Zeit betrachtet,
in der die Erdachse den Kegelmantel voll beschreibt. Damit
erklärt es sich auch wohl, dass man auf das Platonische Jahr
erst im Zusammenhang mit der bevorstehenden Jahrtausendwende wieder
aufmerksam geworden ist, weil man sich früherer Vorstellungen
über zeitlich begrenzte Weltepochen erinnert und das Platonische
Jahr einst mit Katastrophenerwartungen verbunden worden ist. Platon
hat solche Ansichten nie vertreten. Das Gefüge dieses Grossen
Jahrs und seine kontinuierliche Erneuerung führen jede
gedankliche Verbindung mit der Erwartung von Katastrophen oder gar
einer Endzeitrechnung ad absurdum.
Als man begann, die Existenz eines Grossen Jahres zu vermuten,
konnte seine Berechnung nicht auf das damals nicht erkannte Kreisen
der Erdachse gegründet werden. Zur Erkenntnis und Berechnung des
Grossen Jahres bot sich jedoch statt der "räumlich" erfassbaren
Bogensekunden die zeitliche Differenz zwischen dem siderischen und
dem tropischen Jahr an, die man bereits im Altertum erkannt hat, ohne
zu wissen, dass sie die Folge der Präzession ist. Wenn man dabei
die sich aus Primzahlprodukten ergebenden Jahreslängen zu Grunde
legt, zu deren Erkenntnis man auf relativ einfache Weise gelangen
kann, gewinnt das Platonische Jahr grosse Bedeutung, denn es zeigt
sich dabei, dass die (hier "pd" genannte) jährliche
Präzessionsdifferenz sich im Laufe dieses Grossen Jahres zur
vollen Länge eines siderischen Jahres summiert, wodurch das
Platonische Jahr zu einer übergeordneten Kalendereinheit wird,
die den Lauf der Zeit ordnet und die oben erwähnte Ansicht
Platons über die Zeit verständlich macht.
II 1) Die Ermittlung der Jahreslängen
Es gibt zwar keine konkreten Hinweise darauf, dass Platon die
nachfolgend geschilderten Möglichkeiten zur Berechnung der
Jahreslängen gekannt hat; man muss aber wohl annehmen, dass
seine auf das Grosse Jahr bezogenen Erkenntnisse diese, zumindest
intuitiv erkannten, Längen zur Basis hatten. Diese Vermutung
wird dadurch gestützt, dass Platon der Ansicht war, es bestehe
eine Vollkommene Zahl, d.h. eine Summe von Erdtagen, innerhalb
derer alle Planeten eine ganze Summe ihrer Umläufe vollendeten
(siehe auch Kapitel 4: Die Kommensurabilitität) . Diese
Vorstellung setzte voraus,dass sich für das Sonnenjahr
Zeitpunkte ergeben, an denen ganzzahlige Summen von Tagen
ganzzahligen Summen von Jahren entsprechen. Diese Situation stellt
sich offenbar nur dann ein, wenn für das siderische Jahr die auf
Primzahlenbasis berechenbare Länge von 356d,2564102641
eingesetzt wird. Jedenfalls scheint die Konkretisierung von Platons
Vorstellungen über ein Grosses Jahr Berechnungen mit diesen
Längen vorauszusetzen. Wie sich eine solche Länge ermitteln
lässt, zeigen folgende Überlegungen.
Beobachtet man 39 Jahre lang den "heliakischen" Aufgang eines
bestimmten Fixsterns, d.h. den Tag, an dem der Stern zum ersten Mal
in der Morgendämmerung sichtbar wird, kann man feststellen, dass
inzwischen 14.245 Tage vergangen sind. Dieser Zeitspanne entspricht
für das siderische Sonnenjahr(sS) einer Länge von
durchschnittlich 365d,25641025641; sie unterscheidet sich nur um
0d,0000547 von der heutigen Länge. Die Zahl von 14.245 Tagen
kann als Basis für weitere Berechnungen genutzt werden, ohne
dass man in der Lage sein müsste, die Länge eines einzelnen
Jahres genau beziffern zu können. Ausserdem lässt diese
Zahl folgende Eigenschaften erkennen, die den Astronomen als
besonders bedeutungsvoll erscheinen mussten: Erstens, dass 14.245
Tage um 10 Tage länger sind als 39 mit je 365 Tagen berechnete
Normaljahre (=14.235d), und zweitens, dass 14.245 dem Produkt der
Primzahlen 5, 7, 11 und 37 entspricht.
Da die vier Jahreszeiten nicht mit Vierteln des siderischen Jahrs
übereinstimmen, ist bereits im Altertum auch das mit dem
Erreichen des Frühlingspunkts beginnende tropische Sonnenjahr
(tS) beachtet worden, von dem man feststellen konnte, dass es um ein
Geringes kürzer ist als das siderische Jahr. Dabei konnten die
Astronomen bemerken, dass der Unterschied zum tropischen Jahr nach
den bedeutungsvollen 39 siderischen Jahren, die 5 x 2849d
entsprechen, bereits mehr als einen halben Tag ausmachte. Es lag
deshalb nahe, einen Zeitpunkt zu suchen, an dem dieser Unterschied
die Länge eines ganzen Tages erreicht. Dazu boten sich 9 x 2849
Tage an, die 3663 Wochen ausmachen und sich als 3 x 3 x 7 x 11 x 37
Tage berechnen lassen. Das sind 25.641 Tage, die mit 1,8 x 14.245d
auch 1,8 x 39sS = 70,2sS entsprechen. Wenn die Astronomen deshalb
diese 25.641 Tage um 1 Tag kürzten, taten sie genau das
Richtige, denn 25.640 Tage entsprechen 70,2 tropischen Sonnenjahren
(tS). Daraus ergibt es sich, dass die durch die Präzession
hervorgerufene Differenz zwischen siderischem und tropischem Jahr
(d.h. 1 pd) sich aus der Teilung 1d: 70,2 bzw. 10d : 702 berechnen
lässt. Auf diese Weise konnten die Astronomen bei ihren
Berechnungen in der Praxis folgende Längen verwenden:
Differenz zur heutigen Länge:
_________________________________________________________________
1 sid. Jahr (sS) = 14.245d : 39 (=365d,25641025641) 0d,000054656
bzw. 25.641d : 70,2 (=365d,25641025641)
1 trop.Jahr (tS) = 25.640d : 70,2 (=365d,2421652421652) 0d,000033758
_________________________________________________________________
Differenz(1pd) = 1d : 70,2 (= 0d,014245014245)
Für diese Längen ist entscheidend, dass sie Mehrfache
des zwischen ihnen bestehenden Unterschieds (pd) sind, denn wenn man
1 sS bzw. 1 tS durch 1 pd dividiert, erhält man mit 25.641d
bzw.. 25.640d ein Ergebnis, das 70,2 mal so gross ist wie die
Ausgangszahl, denn 1pd entspricht ja der Teilung 1 : 70,2. Auf
dieselbe Weise lassen sich 365d : 1pd in 25.623d = 70,2 x 365d und
360d : 1pd = 25.272d in 70,2 x 360d umrechnen. Besonders wichtig ist
dabei, dass auch die Bruchteile eines Tages, um die sich die
Längen des siderischen und des tropischen Jahres von 365d
unterscheiden, bei einer Multiplikation mit 70,2 (bzw. einer Division
durch 1 pd) ganze Tage ausmachen, denn 70,2 x 0d,25641025641 sind
18d, während 70,2 x 0d,2421652421652 sich zu 17d summieren.
I 2) Die Zeit im Platonischen Jahr
Wenn die Gelehrten in der Antike auf oben geschildertem Weg zur
Erkenntnis gelangt waren, dass der Unterschied zwischen dem
tropischen und dem siderischen Jahr bei Erreichen von 25.641Tagen
(=70,2 sS) genau 1 Tag ausmachen musste, konnten sie daraus
schliessen, dass bei 25.641 Jahren ein Unterschied von 1 Jahr mit
analoger Bedeutung bestehen müsse. Daraus kann man folgende
Formeln ableiten:
25.641 trop.Jahre (tS) + 1 sid.Jahr(sS) = 25.641 sid.Jahre(sS)
25.641 trop.Jahre(tS) = 25.640 sid.Jahre(sS).
25.642 trop.Jahre(tS) = 25.641 sid.Jahre - 1 pd
Der Unterschied von 1 sS zwischen 25.641 tropischen und 25.641
siderischen Jahren entsteht dadurch, dass sich in 25.641 Jahren die
jährliche Differenz von 1pd (=0d,014245014245) zu 25.641pd
summiert hat, und dass die damit angesammelte Zeit genau einem
siderischen Jahr entspricht, denn bei der hier angenommenen
Länge ist 1sS = 25.641pd.
Man ist versucht, diese Situation so zu interpretieren, dass mit
dem Entstehen dieses siderischen Jahres das Platonische Jahr
abgeschlossen sei, denn in der Tat umfasst der Präzessionskreis
damit eine Summe von 25.641 siderischen Jahren. Da wir aber die Zeit
nicht nach siderischen, sondern nach tropischen Jahren erleben, sind
für uns die 25.641 tropischen Jahre entscheidend, aber auch,
dass sich das eingeschobene siderische Jahr aus 1 tS + 1 pd
zusammensetzt. Dieses eingeschobene siderische Jahr ist gleichzeitig
ein Spiegelbild des Platonischen Jahres, denn während es -so wie
jedes siderische Jahr- aus 1 tropischen Jahr und 1pd besteht, setzt
sich das Platonische Jahr aus 25.641 tS + 1 sS zusammen, und es sucht
wie jedes siderische Jahr den Ausgleich; und selbst wenn man die Zahl
der abgelaufenen 25,641 tropischen Jahre noch um das im
eingeschlossenen siderischen Jahr enthaltene tropische Jahr
erhöht, bleiben 25.642 tropische Jahre immer noch um 1 pd
kürzer als 25.641 siderische Jahre. Da der Zeit deshalb mit
25.641 siderischen Jahren kein Ende gesetzt ist, sie in dieser Zeit
aber die Wurzeln für ein anschliessendes Platonisches Jahr
gebildet hat, muss man annehmen, dass unsere Zeit innerhalb des
Platonischen Jahres in der Form einer sich im Kreis fortpflanzenden
Welle verläuft, deren Länge durch die
Präzessionsdifferenz pd bestimmt ist und deshalb Vergangenheit
und Zukunft miteinander verknüpft. Platons Annahme, dass die
Zeit zwar im Kreis verlaufe, aber selbst kein Kreis sei, findet
dadurch eine überzeugende Erklärung.
Im Zusammenhang mit dem Grossen Jahr verwendet Platon die Metapher
"kephalos" (Haupt), die man -tastend- als "Krönung" bzw.
"Schlussstein" übersetzt hat. Die vorstehend geschilderten
Erkenntnisse zeigen jedoch, dass Platon das Wort "kephalos" sehr
überlegt gewählt hat, denn den 25.641 tropischen Jahren ist
ein siderisches Jahr als "Haupt" gewachsen, in dem und aus dem -so
wie Pallas Athene aus dem Haupt des Zeus- ein neues Grosses Jahr
geboren wird, denn dieses Haupt ist ein Kern, der den Gedanken an ein
weiteres Platonisches Jahr bereits als Keim in sich trägt.
II 3) Das Wandern des Frühlingspunkts und der Mithraskult
Das Entstehen des Platonischen Jahrs ist eng mit der Verschiebung
des Frühlingspunkts verknüpft, die im Verlauf des
Platonischen Jahrs wichtige Etappen markiert. Das Wandern des
Frühlingspunkts ist allerdings erst im zweiten vorchristlichen
Jahrhundert festgestellt worden, als der griechische Astronom
Hipparchos erkannte, dass sich auf der Ekliptik der
Frühlingspunkt vom Tierkreissternbild Stier zum Sternbild Widder
verschoben hatte.
Um das Wandern des Frühlingspunkts zu verstehen, muss man
sich daran erinnern, dass der Unterschied zwischen siderischem und
tropischem Jahr daraus resultiert, dass der Frühlingspunkt durch
die Präzession jedes Jahr auf der Ekliptik etwas vorverlegt
wird. Er tritt dabei eine lange, rückläufige Reise zu den
vorausgegangenen Sternbildern an. So wird verständlich, dass der
Frühlingspunkt auf diesem Weg von Sternbild zu Sternbild an dem
Bild, von dem aus die Wanderung begonnen hatte, im
Rückwärtslauf bereits 1 Jahr früher, d.h. nach
25.641sS - 1sS wieder ankommt, also nach 25.640sS, die 25.641
tropischen Jahren entsprechen. Der bei dem schnellen
Vorwärtslauf und dem langsamen Rückwärtslauf
entstehende Unterschied von 1 sS ist dabei durch das aus 25.641pd
gebildete siderische Jahr überbrückt worden. Dies ist ein
überzeugendes Beispiel für die von Platon angenommene
Kommensurabilität schneller und langsamer Bewegungen von
Himmelskörpern. Es macht zugleich deutlich, dass für das
Grosse Jahr der Name Platonisches Jahr zu Recht besteht.
Wenn Hipparchos die Länge von 39 siderischen Jahren mit
14.245d bekannt war und er deshalb für das Platonische Jahr eine
Länge von 25.641 siderischen Jahren annehmen konnte, ergab sich
für das Wandern des Frühlingspunkts folgende einfache
Rechnung: Während der 25.641 Jahre war der Lauf der Sonne in
jedem einzelnen Jahr über alle 12 Sternbilder des Tierkreises
gegangen, wobei sie den Weg von einem Bild zum nächsten in einer
Zeit von 1sS : 12 zurückgelegt hatte. Während der 25.641
Jahre hatte die Sonne damit 25.641mal 12 Sternbilder passiert,
insgesamt also 307.692. Die Zeit, die dafür benötigt wurde,
liess sich -ohne dass man die Länge eines einzelnen Jahres
hätte beziffern müssen- aus 307.692 x (1sS : 12),
berechnen, und das waren wieder 25.641 Jahre. Hier war also eine
Situation entstanden, in der sich "die Katze in den Schwanz beisst",
wie man sagt. Wenn im Altertum oft eine sich in den Schwanz beissende
Schlange dargestellt wurde, sollte dadurch vielleicht dieser
Zusammenhang angedeutet werden.
Bei einer mit 25.641 Jahren anzusetzenden Länge des
Platonischen Jahrs berechnet sich der Rhythmus, in dem das Wandern
des Frühlingspunkts von einem Sternbild zu nächsten
erfolgt, aus 25.641 : 12 = 2.136,75. Gegenüber anderen
Ansätzen spricht für diese Zahl von Jahren, dass 2.136,75
nicht lediglich der 12. Teil von 25.641 ist, sondern -in Tagen
gerechnet- einen eigenen astronomischen Wert besitzt, denn 2.136,75d
entsprechen genau 5,85 sS. Deshalb sind 2.136,75sS = 5,85 x sS².
Entsprechendes gilt natürlich auch für die Mehrfachen von
2.136,75, doch ist es bemerkenswert, dass 25.641 sS nicht nur = 70,2
x sS² sind, sondern auch = 25.641² pd, denn 1 sS entspricht
ja 25.641 pd. So nimmt das Wandern des Frühlingspunkts über
die 12 Tierkreissternbilder (nach zunächst 1tS + <1 sS :
25.641=1 pd> = 1 sS) folgenden Verlauf:
[TABELLE / TABLE]
In seinem Buch The Origins of Mithraic Mysteries.(deutsche
Übersetzung Die Ursprünge des Mithraskults, 1998 bei
Theiss, Stuttgart) hat David Ulansey die These vertreten, die
Entdeckung der Verschiebung des Frühlingspunkts habe
entscheidend dazu beigetragen, dass der Mithraskult um die
Zeitenwende im Römischen Reich eine schnelle Verbreitung
gefunden hat. Die besonders im ehemaligen Bereich des römischen
Heers erhalten gebliebenen Heiligtümer zeigen den -zuvor nur aus
alten Überlieferungen bekannten- altpersischen Gott Mithras, wie
er einen Stier tötet. Aus den diese Szene schmückenden
Sternbildern schliesst Ulansey, dass hiermit der Wechsel vom
Sternbild Stier zum Sternbild Widder dargestellt worden ist und dies
die Macht des Gottes versinnbildlichen sollte, das festgefügte
Weltall zu verändern.
Für das Wandern des Frühlingspunkts gibt Ulansey (einer
manchmal anzutreffenden Meinung folgend) einen Rhythmus von 2160
Jahren an, wonach das Platonische Jahr mit 25.920 Jahren zu bemessen
sei. Dieser Rhythmus trifft jedoch nur auf ein Jahr zu, das in
Anlehnung an die 360° des Kreises mit 360 Tagen berechnet wird.
Man mag verführt sein, solcher relativ einfacher Rechnung zu
folgen, weil sich auch dabei der oben genannte Situation ergibt, die
durch eine sich in den Schwanz beissenden Schlange dargestellt sein
könnte. Aber dieser Effekt wird durch das System bewirkt und
nicht durch die einzusetzende Länge des Jahres. Geht man bei der
Berechnung von der 360-Tage-Basis aus, muss man die Umrechnung auf
die Länge des siderischen Jahres als nächsten Schritt
folgen lassen.
Im übrigen lassen es Ulanseys Ausführungen verstehen,
dass die Erkenntnis des Wanderns des Frühlingspunkts den Glauben
an das Wirken eines Gottes geweckt hat, der im Kosmos waltete, und
als "Ordner und Herrscher der Welt" zu verehren war. Angesichts
seiner besonderen Macht musste dieser Gott viel stärker sein als
Zeus, der mit einer Schar allzu vermenschlichter Götter die Erde
vom Olymp aus regierte und sich am Firmament lediglich darauf
verstand, die Wolken zu versammeln, womit Homer ihn charakterisierte.
So wird es auch verständlich, dass der Mithraskult einen
religionsähnlichem Charakter annahm und sich stark
verbreitete.
II 4) Die Kommensurabilität
Platon hat seine Vorstellungen über ein auf den Lauf der
Sonne bezogenes Grosses Jahr durch Gedanken an ein Vollkommenes Jahr,
d.h. eine Vollkommene Zahl von Tagen erweitert, innerhalb derer alle
Planeten kommensurabel sein müssten. Es sei zu erwarten, dass
die Planeten -jeder auf seine Art- dieses Vollkommenen Jahr
gleichzeitig und zwar mit einer ganzen Summe ihrer Umläufe
abschlössen. Dieser Vorstellung ist man bisher nicht
nachgegangen, was an der Vermutung liegen mag, dass die
Planetenperioden -ebenso wie die Umlaufzeit der Erde- Schwankungen
unterliegen und diese nicht konform sein müssen. Wenn es aber
angesichts der offensichtlichen Zusammenhänge zwischen den
Primzahlen und der Länge des siderischen Jahrs nahe liegt
anzunehmen dass es sich dabei um Schwankungen handelt, die um die
ideale Länge pulsieren, ist dies auch für die übrigen
Planetenperioden nicht auszuschliessen.
Immerhin kann für das Venusjahr eine Kommensurabilität
mit dem Sonnenjahr unter der Voraussetzung festgestellt werden, dass
man für ein, hier als V´ bezeichnetes Venusjahr eine
Länge von 583d,916666666 akzeptiert, die nur um 0d,00333333 von
der wahren Länge des Venusjahrs (583d,92) abweicht und in 300
Venusjahren durch die Addition von 1d die genaue Länge von 300
Venusjahren erreicht. Bei Anwendung der Länge von 583d,91666666
ergibt sich zudem der Vorteil, dass 12 V´ = 7.007d sich von 12
Venus-Rundjahren zu je 584d = 7.008d um 1d unterscheiden und deshalb
leicht berechenbar sind. Da 1001d = 7 x 11 x 13d sind, entsprechen 12
V´(=7007d) dem Produkt der Primzahlen 7 x 7 x 11 x 13. So ergibt
sich für 11.100 Venusjahre folgende Situation:
11.100 V´ = 6.481.475d = 17.745sS (=11.100 V - 37d)
Bei dieser Berechnung erscheint als Unterschied zwischen 11.100 V
und 11.100 V´ die Zahl 37, weil der Unterschied zwischen V und
V´ in 300 Jahren 1d ausmacht und 11.100 = 37 x 300 ist. Wie oben
erwähnt, handelt es sich bei 37 um eine Zahl, die bei der
Berechnung des siderischen Jahrs aus Primzahlprodukten als Faktor
unentbehrlich ist. Die zeitliche Verbindung zwischen V´, dem
Mondjahr und dem Sonnenjahr wird dadurch deutlich, dass sich 150,15
tropische Jahre von 150,15 Mondjahren(M) um 1 V´ unterscheiden
(54.841d,111111 + 583d,91666666 = 55425d,02777)
Dass eine Kommensurabilität auch der anderen
Planetenumläufe zumindest theoretisch nicht unmöglich ist,
zeigt sich, wenn man als Basis der Berechnungen auch hierbei die
Länge des siderischen Jahrs zu Grunde legt. Während 702 sS
= 256.410d, sich von 702 tropischen Jahren um 10d unterscheiden und
letztere um 2730d kleiner sind als 702 Mondjahre, ergibt es sich,
dass 256.410 (=702 sS) x 273 (=3x7x13) mit 69.999.930 eine Zahl ist,
mit der sich eine Kommensurabilität der Planetenumläufe
feststellen lässt, allerdings unter der Voraussetzung, dass die
Abweichungen zwischen den anzunehmenden und den heutigen Längen
auf regelmässige, sich letzten Endes ausgleichende Schwankungen
zurückzuführen sind. Die mit 69.999.930d angenommene
Vollkommene Zahl entspricht dem Produkt der Primzahlen
1x2x3x5x7x11x13x37d (=1.111.110d) x 3x3x7 und stellt damit 3240 x 37
V´dar. Vor allem aber sind 69.999.930d = 70.000.000d - 70d
=70.000.000 : 1.000001 = 999.999 x 70d. Neben der Bedeutung der Zahl
7, die hier zu erkennen ist, begegnet man hier der Zahl 999.999,
deren Gewicht unter III 2) näher beschrieben wird.
Welche Längen die einzelnen Planetenjahre haben müssten;
wenn sie in einer ganzzahligen Summe von Umläufen der hier
angenommenen Vollkommenen Zahl entsprechen sollen, zeigt nachfolgende
Aufstellung, in der die Abweichungen der vorauszusetzenden
Längen von den heute gültigen Längen der
Planetenumläufe in der letzten Spalte als "Differenz" angegeben
sind. Wenn diese Zusammenstellung auch nur hypothetischer Natur ist,
so dürfte sie in Anbetracht der nur geringen Abweichungen von
den heutigen Längen dennoch zeigen, dass Platons Vorstellungen
über die Kommensurabilität nicht als utopisch bezeichnet
werden müssen.
Planet
|
heutige Länge
|
Vollk.Zahl erreicht in
|
mit einer Länge von
|
Differenz
|
Saturn
|
378d,0819
|
185.185 Jahren
|
378d
|
0d,0819
|
Jupiter
|
398d,88403
|
175.490 Jahren
|
398d,8827284
|
0d,00130
|
Mars
|
779d,9351
|
89.751 Jahren
|
779d,9348197
|
0d,00035032
|
Sonne(Erde)
|
365d,256365
|
191.646 Jahren
|
365d,2564103
|
0d,00004645
|
Venus
|
583d,92
|
119.880 Jahren
|
583d,9166666
|
0d,00333333
|
Merkur
|
115d,8763
|
604.092 Jahren
|
115d,8762738
|
0d,000026187
|
Mond
|
369d,13235
|
189.634 Jahren
|
369d,1317485
|
0d,0006944
|
Bei Erreichen der Vollkommenen Zahl beträgt der Unterschied
zwischen 191.646 siderischen und 191.646 tropischen Jahren 2730 Tage.
Dabei ist zu bedenken, dass die hier ermittelte Vollkommene Zahl =
2730 x 25.641d (=2730 x 70,2 sS) ist.
III. Ein "platonischer" Lunisolar-Kalender
Ebenso wie das Gefüge des Platonischen Jahrs deutlich wird,
wenn man zur Berechnung des siderischen Sonnenjahrs und seines
Unterschieds zum tropischen Jahr die sich aus Primzahlprodukten
berechenbaren Längen einsetzt, fusst auch der hier dargestellte
Kalender auf diesen Längen; sie konnten bereits im Altertum
zumindest pauschal verwendet werden und besitzen auch heute eine
für einen Kalender ausreichende Genauigkeit. Dieser Kalender
verdient besondere Beachtung, weil seine Fundamentalperioden, an
denen ein Ausgleich zum Normaljahr mit seinen 365 Tagen erfolgt, als
Primzahlprodukte berechenbar sind und deshalb Summen von ganzen Tagen
entsprechen.
An diesen Primzahlen ist stets der Faktor 37 beteiligt:
7,8sS = 2.849d = 7x11x37d = 7,8x365d + 2d
39 sS = 14.245d = 5x7x11x37d = 39 x365d + 10d
70,2sS = 25.641d = 3x3x7x11x37d = 70,2x365d + 18d
351 sS =128.205d = 3x3x5x7x11x37d = 351 x365d + 90d
Die Umschaltung von siderischen Jahren auf tropische Jahre kann,
wie oben bereits erwähnt, bei Erreichen von 70,2 sS und seinen
Mehrfachen durch Abzug von 1d von jeweils 25641d erfolgen.
Die übliche Einfügung von 1 Schalttag alle vier Jahre
führt in diesem Kalender zu einer automatischen, vollkommenen
Angleichung des Normaljahrs (365d) an das tropische Jahr, wenn man
folgende Schaltregeln beachtet, die nicht komplizierter (aber eher
genauer) sind als die des Gregorianischen Kalenders.
Während 100 Jahren werden insgesamt 25 Schalttage
eingefügt; danach bleiben 4 Jahre ohne Schalttag. Dieses
Vorgehen wird 3mal wiederholt, womit in insgesamt 312 Jahren 75
Schalttage eingefügt worden sind. Daraus ergibt sich eine
durchschnittliche Jahreslänge von 365d,24038. Werden danach dann
nicht nach 10mal 4 Jahren, sondern nach 9mal 4 Jahren + 3 Jahren
(also bereits nach insgesamt 39 Jahren) 10 Tage eingeschaltet, ergibt
sich für 351 (312+39) Jahre eine Zuschaltung von 85 Tagen. Das
heisst, dass auf diese Weise mit 351 x 365d (=128.115d) + 85d =
128.200d eine genaue Übereinstimmung mit der Länge von 351
tS (351 x 365d,2421652421652) erreicht wird.
Was diesen Kalender zum Lunisolar-Kalender erweiterbar macht,
liegt daran, dass nicht nur die Längen des siderischen und des
tropischen Jahrs Mehrfache von 1pd sind, sondern auch das Mondjahr.
Dies lässt erkennen, dass der Umlauf des Mondes um die Erde auch
vom Umlauf der Erde um die Sonne beeinflusst ist. Diese
Abhängigkeit wird deutlich, wenn man ein Mondjahr nicht mit 12,
sondern mit 12,5 synodischen Monaten (= 25 Halbmonate bzw. 50
Mondphasen) berechnet. Bei Anwendung der heutigen Länge umfassen
12.5 synodische Monate 369d.13235. In Einheiten der
Präzessionsdifferenz pd gerechnet, sind dies 25.913,09142 pd.
Kürzt man diese Zahl auf 25.913pd, ergibt sich für das
Mondjahr die Länge von 369d,1310541. Mit dieser Zahl, die sich
nur um 0d,0012959 von der heutigen Länge unterscheidet,
fügt sich das Mondjahr problemlos in die oben erläuterte
Berechnung des Sonnenjahrs aus Primzahlprodukten ein, da sich auch
für das Mondjahr bei einer Multipllikation mit 70,2 ein
ganztagiges Ergebnis einstellt.
Je nach Bezugnahme auf das tropische oder das siderische Jahr
ergeben sich für das Mondjahr folgende Längen, die
voneinander nur um 0d.000356125 abweichen: Zur besseren
Unterscheidung der Berechnungen ist im Nachfolgenden das auf Basis
des tropischen Jahrs berechneten Mondjahr mit "M" bezeichnet,
während das den Unterschied zum siderischen Jahr
berücksichtigende Mondjahr als "M´" erscheint.
1 tS + 3d,8888888 = 369d,1310541 = 1M = 12,5 syn.Monate
9 tS + 35d = 3.322d,179487 = 9M = 112,5 syn.Monate
bzw.
1 sS + 3d,875 = 369d,131410256 = 1M´ = 12,5 syn.Monate
8 sS + 31d = 2.953d,051282 = 8M´ = 100 syn.Monate
Hieraus ist ersichtlich, dass sich in der auf das tropische Jahr
bezogenen Berechnung des Mondjahrs M nach 9 Jahren ein ganztagiger
Unterschied (35d) ergibt, während sich bei M´ nach 8 Jahren
ein Unterschied von 31d einstellt.
Eine wesentliche Eigenschaft beider für das Mondjahr
anzusetzenden Längen ist, dass sie sich in 360d + 9d,1310541
bzw. in 360d + 9d,131410256 zerlegen lassen, und dass die dabei
über 360d hinausgehenden Bruchteile eines Mondjahres sich als
Teile des tropischen bzw. des siderischen Jahres berechnen lassen,
denn sie entsprechen genau 0,025 tS bzw. 0,025 sS; das heisst, dass
sich diese jährlichen Unterschiede zu 360d im Laufe von 40
Jahren zu einem tropischen bzw. siderischen Jahr summieren. In dem
Vorhandensein eines derartiger Zusammenhangs zwischen dem Mondjahr,
das eine astronomisch bedingte Zeiteinheit ist, und 360d, die man als
abstrakte Zahl ansehen kann, ist als weiterer Beweis für die
Abhängigkeit der Zahl von der Zeit zu erkennen; sie bietet eine
zusätzliche Möglichkeit, den Mondumlauf kalendarisch zu
erfassen.
Während sich das Platonischen Jahr aus 25.641 tropischen
Jahren + 1 siderisches Jahr berechnen lässt und damit
9.365.174d,358 + 365d,25641025641 = 9.365.539d,614 umfasst, ergeben
sich 25.641 Mondjahre, wenn man zu 25.641 tropischen Jahren 25.641 x
3d,888888888 (= 99.715d) hinzurechnet. Dabei ist es entscheidend,
dass diese 99.715d gleichzeitig 273 siderische Jahre sind. Wenn also
zu 25.641 tropischen Jahren 1 siderisches Jahr addiert wird,
erhält man das Platonische Jahr. Fügt man hingegen zu
25.641 tropischen Jahre 273 siderische Jahre hinzu, werden 25.641
Mondjahre (M) erreicht. Es bleibt sich also gleich, ob man zu den
25.641 siderischen Jahren noch 272 siderische Jahre hinzufügt,
oder zu 25.641 tropischen Jahren noch 273 siderische Jahre addiert.
Die Summierung von tropischen und siderischen Jahren findet damit
auch beim Mondjahr ihren Ausgleich durch dieses zwischen 25.641
tropischen und 25.641 siderischen Jahren liegende siderische Jahr.
Die Verbindung des Mondjahrs zum Platonischen Jahr wird auch dadurch
deutlich, dass 25.641 M gleichzeitig 25.913 siderischen Jahren
entsprechen, denn wenn der Faktor 25.641 = 70,2 sS ist, so entspricht
der Faktor 25.913d seinerseits 70,2 M. Wie man sieht, können
25.641 M wohl zu Recht als "Platonisches Mondjahr" bezeichnet
werden.
III 1) Kalenderberechnung auf Basis des tropischen Sonnenjahrs
(tS).
Der oben erwähnte Unterschied von 3d,888888 zwischen 1 M und
1 tS, der sich in 9 Jahren zu 35d summiert, bietet eine
ausgezeichnete Möglichkeit zur Einrichtung eines Kalenders, der
ganzzahlige Unterschiede zwischen Mondjahren und tropischen Jahren
aufzeigt. Bei Erreichen von 70,2 Jahren ergeben sich dabei für
360d, 365d, tropisches Sonnenjahr und Mondjahr ganzzahlige Summen von
Tagen und damit ganztagige Unterschiede:
[TABELLE]
Hierbei kann man feststellen, , dass die hier für 70,2
Mondjahre anzusetzende Zahl von 25.913d um 641d grösser ist als
70,2 x 360d (= 25.272d). Dies entspricht dem erwähnten
Unterschied zwischen Mondjahr und 360d, der mit 9d,131054133 den
vierzigsten Teil des tropischen Jahrs darstellt.
Mit den Mehrfachen von 70,2 ergibt sich folgende
Kalenderreihe:
70,2 x 360d ( = 25.272d) + 368d ( = 25.640d = 70,2 tS) +
273d = 70,2 M
140,4 x 360d ( = 50.644d) + 736d ( = 51.280d =140,4 tS) + 546d =
140,4 M
210,6 x 360d ( = 75.816d) + 1.104d ( = 76.920d =210.g tS) + 819d =
210,6 M
280,8 x 360d ( = 101.088d) + 1.472d (=102.560d =280,8 tS) +1.092d =
280,8 M
351 x 360d ( = 126.360d) + 1.840d (=128.200d =351 tS) +1.365d = 351
M
III 2) Kalenderberechnung auf Basis des siderischen Sonnenjahrs
(sS)
Man kann obige Berechnungen mit analogen Ergebnissen auch mit dem
auf der Basis des siderischen Jahres berechneten Mondjahr M´
durchführen, wobei zu beachten ist, dass der Unterschied
zwischen 70,2 sS und 70,2 x 365d nicht 17d, sondern 18d und zu 360d
nicht 368d, sondern 369d ausmacht.
Im Rahmen des Lunisolar-Kalenders ist vor allem von Interesse, wie
sich der Unterschied zwischen 1 M´ und 360d langfristig
auswirkt. Dies ist am besten erkennen, wenn man sich einen Kreis
zeichnet oder denkt, dessen 360° in 40 Sektoren eingeteilt sind,
denen Radien entsprechen, die untereinander einen Winkelabstand von
jeweils 9° haben. Man kann in diesem Kreis den Umfang
verschiedener Zeiteinheiten sehen, z.B. eines siderischen Jahrs,
eines Mondjahrs, oder auch von 360d oder 351d. Auch ist es
gleichgültig, ob man in siderischen Jahren oder in tropischen
Jahren rechnet. Entscheidend ist nämlich in beiden Fällen
das astronomisch bedingte Verhältnis des Mondumlaufs zum
Erdumlauf. Dieses Verhältnis lässt sich darstellen, wenn
man z.B. die 40 Sektoren des Kreises mit je einem Vierzigstel des
siderischen Sonnenjahrs belegt und sie im Uhrzeigersinn
zusammenzählt, so dass sich am Scheitelpunkt des Kreises 1 sS
ergibt. Bewertet man die Sektoren dann in einer entgegen dem
Uhrzeigersinn laufenden Zählung mit je 360d (wodurch die Aussage
des ganzen Kreises in dieser Zählrichtung 14.400d erreicht),
ergibt die Summe der Bewertungen der sich gegenüber liegenden
Kreisbögen in jedem Fall die Länge der entsprechenden Zahl
von Mondjahren. Dabei ist zu bedenken, dass sich bei
Überschreiten von 180° die Bewertung der sich
gegenüber liegenden Kreisbögen umkehrt, ohne dass sich
dadurch das Ergebnis ändern würde.
Nach dem Lesen eines solchen Kreises, das bis zu 1 sS + 40 x 360d,
d.h. bis zu 40 M´ führt, kann man weitere Zählrunden
mit den Mehrfachen der zunächst eingesetzten Werte folgen
lassen.. Wegen der besonderen Situation, die sich bei 39 x 360 =
14.040d ergibt, liegt es für weiter reichende Berechnungen
allerdings nahe, nicht die sich bei jeweils 40 Jahren ergebende
Situation fortzuschreiben, sondern bereits mit jeweils 39 Jahren eine
neue Zählung zu beginnen, denn 14.040d sind nicht nur 39 x 360d,
sondern auch 40 x 351d. Diese Überlappung bietet den Vorteil,
dass zu 39 x 360d zur Berechnung von 39 Mondjahren (M´) 39 x
9d,131410256 = 356d.125 zu addieren sind, die 0,975 sS entsprechen.
Damit erhält man, wie aus nachstehender Aufstellung ersichtlich
ist, ab 312 M´ nicht nur für die Unterschiede zwischen
Mondjahren und den jeweiligen Mehrfachen von 360, sondern auch
für die zwischen 312 Mondjahren und 312 siderischen Jahren
liegende Zeit stets Summen von ganzen Tagen, während 40 M und 40
sS und ihre Vielfachem stark gebrochene Zahlen darstellen.
Ausgehend von der Basis 39 x 360d = 40 x 351d ergeben sich
für 39 M und seine Mehrfachen folgende Berechnungen:
[TABELLE / TABLE]
Von 312 x360d bzw. von 312 sS und 312 M´ an entwickelt sich
die Reihe wie folgt:
[TABELLE / TABLE]
In obiger Tabelle tritt die den Rhythmus des Wanderns des
Frühlingspunkts bestimmende Zahl 2.136,75 in Erscheinung, denn
bei 234 x 360d ergibt sich zu 234 Mondjahren ein Unterschied von
2.136d,75 = 5,85 sS, der gleichzeitig 6 x 356d,125 entspricht und bei
einer Multiplikation mit 12 die Summe von 25.641d = 70,2 sS ergibt.
Darauf beruht eine weitere Möglichkeit, das Platonische Jahr in
bezug auf das Mondjahr zu ergänzen.
Da die Differenz zwischen 39 x 360d und 39 Mondjahren
(nämlich 356d,125) nicht nur 39 x 0,025sS, sondern auch 0,975 sS
entspricht, lassen sich auch die Mehrfachen von 356d,125 in
siderische Jahre umrechnen; so wird bei einer Multiplikation mit 8
die Summe von 2.849d erreicht und damit die unter II 1)
erläuterte kleinste Kalendereinheit, die dem Produkt der
Primzahlen 7, 11 und 37 entspricht. Damit ist auch im Zusammenhang
mit dem Mondkalender die Bedeutung der Zahl 2849d (= 407 Wochen) zu
erkennen; sie führt in 5 x 312 Jahren bis zu 1560 M´, die
sich um 14.245d = 39 sS von 1560 x 360d unterscheiden.
Obige Zusammenstellung wird wesentlich durch die kalendarische
Bedeutung des Faktors 0.975 bestimmt. Dabei ist zu bedenken, dass
auch die für die Berechnung des Platonischen Jahrs massgebende
Präzessionsdifferenz pd im Zusammenhang mit dem Faktor 0,975 zu
sehen ist, denn wenn 1 pd = 1d : 70,2 = 0d,014145014245 ist. so
ergibt sich 70,2 aus der Multiplikation von 72d mit 0,975. In dem
hier behandelten Lunisolar-Kalender spielen die Rechnungen 360d x
0,975 = 351d und 1sS x 0,975 = 356d,125 eine wesentliche Rolle, was
sich in dem Verhältnis 39 : 40 widerspiegelt, deren Quotient
0,975 ist.
Zum Verständnis der kalendarischen Bedeutung des Faktors
0.975, können folgende Überlegungen beitragen: 40 x 9 = 360
sind um 1 x 9 grösser als 39 x 9 = 351; dies entspricht der
Multiplikation der Zahl 360 mit dem Faktor 0,975. Dividiert man
dagegen 360 durch 0,975, erhält man mit 369,2307692 eine Zahl,
die 360 x 1.025641025641 entspricht. Letztere Zahl ist ein Faktor,
der sich auch aus der Rechnung 1 : 0,975 ergibt; doch erscheint er
gewichtiger und augenfälliger, wenn man 1.000.000d : 0,975
teilt, denn 1.025.641d,025641 sind 2.808,02808 siderische Jahre.
Zieht man aber von 1.000.000 Tagen 1 Tag ab, (oder teilt man
1.000.000d : 1,000001), und teilt die sich ergebenden 999.999d durch
0,975, erhält man mit 1.025.640d genau 2.808 sS, während
999.999d genau 2.737,8 sS entsprechen. Hier ist also 1 Million Tage
um 1 Tag zu kürzen, um eine Zahl zu erhalten, die sich in
siderische Jahre umrechnen lässt. Dabei ergibt es sich, dass
sich 1.025.640 in 1.000.000d + 25.640d zerlegen lassen, wobei 25.640d
genau 70,2 tropischen Jahren entsprechen; ihr Unterschied zu 70,2
siderischen Jahren, nämlich 1d, fungiert bei dieser Rechnung als
der zwischen 1 Million Tagen und 999.999 Tagen liegende Tag. Die
vielfältige Bedeutung der Einheit 1 ist dabei unverkennbar, denn
sie hat nicht nur die Aufgabe, die Summe von 1 Million Tagen
kalendarisch berechenbar zu machen, sondern sie besitzt selbst
astronomische Bedeutung, denn wenn man sie durch 1,000001 dividiert,
entsprechen 0d,999999 ihrerseits mit 0,0027378 sS dem millionsten
Teil von 2737,8 sS. Auch hier ist es wieder eine 1, die 1d von
0d,999999 trennt. So ergibt sich eine endlose Reihe von Teilungen,
bei denen es sich immer wieder um die Eins dreht, weil mit 1 -
0,000001 = 0,999999 eine neue Rechnung beginnt. Das ist es wohl, was
der um 1500 in Köln lebende Naturforscher Agrippa von Nettesheim
gemeint hat, als er schrieb, dass "jeder kleinste Teil der Einheit
wieder sie selbst in ihrer Ganzheit ist". (Franz Carl
Endres/Annemarie Schimmel "Das Mysterium der Zahl"<Diederichs
Gelbe Reihe 1995> S.55) . Auch hierin ist eine Paralle zum
Platonischen Jahr zu erkennen, denn wenn hier der Unterschied von 1
Tag zwischen 1 Million Tagen und 999.999 Tagen entscheidend ist, gibt
im Platonischen Jahr der Unterschied von 1 siderischen Jahr zwischen
25.641 siderischen und 25.641 tropischen Jahren den Ausschlag
für den Weiterlauf der Zeit. Wie unter II 3) erwähnt, ist
das Verhältnis 1 : 1,000001 auch für die Berechnung einer
Zahl, die als "Vollkommene Zahl" gelten könnte, von
entscheidender Bedeutung.
So kann es nicht überraschen, dass auch im Mondkalender der 1
eine wesentliche Rolle zukommt, die sich aus Folgendem ergibt:
Wenn man die Länge des Mondjahrs M´ = 369d,131410256 in
369d und 0d,131410256 zerlegt, kann man feststellen, dass beide
Teilzahlen in einem besonderen Verhältnis zueinander stehen,
denn die Teilung von 369 : 0,13141025641 ergibt 2808. Die Länge
des Mondjahres M´ lässt sich deshalb auch als Summe von
369d + 369d : 2.808 berechnen. Damit hat man einen bedeutenden
Kalenderfaktor erreicht, da er 4 x 702 bzw. 40 x 70,2 entspricht und
deshalb auch für den Sonnenkalender entscheidend ist. Dies ist
auch daran zu erkennen, dass 1 : 70,2 = 0d,014245014245 (=1 pd)
vierzigmal grösser ist als 1d : 2808 = 0d,000356125. Sehr
wesentlich ist auch, dass 40 x 0d,13141025641 = 5d,25641025641 ist
und damit dem Unterschied zwischen 360d und 1 sS entspricht, woraus
sich gleichfalls die gegenseitige Abhängigkeit der diesen
Kalender ermöglichenden Längen beweist.
Aus der Erkenntnis, dass 0d,13141025641 = 369d : 2808 sind, ergibt
es sich, dass 2.808 M´ = 1.036 521d sich aus 2.808 x 369d + 369d
zusammensetzen und damit auch als 2.809 x 369 berechnet werden
können. Zieht man jedoch von den so berechneten 1.036.521d einen
Tag ab, stellen 1.036.520d die Summe von Tagen dar, die 2.808 M (d.h.
2.808 x 369,d1310541) entsprechen. Das ist dieselbe Situation, die
aus dem Sonnenkalender bekannt ist, in dem sich 70,2 siderische Jahre
um 1d von 70,2 tropischen Jahren (=25.640d) unterscheiden. Sie
entspricht analog aber auch der entscheidenden Wirkung des von Platon
als kephalos bezeichneten siderischen Jahrs im Platonischen Jahr.
Die nachfolgende Zusammenstellung macht diese Erkenntnisse
deutlich. Beginnend mit 0,975 x 360d (= 356d,125) zeigt sie die
zeitlichen Abstände, die zwischen den Fundamentalperioden
bestehen. Die Zahlen sind mit 2.808 (= 4 x 702) multipliziert, weil
sich dadurch für die einzelnen Positionen ganze Zahlen ergeben.
Damit wird auch deutlich, dass der Unterschied zwischen 1M´ und
1 M (d.h. 369d,1314102056410256 - 369d131054131 = 0d,000356125) mit
dem Faktor 2808 zu 0d,999999 wird und 2808 M´ = 1.036.521
deshalb um fast 1d länger sind als 2808 M. Dem entspricht, dass
(an der obersten Position der Aufstellung) 356d,125 x 2808 = 999.999d
gleichzeitig 2.737,8 sS ausmachen, wobei an die oben geschilderte
Situation zu erinnern ist, bei der durch Kürzung von 1 Million d
um 1d die kalendarisch bedeutsame Summe von 999.999d gefunden wird.
356d,125 (= 0,975 sS) x 2.808 = 999.999d (1.000.000d - 1d)
+ 3d,875 (= 31d : 8 = 3d,9 - 0d,025) x 2.808 = 10.881d_
= 360d (= 1 x 360d)) x 2808 =1.010.880d
+ 5d,25641025641 (=0,975 x 5d,125) x 2808 = 14.760d_
= 365d,25641025641 (= 1 sid. Jahr) x 2808 =1.025.640d
+ 3d,875 (= 31d : 8 = 3d,9 - 0d,025) x 2.808 = 10.881d_
= 369d,13141025641 (= 1 Mondjahr M´) x 2.808 =1.036.521d
________________________________________________
Da 1 M´ - 360 d = 9d,13141025641 (= 0,025 sS) ist und
dieselbe Differenz auch für 1 sS - 356d,1255 (= 0,975 sS) gilt,
zeigt es sich, dass der Unterschied zwischen 1 sS und 360d (=
5d,25641025641) gewissermassen den Angelpunkt umfassen, um den sich
das Verhältnis der zwischen 1 M´ und 0,975 sS liegenden
Zeitspannen und Zahlen drehen. Bezeichnend dafür ist, dass
5d,25641025641 sowohl = 369 pd ist wie auch 40 x 0d,13141025641. 369d
lassen sich auch aus 41 x 9d berechnen; und sie differieren um
0d,13141025641 von der für 1 M´ anzusetzenden Länge.
Addiert man 0d,13141025641 zu 356d,125, erhält man mit
356d,25641025641 eine Zahl, die sich von 1 sS um 9d
unterscheidet.
III 3) Der babylonische Oktaëteris-Kalender
Beim Berechnen des oben dargestellten Lunisolar-Kalenders ist es
-wie unter III ausgeführt- deutlich geworden, dass zwischen 8
Mondjahren (M´) und 8 siderischen Jahren ein Unterschied
besteht, der mit 8 x 3d,875 der Primzahl 31 entspricht. Unter h 2)
ist ferner gezeigt, dass bei den hier eingesetzten Längen ab 312
Jahren nicht nur die Unterschiede zwischen Mondjahren und siderischen
Jahren, sondern auch zwischen siderischen Jahren und 312 x 360d
ganztagig sind.
In dem Zusammenhang ist es von grossem Interesse, dass zur Zeit
Platons in Babylon eine Kalenderberechnung bekannt war, die auf einem
8-Jahre-Zyklus basiert und deshalb Oktaëteris genannt wurde
(vergl. Gernot Böhme "Idee und Kosmos", Verlag Vittorio
Klostermann, Frankfurt, 1996, S.156). Es wird heute vermutet, dass
damals 8 Jahre mit je 365d,25 (= 2.922d) mit 99 Monaten gleichsetzt
worden seien. Man kann aber wohl kaum annehmen, dass sich die
babylonischen Astronomen mit einer durchschnittlichen
Monatslänge von 29d,515151515 zufrieden gegeben und solchem
Kalender einen eigenen Namen gegeben hätten. Es dürfte
ihnen nämlich nicht entgangen sein, dass 2.922d um etwas mehr
als 1,5 Tage kürzer sind als 99 Monate, und dass mit einer
Addition von 31 Tagen (d.h. von etwa 1,5 Tagen mehr als 1 Monat) die
Zahl von 2.953d erreicht wurde, die für 100 synodische Monate
eine viel bessere Angleichung an die tatsächliche Länge des
Monats gestattete. Es ergab sich dabei folgende Situation:
[TABELLE]
Die sich hieraus für das Sonnenjahr und den Monat ergebenden
Längen sind zwar auch nicht genau, aber ein Unterschied von 31d
ergibt sich überraschenderweise auch, wenn man für 8
Mondjahre und 8 siderische Jahre die hier verwendeten Längen
einsetzt:
8 M´ = 2.953d,051282 = 100 synodische Monate
- 8 sS = 2.922d,051282
= 31d = 8 x 3d,875
Diese Übereinstimmung lässt sich aus folgenden
Zusammenhängen erklären:
1 siderisches Jahr (=365d,25641025641) unterscheidet sich von der
durch Hinzufügung der Schalttage erreichten durchschnittlichen
Länge von 365d,25 um 0d,00641025641. In 8 Jahren summiert sich
diese Differenz zu 0d,05128205128. Andererseits beträgt der
Unterschied zwischen 1 M´ (=369d,13141025641) und der sich aus
dem Ansatz 2.953d = 100 Monate für 12.5 Monate ergebenden
durchschnittlichen Länge von 369d,125 gleichfalls
0d,00641025641; er erreicht damit für 8 M´ ebenfalls
0d,05128205128. Deshalb hebt sich dieser Unterschied auf, wenn 8
Sonnenjahre von 8 Mondjahren abgezogen werden, so dass in beiden
Rechnungen nur ein Unterschied von 31d übrig bleibt. Diese
frappierende Übereinstimmung der beiden Resultate lässt das
zwischen Sonnen- und Mondjahr bestehende feste Verhältnis
erkennen, und es bestätigt zugleich die Korrektheit der aus
Primzahlprodukten berechenbaren Längen. Damit bietet sich die
Möglichkeit, auch das gegenseitige Verhältnis der
Mehrfachen von 8 Mondjahren zu 8 Sonnenjahren zu berechnen, ohne
dabei die genauen Längen einsetzen zu müssen.
Da die babylonischen Gelehrten im Rahmen des von ihnen benutzten
Sexagesimalsystems der Zahl 360 besondere Bedeutung beimassen und sie
den Lauf der Gestirne mit einem Kreis verglichen, den sie in
360° einteilten, musste für sie auch das Verhältnis,
in dem das Sonnenjahr und das Mondjahr zu der Zahl von 360 Tagen
stehen, von besonderem Interesse sein. Deshalb ist es ihnen
vermutlich nicht entgangen, dass sich innerhalb des
Oktaëteris-Kalenders -neben dem oben erläuterten
Unterschied von 31d zwischen 8 x 369d,125 und 8 x 365d,25- ganze Tage
auch für die Unterschiede zwischen 8 x 360d (=2.880d) und den
Achtfachen von 369d,125 und von 365d,25 sowie von 8 x 356d,125 (= 7,8
sS) ergeben:
2.953d (=8x369d,125)
- 31d (=8x3d,875)
= 2.922d (=8x365d,25)
- 42d (=8x5d,25)
= 2.880d (=8x360d)
- 31d (=8x3d,875
= 2.849d (=8x356d,125 = 7,8 sS)
Aus dieser Zusammenstellung ist ersichtlich, dass zwischen 2.953d
und 2.849d ein Unterschied von 104d (=8 x 13d) besteht, woraus sich
auch in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Primzahl 13 zu erkennen
lässt. Andererseits zeigt es sich, dass sich 2.880d ergeben,
wenn 2.953d um 73d verringert werden, während die Addition von
73d zu 2.849d die Summe von 2.922d = 8 x 365d,25 ergibt. Wie bereits
unter III 2) erläutert, pendeln hier beide Berechnungen um 42d,
d.h. dem Unterschied zwischen 8 x 365d,25 und 8 x 360d.
Die Bedeutung des Unterschieds zwischen 360d und dem Sonnenjahr
ist auch bei dem Ansatz der tatsächlichen (d.h. der hier
verwendeten) Längen zu erkennen:
2.953d,051282051282 (= 8 M´)
- 31d (=8 x 3d,875)
= 2.922d,051282051282 (= 8 sS)
- 42d,051282051282 (= 8x5d,25641025641)
= 2.880d (=8 x 360d)
- 31d (=8 x 3d,875)
= 2.849d (=8 x 356d,125 = 7,8 sS)
Auch bei dieser Berechnung ergeben sich für die Unterschiede
zwischen 8 M´ und 8 sS bzw. zwischen 8sS und 8 x 360d die in der
vorausgegangenen Berechnung festgestellten ganztagigen Unterschiede,
weil sich auch hier die über 2.953d, 2.922d bzw. 42d
hinausgehenden Dezimalzahlen bei der Subtraktion gegenseitig
ausgleichen.
Zu erwähnen bleibt noch, dass diese Dezimalzahlen in einem
festen Verhältnis zu ihren Hauptzahlen stehen. So sind
0d,051282051282 = 42d : 819. Dieser, im Zentrum der Berechnungen
stehende Unterschied zwischen 8 x 360d und 8 sS setzt sich damit aus
42d + 42d : 819 zusammen, während der ganze Unterschied sich mit
34.440d : 819 = 42.051282051282 berechnen lässt. Demgemäss
entsprechen 8 sS (= 2.922d,051282051282) 2.922d + 42d : 819, aber
auch 2.393.160d : 819. Entsprechendes gilt für die Berechnung
von 8 M´(= 2.953d,051282051282). Dass dies kein Zufall ist,
zeigt sich darin, dass auch die Länge des siderischen Jahre bei
der Multiplikation mit 819 eine ganze Zahl ergibt, nämlich
299.145d, in der man auch die Summe von 365d x 819 (= 298.935d) +
0d,25641025641 x 819 (=210d) sehen kann.
Unter III ist bereits erwähnt worden, dass der Unterschied
zwischen dem tropischen Jahr (365d,2421652421652) und dem Mondjahr M
(369d,131025641) 3d,8888888 beträgt und sich diese Differenz bei
einer Multiplikation mit 25.641 zu 99.715d summiert, die ihrerseits
273 siderischen Jahren entsprechen; 273 ist der dritte Teil von 819.
Angesichts dieser überraschenden Eigenschaft des Faktors 819,
der sich auch als 3 x 273, 7 x 117, 63 x 13, 21 x 39 und 9 x 91
berechnen lässt, wird es verständlich, dass die Astronomen
der Maya die durch den Faktor 819 hervorgerufenen Effekte dem Wirken
eines Gottes zuschrieben, dessen Name als Gott K (Kauil) entziffert
worden ist. Sein Abbild findet sich im sogenannten Dresdner Codex im
Zusammenhang mit dem dort dargestellten Venus-Kalender an zwei
Stellen. Sein Wirken liegt offenbar auch der Anordnung der vier mal
91 Stufen auf der Tempel-Pyramide in Chichén Itzá zu
Grunde (vergl. W.Heinrich "Zahl und Zeit in magischen Quadraten"
INTI-VERLAG Trier, 1997, ISBN 3-924060-04-5).
Es liegt nahe, auch die Berechnungen im Oktaëteris-Kalender
mit der kleinsten , aus Primzahlprodukten berechenbaren
Kalendereinheit 2.849d zu beginnen; dabei ergeben sich folgende
Kalenderpositionen:
[TABELLE / TABLE]
Mit 9 x 2.849d = 25.641d ist die Zahl von Tagen erreicht, die auch
im Oktaëteris-Kalender durch Kürzung um 1d den Wechsel von
70,2 siderischen zu 70,2 tropischen Jahren gestattet.
In obiger Aufstellung entsprechen die Unterschiede zwischen 8 x
360d und 8x 369d,125 sowie zwischen ihren Mehrfachen zwar ganzen
Zahlen, aber sie stellen 0,2 x 365d = 73d bzw. deren Mehrfache dar
und haben damit keinen direkten Bezug zu 365d,25 - geschweige denn zu
der wahren Länge des Sonnenjahrs, wie es bei der Berechnung mit
den genauen Längen der Fall ist.
Wenn mit 39 x 2.849d die Summe von 111111d erreicht ist, die 304,2
sS entspricht, weist sie zu 112.320d (= 312 x 360d) einen Unterschied
von 1.209d (=312 x 3,875) auf. In dieser Situation besteht zu 312 x
369d,125 (= 115.167d) ein Unterschied von 2.847d (= 312 x 9,d125),
während zum Erreichen von 312 M´(= 115.169d) 2.849d zu
addieren sind, also die Summe von Tagen, mit der die Rechnung
begonnen hat, womit sich eine Situation ergibt, die auch hier die
Vorstellung einer sich in den Schwanz beissenden Schlange hervorruft.
Der Notwendigkeit, die Ungenauigkeit durch Einschaltung von 2d
auszugleichen, kann auf einfache Weise dadurch entsprochen werden,
dass man nach Erreichen von 39 x 2.849d (= 111.111d. = 304,2 sS) bei
der Weiterrechnung mit 40 x 2.849 = 113.960d wiederum 39 x 31
(=1.209d) zuschaltet, aber die Addition der im Prinzip fälligen
40 x 73d (=2,920d) unterlässt, denn 40 x 2.849d + 1.209d =
115.169d entsprechen der genauen Länge von 312 M´:
(39) 111.111d(304,2sS) + 1209 =112.320 / 112.320 + 2847
=115.167(=312x369,125)
(40) 113.960d(=312 sS) + 1209 =115-169 = 312 x 369,13141025641 312
M+.
Von dieser Kalenderstation an kann die Weiterrechnung in der Form
des oben erläuterten Lunisolar-Kalenders erfolgen.
IV. Sichtlinensysteme in Altamerika
Aus der Zeit altamerikanischer Hochkulturen sind verschiedene
Systeme von Sichtlinien entdeckt worden, deren Bedeutung bisher nur
bruchstückweise entschlüsselt werden konnte. Immerhin hat
der spanische Chronist Barnabé Cobo wichtige Hinweise auf die
von der Inka-Hauptstadt Cuzco ausgehenden Sichtlinien gegeben. Die
Scharrlinien von Nazca (Peru) sind dagegen erst 1939 wiederentdeckt
worden; über ihre Einrichtung und ihre Aufgaben fehlt jedoch
jede Überlieferung. Das gilt auch für die Sichtlinien, die
man in Mesoamerika gefunden hat, wo sie auf Steine ausgerichtet sind,
die zur Kennzeichnung eingemeisselte Kreuze (sogenannten pecked
crosses) tragen.
Vielleicht bietet der oben geschilderte Zusammenhang zwischen der
Länge des Mondjahrs und 360 Tagen die Möglichkeit, der
Deutung dieser Sichtlinien näher zu kommen, denn bereits die
Astronomen Babylons haben der Zahl 360 im Rahmen des von ihnen
eingeführten Sexagesimalsystems einen Sonderstatus beigemessen,
indem sie den Kreis in 360 Grad einteilten und im Zusammenhang damit
auch ihrem Zahlensystem Teiler von 360 zu Grunde legten. Dies wird
auch in dem unter III 3) geschilderten Oktaëteris-Kalender
deutlich. Auch in den Kulturen Altamerikas besass die Zahl 360
besonderes Gewicht, denn man berechnete das Sonnenjahr nach einem, in
Mesoamerika TUN genannten Kurzjahr, an dessen 360 Tage ein Kurzmonat
mit 5 unheilverdächtigen Tagen angehängt wurde.
IV 1) Die "ceques" um Cuzco
Aus den Berichten des spanischen Chronisten Barnabé Cobo
geht hervor, dass die Inkas um ihre Hauptstadt Cuzco ein System von
Sichtlinien (sogenannte ceques) eingerichtet haben, die von dem
Haupttempel Coricancha aus zu sogenannten huacas führten, die
zum Teil hintereinander liegen. Als huaca wurden im alten Peru
heilige Stätten bezeichnet, die unterschiedliche Gestalt haben
konnten: Berge, hervorspringende Felsen, Flüsse, Quellen,
Opferstätten, aber auch Bauten. Man hat, den Beschreibungen
Cobos folgend, 40 Beobachtungslinien identifizieren können; sie
sind eingehend untersucht und beschrieben worden, so vor allem von
R.T. Zuidema (The Inca Calendar) und Antony Aveni (Empires of Time
<Basic Books, New York 1989>). Die Forschungen haben u.a.
ergeben, dass eine Reihe dieser Sichtlinien einen Winkelabstand
voneinander haben, der jeweils durch 9 teilbar ist. Auf der
nachfolgenden Zeichnung, die dem Beitrag von Franz Tichy
(Universität Erlangen/Tübingen, Festschrift für Felix
Monheim, Geographisches Institut Aachen, 1981) entnommen ist, sind
die 9°-ceques gestrichelt eingezeichnet und mit Angabe der
entsprechenden 9°-Positionen versehen, während für die
übrigen Sichtlinien keine Gradzahlen angegeben sind.
Man hat diese Sichtlinien mit der Aufteilung Cuzcos in vier
Stadtteile, und darüber hinaus mit der Zusammensetzung des
Inkareiches aus vier Gebieten (Antisuyu, Kollasuyu, Kuntisuyu und
Chinchasuyu) in Verbindung gebracht, doch konnte man für die
Vielzahl der Sichtlinien und ihre, zum Teil regelmässigen,
Winkelabstände bisher noch keine überzeugende
Erklärung finden.
Da heute bekannt ist, dass man in Altamerika präzise
astronomische Kenntnisse besass, liegt es nahe anzunehmen, dass die
Sichtlinien dazu dienten, solche Sterne anzupeilen, durch die der
Himmel eine Aufteilung erhält, in der das Verhältnis
zwischen Sonnen- und Mondjahr eine Entsprechung findet. Der Gedanke
an die Möglichkeit, dass man im alten Peru einen eigenen, auf
Sonne und/oder Mond bezogenen Sternenkreis beachtet hat, scheint
jedenfalls nicht abwegig zu sein, wenn man bedenkt, dass in Babylon
die Tierkreissternbilder zunächst in Verbindung mit
Mondstationen beobachtet worden sind und man im alten China die vom
Mond bestimmte Zeit auf einem am Himmelsäquator beobachteten
Band von Sternen zunächst in 28 und später in eine noch
grösseren Zahl von "Häusern" eingeteilt hat.
Dass die in Cuzco eingerichteten Sichtlinien der kalendarischen
Beobachtung eines solchen Kreises von Sternbildern gedient haben
könnten, lässt nachstehende Zusammenstellung erkennen. Sie
beschränkt sich auf die mit einem durch 9 teilbaren
Winkelabstand erfassten Sichtlinien. Bewertet man den Kreis mit der
Länge des siderischen Jahres, fällt auf jeden dieser
Kreisbögen die Länge von 1/40 sS, während in einer
gegenläufigen Belegung des Kreises mit 40 x 360 (= 14.400d)
jeder Kreisbogen mit 360d zu bewerten ist. Zusammengefasst besitzen
die Kreisbögen damit eine Aussagen von jeweils 1M´. Dabei
ist es nicht erforderlich, die genaue Länge von 1/40 Sonnenjahr
berechnen zu können, und es ist auch nicht absolute
Voraussetzung, dass die betreffenden Sichtlinien jeweils auf ein
bestimmtes Sternbild oder einen bestimmten Stern weisen, denn wenn
die Astronomen den jährlichen Unterschied zwischen 1 M und 360d
erkannt hatten und wussten, dass sich das Himmelszelt in einem Jahr
einmal um die Erde dreht, konnten sie sicher sein, dass die ceques
mit den durch 9 teilbaren Winkelabständen in dem von ihnen
beobachteten Sternenkreis eine Stelle treffen mussten, die ein
entsprechendes Vierzigstel des Sonnenjahrs repräsentierte.
Voraussetzung war allerdings, dass der Scheitelpunkt des Kreises auf
einen Jahresbeginn wies, der auch der Beginn eines Mondjahrs sein
konnte, dessen Bestimmung nicht -wie in der Alten Welt üblich-
mit einem Neumond zusammenfallen musste, sondern sich auch nach
anderen Mondphasen richten konnte. Wenn ein so beobachteter Beginn
des Mondjahrs nicht mit dem Anfang des Sonnenjahrs zusammenfiel,
genügte es, die zeitliche Differenz als stets
hinzuzuzählenden (bzw. abzuziehenden) Fehler "vorzutragen".
Gewiss, das sind Spekulationen, aber da es keine diesbezüglichen
Überlieferungen gibt, wird man kaum zu Deutungen kommen, wenn
man den altamerikanischen Astronomen nicht ebenso grosse Intelligenz
und Kenntnisse zugesteht, wie wir sie von den Gelehrten des
europäischen bzw. asiatischen Altertums kennen.
Die in der Zeichnung eingetragenen 9°- ceques können mit
folgenden kalendarischen Berechnungen verbunden werden, wobei die
angegebenen Grade einerseits als Zahl der Tage bewertet sind, der sie
im 360-Tage-Kreis entsprechen, und andererseits als ihr Anteil am
siderischen Jahr: Bei Zugrundelegung des tropischen Jahrs ergeben
sich entsprechende Anteile an dem mit 369d,1310541 berechneten
Mondjahr M.
Geht man davon aus, dass der durch die Sichtlinien eingeteilte
Kreis in einer Richtung 1sS und in der entgegengesetzten 40 x 360
(=14.400d) umfängt, lesen sich die von den Sichtlinien erfassten
9°-Sektoren wie folgt:
45° ( = 0,125 x 14.400d = 1.800d) 1.800d + 0,125 sS =
5M´
90° ( = 0,25 x 14.400d = 3,600d) 3.600d + 0,25 sS =
10M´
108° ( = 0,3 x 14.400d = 4.320d) 4.320d + 0,3 sS = 12M´
117° ( = 0,325 x 14.400d = 4.680d) 4.680d + 0,325 sS =
13M´
153° ( = 0,425 x 14.400d = 6.120d) 6.120d + 0,425 sS =
17M´
180° ( = 0,5 x 14.400d = 7.200d) 7.200d + 0,5 sS = 20M´
u.s.w. u.s.w.
Bei dieser Rechnung entspricht die Zahl der resultierenden
Mondjahre dem neunten Teil des die Sichtlinie bestimmenden Winkels.
(.z.B. 108° führen zu 108 : 9 = 12 Mondjahre).
In diesem Zusammenhang können auch die übrigen, in der
Zeichnung dünn ausgezogenen Sichtlinien von Interesse sein, wenn
sie z.B. auf eine bestimmte Kalendersituation hinweisen oder wenn aus
der auffälligen Konstellation eines Sternes die betreffende
Kalenderposition berechnet werden sollte. Es bleibt auch zu
prüfen, ob und inwieweit bei den übrigen Sichtlinien andere
Winkelabstände die Regel sind. Z.B. ergibt sich für je
8° eine leichte Berechnung auf Basis des siderischen Jahrs, da
-wie oben im Zusammenhang mit dem Oktaëteris ausgeführt-
zwischen einem mit 369d.131410256 berechnetem Mondjahr (M´) und
dem siderischen Jahr ein Unterschied von 3,875d besteht, der sich in
8 Jahren zu 31d summiert.
Im übrigen muss man auch berücksichtigen, dass die aus
den hier angeführten ceques berechenbaren Mondjahre auch von dem
Nullpunkt abhängen, an dem die Zählung beginnt, d.h. von
der Lokalisierung des Scheitelpunkts des gedachten Kreises, denn je
nach dessen Ausrichtung ergeben sich für die einzelnen
Sichtlinien andere Abstände vom Scheitelpunkt, wodurch sich auch
die Bewertung der Sichtlinien ändert. Während in der
vorliegenden Zeichnung die Orientierung des Kreises nach Norden
ausgerichtet ist, kann man den Scheitelpunkt ebensogut an eine andere
Stelle verlegen, z.B. so, dass die Sichtlinie, die in der Zeichnung
mit 108° angegeben ist, mit 360° (d.h. auch 0°)
bewertet wird. Das führt zu folgenden Veränderungen in der
Bewertung der 9°-Sichtlinien:
[TABELLE / TABLE/ GRAPHIK]
IV 2) Die Scharrlinien bei Nazca
Im Jahr 1939 entdeckte der amerikanische Archäologe Paul
Kosok in der Nähe von Nazca (Peru) künstlich angelegte
Linien und Bodenzeichnungen, die aus der Zeit der alten Nazca-Kultur
stammen mussten. Diese Linien sind zumeist nicht auf natürliche
Zielpunkte ausgerichtet. Es ist deshalb um so wahrscheinlicher, dass
die Linien auch in der Nazca-Ebene auf bestimmte Sterne hin
orientiert waren. Wenn nämlich in Cuzco die Anvisierung mehrerer
Punkte, die in gewissem Abstand auf gerader Linie hintereinander
liegen, eine grosse Zielgenauigkeit gewährleistete, war auf der
Nazca-Ebene eine vergleichbare Genauigkeit nur mit Hilfe von extrem
langen Zielgeraden zu erreichen. In der Tat erstrecken sich die
Scharrlinien von Nazca zum Teil über eine Länge mehrerer
Kilometer. Man hat auch feststellen können, dass zwei
Scharrlinien auf den Punkt des Sonnenuntergangs zur Zeit der
Sonnenwende weisen, wie er zwischen 350 und 950 bzw. zwischen 800 und
1400 n.Chr. zu beobachten war, d.h. in der Zeit, in der die
Entstehung und Nutzung der Scharrlinien vermutet wird.
Wie aus nebenstehender Zeichnung ersichtlich ist, gehen die
Scharrlinien von verschiedenen Beobachtungszentren aus. Soweit die
Beobachtung der Sterne direkt mit dem entsprechenden Stand der Sonne
in Verbindung gebracht wurde, könnten einzelne
Beobachtungsstellen die Tatsache berücksichtigt haben, dass in
Nazca, das in den Tropen liegt, die Sonne während eines Teils
des Jahres im Norden, und während des anderen im Süden im
Zenit steht.
Ebenso wie auf dem alten Inkatempel in Cuzco, befinden sich auch
in der Nazcawüste an diesen Zentren jeweils zwei, eng
nebeneinander liegende Stellen, von denen aus die Beobachtung
erfolgte. Es fragt sich, ob dadurch in Verbindung mit der Anvisierung
der Einfassungen der relativ breiten Scharrlinien die Abweichungen
zwischen dem siderischen und dem tropischen Jahr bzw. zwischen M und
M´ erfasst werden konnten. Die Winkelabstände zwischen den
Scharrlinien betragen zumeist 9° bzw. 4,5°, manchmal aber
auch 8°.
Die Mathematikerin Maria Reiche hat 1946 auf Veranlassung von Dr.
Kosok das weitere Studium dieser Scharrlinien und der sie
begleitenden Bodenzeichnungen übernommen und sich jahrzehntelang
mit dieser Aufgabe befasst. Ihr ist die aufschlussreiche, 1968
erschienene Studie "Geheimnis der Wüste" zu verdanken, der die
nebenstehende Zeichnung entnommen ist.
Die neben den Scharrlinien liegenden Bodenzeichnungen dehnen sich
zum Teil über fast 200 Meter Länge aus und stellen vor
allem Tierbilder dar; mehrfach sind es Kondore, ferner eine Spinne
und ein Affe. Der Schwanz des Affen ist zu einer Spirale geformt,
worin eine besondere Aussage zu sehen sein dürfte, weil auch an
zwei anderen Stellen Spiralen abgebildet sind (vergl. nebenstehende
Zeichnung).
Diese Geoglyphen konnten bisher noch nicht gedeutet werden.
Vielleicht lässt sich für die Kondor-Darstellungen in der
Zahl und der Anordnung der abgebildeten Flügelfedern, des
Schwanzes und der Krallen eine Bezugnahme auf bestimmte
Kalenderstationen erkennen. Ist es allzu phantastisch, auch in den
Spiralen eine Kalenderdarstellung zu sehen? Da die Astronomen den
Kreis, von dem sie annahmen, dass er von ihren Sichtlinien
geschnitten und aufgeteilt werde, nicht auf dem Boden nachzeichnen
konnten (und schon gar nicht seinen Verlauf im Weltall), sind sie
vielleicht auf den Gedanken gekommen, diesen Kreis symbolisch auf
eine Schlaufe zusammen zu drücken und damit die Vorstellung zu
verbinden, dass der durch 360° bestimmte Scheitelpunkt des
Kreises dann an dem einen Ende der Schlaufe zu liegen komme und an
dem anderen sein Gegenpol mit 180°. Dabei mussten die im Kreis
sich gegenüber liegenden Sektoren zusammenfallen, so dass die
den beiden Sektoren eigenen Werte eine Summe bildeten und damit den
ihnen entsprechenden Anteil am Mondjahr direkt repräsentierten.
Wenn diese Schlaufe dann, zu einer Spirale gelegt, auf der so
entstandenen Scheibe einen neuen Kreis bildete, nahmen die Astronomen
vielleicht an, sie hätten dadurch den ursprünglichen Kreis
gewissermassen in die zweite Potenz erhoben und ihn symbolisch
über die Erde hinaus bis zu den Sternen verlegt. An einer durch
die gigantischen Bodenzeichnungen ausgezeichneten Kultstätte
dürfte es nahe gelegen haben, kosmische Zusammenhänge
wenigstens im Symbol darzustellen. Abgesehen davon, dass auch die in
Altamerika oft verwendete Abbildung einer doppelköpfigen
Schlange auf die gleichen Überlegungen zurückzuführen
sein könnte, ist daran zu erinnern, dass Spiralen auch in
anderen Kulturkreisen gefunden worden sind. Unter ihnen ist die
bekannteste der so genannte Diskos von Phaistos, der aus dem zweiten
Jahrtausend vor Christus stammt und auf Kreta gefunden worden ist.
[IMAGE / BILD ]
Um sich die Zusammenhänge zwischen 360 Tagen, dem Sonnenjahr,
seinem vierzigsten Teil (k) und dem Mondjahr deutlich zu machen,
liegt es nahe, sich einen Kreis vorzustellen, dessen 360° in 40
Sektoren mit einem Winkelabstand von je 9° geteilt sind. Dieser
Kreis, der vor allem als Schema gedacht ist, hat variable Funktionen.
Wenn er als Bild des siderischen Jahr benutzt wird, fällt auf
jeden 9°-Sektor des Kreises 1/40 des siderischen Jahres, also
der hier als "k" bezeichnete Wert. Es ist dabei nicht wesentlich, ob
man seinen genauen Wert beziffern kann. Wichtig aber ist zu wissen,
dass er um 360 Tage kleiner ist als 1 Mondjahr, das 12,5 synodische
Monate, und damit 50 Mondphasen umfasst.
[....]
Überträgt man obige Zahlenreihe auf einen in
360aufgeteilten Kreis, in dem 40 Durchnesser mit einem Winkelabstand
von je 9° eingezeichnet sind, und wendet man auf die 40
Kreisbögen folgende Gleichungen an, ergibt sich das in
nachstehender Zeichnung erkennbare Bild:
356d,125 (=39k) + 3d,875 = 360d + 1k = 369d,131410256 = 1 M
= 356d,125 + 1 k (=40k) = 365d,2564103(=1sS) + 3d,875 = 1 M
Folgende Tabelle gibt Aufschluss über die gegenseitegn
Abhängigkeiten:
[TABELLE / TABLE]
(Obige Aufstelllung präsentiert sich einfacher in folgender
Form:)
[TABELLE / TABLE]
Wie man sieht, kehrt sich der Unterschied zwischen 351 und 360,
der bei Erreichen von 20 x 351d (= 7020d) zu 20 x 360 = -180d
beträgt, in einen Unterschied von + 180d zu 19 x 360d um. Die in
den Zahlengruppen von 1 x 351 bis 20 x 351 als jeweilige Mehrfache
von 9d aufsteigenden Unterschiede wiederholen sich von 7020 - 180d =
19 x 360 im gleichen Rhythmus als absteigende Werte.
In dieser Erkenntnis bietetes sich an. die sich aus der Basiszahl
9 ergebenden Mehrfachen 351 und 360 auf einen Kreis zu
übertragen, dessen 360° in 40 Kreisbögen zu
übertragen, die von Sehnen mit einem Winkelabstand von je
9° gebildet werden.
Man kann einen solchen Kreis mit vielfachem Ergebnis belegen, wenn
man auf der einen Seite bestimmte Mehrfache von xxx einträgt
(z.B. 351 oder 360, bzw. deren Mehrfache), und auf der anderen Seite
jeweils Vierzigstel des siderischen Jahres. Nimmt man dabei an, dass
der Kreis sowohl die 360 Tage des mittelamerikanischen Tun bedeutet
wie auch 1 siderisches Jahr, fällt auf jeden Kreisbogen sowohl
ein Wert von 9d wie auch der vierzigste Teil von 1 s10S, nämlich
1 k = 9d,131410256. Auf diesem Kreis, der im Nachstehenden aus
technischen Gründen als Quadrat dargestellt ist, sind -vom
Scheitelpunkt des Kreises ausgehend- in einer Richtung jeder Sektor
den Wert des vierzigsten Teil des siderischen Sonnenjahrs
einzutragen, so dass der ganze Kreis 1 siderisches Sonnenjahr
darstellt. während in der anderen Richtung die Kreisbögen
mit jeweils 360 Tagen zu belegen sind.
Wenn man dann zu dem Mehrfachen von 360d eines bestimmten
Kreissektors den auf dem in derselben Höhe auf der anderen Seite
zu findenden k-Wert addiert erhält man die Summe von
>>Tagen die dem dieser Höhe des Kreises entsprechen M-
Wert. Zum Beispiel:
4. Sektor links (4 x 360d) 1.440d + 4. Sektor rechts
(4 x 9d,131419256) 36d,52564103 = 1.476d,52564103 = 4 M = 50
synodische Monate =200 Mondphasen.
Man kann mit diesem Kreis auch die Zeit Unterschiede berechnen,
die sich für die Vierzigstel von 360 bzw. 1 Mondjahr ergeben.
Wenn man dabei die Sektoren auf der einen Seite mit 9d belegt, fallen
auf die Sektoren der gegenüber liegenden Seite jeweils 1/40 k;
d.h. 1 sS : 1560(d.h.40x40) = 0d,228285256. Zusammen ergeben diese
Zahlen mit 9d,228285256 = 0,025 M. Am Ende der Rechnung erscheint
dann wieder 40 x 9d = 360d + 9,131410256 (=1k) = 1 M.
Innteressanter sind die Rechnungen mit höheren Werten. Wenn
man z.B. mit 39 x 360d = 14.040d beginnt, die 40 x 351 entsprechen,
ergibt sich folgende Reihe:
[TABELLE / TABLE]
Obige Rechnung ermöglicht es, für je 360d den
Unterschied zu 1 Mondjahr auszurecxhnen (bzw. darszustellen) In der
folgenden Aufstellung ergeben sich die sntsprechenden Lösungen
nur, wenn die Teilung von 1 sS durch die betreffende Summe von k
einen ganzzahligen Divisor ergibt. Z.B. 1sS : 1 sS : 20k; 1 sS : 8k =
5 bzw. 1 sS : 4 = 10k; 1sS : 5 = 8k. Weitere, mögliche
Teilungen, deren Ergebnis jeweils Bruchzahlen wären, sind in der
nachfolgende Aufstellung nicht angeführt. (Diese Aufstelllung
scheint die Amordnung der Scharrlinien in Nazca widerzuspiegeln.)
1,0 M = 360d + 1,0 k = 360d + 1 sS : 40 = 12,50Monate = 50
Phasen
2,0 M = 720d + 2,0 k = 720d + 1 sS : 20 = 25,00Monate = 100
Phasen
2,5 M = 900d + 2,5 k = 900d + 1 sS : 16 = 31,25Monate = 125
Phasen
4,0 M = 1.440d + 4,0 k = 1.440d + 1 sS : 10 = 60.00Monate = 240
Phasen
5,0 M = 1.800d + 5,0 k = 1.800d + 1 sS : 8 = 62,50Monate = 250
Phasen
8,0 M = 2.880d + 8,0 k = 2.880d + 1 sS : 5 =100.00Monate = 400
Phasen
20,0 M = 7.200d +20,0 k = 7.200d + 1 sS : 2 =250,00Monate =1000
Phasen
40,0 M =14.400d +40,0 k = 14.400d + 1 sS : 1 =500,00Monate =2000
Phasen
In dem nachstehenden, anstelle eines Kreises wiedergegebenen
Quadrat zeigt es sich, wie die hier angegebenen Zusammenhänge
zwischen 360 Tagen, dem siderischen Jahr und dem Mondjahr von einem
in 40 Sektoren von je 9° (bzw. 9 Tagen) abgelesen werden
können. Dabei ist auch zu erkennen, dass 39k = 356,123 = 0,975sS
sind (1sS ist ja = 40k) Das führt dazu, dass der Unterschied
zwischen 1sS und 356,125 genau so gross ist wie der zwischen 1M und
360d. Bezeichnend ist auch, das 39 sS = 14.245d = 40 x 356.125 ist,
wodurch sowohl das Verhältnis 39 : 40 = 0,975 deutlich wird,
aber auch, dass 40 : 39 (bzw. 1 : 0,975) = 1d.025641 eine Zahl
ergeben, die 0,002808002808 sS ergeben, während 999.999d = 2808
x 356d.125 sind.
Obige Aufstellungen legen die Vermutung nahe, dass die
Scharrlinien in Nazca, die einzelne Gruppen von Linien darstellen,
die von verschieden gelegenen Mittelpunkten aus in die Landschaft
verlegt sind, zumindest teilweise nach diesem Lunisolarkalender
ausgerichtet sind.
In gleicher Weise scheinen auch ein Teil der ceques genannten
Sichtlinien, die von den Inka-Astronomen im Coricancha-Tempel in
Cuzco so angelegt worden sind, dass sie bestimmte. hervorgehobene
Stellen (sogenannte huacas) mit dem Tempel verbanden. Auf
nachstehender Zeichnung sind die Sichtlinien, deren Winkelabstand
jeweils durch 9 teilbar ist, schraffiert dargestellt. Sie lassen sich
sowohl nach obiger Aufstellung deuten, wie auch nach dem oben an
erster Stelle genannten Schema.
Bei der Betrachtung eines solchen Kreises ergeben sich folgende
Rechnungen, in denen an Stelle des zwischen Mondjahr und 360d
bestehenden Unterschieds von 9d,131410256 die Kürzel "k"
eingesetzt ist:
[TABELLE / TABLE]
Hier zeigt sich eine Parallelität zum Platonischen Jahr, denn
das siderische Jahr, mit dem die Rechnung begonnen hat, erscheint am
Ende wieder als hinzugefügtes siderisches Jahr. Auch hier
besteht also eine Situation, in der sich "die Schlange in den Schwanz
beisst", wie wir es beim Wandern des Frühlingspunkts innerhalb
des Platonischen Jahrs gesehen haben, und gleichfalls wird hier durch
eine langsame Bewegung (die durch die Abhängigkeit des Mondjahrs
vom Wert k bestimmt ist, der einen Teil des Sonnenjahrs darstellt)
das siderische Jahr, mit dem die Reise begonnen hat, wieder
eingeholt. Dies erinnert an das von Platon erkannte Phänomen,
dass in der Sternenwelt auch eine langsame Bewegung zu den von
schnellen Bewegungen vorgegebenen Zielen führen kann.
Das Platonische Jahr stellt dagegen ein nüchternes
astronomisches System dar, das noch heute gilt, in seiner reinen Form
allerdings von den hier angewandte Jahreslängen abhängt.
Vielleicht können sie als Standardlängen angesehen werden,
um die sich die jeweils aktuellen Längen bewegen. Da sich diese
Standardlängen aus Primzahlprodukten ergeben, könnte es
heissen, den Wert der Primzahlen zu relativieren, wenn man für
die Längen des siderischen und des tropischen Jahres andere
Standardwerte annehmen müsste.
Es bleibt allerdings zu fragen, welche Vorteile sich die
Astronomen für ihre Kalenderberechnungen von der (nicht so
einfachen) Einrichtung der Sichtlinien versprochen haben, denn um
komplizierte Kopfrechnungen zu vermeiden, hätte es nicht so
grossräumiger Anlagen bedurft wie wir sie jetzt aus Cuzco, Nazca
und Mesoamerika kennen. Eine Erklärung könnte sein, dass
man glaubte, sich im Zentrum dieses Kreises zu befinden. Dieser
Gedanke lag vor allem in Cuzco nahe, von dem die Inka glaubten, ihre
Stadt sei "der Nabel der Welt". Für diese Auslegung spricht,
dass nach dem Chronisten Barnabé Cobo von jeder Sichtlinie
mehrere, hintereinander liegende huacas berührt wurden, die zum
Teil als Opferstätten benutzt wurden; auch dies ist durch neuere
Forschungen bestätigt worden. Bleibt man bei der genannten
Auslegung der Sichtlinien, könnte die Erklärung darin zu
sehen sein, dass die Astronomen in Cuzco überzeugt waren, die
Zeit laufe in parallelen Kreisen, von denen der Umfang des ersten
durch den Basiskreis mit 360 Tagen, der nächste durch das
Normaljahr, der dritte durch das Sonnenjahr und der vierte durch das
Mondjahr bestimmt sei.
© Walther Heinrich, INTI VERLAG, Trier, 1999. ISBN .3-924060-06-1
(INTI Homepage)