Kosovo: Die Angst der Albaner vor der Teilung
Vor wenigen Tagen schlug der jugoslawische Vizepremier einen nicht so neuen Plan zur Lösung der Kosovokrise vor: Die Teilung der Provinz. Vuk Draskovic lancierte in einem Interview die Idee einen serbisch-verwalteten und einen albanischen Teil des Kosovo einzurichten. Obwohl eine derartige Lösung" keineswegs neu ist, fand die mögliche Teilung des Kosovo bisher kaum internationale Aufmerksamkeit. Bereits 1996 schlug die einflußreiche serbische Akademie der Wissenschaft und Künste vor, den Kosovo zu teilen und dem albanischen Teil die Abspaltung zu gestatten. Die Akademie tat sich bereits zehn Jahre zuvor durch ihr nationalistisches Memorandum hervor, dessen Forderung wenige Jahre später von Slobodan Milosevic erfüllt wurden. Seitdem tauchte diese Idee vornehmlich aus den Reihen der gemäßigt" nationalistischen Opposition wiederholt auf. Motiviert wurden solche Forderungen oftmals durch die Angst serbischer Nationalisten, daß die albanische Bevölkerung durch ihre hohe Geburtenrate die serbischer Vorherrschaft nicht nur über den Kosovo, sondern in Südserbien in Frage stellen wird.
Vorbild Bosnien?
Diese scheinbar ausgeglichenen Lösung, nach bosnischem Vorbild entpuppt sich jedoch nicht als der einzige Ausweg, sondern vielmehr als Blaupause ethnische Säuberungen. Erneut wird hierbei die serbische Minderheit im Kosovo mißbraucht und de-fakto zum Verlassen ihrer Dörfer gezwungen. Die Siedlungsgebiete der Serben des Kosovo sind keineswegs stets entlang der Grenze zu Serbien. Ein großer Teil der Serben leben in Gebieten des Kosovo, die keinesfalls bei einer Teilung an Serbien fallen würden. Die Teilung fordert jedoch implizit die Schaffung zwei ethnisch-reiner" Kosovos und somit einen Bevölkerungsaustausch. Bei einer allfälligen Teilung läßt es sich kaum nachvollziehen, warum Serben aus einem Teil des Kosovo in einen anderen ziehen sollten, wenn die wirtschaftlichen Möglichkeiten in Serbien selber bedeutend besser sind als irgendwo im Kosovo.
Führende Vertreter der Serben im Kosovo bemühen sich im Hintergrund zu bleiben. So ist es auffällig, daß es bisher nicht zu bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Serben und Albanern aus dem Kosovo gekommen ist, vielmehr findet der Konflikt zwischen den Sicherheitskräften und dem Gros der albanischen Bevölkerung statt.
Die wirtschaftliche Realität hinter historischer Fassade
Auch die viel-beschworenen Klöster des Kosovo werden bei einer möglichen Teilung außer acht gelassen. Sie liegen fast ausschließlich in den an Albanien angrenzenden Gebieten. Während vordergründig die historische Bedeutung des Kosovo stets als Grund für die serbische Vorherrschaft über die Provinz angeführt wird, bleiben die bedeutendsten Symbole dieser mythologisierten Geschichte unberücksichtigt.
Der wirkliche Grund liegt vielmehr in einer anachronistischen Auffassung von geopolitischer Strategie auf serbischer Seite. Die nördlichen Teile des Kosovo sind reich an Bodenschätzen, insbesondere Zink und Blei. Die bedeutendste Mine, die vergangen Sommer kurzfristig in die Hände der UCK gefallen war, liegt in Trepca, nur unweit von Pristina entfernt. Die wirtschaftliche Bedeutung von der Mine wird in Serbien, aber auch unter Kosovo Albanern weitgehend überschätzt. Hierin artikuliert sich eine altmodische Sichtweise von wirtschaftlichen Prioritäten und einer unverhältnismäßigen Bedeutung, die Rohstoffen beigemessen wird.
Trotzdem, aus albanischen Quellen haben sich die Angriffe der jugoslawischen Armee und Spezialeinheit auf zwei Gebiete konzentriert. Einerseits auf die Grenzgebiete zu Albanien und Mazedonien, um Waffenlieferung zu unterbinden, und andrerseits auf den Nordkosovo um Kosovoska Mitrovica, eine der größten Städte der Provinz. Mittlerweile leben nur noch wenige Albaner in diesem Teil Kosovos. Lediglich Mitrovica ist noch weitgehend albanisch bewohnt.
Obwohl es keineswegs sicher ist, daß die jugoslawische Regierung in erster Linie eine Teilung anstrebt, so ist es doch wahrscheinlich, daß die Teilung eine von mehreren Optionen darstellt.
Der unvermeidbare Anschluß an Albanien
Falls eine Teilung des Kosovo stattfindet, wird ein Anschluß des Rest-Kosovo an Albanien kaum vermeidbar sein. Eine geschrumpfte Provinz unter weiter verschlechterten wirtschaftlichen Vorzeichen wird möglichst schnell einen Anschluß suchen. Auch wenn dieser von Albanien aus nationalen Gründen kaum abgelehnt werden kann, sind die Folgen voraussichtlich dramatisch. Das Land erholt sich nur langsam von der Anarchie, die alle staatlichen Institutionen 1997 zerstörte. Die Regierung besitzt nach wie vor kaum Autorität außerhalb Tiranas. Ein Anschluß würde nicht nur die stabilisierenden Maßnahmen der Regierung in Frage stellen. Die Vereinigung von Kosovo und Albanien würde erstmals eine Großalbanien herstellen, wie es nur kurzzeitig unter italienischer Kontrolle während des 2. Weltkrieges bestand. Unterschiedliche historische Erfahrungen und Tradition würden das bereits gespaltene Land vor eine fast unlösbare Zerreißprobe stellen, eine Bedrohung für den gesamten südlichen Balkan.
Wie wahrscheinlich ist eine Teilung?
Die Wahrscheinlichkeit eine Teilung sollte nicht überschätzt werden. Im Falle einer NATO Intervention wird es sich für die serbische Regierung äußerst schwierig darstellen eine Teilung durchzusetzen. Zudem finden sich Gegner einer derartigen Lösung nicht nur unter den Serben des Kosovo, die das Schicksal der Serben in der Krajina 1995 in noch frischer Erinnerung haben, sondern auch in politischen Kreisen Belgrads.
Eine erzwungene Teilung wird international kaum Anerkennung finden, da es mehr das Prinzip der Unverletzlichkeit internationaler Grenzen mehr noch als die Unabhängigkeit des gesamten Kosovo in Frage stellen würde. Eine Teilung wäre somit nur dann denkbar, wenn die albanische Seite eine derartige Lösung akzeptieren würde. Noch finden sich kaum politische Kräfte unter den Kosovo Albanern, die eine Teilung unterstützen können. Ohne eine internationale Intervention könnte jedoch die Option aus der Not heraus zunehmend Gehör finden.
Florian Bieber, Budapest