Serbien

Das Ende der Opposition?

Während die NATO Bomben über Jugoslawien abwirft, befindet sich eine Gruppe in Serbien in der aussichtslosen Lage: Die Opposition und insbesondere die Studenten und Jugendlichen in Belgrad und den anderen Städten. Vielen von ihnen haben vor zwei Jahren gegen das Regime protestiert und kaum einer unter ihnen hat viel für Slobodan Miloševic übrig. Eine große Zahl Jugendlicher wurde den letzten Tagen in die Armee eingezogen. Zugleich wurden die letzten unabhängigen Informationsquellen geschlossen. Nachdem es kaum noch unabhängige Zeitungen gibt, befinden sich jetzt die elektronischen Medien unter Druck. Nachdem der Radiosender B92 aus „technischen Gründen" geschlossen wurde, der das Rückrat der unabhängigen Radio- und Fernsehsender bildet, werden seit dem Beginn der Angriffe die lokalen unabhängigen Sender, wie Radio 021 in Novi Sad, geschlossen.

Die offiziellen Medien unterdessen verbreiten Desinformation und Propaganda. Das staatliche Fernsehen und etliche private Kanäle, die Regierungskreisen nahestehen, strahlten in den vergangenen Tagen alte Partisanenfilme aus, in denen glorreiche Partisanen deutsche Flugzeuge vom Himmel schießen.

Das Dilemma der Opposition

Die Opposition und die bereits stark an den Rand gedrängten demokratischen Kräfte befinden sich in einer ausweglosen Situation. Sie können nicht die NATO Luftschläge gutheißen, denn würde den politischen Tod bedeuten. Die Ablehung der Angriff geschieht jedoch nicht nur aus politischen Kalkül. So schrieb Zoran Zivkovic, der verzweifelte Bürgermeister von Niš und Mitglied der oppositionellen Demokratischen Partei, zwanzig Minuten nach dem Nato Angriff auf die Stadt: „In der Stadt Niš stimmten die Einwohner 1996 für Demokratie und gingen auf die Straße um ihre Rechte zu verteidigen. Die Einwohner mußten 100 Tage protestieren, um das Regime zu zwingen das Wahlergebnis anzuerkennen. Sie stimmten für europäische und amerikanische Demokratie. Heute wurde meine Stadt von amerikanische, britischen, französischen, deutschen und kanadischen Flugzeugen bombardiert. Deshalb stelle ich folgende Frage: Warum führt die Welt Gespräche mit Terroristen und Vertretern staatlicher Brutalität und nicht mit jenen, die in Serbien für Demokratie kämpfen? Meine Bürger und ich kämpfen ernsthaft für Demokratie, heute Nacht wurden wir jedoch von Flugzeugen westlicher Demokratien bombardiert. Gibt es hierfür eine logische Erklärung?"

Die stiller Flucht

Dieses Dilemma und die Bedrohung durch Einzug in die Armee, Unterdrückung der Opposition und Bomben der NATO lassen vielen Jugendlichen nur eine Wahl, eine Möglichkeit, die bereits Zehntausende vor ihnen in den vergangenen Jahren gewählt haben oder wählen mußten: Die Flucht in Ausland. Während für die Albaner im Kosovo Mazedonien Hauptfluchtland geworden ist, so liegt Ungarn am vorläufigen Ende einer Reise, die viele Serben aus Novi Sad, Belgrad und anderen Städten angetreten haben. Nur wenige haben die Grenze nach Rumänien oder Bulgarien überquert, während sich an der kroatischen Grenze ein anderes Problem stellt. Fast eine halbe Million Serben kroatischer Herkunft leben heute in Jugoslawien, oftmals in ehemaligen Militärkasernen untergebracht. Etliche von ihnen haben mittlerweile kroatische Pässe, eine Flucht nach Kroatien blieb ihnen jedoch verwehrt. So hat Kroatien den eigenen Staatsbürgern die Einreise verweigert, wenn diese ein serbisches Visum im Paß haben. Entgegen internationalem Recht hat somit Kroatien gegenüber den eigenen Staatsbürgern die Grenze geschlossen. Somit ist für die meisten Serben Ungarn vorläufig die Endstation, ein Schengen-Visum ist kaum zu erhalten.

Es droht ein Ende der Opposition in Serbien, die Medien der Gegner Miloševic´s werden geschlossen, die Mitglieder der Opposition haben keine Verbündeten mehr in dieser Lage und die Basis der demokratischen Parteien und Vereinigungen gehen ins Ausland. Selbst wenn eine Lösung für Kosovo herbeigebombt werden kann, was in sich fraglich ist, so ist eine demokratische Wende in Serbien in weite Ferne gerückt.

 

 

Florian Bieber, Budapest