Der Notariatskandidat

 

Ein Mensch, noch jung und unerfahren
erträumte sich vor vielen Jahren
ein hohes Ziel, das Glück auf Erden:
Der Mensch beschloß Notar zu werden.

So ging er dann als Kandidat
aufs erste beste Notariat
wo man ihn, kaum daß er gekommen
mit großer Freude aufgenommen.

Was sehr leicht hieraus sich erklärt,
daß er als Arbeitskraft begehrt.
Denn jeder Chef vor Freude zittert,
wenn er Entlastung für sich wittert.

Und zwar fürs Amtliche, jedoch
zumeist privat fürs Ehejoch.
Somit ist dann in jedem Fall
die Ausbildung universal.

Abschriften machen, Kohlen holen,
Wäsche waschen, Schuhe sohlen,
Bleistift spitzen, Briefe siegeln,
Feuermachen, Garten rechen,
Grundbuchheft zusammenstechen,
Formvorschriften streng beachten,
Hühner und Karnickel schlachten,
in das Grundbuch reinzuschmieren
und die Tochter auszuführen,
was letzteres von all dem Mist,
wohl noch das Angenehmste ist.


Na schön, doch nach gewisser Zeit
wird man die Sache reichlich leid,
denn so hat man, bei all der Welt,
es sich dann doch nicht vorgestellt.

Drum ist der Mensch auch hochbeglückt,
als man ihn auf den Hauptkurs schickt.
Doch dort hört er,
es ist zum Lachen,
ganz neue unbekannte Sachen:

Von BGB und ZPO
von ZVG und GBO

wovon er in den Stiftesjahren
kein Sterbenswörtchen hat erfahren,
weil er vor lauter Praxis - Kram
zum Theoretischen nicht kam.

Der Mensch erkennt zu Tod betrübt,
daß es Sachen gibt, die's gar nicht gibt !
Und von dem hocherträumten Ziel
bleibt ihm, so scheint es, nicht mehr viel.

Jedoch der Mensch, im Drang zum Ganzen,
fängt mordssaumäßig an zu schanzen
und hat dann schließlich 3 a unten
im Schweiß des Angesichts geschunden,
wofür die Tür dann offen wär
zum dermaleinstigen Herr Notär.

Er fühlt sich jetzt dem Ziele nah
und eines Tages ist es da.
Oh, höchstes Glück birgt,
das ist wahr, der Titel : Herr Bezirksnotar.

Zwar weniger in seinem Titel,
doch umsomehr sind es die Mittel.
So mancher wird, so hört man gleich,
an seiner Pauschvergütung reich.

Ein andrer ward es zwar nur stockend,
doch immerhin, es ist verlockend,
das Motto der Bezirksnotare :
An Deiner Pauschvergütung spare.

Denn warum sollte man sich schämen,
mal schlechteres Papier zu nehmen ?
Und zudem weiß man allerseits
Sparsamkeit ist niemals Geiz.

Der Mensch, der den Notar erklommen,
hat diesen Usus übernommen,
obwohl er einst als Kandidat,
am Chef ihn sehr bemängelt hat.

Doch nun erkennt er, wohlgewitzt,
daß diese Übung wirklich nützt.
Der Mensch sieht neben Geld und Ehren,
die Arbeitslast sich mitvermehren.


Drum legt er allzugleich im Nu,
nen Stift sich zur Entlastung zu,
wodurch das Ganze Reiz gewinnt,
insofern als es von vorn beginnt:

Ein Mensch noch jung und unerfahren ...
das Weitere kann ich mir sparen

(trad. )