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letzte Änderung: 22.11.01

 

Betreff: Bilanzierung der Lebensleistung

 

Ja, jetzt folgt der Jahresbericht.

Denke, dass sich manches bei mir verändert hat. Nur ich nicht.

Mein Studium macht mir erst seit ganz ganz kurzem ein bißchen Freude, weil ich präpe.

Ich war mir noch nie so unsicher über meine gesellschaftliche Rolle bzw. Existenzrahmen wie in den letzten Monaten. Dafür habe ich mich mit dem Gefühl konstanter Einsamkeit angefreundet.  Zumindest weiß ich mittlerweile paar Menschen, die ich um 1 Uhr morgens anrufen kann und sagen kann, dass es mir beschissen geht und sie werden sich mit mir beschäftigen.

Mein Bekanntenkreis hat sich sehr verändert, ziehe fortan lauter Psychos an. Die Antwort auf ein „Warum“ weiß ich, einige von euch vielleicht auch.

Und sonst ist mir vieles gleichgültig geworden.

 

Und auch sonst sage ich gerne Dinge, die andere unangemessen oder provokant finden. Da ich aber zunehmend immer weniger Zeit mit geistig saturierten Menschen verbringe, verwischen sich für mich die Grenzen der Themen, die man ansprechen kann oder aber nicht, weil, was werden dann die anderen von mir denken?

Und so schockiere ich einige nichtsahnende Mitmenschen. Schlimm.

 

Und freue mich sehr, dass ich Weihnachten arbeiten werde und nicht dieses Absurdum mir antun muß, schlimm genug sind die geschenkgeilen Menschen in der Münchner Innenstadt, die ich dennoch nicht missen möchte, weil ich ja sonst einen Anlass weniger hätte, meinen Kommentar abzugeben.

 

 

Betreff: Besessenheit nach der Sehnsucht

(gehört in die kleine-mädchen-sparte, aber kein freund zu hand, der mir das noch einprogrammieren könnte)

 

Displayanzeige des Handys. Blick drauf.

Kein Briefchensymbol. Erst vor 5 Minuten zum letzten mal draufgeschaut. Hätte ja sein können, dass er just in diesen 5 Minuten, als ich pinkeln war, mir endlich eine SMS schreibt. Oder gar anruft. Oder gar mit seinem blauen Auto um die Ecke fährt und die überdimensionalen Blumentöpfe vor dem Café zur Strecke bringt. Oder mit dem Fallschirm hier landet. Oder eine Nachricht für mich abgibt, an den Kellner, der schon ungeduldig die 4,50 für einen scheußlichen Milchkaffee kasieren will und gereizt ist, dass er soviel schwitzt und zu riechen anfängt.

Das alles war natürlich nicht passiert.

 

Meine Freundin Molli sitzt noch in der Sonne, während ich im Schatten bleibe und das handy in die Tasche fallen lasse. Sie zieht ihre linke Augenbraue über der Sonnenbrille hoch. Sehr streng.

Und sagt entrüstet, ich solle mich nicht so fertig machen, wegen einem Mann. Das würde keiner verdienen.

Und er schon gar nicht, denke ich, hilflos lächelnd.

Nur bringt es auch nichts weiter, es zu wissen.

„Es ist wie jedes Verliebtsein. Eine schmerzhafte, unerwiderte Hysterie, die einsam fühlen macht, sich auflöst in Nur-ein-Mensch, immer Wunden hinterläßt, wie eine Krankheit ist, Feuer oder Krätze, und ein Brennen im Leib macht – für nichts.“

Was tät ich bloß ohne Frau Bergs Zitate in tragischen Situationen wie dieser?

Verliebt aus der Wäsche schauen.

Aber so. Reicht sogar für eine literarisch-kompatible Selbstanalyse, auch wenns Plagiat ist.

Meine Freundin holt zum Reden aus.

 

Von unglücklicher Liebe, an der man wächst oder zerbricht,

von Schicksalsprüfungen,

von irgendwo auf dieser Welt wartet schon noch der richtige Mann auf mich, nur Geduld,

von Traummännern, den man immer begegnet, man muß sie nur erkennen,

von das Leben geht weiter. 

Empörung und Zorn. In mir. Unglaube. Solche abgedroschene Scheiße, glaubt sie, mich damit trösten zu müssen.

Ich will keinen Traummann, unterbreche ich sie aufgebracht.

Will, dass mich ein Mann liebt.

Aber das meine ich doch, erwidert Molli entgeistert ob meiner Agressivität.

Sprachlos schau ich sie an.

Bevor ich etwas zu Wahres sage, wie ‚du hast doch überhaupt keine Ahnung, so feige berechnend und spießig wie du bist, also halte endlich deine hübsche Fresse und schwelge dich weiter im Sonnenschein’, bezahle ich und gehe abrupt, diese Peinlichkeit schnell hinter mir lassend.

Wohin ich gehe, weiß ich nicht, Hauptsache, bewege mich rapid und sicher von hier weg.

Jetzt bloß nicht zu heulen anfangen.

Dieser Gans wegen nicht, und des Mannes nicht.

Werde das schlechte Gefühl nicht los, als ich den Sendlinger Tor Platz verlasse und eine grelle Hauptstraße entlangfließe, dass ich mich in Molli verschätzt habe.

Später, viel später, werde ich begreifen, dass ich in ihre Schönheit verliebt war und eine Freundschaft zu ihr angefangen hatte, nur um ihr nahe sein zu können, neben ihr stundenlang sitzen und gehen zu können, sie immer verstohlen betrachtend. Die Dimension ihres Geistes und ihrer Lebensauffassung stand windschief zu der meinigen. Aber so schön bezaubernd war sie. Leider setzte dennoch, trotzt dieses Zaubers, eine Ernüchterung in mir ein, was die Freundschaft zu ihr anbetraf. Sie hatte es nie verstanden, woran unsere Freundschaft letztendlich zerbrach. Es gab doch gar keine, nur meine Bewunderung für dich, unter einem  Deckmantel. Bis die Verachtung für ihre Dümmlichkeit und selbstgefällige Prinzipien die Bewunderung vom Podest stießen. Wie gesagt, das werde ich erst später begreifen.

 

Und jetzt bin ich einfach nur frustriert.

Schlage mich auf die Schattenseite der Straßen, laufe im Kreis, jetzt schon zum 3. Mal am Justizpalast vorbei; dem gegenüber ist im Hotel blabla-hof meine favorisierte Kunsthandlung, sie tröstet mich heute aber auch nicht. Auf der Sonnenseite laufen all diese Pärchen.

Hin-und hergerissen.

Zwischen.

Sehnsucht nach ihm, Erinnerung an ihn, ihn für mich ganz allein haben zu wollen, ganz und gar.

Und.

Entrüstung über meine Besitzergreifung. Willst doch auch nicht, dass dich der andere in seiner Liebe auflöst.

Warum willst du dir dann diesen Mann einverleiben?

 

Bäh, lästige Fragen, geht weg!

Stattdessen immerzu daran denken, bei diesem Mann zu sein, ihn anzusehen, mit ihm nach Palermo zu fahren, dort bei gutem Wetter, also immer, den Stromboli rauchen zu sehen, vom Balkon eines kleines, zerfallenden Häuschens aus, das auf einem mit zirpenden Zypressen bestückten Hügel steht, auf der Straße zu sitzen und zu reden, miteinander und voneinander, wie alle hier. Zu schmunzeln, wenn ich ihn einschlafen sehe und mir überlege, welches Kleid ich morgen anziehen werde, um in der Früh aufzustehen, um zu schreiben, meine sizilianischen Novellen. Und diese Stadt laut und geschäftig werden zu hören, hier merkt man noch, wenn was lebendig wird, wenn die Stadt am Morgen lebendig wird.

 

Ganz aufgewühlt gehe ich zur Uni zurück. Keine Ahnung, was im Seminar besprochen wurde. War am Ende des Vortrages so erschöpft, von der eigenen Aufregung, aber eher von den schlaflosen Wochen, dass ich eingenickt bin.

Zu Hause ein einziges Nervenbündel. Vermeide jedes Gespräch.

Die Zeit verstreicht. Schon nach 22 Uhr.

Denke nicht, fühle nicht, sitze nur da und glaube, etwas an meinem Körper aufschneiden zu müssen, um die Seele mit Schmerz abzugelenken, damit sie sich nicht an jeder neuen Vorstellung von und mit diesem Mann Wunden ins Fleisch jagt.

Und hilflos mit den Gliedmaßen schunkelt, die Seele, am Marterpfeil der Projektion aufgespießt.

Noch eine Stunde versteicht.

Halte nicht mehr aus. Rufe ihn an. Besetzt. Nach 10 Minuten wieder, besetzt. Zehn Minuten später, er geht nicht ran. Lasse es bestimmt 20 mal klingeln, mehrmals infolge. Es rührt sich nichts.

 

Ein dummes kleines Mädchen hockt im Bett, eigentlich aber in Palermo, allein und mit verquollenen Augen schaut es den Stromboli rauchen. Hat was geweint, das dumme kleine Mädchen.

 

 

Betreff: einbetonniert, das leben

kennst du das gefühl

wenn du dich fortwährend fragst

wann ist es endlich vorbei

wann sterbe ich endlich

 

wenn illusion

mit der halbwertszeit eines stuhlgangs

dir flüstert

es hätte irgendetwas irgendwann und irgendwarum noch einen sinn

 

wenn du genau weißt

die vorstellung sich gar anfassen läßt

wie dein leben in den nächsten 40 jahren aussehen wird

und was du wann fühlen wirst

und was du wann dir vorlügen wirst

und was den anderen

und was du zu welchem anlass denken wirst aber nicht aussprechen

und du nichts bedauern wirst

weil sich nichts ändern kann

auch wenn man anders handelt

aber gerade diese andershandlung ist in deinem leben als andershandlung vorgesehen

und du denkst dir aber

boah, bin ich jetzt toll, dass ich was in meinem leben verändere

und dabei war alles von anfang an geplant

 

verstehst du mich?

 


Betreff: N.Y.

hole nachttopf für eine bettlägrige patientin

und höre

chaos

auf dem flur der station

des krankenhauses

muß jemand reanimiert werden?

spähe hinaus

der süßliche ergotherapeut entsetzt

 

gerade im radio gehört

dass flugzeuge in worldtradecenter

vorher entführt

oder ähnliches

wohl islamisten

geil

endlich was los im spätdienst

denke ich

bringe den nachttopf voller flüssiger scheiße

in die waschmaschine

oho

kochwäsche mit anschließender desinfektion

und ein flugzeug auf pentagon

jetzt aber in den speiseraum

fernseher einschalten

die fernbedienung total verfettet

hat sich wohl

eine oma die finger nicht abgewischt

bevor die fernbedienung

gegrabscht

mein lieblingsbild

 

als das zweite flugzeug

ins ultrahochhaus fliegt

pfleger und schwestern schauen kurz vorbei

nehmen zur kenntnis

und weiter blutdruckmessen

ich hocke im rollstuhl eines patienten und starre gierig die mattscheibe an

bin fasziniert von so viel gewalt auf einmal

und konzentriert

gewalt imponiert

seien wir ehrlich

unterbrechung

abendessen auf station

patienten müssen herausgefahren werden

einigen essen eingegeben

denjenigen aber im zimmer

unter ausschluss der öffentlichkeit

kranke mit noch kränkeren

wollen nicht konfrontiert werden

wie gesunde

auch keine kranken sehen mögen

bin im privatzimmer

von lebermetastasen eines

ungeklärten primärtumors

aber zum glück fernseher

am bettrand

sitzend

essen eingebend

starre ich den fernseher an

die oma würgt währenddessen

ihr pürietes fleisch und gemüse

löffel für löffel

riecht

wie die scheiße von vorhin

mit zitternden tränen

in den augen

schau ich die sterbende oma an

hoffe nur

dass das essen nicht so schmeckt

wie es riecht

sie drückt angestrengt die obere zahnprothese mit der zunge zurecht

paßt nicht mehr

weil knochenschwund

auch am oberkiefer

und fährt dann mit pilzbefallener zunge

über die rissige lippenhaut

ich schiebe

einen löffel apfelmus nach

sie bewegt die angedickte fruchtpampe im mund

gurgelt fast mit ihr

bis sie sie endlich

runterschluckt

die erste träne rollt

immer und immer wieder fliegt das flugzeug ins haus

und die oma krächzt vor schmerzen

und schnappt kraftlos nach luft

das morphium ist wohl nicht richtig eingestellt

sie dürfte keine schmerzen haben

sie will nicht mehr essen

ich schau weiter die bilder

wie magnetisiert

wische

die wimerntuschespur aus dem gesicht

trage das essenstablett

hinaus

 

und glaube

nichts mehr zu spüren

weil nur noch übelkeit aufsteigend

ob von der scheiße oder den flugzeugen

tablett kracht auf den boden

während

mein mageninhalt auf ihn landet

verlegenheit bei den anderen

wische das erbrochene weg

und gehirn vibriert

schläfen pochen

ich soll nach hause gehen

die stationsleitung

schmeiße die arbeitskleidung in den wäschesack

und sitze

ich verregneten park vor dem krankenhaus

das lähmende entsetzen aus

über die faszination

der gewalt.

 

Betreff: Georg Trakl

habe mir ein buch mit sämtlichen gedichten, entwürfen, theaterstücken von Georg Trakl ausgeliehen

habe mich in der U-Bahn auf dem nachhauseweg so gefreut,

so gefreut darauf,

zu entdecken,

dass Trakl noch genialer als Gottfried Benn sein könnte.

welch eine enttäuschung

seine gedichte ein Revival des Sentimentalismus, gepaart mit geistigen Bildern der naiven malerei

seine sprache à la Eichendorff (mit expressionistischer wucht, hehe)

seine inhalte à la talkshows auf den privatsendern

seine gefühlsintensität à la zu lang gekochte nudeln

und dann heißt es noch

zitiere wörtlich

„Trakls Gedichte gehören zweifellos zu den bedeutendsten lyrischen Leistungen unseres Jahrhunderts“

und wenn Literaturexperten einen angeblichen expressionistischen Reihungsstil bei Trakl gar mit Nietzsche untermauern, wie es u.a.

bei der besprechung des gedichts „Drei Träume“ (1909)

ein gewisser Hans-Georg Kemper tut, dann tuts aber langsam wehe

schließlich kann man auch

Rosamunde Pilcher

mit nötiger geistiger weitsichtigkeit

auf

Hegel

zurückführen.

P.S. dem geschulten auge ist mein eigener glamuröser expressionistischer reihungsstil wohl aufgefallen, man siehe nochmals „seine ... à la ..., seine ... à la ..., seine ... à la...“

da werden das häßliche und böse, das bedrohliche und zerstörerische, das morbide und dekadente der modernen realität in krassen bildern ins sujet umgesetzt, ganz nach Nietzsches forderung nach „Färbung, Kausalität und Schnelligkeit“.

noch mal P.S.

hey, ist irgendwie weltliteraturerbe, worüber ich mich lustig mache

zum wiedergutmachen

kann jemand ein räucherstäbchen für mich bei gelegenheit anzünden?

mit moschusduft

da gibt’s noch ne schöne nebenwirkung



Betreff: MAIL

Christian, ich bin ein böses Mädchen, habe Deine Antwort auf die Heimseite gestellt, durfte ich? Jetzt kannst Du nicht mehr sagen, ich hätte Dich nicht gefragt.

Aus welcher Oper sind die italienischen Zitate?

Betreff: „Sex II“ von Sibylle Berg

1.      Der Titel hat nichts mit dem Buch zu tun (als Entwarnung für die Schüchternen unter uns (Marc!)), eher mit Streigerung der Verkaufsexemplare.

2.      Der in vielen Feuilletons dem Buch zugesprochene Voyeurismus ist Frau Bergs Unverschämtheit, die Dinge beim Namen zu nennen.

3.      Ein nicht weinbares Buch (bei der kleinen Ziege aber beinahe).

4.      Frau Berg, verraten Sie mir ihr Diätgeheimnis?

5.      Frau Berg, ich habe mich in Ihre Mailingliste eingetragen, bitte, bitte, bitte, antworten Sie mir.

6.      Das Buch macht zu neugierig auf Drogen.

7.      „Sex II“ ist ein Buch, das man an jedem Kreuzweg des Lebens dabeihaben sollte, da fällt nämlich die Entscheidung, soll man nach links oder nach rechts gehen, ganz eindeutig aus: umdrehen und zurück laufen.

8.      Wenn ich ein Mann wäre, hätte ich mich in Frau Berg verliebt, die Schweizerischen Berge erklommen (hatte in Sport immer eine 3, aber was tue ich nicht alles für Sie), auf meiner Wallfahrt ausgelaugt und gedemütigt die letzten 100 m zu ihrer Villa auf Knien gehend, um am goldverzierten Eingangstor abwechselnd leise zu winseln und laut zu bellen. Sie dann um ihre Hand bitten und anschließend mit dem Schwanz wedeln.

9.      Laßt uns auf die Wiedergeburt des klassischen deutschen Naturalismus anstoßen!

10.  Ich ahne ja, dass ich nie ein seriöser Kritiker werde. Oder kriege ich eine 2. Chance?

Betreff: Viren-Alarm-Mails von GMX

Hochverehrtes GMX-Imperium, ich danke für die gutgemeinten Viruswarnmails.

Ich habe aber schon längst einen Hacker im Rechner, der ist schlimemr als der schlimmste Virus und IHR HABT MICH NICHT GEWARNT!

Immer wenn ich den Rechner hochfahre, winkt er mir freundlichst mit einer Bildstörung und voyeuriert grinsend meine Aktivitäten im Netz und in Anwendungsprogrammen.

Manchmal ärgert er mich.

Dann erscheinen beim Einloggen ins Web nicht die Begrüßungsseite meines Anbieters, sondern Hardcore-Fucking-Seiten, wo wunderschönen Frauen gerade in Detailaufnahme ins Gesicht gespritzt wird oder ein Corpus penis ( sprich corpus cavernosum et spongiosum penis), richtiger jedoch: die Tunica albuginea corporum cavernosum mit dem Sekret der Glandulae selivariae minores et majores der Frauen flächendeckend benetzt wird (unpoetische Menschen sagen dazu auch, einen geblasen zu bekommen). Das beim ersten Mal zu sehen war ja noch spannend, habe die Seite gespeichert und als Mailanhang an mein Begierdeobjekt geschickt. Die Beziehung dauerte ganze 2 Jahre. Vorher. Danach nicht mehr.

Manchmal ist der Hacker nett. (Wahrscheinlich nach gelungenem Onanieren)

Dann programmieren sich Graphiken zu diversen Heimseiten für schnorrende Freunde von selbst oder er hilft beim framen, wenn ich hoffnungslos in mich zusammengesunken den Bildschirm anheule, tippen sich von selbst die richtigen Befehle ein. Das kommt jedoch zu selten, meist klaut er mir Dateien oder versteckt sie in andere Ordner, läßt den Rechner absürzen, wenn ich die neue Druckerpatrone ausrichten will und diese ätzenden Bilsstörungen, begleitet vom Geräusch, als ob jemand mit einem spitzen Gegenstand am Fensterglas ritzen würde oder mit künstlichen Fingernägeln (*winke* Sonja!) an der Schultafel.

Langer Rede kurzer Sinn: 

so könnt ihr euch demnächst euren Anti-Virus-Müll sparen, jetzt hilft das „Wir betreuen unsere User rund um die Uhr“-Schleimen auch nicht mehr.


Betreff: POP Kultur

Hier müßte jemand anders an meiner Seite schreiben, er hat sich auf Pöbeleien gegen die POPkultur spezialisiert, ich kann ihm nicht das Wasser reichen.

Wenn Sie sich eine Fachmeinung zu diesem Thema einholen wollen, schreiben Sie hilfesuchend an Christian.

Wenn Sie eine Laienmeinung brauchen, lesen Sie bitte laut und deutlich folgendes:

1. P O P k u l t u r 

Die Klangfarbe der Buchstaben k, l, o, p, r, t, u ist in der Kombination des zu diskutierenden Wortes absurd.

2. Das wars. Fällt Ihnen noch etwas ein?


Betreff: Taschenatlas der Anatomie 2

(von Helga Fritsch und Wolfgang Kühnel, Thieme Verlag)

Habe schon im 1. Semester Anatomie I mit dem Buch gelernt, und siehe, das Präpeingangstestat erfolgreich in der Bonusklausur bestanden.

Mein Insidertipp:

Beschriftet die Abbildungen mit den zu lernenden Begriffen, schmiert also die Seiten voll, bis zur Unkenntlichkeit, mit einem am besten stumpfen Bleischift, macht Spaß, 

sind nur ca. 25 idiotische Wörter x 200 Doppelseiten x 3 Bänder. Also 15000 Begriffe, die ein Medizinstudent, der nachts mit gutem Gewissen schläft, auswendig kann, jederzeit einer detaillreichen Abbildung zuordnen kann, und nach kurzem Zögern einer listreichen Frage des Professors im mündlichen Physikum pointiert kontern kann. 


Betreff: Meine Telefonrechnung

Man gönnt sich ja sonst nichts.


Betreff: Lesberismus, das Unwort des Tages

Als Bärchen mir das Wort zuraunte, war ich erschlagen. 

Lesberismus,

wow.

Ich schreibe eine Erzählung über Dich, aber ich kriege die Dialoge nicht hin, klingt zu sehr nach Hollywood, das kommt davon, wenn man keine gescheite Konversation von Zuhause gelernt hat, immer zur Schreien.

Ich arbeite die nächsten zwei Tage, pure Entspannung.

Arbeit schafft Freude.

Arbeit macht frei. Nicht wahr, Christian? Vielleicht bin ich gar nicht so entfremdet, wie ich immer tue und schon auf dem Weg zu meinem persönlichen Kommunismus. 

Wie geht es Megan?

Wie war die CDU-Demo, das Non-plus-Ultra unter allen Überraschungseiern? 


Betreff: Angst

Rei: Warum lebst du?

Einblende: WEIß ICH NICHT

Asuka: Vielleicht, um es herauszufinden?

Rei: Für wen lebst du?

Asuka: natürlich für mich

Schinjii: wahrscheinlich für mich

Einblende: WIRKLICH?

Rei: Bist du froh, dass du lebst?

Shinjii: weiß ich nicht

Rei: Bist du froh, dass du lebst?

Asuka: klar, bin ich (und die Stimme fällt in sich zusammen)

Rei: Bist du froh, dass du lebst?

Misato: ich will nur Spaß haben

Telefon: Magst du nicht einsam sein?

Antwort: Nein, mag ich nicht.

Telefon: Magst du die Mühsal nicht?

Antwort: Ich mag sie nicht.

Telefon: Deshalb rennst du weg?

Antwort (schreit): Ja, gibt es etwas dagegen einzuwenden? (man sieht ein Bett, voll mit Blut, die Wand über dem Bett, voll mit Blut, alles gespritzt mit Blut) 

Originaldialog (ein viel zu kleiner Ausschnitt, ich weiß) aus Neon Genesis Evangelion. Verdient viele Tränen... meine... 

Betreff: Geigerinnen

Warum stellen sich kleine Mädchen selbstverliebt vor den größten Spiegel in der Wohnung, wenn sie Geige üben? Vladlena?

Damit sie einen geraden Bogenstrich haben, weil der Bogen sonst über die ganzen Saiten saut, wenn man ihn im kleinen Spiegel des eigenen Kleiderschrankes nicht sehen kann.Oder aus sonstigen Gründen...

Jetzt fällt mir eine Begebenheit aus dem erst kürzlich zurückliegendem Sommerschluß-verkauf ein. Samstag, 16 Uhr. Erlösung, weil die Geschäfte endlich zumachen. Die Jagdsaison ist abgeblasen.

Menschenmassen füllen von einer Minute auf die andere die Fußgängerpassage, zwischen Marienplatz und Karlstor. In der Ferne hören wir, willige Konsumenten, weitere Verlockung. Ein Streichquartett und ein Oboist spielen vor einem exclusiven Herrenausstatter wunderbarste Musik.

The Best of Classics, here and now.

Ich dränge mich mit meinen Einkaufstüten nach vorne, viele Menschen lassen sich um mich herum ein musikalisches Bedürfnis einreden, um es dann stillen zu können, indem sie den Musikern ein 5 Mark Stück bezahlen.

Ich lausche der Musik.

Sie spielen alle zu wunderbar, zu wunderbar für uns Sterbliche, die sich gute Klamotten nur im SSV leisten können, für uns, die wir uns zu wenig mit sagenhafter Musik beschäftigen, für uns, die einen Opern- oder Konzertbesuch lediglich zum Angeben von unserer Kulturhaftigkeit beim nächsten Treffen mit Freunden mißbrauchen.

Ich kann meine Augen nicht von der Geigerin abwenden. Ich warte die Sekunden ab, wo ihr Kopf sich in meine Richtung neigt, dann lächle ich sie an. Sie runzelt unmerklich die Stirn. Sie hat eine weiße Haut von unheimlicher Oblatentransparenz, ganz schwarze Haare, die sich elegant über die rechte Gesichtshälfte legen, schwarz angezogen, so schön, so schön finde ich sie. Ich lasse sie in meinem Blick nicht mehr los. Unerreichbare Menschen zu lieben ist an sich relativ schmerzlos, ich heule ja auch nicht vor Liebeskummer, wenn ich zu Jesus bete.

Betreff: Menschen, die in einer Fernbeziehung Freiräume brauchen.

Warum bezeichnest Du es dann als Beziehung?

Warum nicht gleich:

Wir poppen mit einer Regelmäßigkeit, nun sagen wir mal, von einmal in 6 Wochen, wenn Du mal einen freien Termin hast. Und sonst rufst Du mich nicht an, nur, wenn Dein Orgasmussoll von 6 mal pro Woche am Samstag morgen noch nicht erfüllt ist. Es interessiert Dich auch nicht, wie meine Prüfungen gelaufen sind, nicht wahr,

Du bist eine erwachsene Frau, Du weißt, was Du willst, Du mußt Deinen Weg selbständig gehen, und wenn man sich liebt, dann muß man doch über solchen Lapalien wie Desinteresse an Deinem tatsächlichen Leben stehen.

Du nennst es ein selbstverantwortliches Leben jeder für sich und doch miteinander.

Du brauchst Deine Freiräume,

aber im Bett, wo es beim Poppen mitunter auch eng werden kann, brauchst Du sie nicht mehr. Komisch.

Ich freue mich auf Deine Antwort.


Betreff: Muse

Ich kann es nicht glauben, Christian.

Und an Simones Stelle würde ich Dich sofort anrufen, ich stell mir gerade vor, jemand anders hätte sowas für mich getan.

P.S. Kennst Du Banana Yoshimoto? Lies doch bitte „N.P.“ von ihr, purer Inzest.

Betreff: ein www-Freund

Emotionalität ist keine Schwäche.

Marc, das hört sich wirklich gut an.

Wenn ich es nicht besser wüßte, würde ich zustimmen, klingt so menschenfreundlich.


Betreff: Lebensinhalte einfügen

Boah, habe jetzt Bock auf eine Grundsatzdiskussion:

von Gott, oder ähnlichem, oder von Diäten, oder ähnlichem, oder von den armen Menschen dieser Welt, die leider, leider nie zu Wort kommen werden, in dieser Diskussion, weil sie kein www haben, vielleicht besser so, gell, so können wir in Ruhe ihre Probleme erörtern, die Betroffenen reden nicht dazwischen, ist doch geil, und dann arbeiten wir eine Weltverbesserungsmail heraus, schicken sie an die Vereinten Nationen, und sagen dann unseren Freunden, boah, sind wir aber politisch korrekt. Und weil die Kacke schon am Dampfen ist, schreiben wir gleich eine moralische Mail an Andreas Türck mit. Na der wird sich freuen. Gibt es den Zusammenschnitt seiner Talkshows eigentlich schon zu bestellen?

„The Best of Andreas Türck oder Porträt eines Halbgotts”

Oder haben die wahren Fans die ganze erste Auflage schon vergriffen?

Ach ja, wir waren bei den hungernden Menschen dieser Erde.

Was soll ich sagen, ich bin viel zu satt, um etwas sagen zu dürfen.

IDEE: ich trete in einen Hungerstreik

für alle anderen mit

Wie war das, Fasten heilt von innen? Warum haben so viele hungernde Menschen AIDS? Und den Rest der möglichen Krankheiten?

Aber Kaffee und Zigaretten sind erlaubt, ok? Sonst wird das unglaubwürdig, ein zivilisierter Mensch kann doch auch im Dienste der Menschheit nicht auf Genußmittel verzichten. So.

O-- Ihr Menschen da draußen, hört ihr schon meinen Magen knurren?

Geht es euch besser?

Nicht?

Aber warum denn nicht, seht doch, ich bin der wahre Märthyrer.

Zumindest geht es mir besser.

Habe jetzt einen krassen neuen Lebensinhalt.

Fühlt sich gut an.


Betreff: eure beschissene Selbstsucht

Warum könnt Ihr keine menschliche Nähe aushalten? Was ist schief gelaufen?

Warum könnt ihr aber wie auf Abruf vögeln?

Dann aber Euch von allem eingeengt fühlen? Sogar von einer SMS?

Nicht fähig sein, eine Bindung zu anderen einzugehen. Nicht fähig sein, anzurufen, um seine Sorge um den anderen zu zeigen.

Bin ich hier denn die einzige im Land, die andere Menschen braucht? (meine Freunde ausgenommen)

Braucht Ihr denn niemanden?

Aber Selbstsucht ist der allerliebste Freund, gell? Füllt euch genügend aus, na, dann wünsche ich euch was.

Wollte schon immer mal fragen, warum tanzen die Leute in der Disko immer so unpersönlich nebeneinander? Auch wenn ich mit guten Bekannten weggehe, tanzen alle vor sich hin.

Veronica hat das auch mal gesagt, hat gesagt, immer wenn sie in Italien ist, mit ihren italienischen Freunden, dann gehen sie tanzen oder aufne Hütte Wein trinken, und zwar miteinander, wie eine Familie. Veronica hat mit mir das Studium angefangen, nach 2 Monaten abgebrochen, obwohl es ihr Traumstudium war, um nach Italien zu gehen. Jetzt ist sie in Trient. Zu Hause, sozusagen.

Tja, heute habe ich einen Grund mehr, auszuwandern.

Internet gibt es auch in Skandinavien.


Betreff: meine unironischen Freunde

ja hallo, wollt ihr mich nicht alle besuchen, in Skandinavien?

ich wohne dann auf einer elch-farm,

bin mit dem hübschesten Schweden verheiratet,

wir adoptieren hochbegabte Babys und lassen sie dann Marx lesen oder französische Strukturalisten,

ich fahr dann ab und zu raus, einen Elch reanimieren,

gründe mit Astrid Lindgren einen Verlag,

schreibe für die „Lappland News“,

besinge die kristallklare Schönheit der nordischen Natur,

schreibe dann auch noch Gedichte (oh nee),

jetzt geht es aber bergab, mit mir...

stelle fest, dass ich meinem Mann nicht genügend Beschäftigung biete und er sich deswegen anderweitig welche besorgt hat,

schnappe mir die Babys, mein LebensKAPITAL

und hau ab nach Rom.

Dort fahre ich Mofa, habe einen geilen Liebhaber,

mache eine Klinik für Schönheitsoperationen auf (man unterschätzt immer wieder, wie viel man von den Elchen lernen kann, auch in dieser Hinsicht)

spreche italienisch mit schwedischem Akzent,

und lade alle meine Freunde zu einem Maskenball ein. In meine Villa.

 

Betreff: t-online chat

Lebensraum für alle Psychos, Ritzer, Nymphomanen und sonstige Abfallprodukte unserer Gesellschaft, die ihren Trieb nicht zu sinnloser Kulturarbeit bündeln können

ich überlege mir gerade, ob ich einen Ausschnitt daraus mehr oder weniger authentisch hier niederschreiben soll

aber dann flötet ja die ganze Menschheitshoffnung dahin

und weil dieser chat so unglaublich hohl und anregend ist, gehe ich immer wieder gerne hin

vielleicht haben wir ja demnächst cs zusammen, ne?

man sieht sich


 Betreff: Freund Alkohol

es gibt dekadente geständnisse nun von mir auch auf band

neulich bei einem seelenverwandten in sessel sitzend

allein ¾ weinflasche getrunken

igitt

warmer weißwein

ähhhh

war ein tonbandgerät da, wie bei coolen managern, sie ihrer noch cooleren chefsekretärin briefe auf band diktieren

also total dekadent

igitt, der wein, aber besser als gar nichts

habe seit langen wieder so geweint

scheiße

persönliche geständnisse

aber die kasetten habe ich mitgenommen

der wein nur marginal von bedeutung

wenn man über inzest philosophiert

und darüber

dass ich bei einem japanischen rituellen spiel

das los

„Verhängnis“

gezogen habe.


Betreff: Fragen an das zweite Selbst

Bist die geborene Polemikerin?

Spötterin?

Manchmal glaubst du, das zu sein. Darin den Existenzgrund zu sehen. Der Zerrspiegel zu sein, andere schauen hinein,

erschaudern,

weil du das auslebst, in komprimierter Form,

was andere Menschen in Wirklichkeit sind.

So gesehen relativieren sich deine eigenen Abgründe im Dienste der Menschlichkeit.

Kein schlechter Gedanke.

Gar der Lebensentwurf eines Taugenichts.

Hey, wieder ein Lebensinhalt mehr. Für das zweite Selbst.

Und was macht dann das eigentliche Selbst?