Katalog: ROMANISCHE WESTTURMKIRCHEN IN NIEDERÖSTERREICH
Rudolf Koch, Wien
1. Amstetten (BH. Amstetten) : Hl. Stephan
Die Stadtpfarrkirche von Amstetten ist eine dreischiffige Staffelkirche mit südl. Polygonchor aus dem 14. Jhdt. Der nördl. Polygonchor wurde Anfang d. 15. Jhdts. kapellenartig an das Seitenschiff angefügt. Der wesentlich höhere Hauptchor mit Netzrippengewölbe vom Ende d. 15. Jhdts. stammt aus der Zeit vor der Mitte des 15. Jhdts., wie die teilweise figurierten Konsolen und Hornabläufe zeigen. Der Westteil der Kirche ab dem 3. Langhausjoch wird durch die geschlossene Fassade, einen zur Gänze eingestellten Westturm und eine asymmetrische Raumanordnung charakterisiert: im Süden eine zweijochige Fortsetzung des Seitenschiffs, im Norden eine Taufkapelle mit Sterngewölbe u. Freskenresten vom Anfang des 15. Jhdts. (Gerichtsszenen und Arme Seelen im Fegefeuer). Vor dem Turm befindet sich eine Westempore. Das got. Hauptportal führt an der Südseite ins mittlere Seitenschiffsjoch.
Der eingezogene, geschlossene Westturm ist wesentlich schmäler als die Mittelschiffsbreite und nach außen nur durch Fenster geöffnet. R. K. DONIN (1937) führt den Turm unter den romanischen Anlagen an. A. KLAAR nimmt einen älteren romanischen Kern des 13. Jhdts. für den außen hoch aufragenden Turm an.
2. Drösing (BH. Gänserndorf): Hl. Lorenz
Die Pfarrkirche von Drösing ist bis auf den Turm ein kreuzförmiger Bau von 1796. Der Westturm, ein Quaderbau über quadratischem Grundriß, ist heute zur Hälfte in den barocken Bau einbezogen, dürfte aber ursprünglich als Fassadenturm an drei Seiten freigestanden sein. Innerhalb der relativ starken Mauern befindet sich eine durch drei Geschosse führende Treppe. Das Erdgeschoß und das erste Obergeschoß haben Tonnengewölbe und Schlitzfenster mit davorliegenden Nischen, die nach K. KAFKA (1969) als echte Wehreinrichtung zu bezeichnen sind. Im Glockengeschoß sind noch große romanische Rundbogenfenster unter der barocken Verkleidung zu erkennen. Darüber erhebt sich ein achteckiger, steinerner Turmhelm als Mittelpunkt einer Wehrplattform, die aber erst dem 15. Jhdt. angehört. Der Turm war vor dem Umbau im 18. Jhdt. nur durch das Kirchenschiff betretbar.
K. KAFKA (1969), der die Wehreinrichtungen dieser Kirche ausführlich beschreibt, wozu auch die nur mehr in Spuren vorhandene Kirchhofmauer mit Eckrondellen des 15. Jhdts. gehört, nimmt an, daß der Westturm im 13. Jhdt. errichtet wurde. Als frühestes Datum kommt die Verlegung der Kirche von Drösing an die jetzige Stelle um 1276 in Frage. Nach R. BÜTTNER (1982) lagen Ort und Kirche vorher in den sumpfigen Marchauen. Der niedrige Sockel und die Schlitzfenster des sonst ungegliederten Turmes zeigen bereits den Einfluß der Gotik.
3. Friedersbach (BH. Zwettl): Hl. Lorenz
Den Kern der Pfarrkirche bildet nach A. KLAAR (1963) ein einschiffiges Langhaus mit einer einjochigen Kapelle, die durch eine leicht gestelzte Apside abgeschlossen wird. 1408 wurde der zweijochige Polygonchor mit 5/8-Schluß u. Kreuzrippengewölbe angefügt. Den Sterngewölben nach wurde die südl. Kapelle in der 2. H. d. 15. Jhdts. als Seitenschiff bis zur Westfront der Kirche vorgezogen und die Langhausmauer unter Beibehaltung rechteckiger Pfeiler durchbrochen. Dafür sprechen auch die got. Glasfenster vom Anfang d. 15. Jhdts. bzw. vom 3. V. d. 15. Jhdts. Im Norden wurde gleichfalls ein seitenschiffartiger Trakt angebaut, der kreuzrippengewölbt ist. Da der Treppenturm im nördl. Winkel zwischen Langhaus-Mittelschiff u. got. Chor von der Sakristei umbaut ist, dürfte dieser Teil ebenfalls in die späte Gotik des 15. Jhdts. zu setzen sein. Entgegen der Auffassung bei DEHIO (l972) und der ÖKT ist die südl. Kapelle nicht die um 1159 genannte Ursprungskapelle der Dienstmannen Herzog Heinrichs II. Jasomirgott, sondern, der Baufuge zwischen Langhaus SO-Ecke und Chor nach, ein romanischer Kapellenanbau an das einschiffige Langhaus. Da die gestelzte Halbkreisapside eindeutig die süd-östl. Langhausecke als Widerlager benützt, muß die Apside später sein als das Langhaus.
Der Westturm, ein ungegliederter, gedrungener Bau, besitzt eine tonnengewölbte Eingangshalle, die durch ein heute vermauertes romanisches Rundbogenportal betreten wurde. Von hier führt ein schmales spätgot. Schulterbogenportal ins Langhaus. Die Turmmauern werden nur von schmalen Lichtschlitzen durchbrachen. Das Glockengeschoß öffnet sich in vier Biforenfenster mit Trennungssäulchen. Nach der ÖKT hatte die einschiffige Kirche ursprünglich nur eine freistehende Giebelwand. Der Westturm wurde erst später, den romanischen Fensterformen nach im 13. Jhdt., errichtet.
4. Hof-Arnsdorf (BH. Kreml) : Hl. Rupert
Die dreischiffige Staffelhalle der Pfarrkirche von Hof-Arnsdorf wurde mit spätgot. Netz- und Sternrippen ab der 2. H. d. 15. Jhdts. gewölbt. Nach A. KLAAR (1957) konnte in den Langhausmauern noch ein älterer Kern stecken. An der Westseite des linken Seitenschiffs ist ein vermauertes Rundfenster zu erkennen. Eine Inschrift an der Maßwerkbrüstung der got. Kanzel nennt den Seelsorger Blasius Steirer (1490 - 1500). Der Ostabschluß der Kirche und der Chor wurden um 1770 errichtet.
Der Westturm ist zur Gänze in das spätgot. Mittelschiff einbezogen. Am Dachboden sind im Bereich des ersten Obergeschosses des Turmes Reste von romanischen Biforen zu erkennen. An der ursprünglich freistehenden Südseite des Westturms wurden Freskenreste aus der 2. 8. d. 13. Jhdts. freigelegt. Am Außenbau tritt der Turm nur mit seinem Glockengeschoß in Erscheinung. Das bestehende Kirchenportal führt in die tonnengewölbte Turmhalle und von dort ins Langhaus. Das Hauptportal der Kirche befindet sich jedoch am Langhaus. Der stark veränderte und überbaute Westturm ist vermutlich dem 13. Jhdt. zuzuordnen. Ursprünglich stand er an drei Seiten als Fassadenturm frei, wurde noch vor Errichtung der Spätgot. Staffelkirche in einen dreischiffigen Vorgängerbau einbezogen (Rundfenster) und schließlich gegen Ende des 15. Jhdts. vollends in das Kircheninnere verlegt.
5. Hohenwarth (BH. Hollabrunn) : Hl. Michael
Nach A. KLAAR (1955) ist das Langhaus der älteste Teil der Pfarrkirche und mit seinem Mauerwerk aus Quadern und Bruchsteinen der Romanik zuzuordnen. Der stark veränderte Kernbau wurde im 14. Jhdt. mit einem einjochigen Chor mit 5/8-Schluß und Kreuzrippengewölben versehen. Im Süden des Chors befindet sich eine barocke Sakristei. Vor dem Westturm zeigt der Plan A. KLAARs (1955) eine barocke Kapelle.
Der Westturm wird von den romanischen Langhausmauern flankiert und war im Mittelalter ein Fassadenturm. Die Reste eines got. Portals führen in die kreuzgratgewölbte Turmhalle und von dort ins Langhaus. Wie der umlaufende Sockel des Turmes zeigt, dürfte der Turm erst in der Gotik (14. Jhdt.?) errichtet worden sein. Der Westturm der Pfarrkirche von Hohenwarth, von M. SCHWARZ (1979) unter den romanischen Westturmkirchen angeführt, scheidet zur Beurteilung dieses Typs aus.
6. Kleinmariazell (BH. Baden): Ma. Himmelfahrt
R. K. DONIN (1936) hat den romanischen Bestand der ehemaligen Benediktiner-Abteikirche aus den späteren Umbauten herausgearbeitet. Durch Restaurierungen ab 195B und eine Baukernuntersuchung A. KLAARs konnte die architektonische Grundform im wesentlichen geklärt werden. Der Bau des 12. Jhdts. bestand diesen Untersuchungen nach aus einer dreischiffigen Pfeilerbasilika mit Stützenwechsel von schmalen und breiten Pfeilern und Seitenschiffen im Gebundenen System. DEHIO (1953) nimmt mit R. K. DONIN (1936) ein ausladendes Querschiff an, A. KLAAR rekonstruiert die Anlage mit einem Querschiff in Breite der Seitenschiffe. Diese Basilika wird mit der Gründung des Klosters von 1136 durch Heinrich und Rapoto von Schwarzenburg in Verbindung gebracht. 1250 erfolgte die teilweise Zerstörung der Kirche und des Klosters durch Bela IV. und anschließend die Wiederherstellung bzw. ein Umbau. Aus dieser Zeit stammt das reich profilierte vierstufige Westportal mit eingestellten Säulen und Knospenkapitellen.
Die Frage, ob die Klosterkirche von Kleinmariazell im 12. oder in der Mitte des 13. Jhdts. einen achsialen Turm über dem Westportal hatte, ist nicht eindeutig geklärt. Der heute über dem Westjoch des nördlichen Seitenschiffs errichtete Turm stammt erst aus dem Spätbarock und wird 1765 datiert. Im Grundriß zeigen sich mächtige Fundamente eines möglichen Turmes in Breite des Mittelschiffs und ca. ein Doppeljoch tief. Durch das Westportal aus der Mitte des 13. Jhdts. und den Eingang ins Mittelschiff wird ein relativ schmaler Durchgang ins Kircheninnere gebildet. R. K. DONIN (1951 ) lehnt trotz der massiven Mauerstärke einen Westturm ab, mit dem Hinweis auf den Stich von VISCHER (1672), der nur einen dachreiterartigen Aufsatz zeigt. Spätere Autoren stimmen jedoch einem Westturm zu. Zweifellos ist wegen der bemerkenswerten Mauerstärke im Westteil des Mittelschiffs zumindest das Projekt eines Turmbaus anzunehmen. Dieser Turm wäre als gänzlich in die Fassade eingezogen zu rekonstruieren, der schon beim ersten Bau nach 1136 angelegt worden sein könnte.
7. Klosterneuburg (BH. Wien Umgebung) : Hl. Martin
Durch die Kirchengrabungen von 1977 - 1982 konnten wesentliche Informationen über Vorgängerbauten der Pfarrkirche von Klosterneuburg gewonnen werden. Vor allem aber wurde durch CH. und J. W. NEUGEBAUER (1981) das Fundament eines Westanbaus nachgewiesen, der durch die zeitliche Stellung zwischen dem ersten Steinbau von St. Martin (nach 1000) und der Errichtung des frühgot. Nachfolgerbaus (um 1280) fixiert wird und für den Problemkreis romanischer Westturmkirchen von Bedeutung ist.
Von der ersten Kirche in Klosterneuburg (St. Martin I) zeugen 15 Bestattungen eines christl. Friedhofes und eine Reihe von vier Pfostengruben. Die Orientierung dieses Friedhofs, seine Lage innerhalb der got. Langhausmauern und Beifunde veranlassen die Ausgräber, einen ersten Holzkirchenbau um 900 in Klosterneuburg anzunehmen. St. Martin II, der erste Steinbau, entstand nach CH. und J. W. NEUGEBAUER (1981) als Chorquadratkirche von rund 13,5 x 8,5 m große bei einer . Mauerstärke von 1,2 m. An St. Martin II wurde noch vor Errichtung von St. Martin III (um 1280) gegen Westen ein Erweiterungsbau (St. Martin II a) angefügt. Dieser Bau konnte in seinen mächtigen Trockenmauer-Fundamenten nachgewiesen werden. Dabei wurde die Westwand von St. Martin II umgelegt und vielleicht auch eine Erweiterung der Kirche im Bereich des Chorquadrates nach Osten vorgenommen.
Der Westbau nimmt im Grundriß querriegelartig die gesamte Breite des Saalraums von St. Martin II ein. Die Stärke der Fundamente erlaubt es meiner Meinung nach den Erweiterungsbau als Turm zu rekonstruieren, der ähnlich den norddeutschen romanischen Westtürmen als Block vor die Kirche gestellt wurde. Die parallel zum Chorquadrat von St. Martin II laufenden Mauern dürften mit einer Chorerweiterung gleichzusetzen sein, wie schon die Ausgräber vermuteten.
Von Bedeutung ist ein quadratisches Fundament im Westteil des rechteckigen Saalraumes von St. Martin II, das als ursprüngliches Pfeilerfundament einer Westempore interpretiert werden kann. Den Plänen bei CH. und J. W. NEUGEBAUER (1981) nach gehört die Steinsetzung noch zum nicht erweiterten Bau von St. Martin II. Damit wäre bereits ab 1000 in Klosterneuburg St. Martin archäologisch eine Westempore nachzuweisen. Ob diese bei der Erweiterung der Kirche beibehalten wurde, ist nicht mehr festzustellen, jedoch spricht der Befund von St. Martin III dafür.
St. Martin III kann nach A. KLAAR (1977) aufgrund der stilistischen Details der Westseite (Portal, Rundfenster) um 1280 datiert werden. Archäologisch nachgewiesen ist, daß St. Martin II a beim Neubau gänzlich geschleift wurde. Der frühgot. Bau, dessen Langhausmauern im Kern noch heute bestehen, hatte nach CH. und J. W. NEUGEBAUER (1981) einen rechteckigen Saalraum mit Westportal, ein langgestrecktes Chorquadrat und einen apsidenartig angefügten Polygonchor. Nach Meinung der Ausgräber gehört auch die unter dem Chorquadrat liegende "Unterkirche" zur gleichen Baukampagne. Sie diente jedoch, wie die Funde beweisen, als Karner und hatte ihren Abstieg unmittelbar neben dem nördl. Chorflankenturm. Dieser soll in seinen Fundamenten noch auf das 13. Jhdt. zurückgehen. Desgleichen wurden Ende des 13. Jhdts. an der südl. Langhauswand zwei Kapellen errichtet: die nördliche 1291 durch einen Ritter Ulrich von Kritzendorf, Haushofmeister Herzog Albrechts von Österreich, die Später als Grablege für die Bäckerzunft diente, und die südl. Magdalenenkapelle.
Für die Westturmfrage und das Problem der Westempore sind vor allem vier mächtige Pfeilerfundamente im Westteil von St. Martin III zu beachten. Sie stellen den letzten Rest einer Westempore des 13. Jhdts. dar, die Über den Bereich der späteren barocken Emporenanlage hinausging. Während im Barock nur mehr die beiden westl. Pfeilerfundamente weiter benutzt wurden, standen ursprünglich die östl. Pfeiler auf den rekonstruierbaren Westturmfundamenten von St. Martin II a. Die relativ große Empore von St. Martin III spricht dafür, daß sie die Funktion einer Westturmanlage mit Empore von St. Martin II bzw. II a zu ersetzen hatte.
St. Martin IV war das Ergebnis durchgreifender Umbauten. Im Saalraum wurden Wandpfeiler eingestellt und eine archäologisch als Lettneranlage gedeutete Pfeilerstellung vor dem Triumphbogen errichtet. Das Chorquadrat und der kleine Polygonchor von St. Martin III wurden 1419 durch einen spätgot. Langchor mit Polygonschluß ersetzt. Die beiden südl. Kapellen vereinigte man zu einem Seitenschiff. St. Martin IV wurde 1683 erheblich beschädigt und in der Folge bis 1727 barockisiert, wobei vor allem das Langhaus betroffen war, indem man neue Gewölbe und Wandpfeiler einzog und die Zugänge zum Seitenschiff abmauerte.
Der ehemalige Westturm von St. Martin II a, durch Trockenmauerfundamente nachweisbar, weicht durch seine querriegelartige Form von den im österreichischen Raum vorhandenen Typen ab und dürfte mit einer Emporenanlage des Vorgängerbaus in Verbindung gestanden sein.
8. Königsbrunn bei Hagenbrunn (BH. Wien Umgebung): Hl. Ma. Magdalena
Die kleine Filialkirche von Königsbrunn hat einen rechteckigen Saalraum, der ursprünglich flachgedeckt war, daran anschließend eine halbrunde Apside und eine barocke Sakristei. Das Langhaus aus kleinsteinigen Quadern mit größeren Ortsteinen zeigt an der Nordseite ein unprofiliertes Rundbogenportal mit Schachbrettkämpfer. Nach DEHIO (1972) wird der Bau als Westturmkirche bezeichnet und ins 12. Jhdt. datiert. 1950 stürzte bei Renovierungsarbeiten die gesamte Südseite der Kirche ein.
Der ungegliederte, außen und innen verputzte Westturm zeigt keine datierenden Anhaltspunkte, ein Zugang besteht vom Langhaus aus und ein barocker Durchbruch führt vom Norden ins Turmgeschoß. Anläßlich der Wiedererrichtung der Südmauer wurde auch das ansteigende Gelände hinter der Kirche abgegraben. Dabei legte man die Turmfundamentoberkante frei. Das Fundament verläuft mit einer deutlichen Abweichung vom Aufgehenden an die Langhauswand an. Ob dies als eine ältere Turmphase zu deuten ist, kann derzeit nicht entschieden werden, jedoch ist der Turm sicher an das Langhaus angebaut und dürfte aus Bruchsteinen bestehen. Der Westturm der Filialkirche von Hagenbrunn, von M. SCHWARZ (1979) unter den romanischen Westturmkirchen angeführt, ist demnach spätromanisch oder gotisch. A. KLAAR (1942) datiert ihn aufgrund einer Maueranalyse ins 14. Jhdt. Dem Typus nach handelt es sich um einen achsialen Fassadenturm, der im Mittelalter nur vom Langhaus aus betretbar war.
9. Krems a. d. Donau (Stadt Krems) : Unsere Liebe Frau
Die Piaristenkirche war früher Jesuitenkirche bzw. ursprünglich Pfarre der Oberstadt von Krems mit dem Patrozinium des Hl. Stephan. Vom hochmittelalterlichen Bau sind nur mehr der Kern des Westturmes und die Westwand der Vorgängerkirche erhalten. Das im Grundriß fast quadratische dreischiffige Langhaus wurde ab 1508 errichtet, der sternrippengewölbte zweijochige Langchor mit 5/8-Schluß 1457 geweiht. Das Hauptportal des Langhauses bestand schon 1477. Eine got. Kapelle befindet sich an der Nordseite des Langhauses, in der Südecke des Chores führt eine Torhalle im Stil der Donauschule in eine Gruft.
Der Westturm ist nur in seinen unteren Geschossen romanisch und wurde schon im 14. Jhdt. durch ein spitzbogiges Südportal und got. Fensterformen verändert. Das heutige Erscheinungsbild mit Putzgliederung stammt von der Restaurierung 1983/84, das Glockengeschoß mit Ecktürmchen gehört dem 19. Jhdt. an. Anhand der Baufugen, die während der Restaurierung sichtbar waren, jetzt noch an Verputzunregelmäßigkeiten zu erkennen sind, läßt sich ein breiter Fassadenturm mit einem einschiffigen Langhaus rekonstruieren, das die Breite des got. Mittelschiffes hatte. Vermutlich bestand vor Errichtung des später vermauerten Spitzbogenportals an der Turmsüdseite kein Eingang, sondern nur ein Zugang vom Langhaus aus. Auch von der spätgot. Orgelempore führt eine Tür ins Turminnere.
Der Westturm der Kremser Piaristenkirche erfüllt eine Doppelfunktion, auf die schon R. WAGNER-RIEGER (1971) hingewiesen hat. Einerseits ist er Kirchturm, andererseits ist er noch heute im Besitz der Stadtgemeinde und nahm im Mittelalter durch seine markante Lage am Frauenberg die Rolle eines Stadturmes ein.
10. Krems-Weinzierl (Stadt Krems) : Hl. Antonius der Einsiedler
Die ehemalige Siechenhauskapelle und jetzige Filialkirche des Kremser Vorortes Weinzierl ist eine Chorquadratkirche vom Anfang des 14. Jhdts. und war, wie noch heute im Langhaus flachgedeckt. Das Chorquadrat mit Kreuzrippengewölbe und Schlußstein wird von DEHIO (1972) um 1400, von A. KLAAR (1959) um 1315 datiert, welcher auch die übrige Kirche, bis auf die Sakristei, die er als got. bezeichnet, in diese Zeit stellt.
Der Westturm, ein Fassadenturm von relativ kleinen Ausmaßen, ist bis auf die romanischen Biforenfenster mit Trennungssäulchen im Glockengeschoß ungegliedert und verputzt. Wie ein durch das Langhausdach an der Ostseite des Turmes nahezu gänzlich verstelltes Schallfenster zeigt, war das romanische Langhaus ursprünglich wesentlich niedriger. Der Turm besitzt keinen Zugang vom Westen und wird halb in die Mauerstärke der Langhaus-Westwand einbezogen. Ein älterer romanischer Vorgängerbau mit dem noch bestehenden Westturm anstelle des Langhauses aus dem l. V. d. 14. Jhdts. wäre möglich.
11. Limberg (BH. Hollabrunn): Hl. Jakob
Den Kern der Filialkirche von Limberg bildet eine Chorquadratkirche mit zeitgleichem Westturm. Im 15. Jhdt. wurde der Saalraum und der Chor gegen Süden erweitert, außerdem liegt unter dem Chor ein Karner, dessen Abstieg sich neben einer got. Nische zwischen den südl. Chorstrebepfeilern erhalten hat. Dies spricht für die ehemalige Pfarrfunktion der Kirche. 1697 wurde die Kirche barockisiert, 1730 das Stuckgewölbe im Chor eingezogen.
Der Westturm, außen ungegliedert, erhebt sich als breiter Fassadenturm aus Quadern vor dem romanischen Saalraum und besitzt nur schmale, rechteckige Lichtschlitze. Ursprünglich hatte der Turm lediglich einen Zugang vom Langhaus aus, der nördliche Türdurchbruch ist barock. Die Biforenfenster mit Trennungssäulchen im Glockengeschoß können zu einer näheren Datierung herangezogen werden. Die relativ steile attische Basis mit Eckknollen und das Würfelkapitell mit ornamentalen Schildflächen sind in die l. H. d. 12. Jhdts. datierbar. DEHIO (1972) stellt die Trennungssäulchen in die Zeit um 1140, A. KLAAR (1959) bezeichnet den Kernbau der Kirche als romanisch und dem 12. Jhdt. angehörig.
12. Paasdorf (BH. Mistelbach): Hl. Ägyd
Die Pfarrkirche von Paasdorf besteht aus einem einschiffigen, ursprünglich flach gedeckten Langhaus, einem zweijochigen Polygonchor mit 5/8-Schluß und einem vorgestellten achsialen Westturm. Während der Chor noch die Kreuzrippengewölbe aus der Zeit um 1400 zeigt, wurde das Langhaus 1663 wesentlich umgestaltet und mit einer Tannenwölbung versehen. Nach der Bauuntersuchung von A. KLAAR ist das Langhaus spätromanisch und in die 2. H. d. 13. Jhdts. zu datieren.
Der an drei Seiten freistehende Fassadenturm Zeigt im Westen keine Gliederung und keinen Eingang, sondern nur schmale gotische Lichtschlitze. Der achteckige Aufsatz dürfte barock sein. A. KLAAR bezeichnet den Westturm als früh- bis hochgotisch (3. V. 13. Jhdt.), DEHIO (1972) nimmt einen romanischen Kern an. Der Erhaltungszustand läßt keine nähere zeitliche Einordnung zu.
13. Petronell (BH. Bruck a. d. Leitha): Hl. Petronilla
Eine Pfarrkirche der Hl. Petronilla wird schon 1125 genannt, der bestehende Bau, eine Chorquadratkirche mit achsialem Fassadenturm, geht jedoch auf den Ministerialen Dietrich von Liechtenstein zurück, der sie um 1200 stiftete. Dem Quaderbau mit Lisenengliederung und profiliertem Rundbogenfries wurde im Süden des Langhauses Ende des 14. Jhdts. eine zweijochige kreuzrippengewölbte Seitenkapelle angebaut. Der Chor wird durch ein schweres Kreuzrippengewölbe und die Gliederung der Außenwand mit Lisenen und Dreiviertelsäulen, die Würfelkapitelle tragen, hervorgehoben. Der Innenraum des Langhauses, jetzt durch die barocke Tonne und Wandpfeiler bestimmt, war im Mittelalter flachgedeckt.
Der Westturm ist als an drei Seiten freistehender Fassadenturm ausgebildet und, wie die Lisenengliederung zeigt, mit dem Langhaus zeitgleich. Die oberen Geschosse wurden später errichtet. In der Turmhalle befindet sich ein barocker Stiegenaufgang auf die Orgelempore, das achsiale Eingangsportal in den Turm ist ebenfalls barock. Die Frage, ob der Westturm von Petronell ursprünglich als Vorhallenturm ausgebildet war, kann nicht mit Sicherheit beantwortet werden, jedoch sind die Durchgänge trotz der barocken Gewände äußerst schmal angelegt. Ein älteres Seitenportal konnte bis jetzt nicht gefunden werden. R. WAGNER-RIEGER (1961) setzt den Bau ins 12. Jhdt., doch spricht die Art der Wandgliederung des Außenbaus für das 13. Jhdt. A. KLAAR (1949) bezeichnet den Bau als romanisch.
14. St. Andrä a. d. Traisen (BH. St. Pölten) : Hl. Andreas
Vom mittelalterlichen Bau des ehemaligen Augustinerchorherrenstiftes, das um 1160 gegründet wurde, haben sich nur der Unterteil des Westturmes und Teile des Kreuzganges im Kern erhalten. Der übrige Bau, eine einheitliche Anlage von 1725 - 1729, wurde so umorientiert, daß der mittelalterliche Westturm westlich des barocken Chores steht.
Der Westturm, nach A. KLAAR (1957) in den unteren Geschossen romanisch, ist in den oberen Geschossen aus der Barockzeit. Er zählt nach A. KLAAR (1964) zu einer Gruppe von westlichen Oratoriumstürmen, wie sie z. B. in Gars/Thunau und an der Propsteikirche in Zwettl nachzuweisen sind. Nach F. EPPEL (1977) sind im Turm Reste von gekuppelten Rundbogenfenstern zu erkennen. Der Turm diente während der Türkenzeit als Zufluchtsort für die Bevölkerung. Soweit der Typus der romanischen Anlage noch zu erkennen ist, stand der Westturm ursprünglich als Fassadenturm ohne Eingang von außen an drei Seiten frei.
15. Schöngrabern (BH. Hollabrunn) : Maria Geburt
Dem spätromanischen Quaderbau der Pfarrkirche von Schöngrabern mit Saalraum, Chorquadrat und Apsis, wurde im 4. V. d. 18. Jhdts. eine spätbarocke Westfassade mit hohem Glockenturm vorgebaut. Die Datierung der mittelalterlichen Kirche hängt mit der für die Spätromanik in Österreich so wichtigen Apsidenplastik zusammen. Schon G. HEIDER (1855) hat die Kirche zwischen 1210 und 1230 datiert. R. K. DONIN (1913) nahm eine erste kunsthistorische Ableitung der Architektur vor und K. KÖSTLER (1951) und R. FEUCHTMÜLLER (1962 u. 1977) sind der Ansicht, daß der Baufortschritt von West nach Ost erfolgte. Die Westfassade ist ihrer Meinung nach wegen der sog. drei Apostelfiguren, die den strengen Stil um 1200 zeigen, ebenfalls in diese Zeit zu stellen.
über das ursprüngliche Aussehen der Kirche, insbesondere ob diese einen West- oder Ostturm hatte, herrschen kontroverse Auffassungen. Einer Notiz des Pfarrers P. Watzl um 1840 im Pfarrgedenkbuch nach, soll die Kirche einen Chorturm besessen haben, zumindest aber einen Dachreiter, da die mündl. Überlieferung von Glockenseilen vor dem Hochaltar berichtet. Die erhaltene Bausubstanz gibt keine Anhaltspunkte für einen Ostturm. R. FEUCHTMÜLLER (1962) , der vehementeste Gegner der Ostturm-Hypothese, führt als Gründe gegen einen Ostturm an, daß die Mauerstärke des Chorquadrats gegenüber dem Langhaus nur um 10 cm stärker sei und die Wände zusätzlich noch durch eine Doppelfenstergruppe mit darüberliegendem Rundfenster durchbrochen wären. Vergleiche mit anderen Ostturm-Kirchen im Waldviertel zeigen, daß hier die Mauerstärken oft bei 2 m liegen und die Doppelfenstergruppen lediglich an Westfassaden od. Querhäusern vorkommen, nie jedoch an den wehrhaften Osttürmen. Weniger überzeugend sind FEUCHTMÜLLERs weitere Einwände: Das Chorquadrat sei ohne Stiegenaufgang und der Grundriß des Chorquadrats sei im Osten über 0,5 m breiter als im Westen. K. KÖSTLER (1951) nimmt den Aufgang in den Ostturm über die romanische Westanlage (Empore) und das Dachgeschoß an. Als strukturanalytisches Argument fuhrt R. FEUCHTMÜLLER (1962) an, daß sich der Grad der Bauplastik zum Chor hin steigert bzw. auf den Chor hin ausgerichtet sei, so daß ein romanischer Ostturm diesen Eindruck stören wurde.
Einen Westturm nahm G. HEIDER (1855) an, den er als Vorgängerbau der spätbarocken Anlage sah. Die Westempore und die Kapitellfunde waren ihm unbekannt. R. K. DONIN (1913) argumentiert gegen einen Westturm, da seiner Meinung nach der Kirchentyp mit Ostturm, wie er im Waldviertel vorkommt, den Westturm nicht kennt und "der neue westliche Turm in romanischer Zeit keinen Vorgänger hatte". F. NOVOTNY (1937) konnte anläßlich der ersten großen Restaurierung die Ansatzspuren einer Westempore aufdecken, zu der F. NOVOTNY (1960) bei Grabungen ein Kapitell mit Basis fand. Er rekonstruiert daraus eine Westempore, die er als "Westwerk" bezeichnet und meint dazu: "Eine romanische Westempore in Schöngrabern hätte man sich als eine Art Verkleinerung des monumentalen Westwerks der St. Jakobskirche in Regensburg vorzustellen." Den Neubau des barocken Turmes und den Abbruch der Westwand datiert er um 1781 . Aus den drei "Apostelfiguren" und einem romanischen Löwen im Nö Landesmuseum rekonstruiert er ein figuriertes Westportal. Einen Westturm im engeren Sinn erwähnt NOVOTNY nicht, jedoch nimmt er an, daß der vermutete Ostturm beim Bau des barocken Westturms abgetragen wurde.
Zuletzt hat M. SCHWARZ (1979) erneut die Frage nach einem romanischen Westturm in Schöngrabern aufgegriffen. Er vergleicht die Kirche von Schöngrabern mit der Pfarrkirche von Petronell, die zeitgleich anzusetzen ist, und überträgt den dortigen Typus der Chorquadratkirche mit Westturm auf den erweiterten Kirchentypus mit Apside in Schöngrabern. Als Argument führt er die "fast gleichen Dimensionen in Langhaus und Chor" an. Desgleichen hätten beide Kirchen Westemporen gehabt, von denen die Kapitelle erhalten sind. Dem ist entgegenzuhalten, daß Schöngrabern einen anderen Typus vertritt und durch die zusätzliche Apside ein wesentlich größerer Bau ist. Die Ähnlichkeiten zwischen den beiden Kirchen sind nur oberflächlicher Natur. Man müßte sonst bei allen Chorquadratkirchen mit Apside einen Westturm annehmen, was jedoch durch den erhaltenen Denkmälerbestand widerlegt wird. Eine Untersuchung der Mauersubstanz anläßlich der letzten Restaurierung, bei der Suchschlitze in der nördl. Turmkammer angelegt wurden, gab keinen Hinweis auf einen romanischen Vorgängerturm; vgl. R. FEUCHTMÜLLER (1962).
In Schöngrabern ist demnach eine Empore mit aufwendiger Bauplastik zu rekonstruieren, eventuell auch ein Figurenportal, jedoch kein Westturm im Bereich der barocken Anlage. Auch der Ostturm bleibt fraglich. Eine endgültige Klärung der Turmfrage könnte nur ein Suchschnitt innerhalb der barocken Westturmanlage bringen, der zumindest die Fundamentgräben oder den Begehungshorizont des Westteils erbringen müßte.
16. Sieghartskirchen (BH. Tulln) : Hl. Margareta
Nach A. KLAAR (1944) besteht der mittelalterl. Kern der Pfarrkirche von Sieghartskirchen aus einem einschiffigen Saalraum des 13. Jhdts., der im 15. Jhdt. durch einen gleich breiten gotischen Langchor mit gedrungenem 5/8-Schluß und Strebepfeilern verlängert wurde. Im Westen befindet sich ein Fassadenturm mit einem spätromanischen vierfach abgetreppten Trichterportal, dessen Archivolten leicht spitzbogig sind. Dieser ursprünglich an drei Seiten freistehende Westturm wurde im Zuge des got. Chorbaus und der Umgestaltung des Langhauses in die Fassade einbezogen. Der heutige Innenraum-Eindruck wird hauptsächlich durch die Barockisierung von 1740 bestimmt. Aus dieser Zeit stammen auch die nördliche Kapelle und die südliche Sakristei.
Der Westturm öffnet sich in der Turmhalle zur Gänze ins Langhaus und wird von einer Stichkappentonne überwölbt. Ob die starke Öffnung der Turmhalle gegen das Langhaus dem ursprünglichen Konzept folgt, ist nicht mehr festzustellen. Das leicht spitzbogige Portal mit den leider schon stark verwitterten Basen und runden Wulstprofilen sowie den Hornendigungen wird von F. EPPEL (l977) um 1260, von DEHIO (1972) in die 2. H. d. 13. Jhdts. datiert.
17. Stillfried a. d. March (BH. Gänserndorf) : Hl. Georg
Die Pfarrkirche von Stillfried wird ausführlich im besonderen Teil behandelt. Der mittelalterliche Kern wurde 1669 stark umgebaut und läßt sich wie folgt gliedern:
a) Im Turm befindet sich der bandrippengewölbte Tiefraum, der als Karner verwendet wurde und als Sockel außen noch heute ca. 1 m über dem Boden sichtbar ist. Als Datierung kommt die Zeit ab der Mitte des 12. Jhdts. bis vor Errichtung des Turmerdgeschosses Ende 13./Anfang 14. Jhdt. in Betracht.
b) Ende 13./Anfang 14. Jhdt. wurde ein einschiffiger Saalraum mit Polygonchor und got. Westturm errichtet, wobei der romanische Tiefraum weiter in Verwendung stand. Das noch erhaltene erste Turmgeschoß zeigt ein Kreuzrippengewölbe mit schmalen Rippen und war ursprünglich freskiert. Die Fragmente des Freskos zeigen einen Erzengel Michael als Seelenwäger. Diese Ausstattung und eine kleine Sakramentsnische belegen die Verwendung dieses Turmteiles als Kapelle.
c) Zwischen Langhaus und Chor wurde um 1400 die zweijochige Südkapelle angebaut, die im 18. Jhdt. zu einer westlichen Marienkapelle und einer östlichen Sakristei umgestaltet wurde. In der Sakristei sind noch die gotischen Kreuzrippengewölbe und eine zweiteilige Sitznische erhalten.
d) Zerstörung der Kirche im 30jährigen Krieg und Umgestaltung zu einer barocken Wandpfeilerkirche ab 1669. Über dem Erdgeschoß des Turmes wurde der heute noch bestehende Westturm in Ziegel errichtet.
Der romanische Westturm war wie sein got. Nachfolger außen ungegliedert. Der got. Nachfolgerbau besitzt in der Turmkapelle erst seit dem 17. Jhdt. einen direkten Zugang auf die Orgelempore und ist von außen nur durch ein spitzbogiges Südportal zu betreten.
18. Thunau (BH. Horn): Hl. Gertrud von Nivelles
Die ehemalige Pfarrkirche von Gars am Kamp hat ein dreischiffiges, basilikal überhöhtes Langhaus mit Pfeilern und stammt aus der 2 . 8. d. 13. Jhdts. Nach R. WAGNER-RIEGER (1961) wurde um 1300, nach der ÖKT um die Mitte des 14. Jhdts. ein dreiapsidialer, im Grundriß gestaffelter Chor angebaut. Hier sind noch die originalen Kreuzrippengewölbe mit Schlußsteinen und eine zweiteilige Session erhalten. An der SO-Ecke des Langhauses errichtete man eine zweijochige, netzrippengewölbte Kapelle.
Der Westturm ist zur Ganze in das Mittelschiff eingezogen und erhebt sich über dem später aufgestockten Langhausdach wie ein Dachreiter. Im Grundriß ist er wesentlich schmäler als das Mittelschiff und zeigt an der sehr flächigen Fassade im Verputz deutliche Baufugen. Im Inneren gliedert sich der Turm in ein kreuzgratgewölbtes Untergeschoß, über dem zwei nur mehr im Ansatz erkennbare Gewölbe folgen. Den Abschluß bildet das romanische Glockengeschoß mit Biforenfenster in Höhe der heutigen Seitenschiffs-Dachfirste. Darüber setzt das dachreiterartige Glockengeschoß mit Kuppel aus der l. H. d. 18. Jhdts. an. H. TIETZE glaubt, daß der Turm ursprünglich weit über das flachgedeckte Langhaus emporragte. Fenster mit Steinrahmen an der Ost- u. Südseite des ersten Turmobergeschosses weisen darauf hin, daß der Turm vor Errichtung des Langhauses in der 2. H. d. 13. Jhdts. an drei Seiten freistand. Im zweiten Geschoß befindet sich ein vermauertes Rundbogenfenster gegen das Langhaus hin.
Der Turm der Pfarrkirche von Gars/Thunau wird nach A. KLAAR ( 1964) und F. EPPEL (1963 u. 1977) zur Gruppe der Westtürme mit herrschaftlichen Oratorien gerechnet. Schon R. PÜHRINGER (1931) hat auf das hohe Alter dieses Westturms hingewiesen und datiert ihn um 1140. A. KLAAR (1952) stellt ihn allgemein ins 12. Jhdt. über die Gestalt des zugehörigen Kirchenbaus ist nichts bekannt.
19. Zellerndorf (BH. Hollabrunn): Hll. Philipp u. Jakob
Die Pfarrkirche von Zellerndorf hat ein dreischiffiges, gestaffeltes Langhaus mit Achteckpfeilern und spitzbogigen Arkaden. Die Pfeiler tragen frühgot. Konsolen. Im westl. Seitenschiffsjoch ist ein spitzbogiges, reich profiliertes Südportal erhalten. Nach DEHIO (1972) stammt das Mittelschiff im Kern aus der Romanik und war ursprünglich flachgedeckt. A. KLAAR (1959) stellt das gesamte Langhaus bis auf die Außenmauern ins 14. Jhdt.
Der dreischiffige Chor wird durch einen vierjochigen, kreuzrippengewölbten Langchor mit 5/8-Schluß gebildet, der von zwei einjochigen Seitenchören flankiert wird. Die Birnstabrippen der Kreuzrippengewölbe im Hauptchor ruhen auf Hornkonsolen (um 1330) auf, die Nebenchöre sind aus dem 14. Jhdt. Eine Südkapelle ist an den Nebenchor angeschlossen und hat ein unterirdisches Karnergewölbe. Der gesamte Außenbau wurde kürzlich verputzt, so daß sich das Mauerwerk einer näheren Untersuchung entzieht.
Der Westturm, ein achsialer, ungegliederter Bau, steht unverputzt vor der Kirchenfassade und zeigt im Gegensatz zu DEHIO (1972) und F. EPPEL (1977) kein Quadermauerwerk, sondern ein lagerhaftes Bruchsteinmauerwerk mit Ortsteinen. Lediglich einige Lagen über dem zubetonierten Boden lassen grobes Quadermauerwerk erkennen. Desgleichen ist an der Südseite des Turmes, die niveaumäßig noch am wenigsten angehoben wurde, die Oberkante eines abgeschrägten Sockels zu erkennen. Die drei übereinanderliegenden Schlitzfenster und ein Maßwerk-Doppelfenster haben gotische Profilierung. Das Glockengeschoß ist barock. Die Turmhalle kann nur durch eine schmale, asymmetrisch liegende Tür unter der Orgelempore betreten werden und enthält eine Treppenanlage.
Der Gesamteindruck des Turmes ist bis auf den geschlossenen Typus eher der eines gotischen Turmes und nicht - wie DEHIO meint - der eines romanischen Westturms. Der Turm nimmt in seinen Abmessungen auf die Mittelschiffsbreite Rücksicht und wird von A. KLAAR (1959) zeitgleich mit den jüngeren Teilen der dreischiffigen Hallenkirche (14. Jhdt.) in Verbindung gebracht. Der Westturm dürfte daher der Hochgotik zuzuordnen sein. Ein älterer Vorgängerbau wäre angesichts der untersten Quaderlagen möglich.
20. Zwettl, Stadt (BH. Zwettl) : Hl. Johannes Ev.
Der Quaderbau der ehemaligen Propsteikirche bzw. Pfarrkirche von Zwettl besteht aus einem rechteckigen Saalraum mit abgesetztem Chorquadrat und eingezogener Halbkreisapside. Eine Pfarre wird bereits 1138 genannt; die ÖKT nimmt im 11 . Jhdt. bzw. um 1100 eine Kirche an. DEHIO (1972) setzt die Erbauungszeit mit Ende 11./ Anfang 12. Jhdt. an, G. SEEBACH um 1120.
In der Gotik wurde über dem Chorquadrat ein Ostturm aufgeführt, der innen Bruchsteinmauerwerk, außen jedoch barocke Ziegel zeigt. Der noch bei VISCHER (1672) wiedergegebene Aufbau wurde bei der durchgreifenden Barockisierung (Pilastergliederung und Wölbung im Langhaus) um 1718 bis auf die Höhe des Langhauses abgetragen. Im Zuge dieser Veränderungen wurden auch die romanische Apsis und das Langhaus wesentlich erhöht und große Halbrundfenster im Langhaus anstelle der hochliegender), kleinen romanischen Rundbogenfenster ausgebrochen.
Als eigener Anbau befindet sich südlich des Chorquadrates eine tiefliegende zweijochige Kapelle mit Kreuzrippengewölbe und gedrungenem Polygonchor, der noch romanische Trichterfenster zeigt. Diese Kapelle ist daher um 1300 zu datieren und nicht wie die ÖKT, DEHIO (1972) und F. EPPEL (1963) meinen ins 15. Jhdt. Auch A. KLAAR (1962) datiert die als typische Herrschaftskapelle angesprochene Anlage in die Frühgotik. Erst die freigelegten Fresken im Chor der Kapelle sind nach E. LANC (1983) um 1480 anzusetzen.
Der Westturm ist völlig in den Saalraum einbezogen und untrennbar mit einer im Barock stark veränderten Emporenanlage verbunden. Am Außenbau tritt er nur mit einem halben Geschoß dachreiterartig in Erscheinung, stand aber, wie die alten Giebelschrägen zeigen, um mehr als ein Geschoß frei, da das ursprünglich flachgedeckte Langhaus vor dem 18. Jhdt. wesentlich niedriger war. Der Grundriß des Erdgeschosses wird durch drei nahezu quadratische Joche gebildet. In das südliche wurde im Barock die Wendeltreppe auf die Orgelempore eingebaut. Vermutlich befand sich anstelle des heutigen barocken Westportals der romanische Vorgängerbau. Das erste Obergeschoß wird in seiner Erscheinung durch die Barockisierung bestimmt und übernimmt den dreiteiligen Aufbau des Erdgeschosses. Ein kleines Trichterfenster durchbricht die Westwand und zwei weitere im Norden und Süden des Langhauses beleuchten die Empore. Im nördl. Joch der Empore befindet sich ein vermauerter Hocheinstieg. In Höhe der Orgelempore wurden am Außenbau drei Kragsteine angebracht, die heute abgeschlagen sind und vermutlich den Unterbau einer Galerie bildeten, welche die gesamte Langhaus-Westfront einnahm. Ob diese Galerie bereits zum romanischen Bestand gehörte, bleibt unklar, jedoch ist der Hocheinstieg sicher alt. Nach G. SEEBACH wurden 1966 die Fundamente eines gedeckten (?) Ganges ergraben, der den Hocheinstieg mit der westl. Umfassungsmauer der Propstei verband. Diese Umfassungsmauer gehörte jedoch zum ursprünglichen Bestand der Kuenringerburg. Gegen das Langhaus zu öffnet sich die Empore in drei Arkaden mit Segmentbögen.
Das dritte Geschoß des Turmes besitzt ebenfalls einen Hocheinstieg in Achse der Fassade, der über ein Gewölbe in den Dachraum führt. An seinem unteren Ende ragt ein mächtiger Kragstein vor, dessen Funktion unklar bleibt. Es wäre möglich, daß dieser Kragstein eine gußerkerartige Konstruktion trug.
Es folgen noch zwei weitere Geschosse, wobei das heutige Glockengeschoß mit barocken Schallöffnungen nach der ÖKT an der Westseite die Reste eines romanischen Triforenfensters zeigen soll.
Die Westanlage der ehemaligen Pfarrkirche von Zwettl vertritt den Typus der herrschaftlichen Westoratorien, welcher nur im Zusammenhang mit der gesamten Burg-Kirchen- Anlage der ehemaligen Kuenringerburg verständlich wird Gemeinsam mit der Burg-Kirchen-Anlage von Gars/Thunau wird hier dieser Typus im 1 . V. d. 12. Jhdts. zum erstenmal faßbar. Die Eigenart der dreiteiligen Emporenanlage, die den Turm als Mittelteil einschließt, kann mit ungarischen und böhmischen Anlagen verglichen werden.
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studiolo 19.06.99 21:39