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...lass dir von erzählen von einer Reise durch einige albernische Baronien!
Eine albernische Reise

als Begleiter von Baronin Padraigin von Fairnhain, Baron Ragnar Fingorn von Altenfaehr und Baronin Kijeli
von Traviarim

Aufbruch von Burg Faehrwacht

Der breitschultrige Mann saß lässig auf einer niedrigen Mauer im Aussenbereich der Burg im wärmenden
Praiosschein, als der Neuankömmling das Tor durchritt. Der Reiter gab sein Pferd in die Obhut eines
Stallburschen, der gerade am Scheuer herumlungerte. Er sah sich kurz um und steuerte dann zielstrebig auf
den Sitzenden zu. Dieser war in ein weites graues Hemd gehüllt, die dunklen Beinkleider endeten in
Reitstiefeln. Um die Hüfte schlang sich ein breiter Ledergürtel, in dessen silberverziertem Ledergehänge ein
Schwert zu sehen war. Das bärtige Gesicht war beschattet von einem Schlapphut, wie ihn seit einiger Zeit
einige Edle Almadas tragen. Der Hut war mit einem rot-blauen Federbusch geschmückt. Der Dunkle sah auf.
,Was habt ihr zu berichten?" fragte er.
"Ich komme gerade von der Reichsstrasse" berichtete der staubbedeckte, mit einem Wams in den Farben
blau und rot gehalten gekleidete Mann. ,Lasset kurz berichten: Niemand, den ich fragte konnte etwas von
der bevorstehenden Ankunft Ihrer Hochgeboren, der Baronin von Traviarim erzählen!"
,So ist's entschieden! So keine weitere Nachricht eintrifft, werden wir am morgigen Tage, noch bevor der
erste Strahl des Praios sich zeigt, aufbrechen!" Der Dunkle erhob sich geschmeidig."...und lasst Euch Speise
geben! Ihr müsst morgen frisch und ausgeruht sein! Wir werden also zunächst zur Baronin Pádraigín nach
Fairnhain reiten. Danach geht's weiter über Traviarim zum Heidefest nach Jannendoch, wenn es nicht schon
zu spät dafür ist..."
Die beiden gingen gemeinsam den kurzen Weg über die Zugbrücke zur Innenburg. Dort trennten sie sich, da
der Bote zunächst den angenehmen Gerüchen, die aus der Burgküche drangen entgegenstrebte, während
der andere den Hof überquerte.
Die kleine Burg zeigte sich geschäftig. Mägde und Knechte liefen geschäftig herum, Hunde bellten, ein
Weibel übte mit einigen offenbar nicht sehr begeisterten Wachen das wichtige ,Präsentieren!".Die Wachen
intensivierten die Anstrengungen, als sie bemerkten, wer ihnen zusah. ,Macht weiter!" meinte der mit einem
Schmunzeln. ,Es ist wahrhaft wichtig. Als letztens der Marschall von Albernia überraschend kam..." Doch
ohne den Satz zu beenden, wendete er sich ab und betrat das Hauptgebäude.
Früh am nächsten Morgen ging es los. Nur die beiden Wachen bemerkten den Aufbruch des kleinen
Reitertrupps. An der Spitze der Baron und Gwen Elavare auf ihren schwarzen Streitrössern, dahinter zwei
berittene Knechte in blauroten Wämsern - einer führte ein Packpferd, der andere stützte eine Lanze mit
eingerolltem Banner auf seinen Steigbügel. Der Baron war jetzt zusätzlich in ein schwarzem Lederwams,
das eng mit mattschwarzen Metallpättchen besetzt war, gekleidet. Um die Schultern trug er einen weiten,
blau-roten Umhang. Bewaffnet war er, wie am Tage zuvor, mit einem Schwert, daß unter dem Umhang zu
sehen war. Am Sattel hing zusätzlich ein Bihänder, sowie ein Bogen mit Pfeilen.
Seine Begleiterin, deren blondes Haar lang über den Rücken fiel, war dagegen in ein lichtblaues Wams
gekleidet, unter dem ein weißes Hemd leuchtete. Die Beine waren in dunkelblaue Hosen gehüllt. Die Füße
steckten in grauen, befransten Lederstiefeln. An ihren ebenmäßigen, elfischen Gesichtszügen hätte auch ein
scharfer Beobachter kein Makel gefunden. Und doch war dies die Elfe, mit der Ragnar fast alle seine
Abenteuer erlebt hatte, die in Todesgefahren kämpfend an seiner Seite gestanden hatte. Auch sie war mit
einem feinen Schwert bewaffnet, am Sattel hing ihr Langbogen, sowie ein Köcher mit Pfeilen, deren
Treffgenauigkeit in Abagund legendär war. Beruhigend klopfte sie ihrem Roß auf die Halsseite. Der Baron
stieg in den Sattel und gab mit der behandschuhten Faust das Signal: ,Auf gehts!"

Das Schloß von Fairnhain

Endlich waren sie am Ziel der Reise angelangt. Am Ende des Waldstückes, das hinter ihnen lag, erreichten
sie das Ufer des Sees, in dessen Mitte auf einer Insel das Schloß der Fairnhainer Barone lag. Ragnar gab
Befehl, das Altenfaehrer Banner zu entrollen. Lustig flatterte es im Wind.
Von der Insel rief ihnen eine Männerstimme entgegen. ,Was ist Euer Begehr?"
,Der Baron von Altenfaehr mit Gefolge begehrt Einlaß," erwiderte Gwen Elavare.
Es dauerte einen Augenblick, bis die Brücke heruntergelassen wurde. Die kleine Gruppe aus Altenfaehr
setzte sich wieder in Bewegung, ritt über die Brücke, durch das Tor an deren Ende, auf dem das Fairnhainer
Wappen prangte und das der Torwächter hinter ihnen wieder schloß. Hinter dem Tor und dem kleinen Turm
des Wächters mit seinem kleinen Haus, begann wieder der Wald, aus dem die gesamte Insel zu bestehen
schien. Doch es führte ein relativ breiter Weg hindurch, daß man bequem zu dritt nebeneinander reiten
konnte. Der Wald machte den Eindruck, sehr lebendig zu sein. Zwar sah man die Bewohner nicht, aber sie
machten sich durch eine Vielzahl von Geräuschen bemerkbar. Hin und wieder sah man auch kleine Vögel
und anderes Kleingetier.
Nach einer Weile kam die Gruppe an eine Kreuzung und zügelte die Pferde.
,Welchen Weg sollen wir nehmen, mein Freund? Norden, Westen oder Osten?" fragte die Elfe, nachdem sie
einen prüfenden Blick auf den Boden geworfen hatte. " Ich würde vorschlagen, nach Norden, das ist wohl
der meistgenutzte Weg." Ragnar sah in alle drei Richtungen. Doch was war das? Er wandte den Blick erneut
gen Westen. Tatsächlich, er täuschte sich nicht, ein Reiter näherte sich der Gruppe im Galopp. ,Ich glaube
du hast recht, Gwen. Aber fragen wir doch den Reiter, der dort kommt!" meinte er dann.
Es dauerte eine kleine Weile, bis der Reiter Ragnar Fingorn und sein Gefolge erreichte. Er entpuppte sich
als attraktive junge Frau, mit wehenden roten Haaren. Als sie die Altenfaehrer erreichte, hielt sie ihren
Shadif an.
,Habt Ihr Euch verlaufen, werte Fremde?" lächelte sie Ragnar freundlich an.
,Die Baronin von Fairnhain erwartet uns, nur leider ist uns der Weg zum Schloß nicht geläufig," wandte
Ragnar sich an die junge rothaarige Frau.
,Dann müßt Ihr der Baron von Altenfaehr sein. Gestattet, daß ich mich vorstelle. Dolores Ní Cathain," sprach
sie, während sie sich leicht verbeugte. ,Ihr folgt dem nördlichen Weg, bis Ihr an eine Gabelung gelangt.
Nehmt die rechte Abzweigung, dann immer geradeaus, so kommt Ihr direkt zum Schloß. Leider kann ich
Euch nicht geleiten, da ich in Eile bin."
,Wir werden uns schon zurechtfinden, werte Dame, habt vielen Dank!" antwortete Ragnar freundlich.
,Lebt wohl!" Damit setzte sie ihr Pferd wieder in Bewegung und war bald aus dem Blickfeld der Altenfaehrer
entschwunden.
Die Gruppe setzte sich wieder in Bewegung und erreichte tatsächlich nach einer Weile das Ende des
Waldes. Vor ihnen ragten nun die vier Türme von Caisleán Oilean an Siochán auf. "Das nenn ich Sicherheit"
bemerkte Ragnar. "wenn ein Belagerungsheer anrückt, würde es sich bestimmt im Wald verirren!" Dann
waren sie auch schon über den Kiesweg in den Innenhof des Schlosses gelangt, wo sie die Pferde zügelten
und absaßen.

Gerade in diesem Moment öffnete sich die Tür. heraus trat ein Mann mittleren Alters in der Livree eines
Hausdieners. Er hielt geradewegs auf Ragnar zu und verbeugte sich tief. ,Herzlich willkommen, Euer
Hochgeboren, die Baronin erwartet Euch bereits.
Ragnar folgte zusammen mit Gwen Elavare dem Hausdiener, während die Knechte von einem weiteren
Bediensteten in die Gesindestube geführt wurden.
Der Weg ging durch die große Halle des Haupthauses, über eine große Treppe hinauf in den ersten Stock,
entlang den Flur, bis er vor einem Turmzimmer stehen blieb und an die Türe klopfte. Einen Moment später
öffnete er die Türe, trat ein und kündigte die Gäste an.
Ragnar konnte Pádraigín's Stimme hören, die den Hausdiener anwies, die Gäste eintreten zu lassen. Mit
einer höflichen Verbeugung trat er zur Seite, so daß Ragnar und Gwen in das Zimmer gelangen konnten.
Die Baronin erhob sich von einem Sessel, als sie den Freund erblickte. Ragnar trat auf sie zu, faßte sie an
den Schultern, küßte sie in albernischer Sitte auf beide Wangen.
,Tá fáilte romhat, Ragnar," begrüßte sie ihn herzlich. ,Ich freue mich, dich wiederzusehen!"
,Das Vergnügen ist ganz meinerseits, liebe Pádraigín," antwortete er. Dann wandte er sich an die Elfe.
,Gestatte, daß ich dir meine Gefährtin Gwen Elavare vorstelle. Sie war so freundlich, mich zu begleiten"
Pádraigín reichte Gwen die Hand. ,Ceád mile fáilte, werte Gwen Elavare."
Die Elfe erwiderte den freundlichen Gruß.
,Sicher war die Reise sehr anstrengend und ihr möchtet Euch etwas frisch machen." Pádraigín zog an einem
Klingelzug und es dauerte nicht lange, bis der Diener erschien. ,Seamus, bitte zeige den Herrschaften die
Zimmer und laß ein Bad richten, falls sie es wünschen!" Der Diener verneigte sich. ,Sehr wohl, Euer
Hochgeboren." Ragnar und Gwen folgten Seamus, der sie links den Flur entlangführte und an dessen Ende
nach rechts abbog. Linker Hand lag das erste Zimmer, das er Ragnar zuwies, daneben das Zimmer für
Gwen. ,Wenn Euer Hochgeboren oder die werte Dame noch einen Wunsch haben, so laßt es mich wissen."
,Im Moment sind wir ohne Wunsch, nur ein Bad wäre nach dem staubigen Ritt genehm." Ragnar warf Gwen
einen fragenden Blick zu, doch auch sie hatte keine weiteren Wünsche. So verneigte sich Seamus und
verschwand, während Ragnar und Gwen ihre Zimmer in Augenschein nahmen.
Ragnar sah sich um. Das Zimmer gefiel ihm, es war groß, hell und freundlich. Sein Gepäck war bereits
hineingeschafft worden und stand nun neben einem großen Himmelbett. Doch ein Unterschied zu seinem
üblichen Nachtlager. Ein wenig ausruhen könnte nicht schaden und dann ein warmes Bad, um den Staub
der Reise fortzuwaschen.
Etwas später traf Ragnar wieder auf Pádraigín, die ihn durch die Burg führte und auch einige Zimmer zeigte.
Sehr beeindruckt war er von dem tulamidischen Zimmer, das ganz im Stile der Wüstenbewohner
eingerichtet war. Teppiche, Kissen, alles was so dazugehörte. ,Fehlen nur noch die Sharisads, die den Tanz
der sieben Schleier zum Besten geben," meinte Ragnar amüsiert. Die Baronin lächelte kurz. Ragnar konnte
sich des Eindrucks nicht erwehren, daß sich die Freundin seit dem letzten Zusammentreffen verändert hatte.
War sie damals heiter und ausgelassen, wirkte sie jetzt eher abwesend und in sich gekehrt. Doch war er
selbst nicht so ganz bei der Sache, da ihn andere Dinge beschäftigten, als daß er die Sache jetzt genauer
beleuchten konnte, wie es sonst seine Art gewesen wäre.
Als Pádraigín die Türe zum Kartenzimmer öffnete, fand sie dort ihren Bruder und dessen Berater. Der Baron
sah von den Landkarten auf. ,Ah, meine bezaubernde Schwester gibt uns die Ehre und sie hat lieben
Besuch mitgebracht." Er ging auf Ragnar zu und begrüßte ihn sehr herzlich in albernischer Manier.
,Herzlich willkommen, werter Bruder! Es ist mir eine persönliche Freude, Euch nun in persona
kennenzulernen! Seid Ihr mir doch bisher nur aus Erzählungen meiner Schwester bekannt!" ,Es ist auch mir
ein Vergnügen, endlich den Bruder meiner geschätzten Freundin kennenzulernen!" erwiderte Ragnar. ,Darf
ich Euch, werter Ragnar meinen Berater Liam Shanachie vorstellen!" Liam verbeugte sich. ,Rondra zum
Gruße, Euer Hochgeboren!" ,Rondra zum Gruße, werter Herr Shanachie, , antwortete Ragnar ebenfalls.
,Ich erwarte Euch später zum Nachtmahl. Laßt Euch also nicht weiter stören," wandte sich Pádraigín an den
Bruder und verließ mit Ragnar den Raum, um es sich ein wenig in ihrem Wohnraum bei Tee und
albernischem Kuchen gemütlich zu machen. "Wahrlich, liebe Freundin, eine prächtige Burg, die Du und
Dein Bruder euer Eigen nennt," begann Ragnar den Versuch, eine Konversation in Gang zu bringen. "Es ist
ja eher schon ein Schloß. Nur aus dem Weg dahin scheint ihr ein Geheimnis zu machen. Es war gar nicht so
leicht, Euch zu finden."
"Die Burg ist schon sehr alt. Als wir hier sozusagen eingezogen sind, haben wir einiges verändert, was
einige Zeit in Anspruch nahm," erklärte Páraigín.
"Man hat das Gefühl, in eine andere Welt einzutauchen, sobald man diese Insel betritt. Es wirkt alles so
friedlich."
"Nicht umsonst nennen wir dies die Insel des Friedens. Es ist gut, ein wenig Abgeschiedenheit für sich zu
bewahren."
Das Gespräch dauerte fort. Die beiden bemerkten kaum, wie schnell die Zeit verflog, doch keiner der beiden
war so recht bei der Sache.
Da klopfte es an der Tür und die Baronin gewährte Einlass. "Das Nachtmahl ist gerichtet, Euer
Hochgeboren," ließ sich der Diener Seamus vernehmen. "Danke, Seamus." So leise wie er gekommen war,
war er dann auch wieder verschwunden.
Pádraigín führte Ragnar in das Erdgeschoß der Burg in den Speisesaal..
Pádrag ui Bennain saß bereits am Kopfe der Tafel, ihm zur Linken eine junge Frau und ihr gegenüber
Gwen. Der Stuhl am anderen Kopfende der Tafel, so wie der neben Gwen waren leer. Neben der Ragnar
noch unbekannten Dame hatte eine auf den ersten Blick nicht zu definierende Gestalt Platz genommen.
Trotz der herrschenden sommerlichen Temperaturen in einen Fellumhang gehüllt, der das Muster der
südaventurischen Parderkatze aufwies, blickten die Ankömmlinge seltsam violette Augen aus einem fast
schwarzen Gesicht an. Ganz im Gegensatz dazu stand der schlohweiße Haarkamm auf den ansonsten
glattrasierten Schädel und die ebenfalls hellen Augenbrauen.
Pádraig ui Bennain erhob sich. Als die beiden näher kamen, ergriff er das Wort. "Geschätzter Bruder, darf
ich Euch meine liebreizende Gemahlin Halifax Bennain vorstellen!"
Ragnar trat auf sie zu, nahm ihre dargebotene Hand und deutete etwas unbeholfen einen Handkuß an. "Ich
freue mich sehr, Euere Bekanntschaft zu machen, verehrte Dame." "Die Freude ist ganz meinerseits,"
entgegnete Halifax.
"Ich für meinen Teil möchte Dir einen ganz besonderen Freund vorstellen." Padraigín deutete in Richtung
der in Fell gehüllten Gestalt. "Mkuki-kingi, der Schamane vom Stamme der Kajuba," fügte sie hinzu.
Kaum hatte dieser seinen Namen vernommen, erhob er sich ruckartig, stützte die Hände auf die Tischplatte
und streckte Ragnar mit weit aufgerissenen Augen seine Zunge in voller Länge heraus.
Ragnar zuckte ob dieses augenscheinlichen Beleidigung zunächst zusammen, was Pádraigín nicht
verborgen blieb.
"Mkuki begrüßt Dich auf das Herzlichste. Er bedeutet mit den Gesten seines Volkes, daß er vor Dir nichts zu
verbergen hat und daß er seine Kraft Dir zum Schutze zur Verfügung stellt."
Kaum hatte Pádraigín mit ihren Ausführungen geendet, packte der Moha die Hand Ragnars und schüttelte
sie kräftig wie einen Pumpschwengel. Mit der Linken schlug er dem Krieger mit einer Kraft, die man dem
kleinen Mann nicht zugetraut hätte, dreimal auf die Schulter.
"Freund von Pa-Tra-Gin auch Freund von Mkuki! Du haben starkes Tapam, ich fühlen!"
Ragnar benötigte einen Moment, bis er verstand. Der Moha hatte ihn in seiner persönlichen Art eine sehr
herzliche Begrüßung angedeihen lassen. Nun schüttelte er seinerseits kräftig die Hand des Moha, die dieser
noch fest umklammert hielt. "Es ist mir...äh...eine Freude Euch kennenzulernen, werter Mkuki." Ragnar
erntete als Dank ein breites Grinsen des Kajuba. Ragnar straffte sich und zog kurz sein Wams zurecht, bis er
sich wieder seiner guten Manieren besann und an den Tisch trat, um Pádraigín den Stuhl zurechtzurücken.
Während des Essens, zu dem albernische Spezialitäten gereicht wurden, Ragnar und Gwen des öfteren von
den begleitenden Essensgeräuschen des Kajuba bei der Konversation mit ihren Gastgebern gestört. Ob es
das geräuschvolle Schlürfen der Suppe direkt aus dem Teller, oder das von Schmatzen begleitete Kauen
des ohne Zuhilfenahme von Besteck verspeisten Bratenstücks war, Mkuki machte immer wieder von sich
hören.
Pádraigín bemerkte, daß Ragnar doch sichtlich von den Eßgewohnheiten des Waldmenschen amüsiert
schien, da er ihn immer wieder aus den Augenwinkeln heraus beobachtete. Leicht berührte ihre Hand
seinen Arm, so daß Ragnar auf sie aufmerksam wurde. Er wandte sich ihr zu, während sie den Kopf etwas
nach vorn beugte.
"Du mußt es ihm nachsehen, auf seiner Insel herrschen andere Sitten und Gebräuche als wir sie kennen,"
flüsterte sie ihm zu. Ragnar nickte. "Meine Reisen führten mich auf die Inseln des Südmeeres. Dort gibt es
ähnliche Gebräuche. Doch ich konnte mich nur schwer daran gewöhnen."
"Versuch ein wenig Verständnis aufzubringen, er ist nämlich ein sehr netter Kerl."
"Hm, was hast Du gesagt?" Ragnar war anscheinend schon wieder in die Betrachtung eines romantischen
Gemäldes versunken. Pádraigín wiederholte das eben Gesagte. Es war nicht das erste Mal, daß er an
diesem Abend nicht so recht bei der Sache war und dem Gespräch nicht ganz zu folgen vermochte.
"Was ist los mit Dir Ragnar, Du erweckst den Eindruck, als ob Du ständig mit Deinen Gedanken irgendwo
anders weilst. Bedrückt Dich irgendetwas?" Ragnar überlegte und blickte kurz zu Gwen, bevor er ihr
antwortete. "Es ist eigentlich nichts weiter. Oder ... sagen wir.... nur ein Problem.... Ich möchte hier jetzt
nicht gern darüber reden."
"Gut, laß uns doch später etwas in den Weinkeller gehen, wenn Du Dich aussprechen möchtest."
Er nickte langsam. Früher oder später würde er sich jemandem anvertrauen müssen. Doch eigentlich wollte
Ragnar nicht über seine Probleme sprechen - nicht bevor er sich selbst etwas mehr darüber klar würde.
Vielleicht sollte er das Angebot der Freundin in Anspruch nehmen. Lächelnd meinte er: "Du bist aber auch
nicht gerade die Aufmerksamste heute. Ich denke, wir beide haben uns genug zu erzählen." Dem Blick der
Baronin entnahm er, daß er nicht so ganz falsch mit seiner Vermutung lag.
Inzwischen hatte auch Mkuki den Nachtisch beendet, ließ sich in seinem Stuhl zurückfallen, schlug sich mit
beiden Händen auf den Bauch und schluckte. Danach richtete er sich wieder auf, senkte den Kopf leicht auf
die Brust, so als wolle er mit dieser Geste den Göttern für die Speise danken. Mit einem Mal drang tief aus
seinem Inneren ein Rülpser, der in Länge und Lautstärke einem Sandlöwen Konkurrenz gemacht hätte. Die
Blicke der Gäste richteten indigniert auf ihn, was er mit einem weiteren breiten Grinsen beantwortete. "Ah,
Pa-Tra-Gin, manscha bingo!"
Die Baronin lächelte verstehend. "Es freut mich Mkuki, daß Dir das Essen geschmeckt hat."
Dafür erntete sie einen schmunzelnden Blick der Elfe Gwen Elavare.
"Aber Pa-Tra-Gin, Essen nicht hat geschmeckt Deine Freunde?"
Pádraigín lächelte. "Es hat ihnen sicher gemundet, Mkuki."
"Warum sie lassen nicht Luft aus Bauch durch Mund? Luft dann kommen anders wie Du wissen!" Dabei
imitierte er ein eindeutiges Geräusch.
Gwen war im Begriff etwas zu sagen, doch Pádraigín ließ sie durch eine kleine Geste innehalten. "Bevor wir
uns hier in Diskussionen ergehen, Ihr werdet sicher wissen, daß sich in anderen Kulturen die Auffassung von
gutem Benehmen grundlegend von den unseren unterscheiden können. Wir sollten dies alles respektieren."
Aber Gwen entgegnete: "Ihr habt meinen Blick falsch verstanden, werte Padraigin, denn ich habe auf
meinen Reisen bereits viele Völker und Kulturen kennen- und respektierengelernt."
Mkuki wandte sich an den ihm gegenübersitzenden Baron von Altenfaehr. "Wenn Rag-Na haben heute
Nacht brummenden Bär in Bauch, dann Mkuki haben Pulver, was helfen," bot er ihm freundlich an.
Ragnar konnte sich nun ein Grinsen nicht verkneifen. "Ich danke sehr herzlich für das freundliche Angebot.
Sollte ich in diese Bedrängnis kommen, werde ich gern darauf zurückgreifen."
Der Kajuba war sichtlich erleichtert und zeigte seinem Gegenüber erneut die Zähne, was Ragnar mit einem
Nicken quittierte.
Nach dem Essen entschuldigten sich Pádraigín und Ragnar. Zum Behufe einer kleinen Besprechung wollten
sie sich in den Weinkeller zurückziehen.
Gwen Elavare blieb in der Obhut des Gastgebers zurück, die sich zusammen mit den anderen auf einen
kleinen gemütlichen Plausch in das Musikzimmer zurückzogen. Mkuki zeigte sich sehr interessiert an den
Reiseerzählungen der Elfe, die sich wunderte, daß der Kajuba ihren Ausführungen recht gut folgen konnte.
"Pa-Tra-Gin mich lehren Zunge von Mittelreich, Mkuki lehren Zunge von Kajuba," erklärte er ihr bereitwillig.
Im Laufe des Gespräches kam man auch auf das Thema Musik zu sprechen und Mkuki bot sich an, ein Lied
aus seiner Heimat zu singen. Er nahm eine kleine Trommel von der Wand und begann: "E rere e hika e rere
hikama e..." Eine Art wilder Kriegsschreie und melodischen Partien wechselten sich dabei ab. Nun ja - für
elfische Ohren (und auch für die meisten mittelreichischen) vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig. Gwen
hatte plötzlich eine Flöte in der Hand und revanchierte sich mit einigen Elfenweisen, deren getragene,
etwas melancholische Töne nun durch die Räume klangen.
Bald darauf zog man sich zur Nachtruhe zurück, da morgen die Reise nach Traviarim bevorstand.
Am nächsten Morgen trafen Pádraigín, Gwen Elavare und Ragnar, die sich auf dem Weg zum Frühstück
befanden, auf den Kajuba, der schon in aller Frühe einen Spaziergang gemacht zu haben schien. Die
Baronin und ihre Gäste hatten sich bereits reisefertig gemacht. Ragnar schien insgesamt etwas erleichtert,
diese gewisse Art von Schwermut, die er noch gestern zu tragen schien, hatte er verloren. Doch wenn sein
Blick auf Padraigin fiel, wirkte er sehr nachdenklich.
"Wohin Du ziehen, Pa-Tra-Gin?" fragte Mkuki unverblümt. "Ich gehen mit!" "Wir reisen nach Traviarim und
dann weiter nach Jannendoch, mein Lieber, das habe ich Dir doch schon erzählt. Aber, wenn Du
mitkommen willst, Baron Kjaskar hat sicher nichts dagegen, wenn Du mich begleitest. Schließlich brauche
ich doch jemanden, der sich um meine Sicherheit bemüht!" dabei lächelte sie hintergründig. "Bingo! Ich
gehen und holen meine Taschen. Dann können gehen." "Äh, Mkuki, wir gehen aber nicht, wir werden
reiten." Man konnte meinen, daß die dunkle Haut des Waldmenschen ein wenig grau zu werden schien.
Bei einem Hellhäutigen hätte man davon gesprochen, daß er kreidebleich geworden war. Offensichtlich
sagte ihm der Gedanke, sich auf ein Pferd zu begeben, nicht zu. "Mistikak!" murmelte er und drückte damit
sowohl Mißfallen als auch Bedauern aus. "Wenn Du wirklich mitkommen willst, dann muß ich Bescheid
geben, daß man die Kutsche reisefertig macht. Dann brauchst Du Dich nicht zu sorgen..." So verzögerte sich
die Abreise eine kleine Weile, da Mkuki es vorzog, lieber in der Kutsche zu sitzen. Damit hatte er
wenigstens noch keine zweifelhaften Erfahrungen gemacht.
Der Baron von Altenfaehr schien ob dieser Verzögerung etwas verstimmt, sagte jedoch nichts. Er begann
jedoch in den Sitz des Sattels ausgiebig zu prüfen und streichelte den schwarzen Hengst, der voll gesattelt
bereit stand. Gwen kam an seine Seite und sie unterhielten sich leise.
Als der Kutscher Ronald FarGo endlich angeschirrt hatte und vorgefahren war, nahm Pádraigín in der
Kutsche Platz. Mkuki ließ sich seinerseits neben ihr auf den Sitz plumpsen. ,Jetzt können fahren nach
Traviarim!" ließ sich der Waldmensch zufrieden vernehmen. ,Noch nicht ganz," erwiderte die Baronin. Doch
bevor sie weitersprechen konnte, öffnete sich die Kutschtüre und ein großer Mann nahm gegenüber der
Baronin Platz. Er nahm ihre Hand und hauchte ganz Kavalier einen Kuß darüber. ,Ich bin Euch sehr zu Dank
verpflichtet, Euer Hochgeboren, daß Ihr mir die Möglichkeit gebt, mit Euch zureisen." Pádraigín lächelte. ,Es
ist mir eine Freude, Euch bei uns zu wissen, Oscarito." Mkuki sah den Mann fragend an. ,Mkuki, das ist
Oscarito Wilder, der Fairnhainer Dichter." ,Ah, Mann, der schreiben viel!" Die Baronin nickte, während einer
der Knechte die Türe des Gefährtes schloß.
Die Kutsche mit dem Wappen der Fairnhainer Barone setzte sich in Bewegung. Ragnar, Gwen und ihre
beiden Knechte, sowie Pádraig ui Bennain, seine Gemahlin Halifax und zwei Fairnhainer Knechte folgten
zu Pferde gen Traviarim, wo sie bestimmt bereits von Kijeli erwartet wurden. Doch als sie die Grenzen der
Baronie erreicht hatten, liessen Ragnar und Gwen ihren Pferden freien Lauf und der Baron von Fairnhain
sowie seine Gemahlin folgten. Gemeinsam überholten sie die Kutsche und ritten voraus. Die anderen Reiter
folgten hinter der Kutsche.

In Traviarim

Einige Tage später näherte sich eine staubige Reisegruppe dem kleinen Dörfchen Traviarim mit seinem auf
einem Hügel erbauten Schlößchen. Ragnar und Gwen waren immer noch an der Spitze der Gruppe, doch
auch bei ihren Pferden hatte die schnelle Reise ihren Tribut gefordert, sie waren mit dicken Flocken weißen
Schaums bedeckt, und ließen leicht die Köpfe hängen. Dass sie bereits vom Dorf aus gesehen worden
waren, wurde daran deutlich, dass einige der Bewohner wie aufgescheuchte Hühner herumliefen, während
andere sich mit großen, staunend aufgerissenen Augen am Strassenrand sammelten.
"Frau Baronin, Frau Baronin"hörte man eine aufgeregte weibliche Stimme rufen, was Ragnar ein leichtes
Lächeln entlockte - erinnerte er sich doch noch zu gut daran, welche Aufregung sein Eintreffen das letzte
Mal hervorgerufen hatte. In der Kutsche begann der hochgewachsene Dichter zu lächeln, während er
begann, den Reisestaub von seiner Jacke abzuklopfen."Gebt Euch keine Mühe, Oscarito", murmelte
Padraigin mit einem feinen Lächeln, "ohne eine Kleiderbürste werdet Ihr uns nur alle zum Husten bringen."
Eine feine Röte stieg in das Gesicht des Angesprochenen der in seiner Tätigkeit innehielt. "Wie recht Ihr
habt, Hochgeboren, ich weiß nicht wo meine Gedanken waren."
"Oh, ich denke, Ihr wißt genauso gut wie ich, wo Eure Gedanken zur Zeit weilen."
Oscarito lachte und warf der Baronin einen schelmischen Blick zu: "Wie gut Ihr mich kennt.." Mkuki guckte
leicht verwundert von einer Person zur anderen. Doch bevor er noch eine Frage äußern konnte, kam die
Kutsche mit einem leichten Ruck zum stehen und ein lachender Padraig blickte durchs Fenster.
"Endlich", seufzte Padraigin und stieg leicht steif aus dem Gefährt. Draussen streckte sie sich erst einmal,
bevor sie ihren Blick neugierig schweifen ließ. Vor ihr lag im Sonnenschein ein kleines Städtchen mit
schmucken, blumenreich dekorierten Häusern, zwischen denen sich die Bewohner geschäftig tummelten.
Von ihrer durch den Hügel etwas erhöhten Position aus sah sie sowohl den Dorfbach mit dem geschäftig
laufenden Rad der Wassermühle als auch die weitgestreckten Reihen von Obstbäumen, die sich daran
entlang zogen. Aus dem Portal des Schlößchens zu ihrer Linken, an der ihr besonders ein Ecktürmchen mit
bunten Glasscheiben auffiel, eilten mehrere Bedienstete, zwei davon mit großen Schüsseln und mehreren
Tüchern beladen, die nun den Gästen nacheinander angeboten wurden. Dankend nahmen alle die
Gelegenheit wahr, das von der Reise verstaubte Gesicht mit dem klaren Wasser, aus dem leichter Blütenduft
aufstieg, zu benetzen und danach mit den bereitgehaltenen Tüchern zu trocknen. Jedem der so erfrischten
Gäste wurde dann von weiteren jungen, knicksenden Mädchen ein Tablett gereicht, auf dem mehrere
gefüllte Becher warteten. Mitten in den Ankunftswirbel hinein trat nun ihre Gastgeberin, ein herzliches
Lächeln auf dem sonst eher ernsten Gesicht. Nacheinander trat sie zu ihren noblen Gästen, sie mit
freundlichen Worten in ihrer Baronie willkommenheißend und ihnen die Hände
reichend, die je nach der Person entweder mit kräftigem Druck geschüttelt oder mit höfischem Kuss beehrt
wurde.
"Ich sein Mkuki-kingi, Schamane von Kajuba, ich grüßen dich Ki-eh-li", mit diesen Worten trat der Moha
plötzlich nach vorne, die Baronin mit seiner volltönenden Stimme überraschend. Aber Kijeli fing sich rasch,
neigte den Kopf und sagte mit ihrer gemessenen Stimme: "Seid auch Ihr mir willkommen, werter
Schamane." Mkuki grinste breit und warf sich in die Brust, der Baronin seine Zunge in voller Länge
entgegenstreckend, was dem Baron von Altenfaehr ein breites Schmunzeln entlockte, als er das entgeisterte
Gesicht seiner Gastgeberin sah. Doch da fiel Kijelis Blick auf den sich etwas abseits haltenden Oscarito, der
ihre gertenschlanke, beinahe magere Gestalt während der vergangenen Augenblicke mit einem leicht
hungrigen Gesichtsausdruck gemustert hatte. Die seltsame Begrüßung des Schamanen war vergessen, mit
beinahe unmerklichen Zögern trat Kijeli auf den Dichter zu. Doch ihre Stimme war ruhig und ohne Zittern,
als sie ihn ansprach.
"Bei Hesinde, das ist eine wahrhaft gelungene Überraschung, seid auch Ihr mir herzlich willkommen, Herr
Dichter." Der großgewachsene Mann verneigte sich, aber bevor er noch etwas erwidern konnte, hatte Kijeli
sich schon wieder den anderen Gästen zugewandt und sie mit freundlichen Worten in ihr Heim gebeten, so
dass ihm nichts anderes übrig blieb, als zu folgen, seine Enttäuschung hinter einer Maske aus
Liebenswürdigkeit verbergend. In der hellen Eingangshalle, die bis auf zwei erlesene Wandbehänge
nahezu schlicht wirkte, schlug die Baronin ihren Gästen vor, sich erst ein wenig von der Reise zu erfrischen,
bevor man sich zu einem Begrüßungstrunk im Garten versammeln könne. Der Vorschlag wurde begeistert
angenommen, und schon schickten sich mehrere Bedienstete an, die erlauchten Gäste zu ihren Räumen zu
führen, während kräftige Knechte das Gepäck hinterher trugen. Eine ganze Weile später versammelten sich
die Gäste nach und nach in dem kleinen, aber wohlgepflegten Garten, wo auf dem Rasen mehrere
Baldachine in den Farben der Baronie, grün und silber aufgestellt waren, um Schutz vor der warmen
Nachmittagssonne zu bieten. Kijeli war gerade dabei,einigen Mägden letzte Anweisungen zu geben, und so
nahm sich Oscarito, der gerade auf die Terrasse hinausgetreten war, einen Augenblick, um die von ihm so
verehrte Frau zu betrachten. Die hochgewachsene Gestalt war in ein schlichtes grünes Seidenkleid gehüllt,
das nur einfache, aber geschmackvolle gelbe Verzierungen am Saum und Ausschnitt trug. Das aschblonde
gelockte Haar war immer noch militärisch kurz gehalten, das asketische Gesicht im Angesicht Praios' fast
wie eine Aureole umrahmend. Oscarito eilte die wenigen Stufen herab auf Kijeli zu, als jene sich
umwandte, ergriff er ihre Hand und hauchte einen höfischen Kuss darüber. "Mein Herz mag schier
zerspringen vor Freude darüber, Euch, verehrte Kijeli wiederzusehen."
Für einen kurzen Moment schien die hochgewachsene Frau um Fassung zu ringen, doch der Augenblick
verflog so schnell, dass Oscarito sich fragte, ob er diese Reaktion überhaupt wahrgenommen hatte. Und
schon unterbrach Kijelis kühle Stimme seine Überlegungen, ihm sanft aber entschieden die Hand
entziehend, die er aus ihm unerfindlichen Gründen immer noch in der seinen gefangen hielt.
"Eine poetisches Bild, das Ihr da malt, Oscarito, aber meint Ihr nicht, dass es schade wäre, wenn Ihr an
einem so schönen Tag zum Herrn Boron ziehen würdet?"

Ungläubig blickte der Dichter in das ruhige Gesicht seines Gegenübers, Spott von seiner Angebeteten war er
nun gar nicht gewohnt. Für ein paar Herzschläge war er versucht, einfach das Weite zu suchen, aber dann
erkannte er ein fröhliches Funkeln in Kijelis Augen und begriff, dass seine Gastgeberin einen Scherz
versucht hatte. Alle Anspannung wich mit einem Schlag und er brach in befreites Gelächter aus, bevor er
ironisch belehrend den Finger hob: "Ah, meine Liebe, aber es ist das Vorrecht des Poeten, ein Bild zu
schaffen, das nicht wörtlich sondern nur metaphorisch zu verstehen ist." Kijeli stimmte in sein Lachen ein,
froh, das ihr kleiner Scherz als solcher verstanden worden war, es wäre ihr mehr als unangenehm gewesen,
den vor ihr stehenden Mann, den sie als Freund betrachtete, in irgendeiner Form zu kränken. Doch ihre
Erwiderung blieb ungesprochen, da nun die anderen Gäste einer nach dem anderen im Garten erschienen,
und sie sich ihnen sofort zuwandte, um sie nach dem Verlauf ihrer Reise und anderen Dingen zu befragen.
So plätscherte der Nachmittag dahin; und die ganze Zeit über war sich Kijeli des brennenden Blickes
bewußt, mit der Oscarito jeder ihrer
Bewegungen folgte, dabei sich so geschickt und aufdringlich verhaltend, dass es nur einem aufmerksamen
Beobachter auffallen konnte, dass er sie nie vollständig aus den Augen ließ. Als sich Kijeli gerade dazu
entschloß, ihn darum zu bitten, seine Aufmerksamkeit jemandem oder etwas anderem zuzuwenden, nutzte
er eine Lücke in einem Gespräch, um erneut auf sie zuzutreten. Erneut sich vor ihr verneigend, hielt er
ihr ein in ein seidenes Tuch gehülltes, mit einer samtenen Schleife verziertes Päckchen entgegen, in dessen
Form sie unschwer ein Buch erkennen konnte.
"Vergebt mir, aber ich habe mir erlaubt, Euch eine Kleinigkeit mitzubringen, ich hoffe es gefällt Euch." Für
einen Herzschlag überlegte Kijeli, ob sie das Geschenk zurückweisen sollte, dann aber siegte die Neugier
und sie sagte leichtfertig:"Ihr von allen Menschen solltet ein Buch nun wahrhaftig nicht als eine Kleinigkeit
bezeichnen, enthält es doch so häufig Weisheiten, die uns in unserem Leben weiterhelfen können, oder uns
Aufschluss über unsere Vergangenheit geben können."
Sie öffnete die Schleife und reichte sie zusammen mit dem Seidentuch einem knicksenden Dienstmädchen,
das gerade an sie herangetreten war, offenbar um ihr eine Nachricht zu überbringen, und enthüllte so ein in
Leder gebundenes Buch mit goldenen Lettern bedruckt. "Oase und Dattelpalme", las sie laut und mit einer
hochgezogenen Augenbraue vor."Ah, ein Reisebericht aus dem glühenden Inneren der Khom, oder irre ich
mich?" Das Dienstmädchen, das etwas verdutzt, aber ohne zu zögern die Verpackung entgegengenommen
hatte, räusperte sich verlegen, und sofort wandte ihr Kijeli ihre volle Aufmerksamkeit zu, ganz in der Rolle
der Baronin von Traviarim. "Was gibt es, Lisa?" Das junge Mädchen knickste, und wisperte etwas
so leise, dass sich die hochgewachsene Frau zu ihr herunterbeugen mußte, um sie zu verstehen. Nach
einigen Augenblicken richtete sich Kijeli wieder auf, drückte Lisa das Buch in die Hand, "leg' es auf meinen
Schreibtisch.", und wandte sich schließlich mit einem bedauernden Lächeln Oscarito zu.
"Habt Dank für das Geschenk, und entschuldigt mich für eine Weile, auch bei den anderen Anwesenden, mir
scheint, es handelt sich um eine Angelegenheit, die meine sofortige Aufmerksamkeit erfordert. Nein nichts
ernstes," kam sie einer entsprechenden Frage zuvor, "mehr eine Kuriosität."
Sie nickte ihm kurz zu und folgte der davoneilenden Lisa auf dem Fuße, dem vom Lauf der Ereignisse etwas
überrumpelten Dichter keine Zeit zu einer Erwiderung lassend. Und es sollte der ganze restliche Nachmittag
verstreichen, bevor er oder irgendein anderer der Gäste ihre Gastgeberin wieder zu Gesicht bekommen
würde. Doch dank der aufmerksamen Dienerschaft, die unauffällig dafür sorgte, dass kein Glas ungefüllt,
kein Wunsch unerfüllt blieb, wurde außer Oscarito keinem bewußt, dass ihre Gastgeberin ihnen mehrere
Stunden ihre Aufmerksamkeit entzog.
Langsam brach die Nacht herein, begleitet von dem Singen hunderter Zikaden, als Oscarito, der sich in
einer Unterhaltung mit Pulcus, dem Barden Kijelis, befand, die hochgewachsenene Gestalt der Baronin auf
der Terrasse erscheinen sah. Neben ihr stand eine weitere Person, die sie noch um einen Fingerbreit
überragte. Die extrem schlaksige Gestalt, die spitzen Ohren, die schräggestellten Augen und die
katzengleichen Bewegungen verrieten jedem Beobachter, dass es sich bei dem Neuankömmling um einen
Vertreter des elfischen Volkes handeln mußte. Hellblondes, nahezu weißes Haar fiel in mehreren Zöpfen auf
die Schultern der in hell gegerbtes Wildleder gekleideten Gestalt, und umrahmten ein mageres, junges
Gesicht, in dem nur die ruhigen grünen Augen auf ein eher fortgeschrittenes Alter
hindeuteten. Die oberschenkelhohen Stiefel aus gleichem Leder waren staubbedeckt, was bei mehreren der
Anwesenden zu neugierigen Blicken führte. Doch schon stellte Kijeli ihren jüngsten Gast als Tarandil vor,
einen Boten und Freund des Barons Baskan Schladromir von Otterntal, ihres Nachbarn. Tarandil, so erklärte
Kijeli ihren Gästen, sei gerade von Otterntal mit der Botschaft von Baskan gekommen, dass jener ebenfalls
nach Jannendoch reisen würde und den Vorschlag gemacht habe, sich ihrer Reisegruppe anzuschliessen.
"Bei den Zwölfen,"rief da Padraig, "laßt uns hoffen, dass die Jannendocher uns als harmlose Reisetruppe
ansehen und nicht als feindlichen Trupp, der ihre Baronie erobern will." Dieser Kommentar rief großes
Gelächter hervor , besonders als Mkuki, der sich die ganze Zeit eher im Hintergrund gehalten hatte,
hervortrat und verkündete, er werde die Geister befragen, ob der Zeitpunkt günstig für ein solch
kriegerisches Unterfangen sei. Während Padraigin mit leiser Stimme ihrem südländischen
Freund erklärte, dass er einem Scherz ihres Bruders aufgesessen sei, was dieser mit Grimassen quittierte,
schnitt Kijeli weiteren bizarren Vorschlägen die Luft ab, indem sie verkündete, dass sie bereits zwei Boten
losgeschickt habe, die sowohl Baskan mitteilen würden, dass er herzlich willkommen sei, als auch den
Jannendochern von der bevorstehenden Ankunft der großen Reisetruppe verkünden würden.
Gleichzeitig bat sie ihre Gäste ins Haus, wo ein reichhaltiges Mahl auf sie warten würde. Am nächsten
Morgen, der wieder sonnig und warm zu werden versprach, brach die Reisegesellschaft dann nach Norden
in Richtung Otterntal auf, um Kijeli, ihren Barden Pulcus, Tarandil und zwei Wachen vergrößert. Der Elf, der
ohne Reittier gekommen war, wurde von Baronin Padraigin eingeladen, in ihrer Kutsche mitzufahren, und
nahm dankend an. Und schon bald war er in ein intensives Gespräch mit
Mkuki über die Pflanzenwelt des Südkontinents verwickelt, über die er erstaunlich viel zu wissen schien.
Kijeli auf ihrer rotbraunen Elenviner Stute gesellte sich zu Ragnar und Gwen, um mit ihnen zu plaudern. Für
die Reise war sie in einen dunkelgrünen Anzug aus festem Tuch gekleidet, darüber trug sie ein stabiles
ledernes Wams, die Beine steckten in schenkelhohen Stiefeln aus braunem Wildleder. Die blonden Locken
zierte ein dunkelgrüner Hut mit langer Straußenfeder, den sie einem kurzfristigen Anfall von Schwäche zu
verdanken hatte, wie sie leicht verlegen den beiden Altenfaehrern gestand. An ihrer Seite prangte ihr
altbewährtes Schwert Astrachan in einer schmucklosen Scheide, die Waffe sei seit vier Generationen im
Besitz ihrer Familie, erzählte sie ihren Gesprächspartnern, und sei dereinst vom Hofschmied des damaligen
Mendener Grafen geschmiedet und ihre Familie für treue Dienste überreicht worden.
Zwei weitere Tage später, nach einem kurzen Aufenthalt in Burg Otterntal, gesellten sich dann Baskan
Schladromir und zwei seiner Gardisten dem Reisetrupp zu, von allen herzlich begrüßt. Es stellte sich heraus,
dass er und Baron Padraig alte Freunde waren, die sich vor mehreren Götterläufen auf einer Tjost kennen-
und schätzengelernt hatten. Offenbar waren die Götter der ausgedehnten Reisegruppe mehr als gnädig
gesonnen, da sie sie mit wunderschönem Reisewetter und einer Reise ohne unangenehme Begebenheiten
bedacht hatten, so dass die ganze Gruppe leicht erschöpft, aber guten Mutes eine Woche später in
Jannendoch ankam, wo schon alles für das Heidefest geschmückt war, und man die Gäste mit Spannung
erwartete.

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