Katalog: ROMANISCHE WESTTURMKIRCHEN IN KÄRNTEN

Rudolf Koch, Wien


1. Grades (polit. Bez. St. Veit a. d. Glan) : Hl. Andreas

Die Kirche besteht aus einem einschiffigen Saalraum mit Chorquadrat des 12. Jhdts. Das Langhaus war ursprünglich flach gedeckt, die heutige Decke ist Barock, desgleichen die Chorwölbung. An der N-Seite des Langhauses wurden hoch gelegene romanische Rundbogenfenster freigelegt, die Kirche selbst ist im 15. Jhdt. stark verändert worden.

Der mächtige, im Außenbau ungegliederte Vorhallenturm birgt in seiner kreuzgratgewölbten Eingangshalle ein rundbogiges Westportal. Vom romanischen Kern dieses im 17. Jhdt. stark umgebauten Turmes sind noch an der S-Seite die romanischen Biforen zu erkennen, darüber liegen jüngere Fenster und das barocke Glockengeschoß.

Die Zeitstellung des Westturms in die Romanik ist nicht ganz eindeutig. Einerseits sind im Westen des Langhauses eingestellte Mauern vorhanden, die auf einen älteren Turm hindeuten, andererseits beurteilt K. GINHART (1930) die Biforen an der Südseite als "romanisierende gekuppelte Fenster" . In Anbetracht des bereits in Salzburg festzustellenden Hanges zu einem romanisierenden Historismus bis ins 16. Jhdt. ist bei der Kirche von Grades ohne genaue Untersuchung der Bausubstanz Vorsicht geboten. Als mögliches Datum für den romanischen Kirchenbau kann die Erbauung der Burg Grades durch Bischof Heinrich I. von Gurk im 3. V. d. 12. Jhdts. in Betracht gezogen werden. Während K. GINHART (1930) den Bau in die Spätgotik setzt, HARTWAGNER (1948) aber ins 13. Jhdt., nimmt DEHIO (1976) zumindest für das Langhaus das 12. Jhdt. an. Kirchengeschichtlich war Grades bis ins 15. Jhdt. Filiale von Metnitz.

 

2. Höllein (polit. Bez. St. Veit a. d. Glan): Hl. Leonhard

Die Filialkirche von Höllein, ein einfacher Apsidensaal, kann durch die 1930 freigelegten Fresken in der Apsis (Majestas Domini mit den Evangelistensymbolen und eine Apostelreihe) ins 11. od. frühe 12. Jhdt. datiert werden. Das Langhaus ist flachgedeckt.

Der Westturm ist in voller Breite des Langhauses querriegelartig vorgestellt und trägt ein schmäleres, hölzernes Obergeschoß. Das romanische Westportal besteht aus einem geraden Sturz mit darüber vorgeblendetem Rundbogen über Konsolen.

R. PÜHRINGER (1931) zählt den Westturm zum romanischen Bestand der Kirche, K. GINHART (1930) bezeichnet die Kirche allgemein als romanisch, gibt für den Turm jedoch keine zeitlichen Angaben. DEHIO (1976) zieht das 15. Jhdt. in Betracht. Die Gesamtanlage des Turmes ist meiner Meinung nach eine Vorhalle, die später durch einen hölzernen Turmbau überhöht wurde. Der gemauerte Unterbau wurde im 16. Jhdt. befestigt und ist mit 1588 bezeichnet. Dieses Datum dürfte auch für den "Vorhallenturm" zutreffend sein.

 

3. St. Andrä im Lavanttal (polit. Bez. Wolfsberg) : Hl. Andreas

Die Stadtpfarr- u. ehem. Domkirche von St. Andrä besteht aus einer dreischiffigen got. Basilika mit dreijochigem Langchor und 5/8-Schluß. Den Kreuzrippengewölben nach stammt das Langhaus vom Anfang d. 15. Jhdts., der Langchor aus der 2. H. d. 14. Jhdts. Die ehem. Seitenchöre wurden im 17. Jhdt. abgemauert und zu Nebenräumen umfunktioniert. Ein got. Turmanbau mit Kapelle im Erdgeschoß befindet sich an der Nordseite des Langhauses und dominiert gegenüber dem Westturm durch seine städtebauliche Lage zum Hauptplatz.

Der Westturm wird in seinen unteren Teilen stark durch verschiedene Anbauten verstellt, war aber ursprünglich an drei Seiten freistehend und dem Mittelschiff vorgebaut. Durch eine spätgot. Kapelle im Norden und eine barocke im Süden, sowie durch die breit gelagerte Westvorhalle von 1876, erhebt sich der Turm erst in den oberen Stockwerken frei. Auffallend ist die relativ starke Verschiebung der Turmachse gegenüber der Langhausachse nach Süden, die bereits auf einen romanischen Kern des Turmes schließen läßt. An der Südseite des sonst mit got. Maßwerkfenstern versehenen Glockengeschosses liegt ein Biforenfenster mit Trennungssäulchen.

K. GINHART (1933), der im Westturm romanisches Mauerwerk vermutet, datiert das in der TOPOGRAPHIE KÄRNTENS (1889) wiedergegebene Trennungssäulchen ins 12. Jhdt. Die starken Veränderungen im Erdgeschoß lassen einen Vorhallenturm vermuten.

 

4. Seltenheim (Stadt Klagenfurt) : Hl. Andreas

Das vierjochige Langhaus der Filialkirche von Seltenheim hat im westlichen schmäleren Teil ein gratiges Kreuzgewölbe, im östlichen Teil ein Kreuzrippengewölbe über Konsolen und Runddiensten. Zumindest der westliche Teil ist im Kern romanisch. Der kreuzrippengewölbte Polygonchor mit 5/8-Schluß fluchtet nicht mit der Achse des Langhauses.

Der mit Schießscharten bewehrte, gedrungene Westturm zeigt gekuppelte Rundbogenfenster mit Trennungssäulchen und birgt in der Turmhalle ein profiliertes gotisches Westportal. Davor befindet sich eine offene Vorhalle. Die Kirche war bis ins 17./18. Jhdt. nachweislich als Wehrkirche eingerichtet. Von einem älteren Vorgängerbau zeugt eine Steinspolie mit frühromanischem Kreuz über der Sakristei.

Die Existenz mehrerer mittelalterl. Grabplatten, so u. a. der Grabstein einer Elsbeth Neidhaupt von 1480, belegt, daß die Kirche von Seltenheim im 15. Jhdt. teilweise pfarrliche Funktionen zu erfüllen hatte. Ursprünglich war die Kirche Filiale von Ma. Saal bzw. von St. Johann Bapt. in Tultsching. Das Verhältnis zum Schloß Seltenheim, das sich schon im. 14. Jhdt. im Besitz der Liechtensteiner befand, ist unklar. Ein weiterer Herrensitz, der Burgstall, befindet sich ca. 2 km westlich von Seltenheim, und wird urkundlich 1193 genannt und 1487 von den Ungarn zerstört.

Daß die Kirche von Seltenheim im Mittelalter für einen dieser beiden Herrensitze als Herrschaftskirche diente, wäre möglich, jedoch fanden die Bestattungen der Herren auf Seltenheim in der Pfarrkirche von Tultsching statt.

 

5. Villach (Stadt Villach) : Hl. Jakob

Der Turm der Hauptstadtpfarrkirche, den R. K. DONIN (1937) zur Gruppe romanischer Westtürme zählt, ist kein Westturm im üblichen Sinne, sondern stand bis ins 19. Jhdt. frei als Campanile vor der Fassade der dreischiffigen spätgot. Hallenkirche. In seiner Funktion ist er nicht nur Glockenturm, sondern auch Stadtturm.

Das unterste Geschoß des Turmes weist einen niedrigen Sockel auf, Lisenengliederung und einen Rundbogenfries um 1300. Das zweite Geschoß wurde 1690 zerstört und 1759 erneuert. 1784 brannte das Glockengeschoß ab, das 1845 bis 1848 durch ein neugotisches ersetzt wurde. Das spätgot. gekehlte Portal des Turmes ist der Kirche zugekehrt, eine Bauinschrift stammt von 1516.

Wenngleich der Turm von Villach nicht dem Typus der romanischen Westturmkirchen angehört, hat er doch im Fragenkomplex Westturm - Stadtturm Bedeutung, wie auch die Westtürme der Piaristenkirche von Krems/NÖ und der Pfarrkirche von Hartberg/Stmk. Kunstgeschichtlich steht der Turm von Villach einerseits mit den Stadttürmen und andererseits mit den italienischen Glockentürmen im Zusammenhang.


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Literatur:


© studiolo 19.06.99 21:39