Kaskelot

eine Zeitreise ins 19. Jahrhundert

 

Das Schiff ist etwas ganz Besonderes. Ganz anders als alle Schiffe, auf denen ich bisher war. Etwas, worauf man sich einlassen muss, damit es einem gefällt. Und etwas, was bestimmt nicht für jeden geeignet ist. Vor allem ist es eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte, auch wenn ich sie vielleicht nicht wiederholen würde, weil mich mein Weg jetzt in eine ganz andere Richtung, nämlich die moderne Frachtschifffahrt, führt. Aber ich will versuchen, die Eindrücke auf der KASKELOT zurück zu holen und hier zu beschreiben.

An einem sonnigen Mai-Sonntag sehe ich das Schiff zum ersten Mal. Ich weiß nur so viel über das Schiff, dass es eine Bark mit Holzrumpf ist und dass die Reise zunächst auch erst mal in die Werft und dann nach Portsmouth gehen sollte. Nichts aufregendes also, aber der Job wird bezahlt und ist insofern besser manch anderer, wo ich Hand für Koje gearbeitet hatte. So komme ich an diesem Sonntag die Strasse von St. Austell nach Charlestown hinunter. Unten angekommen bietet sich eine Kulisse, die jedem Piratenfilm gerecht werden könnte. In einem historischen Hafenbecken liegt ein schwarzer Rahsegler: KASKELOT. Mein Fahrer hilft mir noch, den zentnerschweren Seesack an Bord zu tragen. Ich blicke mich um. Ein Gedicht von Ringelnatz sagt: "Seefahrt, wie sie früher war, war wunderbar. Sie roch nach Gewürzen und Teer!" Und genau das tut es hier. Das Schiff riecht so, wie man sich Seefahrt immer vorstellt. 

Schließlich bin auch ich erspäht. Sarah, die sich lieber Cera nennt, und hier Bootsmann ist, begrüßt mich. Sie zeigt mir, wo ich meine Sachen hintun kann und wo ich schlafen werde. Wir gehen über eine steile Stiege in den Laderaum hinab. Von dort aus führt eine Tür in die Fock's'le. Dort - ganz traditionell vor dem Mast - ist die Crew untergebracht. Zu zehnt in einem großen Raum mit Tisch und Bank in der Mitte. Genau so, wie auch die Mannschaften vor lange vergangenen Zeiten untergebracht wurden. Wobei ich noch Glück habe. Ich darf mit einer anderen weiblichen Deckhand zusammen in die vom Hauptraum durch eine Lamellentür abgeteilte Bootsmannskammer ziehen. Cera, die mit dem 2nd Mate Jim zusammenlebt, benötigt die Kammer im Moment nicht. Viel Platz ist dort nicht. Hinter der Lamellentür kommt man sich vor, wie in einem Kleiderschrank und mehr Raum ist da auch nicht. Ich beziehe die untere Koje und versuche, meine Sachen in die mir zustehende Hälfte des Regals zu quetschen. Ich sehe mich um. Das Licht funktioniert, das Bett ist trocken und ohne Kakerlaken oder sonstige Mitbewohner. Na ja, wird schon gehen. Bin schon schlechter untergebracht gewesen. 

Ich gehe wieder nach oben. Außer Jim und Cera ist im Moment nur James da. Er kommt aus Südafrika und ist zum ersten Mal auf einem Schiff. Da er bis dahin in der behüteten Welt eines Plantagenbesitzersohnes gelebt hat, erlebt er gerade einen Kulturschock und wir werden noch viel Spaß mit ihm haben. Aber dazu später. Die anderen kommen erst am nächsten Tag. Erst ab dann sind wir alle angemustert worden. Gemeinsam sollen wir das Schiff seeklar machen, es nach Shoreham überführen, dort in der Werft für den jährlichen Survey vorbereiten und dann zur Flottenparade nach Portsmouth segeln. Danach geht es dann noch Weymouth, wo wir als begehbares Museum an der Pier liegen sollen. Dort ist für uns dann Endstation, weil die Company, der die KASKELOT gehört, auch eine Segelschiffsmatrosenausbildung betreibt und das Schiff dann mit den Trainees aus diesem Kurs besetzen will. Die Drecksarbeit in der Werft, will man den (zahlenden) Trainees jedoch nicht zumuten und daher sind ausnahmsweise bezahlte Deckhands geheuert worden.

Am nächsten Vormittag kommen dann nach und nach alle an. Schließlich ist die Crew komplett und besteht aus:

John - Master - ein alter Seebär, Zigarrenraucher und Motorradfahrer
Francis (Fran) - Chief Mate - sieht eher aus wie ein Piratenkapitän
Jim - 2nd Mate - klein und drahtig und eigentlich viel lieber Bootsmann
Kevin (Kev) - Maschinist
Anne - Köchin - Französin
Cera - Bootsmann - aus Canada, ursprünglich nur für ein paar Monate nach England gekommen, aber hat sich in Schiff und Mate verliebt
Gemma - AB - ist bisher auf den Briggs der englischen Sailtraining Association gefahren
Catherine (Cass) - AB - Ex-Hippie und seit Jahren auf irgendwelchen Booten unterwegs
Giles - OS - hat schon alles mögliche gemacht und sucht nun sein Glück auf See
James - DH - ist von seinen Eltern aufs Schiff geschickt worden, um Lebenserfahrungen zu sammeln
Dave - DH - Rentner, dem zu Hause zu langweilig ist
und ich - AB

Fran ruft alle zusammen und macht eine kurze Sicherheitseinweisung. Dann übernimmt Jim, der mit uns ins Rigg geht. Oh je, das ist hier aber alles ganz anders als dort, wo ich zuvor war. Das Rigg ist einem Rigg aus dem 19. Jahrhundert originalgetreu nachgebaut worden. Das heißt, es gibt keine Spannschrauben und keine Schäkel, sondern Jungfern und Taljenreeps. Das verwendete Material ist soweit möglich ebenfalls historisch, also Holz, Naturfasern, Leder, Stahlseile. Einzig das Laufende Gut besteht nicht aus Hanfseilen wie einst, sondern aus einem "künstlicher Hanf" genannten Material, dass sich weitgehend wie Hanf verarbeiten lässt, aber nicht dessen Nachteile besitzt. Bei den ersten Schritten ins Rigg tut sich ein neuer Unterschied auf. Die Wanten schwingen etwas, da die Konstruktion mit Jungfern und Rüsten nicht genauso fest angezogen werden kann wie eine Spannschraube. Das ist auch gar nicht gewünscht, denn Mast und Rumpf sind aus Holz und brauchen etwas Freiheit um nicht zu brechen. Die nächste Hürde ist der Überstieg auf die Saling. Die ist ziemlich groß und klobig und die Taue, die die Wanten halten, liegen eng beieinander und man kommt mit den Händen schlecht dazwischen. Jim lässt uns Zeit, damit wir jeder den für uns am Besten geeigneten Weg finden. Dann Auslegen auf die Rah. Das ist hier irgendwie für 1,90-Menschen gebaut und nicht für kurzbeinige, wie mich. Nur mit Tricks erreiche ich mein Ziel. Nun üben wir, das Segel loszumachen und zu packen. Ach du liebe Güte, was ist das denn für ein Zeising? Die Zeisings sind etwa 5 m lang und werden mehrfach um das ganze Segel und die Rah gewickelt. Beim Losmachen der Segel müssen sie unter dem Segel durchgezogen und vor dem Segel als kleine Coils aufgeschossen werden. Wie unpraktisch - aber historisch korrekt. Dann fällt das Segel. Nun kommt Teil B, das Auftuchen. Heilige Sch... was ist das denn. Das Segel ist schwer wie Blei. Kein Wunder, denn es besteht nicht wie bei den modernen Seglern aus Dacron, sondern aus dichtgewebtem Baumwollkattun. Noch feucht vom letzten Regenschauer haben wir unsere liebe Mühe, es wieder zu einer ordentlichen Wurst zu rollen und auf die Rah zu legen. Nun kommt wieder der Wunderzeising. Bei jeder Umrundung muss man ihn nun unter der Sicherheitsleine durchfieseln, weil man sich sonst selbst austrickst und nicht mehr zurück kommt. Großartig. Ich bin bedient. Kann ich lieber Kartoffeln schälen gehen? Nix da. Alle Segelmanöver sind All-Hands incl. Koch und Offiziere. Anders lässt sich dieses altertümliche Rigg nicht beherrschen.

Das soll's für den ersten Tag gewesen sein. Aber ab dem 2. Tag herrscht ein strenges Regime. Als wir morgens in die Messe kommen, begrüßt uns der Wachplan. Wir sind in 2 Wachen eingeteilt. Solange wir noch im Hafen sind, arbeiten die Wachen beide im Tagesdienst und wechseln sich nur bei der Backschaft ab. Auf See werden dann "Schwedische Wachen" gegangen: 1. Wache 08:00-14:00 Uhr, 2. Wache 14:00-20:00 Uhr, 1. Wache 20:00-24:00 Uhr, 2. Wache 00:00-04:00 Uhr, 1. Wache 04:00-08:00 Uhr. Da es nur 5 Wachzeiten gibt, wechseln die Zeiten für die beiden Wachen täglich. Nachts jedoch nur 3,5 Stunden Schlaf (man wird 1/2 Std. vorher geweckt) zu bekommen, geht an die Substanz. 

Aber erst mal sind wir noch im Hafen. Da beginnt der Tag mit Rein Schiff. Eine Wache drinnen, die andere Wache draußen. Innerhalb der Wachen werden die einzelnen Tätigkeiten (Duschen reinigen, Klos putzen, Flure schrubben und wischen, Messe putzen, Abwasch, Deck schrubben, Fenster putzen, Messing putzen) jeden Tag anders eingeteilt, so dass jeder mal die unbeliebten Dinge tun muss. Auch Jim und Fran schließen sich da nicht aus. Das beeindruckt mich. Restlos begeistert bin ich allerdings als Fran Sand, Soda und Ziegelsteine hervorholt, um das während der langen Liegezeit in Charlestown grün gewordene Deck wieder weiß zu kriegen. Anfangs macht das einen Heidenspaß. Aber irgendwann merkt man Knie und Arme - und das Deck sieht noch nicht nennenswert besser aus. Oh Mann, worauf habe ich mich eingelassen? Nach dem Reinschiff beschäftigen wir uns damit, Ausrüstungsgegenstände an Bord zu bringen. Nachmittags teilt Jim die Crew zu Maintenancearbeiten ein. Er fragt, wer spleißen kann. Betretene Gesichter. Ich melde mich. Und darf nun oben im Rigg Sicherheitsleinen für den Übergang zur Saling spleißen. Cool. Die anderen malen und bekommen die Anweisung, in ihrer Freizeit Spleißen zu lernen.

Schließlich ist das Schiff seeklar. Wir warten auf die Flut, weil der Vorhafen bei Niedrigwasser vollkommen trocken fällt. KASKELOT braucht fast die gesamten 4,50m Wasser, die hier Tidenhub sind, um auslaufen zu können. Endlich ist es soweit. Die historische Schleuse wird geöffnet und in einem komplizierten Manöver bringt uns John in die See hinaus. Die erste Nacht wollen wir ankern und dann bei Tageslicht zum ersten Mal Segel setzen und weiter fahren. Das klappt erstaunlich gut. Und hier draußen auf dem Meer mit einer frischen Brise und leichtem Schwell ist das auch gar nicht mehr so mühsam wie bei den Trockenübungen im Hafen. 

KASKELOT segelt erstaunlich gut. Sie liegt schwer im Wasser und die geblähten Segel stehen gut. Wir machen Fahrt und es ist fast schade, dass es bis Shoreham nur so kurz ist. Wir werden schon nach 3 Tagen da sein. Nachts unter dem Sternenhimmel am Steuer, beginne ich mich in dieses Schiff zu verlieben. Vorne am Bug steht James auf Ausguck. Er weiß zwar nicht recht, wonach er ausgucken soll, aber was soll's. Cera steht auf dem Poopdeck als 2. Ausguck. Derweil hört man vom Hauptdeck ein gleichmäßiges Klack-klack. Giles ist an der Handpumpe und pumpt die Bilge leer. Das muss in jeder Wache einmal gemacht werden, denn das Schiff macht im Moment schrecklich viel Wasser. Alle 4 Stunden pumpen wir 13 Zoll Wasser aus der Bilge. Aber deswegen gehen wir ja ins Dock. Sie soll neu kalfatert werden, damit sie wieder dicht ist.

Shoreham-by-the-Sea ist mit Abstand der langweiligste Hafen, wo ich je gewesen bin. Vor allem deshalb, weil wir ja nicht mal in Shoreham selber, sondern in einem irgendwo zwischen Shoreham und Brighton gelegenen Industriehafen liegen. Na ja, eigentlich stehen. Denn wir sind mittlerweile im Trockendock. Da wir alles selber machen werden, sind wir nicht in eins der großen Docks gegangen, die zu irgendwelchen Werften gehören, sondern in ein historisches (sprich: altes, gammeliges ungenutztes) Trockendock, wo nur alle Jubeljahre mal ein Schiff hinkommt. Trocken ist dieses Dock auch nicht wirklich. Unten strömt ein mittlerer Bach durch das Dock gespeist von einem Wasserfall, der durch die undichten Tore rauscht. Am anderen Ende des Docks pumpt - direkt neben unseren Schlafquartieren - eine Pumpe pausenlos und laut das Wasser wieder raus. Groß ist unser Enthusiasmus, die nächsten Wochen eben dort unten zu arbeiten. 

Die Arbeiten, die wir am Schiff durchführen sind dann wieder sehr interessant. Wir kalfatern. Dazu kommt ein Spezialist, der das Unterwasserschiff auf gammelige und undichte Stellen hin untersucht. Die müssen wir als erstes vorbereiten. D.h. alles alte Material muss raus und dann wird das Schiff mit dem Hochdruckstrahler abgestrahlt. Nun wird Werg (zerfaserte Leinen, Lumpen und Baumwollreste) in die entstandenen Ritzen geklopft. Die Ritzen werden damit bis etwa einen Fingerbreit vor dem Ende ausgefüllt. Wichtig ist dabei, dass keine Lücken entstehen. Der letzte Zentimeter wird dann mit kochendem Teer ausgefüllt. Das ist der eigentliche Spaß... Über einem Gaskocher wird permanent Teer erhitzt und dann mit einer Art überdimensionalen Pfeifenreinigern in die Ritzen geschmiert. Da diese Arbeit meist überkopf ist und heftig kleckert, sehen wir alle bald aus wie eine Mischung aus Zombie und Pechmarie. Wir sehen's gelassen. Es trifft ja nur unsere Arbeitskleidung, die man allerdings bei Feierabend in die Ecke stellen kann, ohne dass sie umfällt.

3 Wochen sind wir in Shoreham. Die Wochenenden werden meist zu Ausflügen ins nahe Brighton genutzt. An den Wochentagen gehen wir abends ins Ship-Inn, die einzige Hafenkneipe in Fußnähe. Anne und ich gehen fast jeden Tag am nahen Strand schwimmen. Die anderen lachen uns aus. Die See sei doch viel zu kalt. Uns stört das nicht. Wir finden das Wasser wunderbar erfrischend und in Anbetracht der Tatsache, dass wir an Bord nicht täglich duschen können, ist es eine Chance, wenigstens ein wenig sauber zu werden.

Schließlich sind wir fertig und docken aus. Es geht allerdings zunächst nur an die Pier, denn nun müssen wir Drills üben. Der MCA (Maritime and Coastguard Agency) hat sich angekündigt. Da wir in Portsmouth für ein paar Tagesfahrten Passagiere an Bord nehmen werden, unsere Crew aber nicht aus Berufsseeleuten besteht, müssen wir den englischen Behörden beweisen, dass wir in der Lage sind, Notsituationen in den Griff zu bekommen. Auch will der MCA sehen, ob unsere - historischen - Rettungsmittel funktionieren und effektiv genug sind. Da ich als einzige an Bord den Feuerschutzschein habe, habe ich den Joker gewonnen und darf als Hauptfeuerwehrmann in den Spezialanzug steigen. Dazu gehört auch ein Atemschutzgerät, welches mittels einer Fußpumpe, die von einem anderen Crewmitglied möglichst gleichmäßig getreten wird, mit Luft versorgt wird. Es braucht etwas Übung, bis Giles den richtiges Rhythmus gefunden hat, so dass ich das Gefühl habe, ausreichend Luft zu bekommen. Derweil haben andere von der Crew die Schläuche vorbereitet und Kevin hat die Notpumpe gestartet. Dies ist ein einem Rasenmäher nicht unähnliches Teil, welches mit Benzin angetrieben wird und transportabel ist. So kann sie entweder als Feuerpumpe oder als Notbilgenpumpe eingesetzt werden. Wir üben so lange, bis alle in der Lage sind, sie richtig zusammen zu bauen und zu starten. Richtig spannend ist auch das Aussetzen des Bereitschaftsbootes. Es ist auf dem Poopdeck festgelascht und muss mit der Großrah und 2 Taljen ausgebracht werden. Wir üben lange, bis wir die erforderlichen 7 Minuten schaffen, die uns der MCA als Vorgabe gegeben hat.

Schließlich kommt der Inspektor und da er zufrieden ist, stellt er die Sondergenehmigung aus. Kurz darauf laufen wir aus nach Southampton. Dort kommen unsere Passagiere an Bord um mit uns an der gesamten Flottenparade vorbei nach Portsmouth zu segeln.

Portsmouth Fleet Review 2005:
Fast der ganze Solent ist voll von Schiffen aller möglichen Marinen, sowie von etwa 100 Großseglern, die als spezielle Gäste teilnehmen. Die Schiffe sind in Reih und Glied vor Anker. Eine beeindruckende Kulisse. Da wir auch Vertreter der Royal Navy an Bord haben, bemühen wir uns, das vorgeschriebene Flaggenritual einzuhalten, was bedeutet, dass wir alle britschen Kriegsschiffe zu grüßen haben. Das macht einen Heidenspaß. Schließlich erreichen auch wir unseren Ankerplatz. Nun müssen wir dort ausharren, bis Her Majesty the Queen alle ihre Schiffe inspiziert hat. Sie fährt dazu an Bord eines Forschungsschiffes die Reihen nach einander ab. Wir versuchen, sie mit unseren Ferngläsern zu erspähen, aber es gelingt uns nicht. An zivile Schiffe kommt sie nicht nah genug heran - was nach einer Bombendrohung islamischer Terroristen durchaus verständlich ist.

Am Abend dann Trafalgar 2005 - die anwesenden Großsegler sollen die historische Seeschlacht nachspielen. Mit viel Mühe ist dieser Event exakt bis ins Kleinste geplant. Uns hat man dazu extra Kanonen und Feuerwerk angebaut. Unser Ankerplatz ist bis auf einen halben Meter berechnet. Aber wie vieles in Merry Old England hat auch diese Veranstaltung Verspätung. Was pünktlich ist, ist die Tide und so kommt's, dass die Strömung mitten in der Veranstaltung die Richtung wechselt und alle Schiffe sich von den Zuschauern wegdrehen und in die Luft schießen... Da die Gezeitenströme im Solent Extremstärken annehmen, halten viele Anker nicht und das schöne Bild ist nur mit Mühe aufrecht zu erhalten. Während wir hart kämpfen um die Position zu halten und nicht mit den anderen Seglern zu kollidieren bekommen die Zuschauer am Land nichts davon mit. Es wird ein langer Tag und erst weit nach Mitternacht sind wir in Portsmouth fest. Nun muss noch das ganze Catering von Bord. Erst dann können wir in die Koje.

Am nächsten Tag laufen wir wieder aus. John hat genug von dem Trubel. Er sucht sich eine stille Bucht an der Isle of Wight, wo wir vor Anker gehen. Dort wird ein wenig geangelt, geschwommen und relaxed bevor wir weitersegeln.

Weit haben wir's nicht mehr. Weymouth ist unser nächster Hafen. Der Kurort in der Grafschaft Dorset hat uns und das andere Schiff unserer Company eingeladen. So treffen wir uns unterwegs mit der EARL OF PEMBROKE und segeln gemeinsam nach Weymouth. Allerdings wird unterwegs noch eine Seeschlacht der besonderen Art geschlagen. Irgendjemand ist auf die Idee gekommen, unsere neuen Bordkanonen mit allem möglichen Schwachsinn zu füttern und uns gegenseitig damit zu beschießen. Besonders beliebt dabei die Makrelen, die einige Crewmitglieder am Vortag geangelt hatten. Britischer Humor...

In Weymouth liegen wir an der Pier und haben Open Ship. Da wir alle in der Werft und in Portsmouth reichlich Überstunden gemacht hatten, dürfen wir diese nun abbummeln. Ich nutze dies zu einem Ausflug nach Jersey, einer der Kanalinseln. Ein anderes Mal tausche ich mit einem Crewmitglied der EARL und gehe mit ihnen zu einer Tagesfahrt hinaus. Und schließlich packe ich meine Sachen, denn meine Zeit auf KASKELOT nähert sich dem Ende. Meine Ablösung ist schon an Bord. Auch Gemma, James und Anne steigen hier aus. Giles und Cass bleiben noch bis zum nächsten Hafen. 

Schließlich kommt der letzte Morgen. Todd, ein amerikanischer Trainee, hilft mir mit meinem Seesack. Ein Taxi bringt mich zur Busstation und von dort aus geht es erst mal nach London, wo ich einen Zwischenstopp auf dem Weg nach Hause einlegen will. Ich werfe einen letzten Blick auf KASKELOT. Das ist nicht meine Welt - aber es war interessant, für ein paar Wochen Teil dieser Welt zu sein. 

Seefahrt, wie sie früher war, war harte Arbeit, Schweiss und Not. 

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