Manish, ein junger Mann aus Udaipur

Manish

Mein Name ist Manish, ich bin 22 Jahre alt und komme aus einem kleinen Dorf ausserhalb Udaipurs. Ich bin Maler in einer Malschule in Udaipur und male Minaturbilder. In unserer Malschule sind wir 12 Schueler. Wir haben das Malen von unserem Lehrer gelernt, dem die Malschule gehoert. Am Morgen malen wir ca. fuenf Stunden und am Nachmittag versuchen wir die Bilder zu verkaufen. Die Arbeit gefaellt mir sehr gut, da sie koerperlich nicht anstrengend ist und ich gut verdiene. Ich verdiene je nach Anzahl der verkauften Bilder zwischen 3000-5000 Rupies im Monat (90-150 Franken).
Meine Eltern haben es nicht so einfach wie ich. Sie sind Bauern und haben eine sehr schwere koerperliche Arbeit, die ihnen nur wenig einbringt. Darum muss ich meinen Lohn meinem Vater abgeben. Dafuer kauft er mir Kleider und gibt mir ein Taschengeld.

Ich gehoere der zweithoechsten Kaste, der Kshatriya Kaste an. In unserer Kaste werden die Leute mit 20-22 Jahren verheiratet. In Indien koennen wir den Ehepartner nicht frei waehlen -die Hochzeiten werden von den Eltern arrangiert.
Ich werde in einem halben Jahr heiraten und freue mich sehr, denn ich habe meine zukuenftige Frau vor zwei Monaten an der Verlobungsfeier kennengelernt...sie sieht sehr huebsch aus und scheint auch nett zu sein!
Die Hochzeit wird drei Tage dauern und es wird ein grosses Fest geben am dem alle Verwandten und viele Bekannte teilnehmen werden. Ich freue mich, dass ich schon bald eine eigene Familie gruenden werde und hoffe, dass meine Frau gut zu mir passt.

Manish ki Sing, Udaipur

Ich habe Manish in Udaipur kennengelernt, wo wir uns angefreundet haben. Er hat mir ueber sein Leben und ueber einige Eigenheiten des indischen Zusammenlebens erzaehlt.    
   
   
Das Kastensystem

Aus verschieden Quellen habe ich einiges ueber das Kastensystem gelesen und gelernt. Hier eine kleine Zusammenfassung des komplexen Themas:

Das Kastensystem entstand bereits 1500-1200 v.Chr. und wurde eigefuehrt um die Bevoelkerung zu organisieren und zu strukturien. Die Kasten, auch Varna genannt, setzen sich wie folgt zusammen:

1. Brahmin: Priester, Lehrer
2. Khastriya: Herrscher, Krieger
3. Vaishya: Haendler, Handwerker
4. Shudra: Arbeiter (arbeiten fuer die oberen drei Kasten)

Neben diesen vier Kasten gibt es zusaetlich eine fuenfte Kaste, die sogenannte Dalit Kaste. Diese Leute bilden die unterste Gesellschaftsschicht, sind meist sehr arm, haben wenig Rechte und arbeiten als Strassenfeger, Toilettenputzer oder aehnliches. Aufgrund ihrer schmutzigen Arbeit werden sie als unrein angesehen und duerfen niemanden anfassen (sprich: beschmutzen) und werden von den anderen Kasten auch nicht angefasst. Sie werden darum auch die "Unberuehrbaren" genannt.

Jede Kaste ist unterteilt in Untergruppen, die Jatis, deren Einteilung abhaengig ist von der Region und der Arbeit der betreffenden Familie. Die Zugehoerigkeit zu einer Kaste wird durch die Geburt bestimmt und kann nicht geaendert werden.

Obwohl die Regierung das Kastensystem schon lange abgeschafft hat, ist es noch immer aktiv und allgegenwaertig bei der taeglichen Arbeit und in der Familie. Geheiratet wird beispielsweise nur innerhalb der Kaste und die Partnerwahl wird fast immer durch die Eltern bestimmt. Geburtstag und Ausbildung der beiden zu Vermaehlenden sind ebenso Bestandteile des Auswahlverfahrens des richtigen Partners.
Arbeiten werden der Kaste entsprechend vergeben. Wer also einer hohen Kaste angehoert, hat Glueck und findet einen guten Job!
Um diese Diskriminierung zu bekaempfen hat die Regierung ein Gesetz eingefuehrt, das besagt, dass in den staatlichen Stellen alle Kastentypen zugelassen werden und schreibt sogar vor, dass auch Unberuehrbare Jobs bekommen sollen. So kann es also vorkommen, dass ein Universitaetsabgaenger einer hohen Kaste keine staatliche Stelle kriegt und der Job an einen Bewerber einer niederen Kaste vergeben wird. Es ist verstaendlich, dass vor allem die Leute hoher Kasten Probleme haben mit diesen neuen Regelungen.
Die Regierung setzt sich also aktiv dafuer ein, dass das Kastensystem verschwindet. Dies wird jedoch noch sehr lange dauern, denn trotz Abschaffung ist die riesige eine Milliarde zaehlende indische Gesellschaft durch das komplexe System organisiert und scheint sich nur schwer davon abzubringen lassen.
In den Staedten geschieht die Liberalisierung schneller, aber in den laendlichen Gebieten wird die Abschaffung des veralteten Systems noch ewig dauern. Ein Grund, dass es nur langsam verschwindet ist sicherlich auch, dass das Kastensystem in der Schule nicht erklaert und problematisiert wird. Auf diese Weise koennte die Bevoelkerung im breiten Rahmen auf die Problematik dieser Gesellschaftsform sensibilisiert werden. Das Problem ist nur, dass die Regierung damit offiziell zugeben wuerde, dass das Kastensystem noch immer existiert, das sie ja schon vor Jahre abgeschafft hat und somit aus dem Weg geraeumt glaubte.

Andi
21.02.04, Udaipur, Indien