Serbien

 

Auf die Unterdrückung der Medien folgt ein Maulkorbgesetz

 

Während die Kampagne gegen unabhängige Medien in Serbien in der vergangenen Woche auf einem Dekret beruhten, das sich auf einen möglichen NATO Luftangriff bezog, versucht die Regierung nun die Zensur durch ein Gesetz zu untermauern.

Nach dem vorläufigen Aus für zwei große unabhängige Wochenzeitungen und der erzwungenen Schließung der bedeutsamsten oppositionellen Tageszeitung Nasa Borba (Unser Kampf) hat das demokratische Lager in Serbien so gut wie allen Zugang zu den Printmedien verloren.

Vorsitzender der Radikalen Partei und Vize-Premierminister Vojislav Seselj droht nun den albanisch-sprachigen Medien mit deren Schließung. Die Zeitungen der Kosovo Albaner konnten im letzten Jahrzehnt weitgehend unbeheligt ihre Meinung gegen das serbische Regime kundtun, da sie im Gegensatz zu den serbischen Medien eine geringere Bedrohung für das Regime darstellten. In der Schließung der serbischen Zeitungen sieht Seselj den Beweis, daß nicht einseitig gegen Albaner diskriminiert wird. Der Eingriff gegen albanische Zeitungen verzögerte sich jedoch, da es den zuständigen serbischen Behörden an albanischen Übersetzern fehlt, die eventuelle "feindlicher Propgaganda" aufdecken könnten.


Blitz-Gesetzesvorschlag gegen unabhängige Berichterstattung

Die Schließung von Zeitungen wird von einem neuen Gesetzesvorschlag begleitet, der die Verbreitung von ausländischen Berichten in Serbien unter hohe Geldstrafen stellen soll. Nach Angaben von Radio B92 sieht der Vorschlag Strafen für die Verbreitung "politischer Propaganda" von 200 Dinar (ca. 600 Franken) bis 400.000 Dinar (ca 1,3 Mio. Franken) vor.

Der Regierungsvorschlag wurde erst gestern (Dienstag) veröffentlicht und soll schon heute (Mittwoch) im Parlament diskutiert und vor Ende der Woche verabschiedet werden. Diese Methode erinnert an die Technik der Regierung, mit der sie das Universitätsgesetz, das die Autonomie der Universitäten aufhob, im Mai durch das Parlament peitschte um eventuellen Widerstand in der Bevölkerung vorzubeugen.

Die Reaktion der Bevölkerung auf all die Maßnahmen war jedoch, wie in der Vergangenheit, eher verhalten. Bei einer Demonstration fanden sich vor wenigen Tagen nur einige hundert Protestierende zusammen, während ein Petition der oppositionellen Demokratischen Partei zwischen Samstag und Montag gerade einmal 5.000 Unterschriften gegen die Regierungskampagne sammeln konnte.

Auch wenn nach der Verabschiedung des Gesetzes die verbotenen Zeitungen möglicherweise wieder erscheinen dürfen, so kann in Zukunft jede Wiedergabe ausländischer Berichte über Serbien ein erneutes Verbot oder den finanziellen Ruin der Zeitung mit sich bringen. Aleksandar Tijanic, ein ehemaliger serbischer Informationsminister und Kolumnist in der verbotenen Zeitung "Dnevnik Telegraf" beschrieb diesen neuen Vorschlag als das schlechteste Mediengesetz, das je in Serbien bestand.

 

 

Florian Bieber, Budapest