Kroatien vor den Präsidentschaftswahlen

Tudjman dominiert weiterhin das Land

Das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen am kommenden Sonntag scheint bereits festzustehen. Auch die Opposition zweifelt wohl kaum an einer Wiederwahl Franjo Tudjmans. Trotzdem werfen die Wahlen zwei Fragen auf: Wird sich Kroatien in Zukunft zu einer Demokratie entwickeln und werden die geflohen Serben wieder in das Land zurueckkehren können . Tudjman selber ist ein Meister gemischter Botschaften. Bei seinem Besuch in der oslawonischen Stadt Vukovar am vergangenen Sonntag sprach er sich fuer eine Versönung von Serben und Kroaten aus. Zugleich könnten die Kroaten, so Tudjman, nicht vergessen, was seit 1990 geschehen sei. Vukvor und das umliegende Ostslawonien war das letzte serbisch kontrollierte Gebiet nach der kroatischen Offensive "Blitz" im Sommer 1995. Das Territorium entlang der serbisch-kroatischen Grenze untersteht nun UN und wird Mitte Juli kroatischer Verwaltung uebergeben.

 

Mit dem "Friedenszug" nach Vukovar

Tudjman reiste mit einem sogenannten Friedenszug nach Vukovar an. Diese Reise erinnert an eine Reise Tudjmans im Sommer 1995 nach Knin, zum Sitz des Zentrums der "Serbischen Republik Kraijna". Das Gebiet bereist er nach der Ruekeroberung auch mit einem "Friedenszug".

In Vukovar sprach sich der kroatische Präsdienten fuer eine Rueckkehr der Serben aus. Alle 150.000-200.000 Serben könnten nach seiner Meinung jedoch nicht zurueckkehren. Dies, so Tudjman, fuehre nur zu Hass und erneutem Krieg. In Vukovar rief Tudjman zwar zur Versöhnung auf, zu den geladenen Gästen, die seine Botschaft hätten hören können, gehörten jedoch nur eine Handvoll Serben. Bei dieser "Friedenszeremonie", wurde kroatischer Folklore reichlich Platz eingeräumt. Serbische Tänze mussten jedoch unterbleiben - die Buehne hätte sie nicht ausgehalten, begruendeten die kroatischen Organisatoren.

Während er sein Ziel erreicht hat und erstmals seit 1991 wieder ganz Kroatien unter seiner Kontrolle steht, wird den verbliebenen Serben deutlich, dass sie in Tudjmans Kroatiens höchstens geduldet werden. Der Vorsitzende der Unabhängigen Serbischen Demokratischen Partei, Vojislav Stanimirovic, hat grosse Schwierigkeiten in einem solchen Klima die serbische Bevölkerung zum Bleiben zu ueberreden.

Die wahltaktischen Ueberlegungen hinter der "Friedensreise" eine Woche vor den Präsidentschaftswahlen sind kaum zu uebersehen. Statt diese Reise zu nuetzen um staatsmännisch Kroatien zu einen hat Tudjman versucht den Besuch als Wahlkampfauftrittt zu missbrauchen.

 

Oppositionskandidat zusammengeschlagen

Währenddessen wurde einer der beiden Oppositionskandidaten, Vlado Gotovac, in Pula (Istrien) von einem Soldaten zusammengeschlagen. Der liberale Kandidat konnte zwar mittlerweile das Krankenhaus wieder verlassen, die Angst vor weiteren Angriffen gegen die Opposition bleibt jedoch. Der liberale Präsidentschaftskandidat vertritt ein breites Wahlbuendnis gemässigter Oppositionsparteien. Vor kurzem erhielt er sogar die Unterstuetzung des ehemaligen deutschen Aussenministers Hans-Dieterich Genscher. Da Genscher 1990/91 auf eine internationale Anerkennung Kroatiens drängte, gilt er heute als Volksheld in Kroatien. Zahlreiche Strassen und Plätze sind nach ihm benannt. Seine Rueckendeckung fuer Gotovac duerfte trotzdem nich ausreichen, ihm eine reele Chance gegen Tudjman zu geben.

Nach den Wahlen duerften die Spekulationen ueber die Zukunft Kroatiens weitergehen. Die Geruechte um die schwere Krebserkrankung des 75jährigen Tudjmans nähren die Vermutung, dass er die naechste Amtsperiode nicht voll durchhalten wird. In der regierenden HDZ gibt es noch keinen Kronprinzen, der das Amt des "Uebervaters" Tudjman uebernehmen könnte.

 

Florian Bieber