Das Ende der Opposition oder Opposition ohne Ende in Serbien

Während sich die Augen der internationalen Staatengemeinschaft auf den Kosovo richten, nützt Slobodan Miloš eviæ die Gelegenheit um die innerserbische Opposition auszuschalten. Im Schatten des drohenden NATO Schlages bereitet die sozialistisch-nationalistische Koalition die Gängelung der unabhängigen Medien und politischen Opposition vor. Bereits im Frühjahr konnte Milosevic die eigenen Bevölkerung mit der Krise im Kosovo von der Einschränkung der unabhängigen elektronischen Medien und der Universitätsfreiheit ablenken.

 

"Agenten des Westens"

Vor kurzem drohte der nationalistische Koalitionspartner und "Mann fürs Grobe" von Slobodan Miloševic , Voijslav Šešelj, oppositionellen Organisationen und Medien. Šešelj beschrieb die wichtigsten unabhängigen Zeitungen als die fünfte Kolonne der USA und als "Quislinge". Nicht nur nannte er einige Organisationen namentlich, wie das Helsinki Kommittee, eine der wichtigsten Menschrechtsorganisation im Lande, er drohte ihnen auch im Falle eine NATO Luftangriffes: "Vielleich können wir nicht jeder amerikanische Flugzeut abschießen, doch wir werden alle fassen, die in unserer Reichweite sind."

Informationen aus oppositionellen Kreisen zufolge hat die regierende Sozialistische Partei Serbiens in einer Stadt der serbischen Provinz bereits Listen ausgearbeitet von jenen Regimegegnern, die im Falle eines Angriffs zu "beseitigen" wären.

 

Das Ende der unabhänigen Berichterstattung

Das dies keine hohlen Drohungen sind zeigte sich in der Nacht vom 13. auf den 14. Oktober. Informationen des unabhängigen Journalistenverbandes in Serbien zufolge drangen Beamte des Serbischen Informationsministerium mit Polizeiunterstützung in die Büros zweier unabhängiger Wochenzeitungen, Danas und Dnevni Telegraf, ein und schlossen diese bis auf weiteres. Begründet wurde dieser Schritt mit dem Regierungsdekret zu den Pflichten der Medien im Fall eines direkt bevorstehnen Krieges. Ironischerweise wurde dieser Regierungsbeschluß kurz nach dem Durchbruch der Verhandlungen zwischen dem amerkanischen Unterhändler Richard Holbrooke und Slobodan Miloš eviæ umgesetzt.

Im Rahmen dieses Dekretes mußten die unabhängigen Radios und Fernsehsender erst vor wenigen Tagen die Wiederausstrahlung von internationalen Nachrichten in serbischer Sprache beenden. Zuvor spielten die vom BBC, Voice of America, der Deutschen Welle und Radio Free Europe produzierten Nachrichten ein wichtige Rolle zur Sicherung unabhängiger Berichterstattung im Lande. Fast gleichzeitig wurde der unabhängige Radiosender Indeks geschlossen, nachdem das Ministerium für Telekommunikation dem Sender vorwarf, keine gültige Sendelizenz zu besitzen. Radio Indeks hat zwar die Programaustrahlung gestern (Mittwoch) wieder aufgenommen, doch eine erneute Abschaltung droht ständig.

Noch ist nicht deutlich, ob die Kampagne gegen unabhängige Medien direkt von Miloš eviæ angeordnet wurde, oder ob der serbischer Informationsminister Aleksandar Vucic , Mitglied von Šešeljs Radikaler Partei, versucht das politische Klima im Interesse seiner Partei zu radikalisieren.

 

Schweigen aus dem Westen, Stille im Land

Bereits in der Vergangenheit ist es Miloš eviæ gelungen durch eine Vielzahl von verschiedenen Krisen die interne und internationale Aufmerksamkeit aufzusplittern. Kurz nachdem die Kämpfe im Kosovo im Frühjahr eine unerwartete Heftigkeit annahmen, beschloß das serbische Parlament die Neustrukturierung der Universitäten. Die Autonomie der Universitäten wurde abgeschafft, so daß nur noch genehme Professoren, die sich vertraglich der Regierung unterordnen, ihren Arbeitsplatz behalten konnten. In Folge gelangte der nationalistsche Vojislav Šešelj, ein ehemaliger Soziologie-Dozent, in den Vorstand von zahlreichen wissenschaftlichen Instituten. Trotzdem fanden folgten nur wenige Duzend Studenten dem Demonstrationsaufruf des Studentenparlamentes. Gleichzeitig begann eine Kampagne gegen unabhängige Medien, die sich in Folge der landesweiten Proteste im Winter 1996-97 einen nichtdagewesenen Freiraum erkämpfen konnten, die nun ihren Höhenpunkt zu erreichen scheint

Nicht nur in Serbien konnte sich kaum Widerstand zu diesen Maßnahmen formulieren. Auch die internationale Staatengemeinschaft konzentrierte sich ausschließlich auf Kritik an der brutalen Niederschlagung des Aufstands der albanischen Bevölkerung im Kosovo. Ein weiteres Mal wurde der zunehmend unbeliebte jugoslawische Präsident als Verhandlungspartner aufgewertet, während die schwache serbische Opposition droht das Bauernopfer der jüngesten Einigung zu werden.

 

Florian Bieber, Budapest