Katalog: ROMANISCHE WESTTURMKIRCHEN IN OBERÖSTERREICH

Rudolf Koch, Wien


1. Aspach (BH. Braunau) : Mariae Himmelfahrt

Anläßlich der Restaurierung von 1939 konnte R. PUCHNER (1939) die Dekanatspfarrkirche von Aspach einer eingehenden Baukernanalyse unterziehen. Den ältesten Baurest der 1067 erwähnten Pfarrkirche bildet ein Teil der Westfassade mit zwei strebepfeilerartigen Mauerteilen, zu denen auch noch die am Terrain vor der Westfront nach R. PUCHNER (1939) erkennbaren Fundamentreste eines Fassadenturms gehören. Ein Fundamentvorsprung in einer an der Südseite des heutigen Baus befindlichen Gruft gehört nach Meinung des Autors ebenfalls noch zum romanischen Bestand. W. BUCHOWIECKI (1950) konnte in den nördlichen Hochschiffmauern romanisches Quadermauerwerk feststellen.

R. PUCHNER (1939) rekonstruiert die romanische Kirche als dreischiffige, dreijochige Pfeilerbasilika mit gebundenem System und achsialem Fassadenturm, der als Vorhallenturm das heute nicht mehr erkennbare Westportal barg. Als östl. Abschluß nimmt er einen Dreiapsidenschluß, vielleicht mit einem eingeschobenen Chorquadrat an. R. PUCHNER zieht für die Datierung dieses Baus die urkundliche Nennung der Pfarre von 1067 bzw. die Übergabe der Pfarre an das Chorherrenstift St. Nikola bei Passau von 1074 heran und stellt den Bau in die 2. H. d. 11. Jhdts. K. GINHART (1941) setzt die Basilika im Dehio-Handbuch Ende des 13. Jhdts. an. W. BUCHOWIECKI (1950) macht stilistische Gründe (gebundenes System) gegen beide Datierungen geltend und hält eine Erbauungszeit im 12. Jhdt. für die wahrscheinlichste.

Mitte des 13. Jhdts. soll nach R. PUCHNER (1939) die Gruftkapelle, vermutlich ein Karner, errichtet worden sein, wobei er die Nennung des urkundlich nachweisbaren ersten Pfarrers "Soboto plebanus de Aspach" von 1254 heranzieht. Dann, in der 2. H. d. 14. Jhdts., wurde die Kirche zu einer vierjochigen dreischiffigen Basilika vergrößert, dem Mittelschiff ein Altarhaus angebaut, dem nördlichen Seitenschiff ein vorgezogener Abschluß gegeben, und die Südseite mit der Gruftanlage verbunden. Dabei mußte der romanische Bau bis auf die Westwand und den Westturm abgetragen werden. In der 2. H. d. 15. Jhdts. errichtete man das jetzige Presbyterium, das mit dem älteren Langhaus durch ein fünftes trapezförmiges Mittelschiffsjoch verbunden wurde. Weiters fügte man den hohen Südturm mit Sakristei in der Turmhalle an den Chor an und veränderte die Gruft. Der romanische Westturm wurde abgetragen. Von 1514 stammt die nördl. Annakapelle als Flankenbau des Chores und nach der ÖKT von 1520 die netzrippengewölbte nördl. Vorhalle mit dem Hauptportal. Die heutige Innenerscheinung wird von der Barockisierung im 17. u. 18. Jhdt. bestimmt.

Der Westturm, durch R. PUCHNER (1939) als romanischer Bau gesichert, wird in der zitierten Rekonstruktion mit hohem Sockel, Lisenengliederung mit Rundbogenfries und Biforenfenster wiedergegeben, was sicher, ebenso wie der Grundriß der romanischen Kirche mit gebundenem System, ohne konkrete Anhaltspunkte ist. Gesichert ist lediglich, daß die noch bestehenden Mauerreste an der Westfront zu einem Turm mit hohem Sockel gehören und mit einer mehrschiffigen Anlage verbunden waren. Die Frage nach einem Vorhallenturm muß offenbleiben, da die verputzte Westwand derzeit keine Bauuntersuchung ermöglicht. R. PUCHNER (1939) hat in Anlehnung an R. K. DONIN (1937) die Deutung des Westturms als symbolischen Wehrturm übernommen und interpretiert ihn als Wacht- und Kirchturm. Die Datierung des Turmes hängt vom zeitlichen Ansatz der romanischen Kirche ab, deren Typus nur auf einer Rekonstruktion basiert, jedoch dürfte eine Datierung ab dem 12. Jhdt. relevant sein.

 

2. Schalchen (BH. Braunau): Hl. Jakob d. Ä.

Die Kirche von Schalchen wird 1143 und 1212 als Pfarre angeführt. Das Pfarrecht wurde erst 1430 an Mattighofen übertragen. Der mittelalterliche Kernbau wird durch einen einschiffigen dreijochigen Saalraum mit nur leicht eingezogenem einjochigen Chor mit gedrücktem 5/8-Schluß gebildet. Der Innenraum ist heute durch die Barockisierung von 170O bis 1710 (Michael Vierthaler?) bestimmt. An der Südseite befindet sich im Westen eine kreuzgratgewölbte Vorhalle mit abgefastem Spitzbogen, die im Inneren ein Schulterbogenportal mit gekreuzten Stäben zeigt. Der einheitlich wirkende gotische Bau kann aufgrund des Portals und der barock verkleideten Wandpfeiler in die 2. H. d. 15. Jhdts. gesetzt werden.

Der Westturm, ein ungegliederter achsialer Fassadenturm, hat im Gegensatz zur Langhauswestwand keinen Sockel und ist nur vom Langhaus aus durch eine schmale Tür betretbar, die in die kreuzgratgewölbte Turmhalle führt. Am Außenbau sind schmale Schlitzfenster zu erkennen. Im zweiten Turmgeschoß verzeichnet die ÖKT ein vermauertes romanisches Biforenfenster. Das achteckige Glockengeschoß stammt erst aus dem 18. Jhdt. Der Westturm der Pfarrkirche von Schalchen ist wegen des Biforenfensters im Kern romanisch, das zugehörige Langhaus dürfte wegen des einschiffigen Nachfolgerbaus ebenfalls als Saalraum gestaltet gewesen sein.

 

3. St. Georgen im Attergau (BH. Vöcklabruck) : Hl. Georg

W. BUCHOWIECKI (1950) zählt die Pfarrkirche von St. Georgen zu den romanischen Westturmkirchen in Oberösterreich und meint, daß der Turm "mit der ungesicherten Jahreszahl 1114 versehen" sei und im wesentlichen noch romanischen Ursprungs sein könnte. Diese Ansicht wird auch von DEHIO (1977) vertreten, der die Jahreszahl mit "bez. 1114 ?" wiedergibt, den Turm jedoch gleichzeitig als spätgotisch bezeichnet. 1965 konnten anläßlich einer Restaurierung durch B. ULM und L. ECKHART Grabungen angestellt werden, die durch B. ULM (1973) publiziert wurden. Daraus ergibt sich nach Meinung des Autors folgende, nicht ganz geklärte Baugeschichte:

In einer ersten Baustufe wurde ein Chorquadrat, "das auch im Westen geschlossen gewesen zu sein scheint" errichtet. Dieser quadratische Bauteil von 5 x 5 bis 6 m innerer Lichte bei einer Mauerstärke von 1 m könnte nach B. ULM (1973) das Fundament eines Turmes gewesen sein. Den hypothetischen Turm vergleicht er mit einem "rätselhaften Turm" in der Ortschaft Walchen, der ein ca. 2 m tiefes Kellergeschoß birgt und an den Kirchturm von Lorch aus dem Frühmittelalter erinnert. B. ULM (1973) stellt daraus die Hypothese auf, daß in St. Georgen zunächst ein Friedhof des 6. Jhdts. mit einer Memorie bestand, die zum Altarraum einer hochmittelalterlichen Kirche ausgebaut wurde. Er stützt seine Turmhypothese durch die in Urkunden genannte Verlegung der Hofmark der Bamberger Bischöfe von Atterhofen nach St. Georgen im Jahre 1264. In einer Urkunde heißt es, daß bei Gefahr am Gerichtstag die Kirche und der Turm geöffnet werden sollen. Da aber der jetzige Westturm der Kirche, wie weiter unten angeführt, nach B. ULM (1973) erst ab der Mitte des 15. Jhdts. zu datieren ist, kann damit nur ein älterer Turm gemeint sein. Der Autor denkt an den Turm des Chorquadrats. Die gesamte Argumentation wirkt konstruiert, insbesondere weil B. ULM sich mit einer Datierung für den vermuteten (Ost-?) Turm nicht festlegt (Memorie des 6. Jhdts. oder hochmittelalterlicher Sakralbau). Weiters widerspricht er seinem einzigen Vergleichsbeispiel, dem Turm von Walchen, indem er meint: "Es muß zugegeben werden, daß mit der Heranziehung des Turmes von Walchen nichts gewonnen worden ist."

Die Urkunde von 1264 spricht auch davon, daß die Kirche als Gerichtsort dienen sollte, wofür ein Ostturm sicher nicht geeignet wäre, wohl aber Westanlagen, wie z. B. die Westanlage des Schottenstifts in Wien. Von Seiten der Archäologie ist wegen des publizierten Befundes und seiner widersprüchlichen Deutung keine Klärung zu erwarten.

Es folgen nach B. ULM (1973) eine zweite und dritte Baustufe, die einen rechteckigen Saalraum an das Chorquadrat nach Abbruch der Westwand anfügten. Der Autor ist sich dabei über die zeitliche Abfolge der beiden Bauphasen nicht im klaren.

Soweit es der publizierte Grabungsbefund zuläßt, kann meiner Meinung nach lediglich eine romanische Chorquadratkirche als Vorgängerbau der heutigen Kirche festgestellt werden. Das stark aus der Langhausflucht gedrehte Chorquadrat mit anderer Mauertechnik läßt darauf schließen, daß diese Kirche bereits einen Vorgängerbau gleichen Typs hatte, der aber wegen der barocken Störungen (Gräber) und der Schnittführung nur im Osten erfaßt wurde. Ein Turm ist bei diesem Bau nicht nachweisbar. Ein bei Renovierungsarbeiten aufgefundenes Reliquiengefäß mit Knochenklein kann laut mündlicher Mitteilung von S. FELGENHAUER Mitte des 11. oder ins 12. Jhdt. datiert werden. Als Altarreliquie kann das Gefäß für eine Datierung der Chorquadratkirche in Erwägung gezogen werden.

Der gotische Neubau stellt eine zweischiffige fünfjochige netzrippengewölbte Hallenkirche mit dreijochigem netzrippengewölbtem Langchor dar. Der Chor ist wegen eines Wappenschlußsteines (Johannes von Ulrichshausen) zwischen 1435 bis 1460 zu datieren und nach B. ULM (1973) an ein schmäleres Langhaus angebaut worden. 1480 erfolgte die Errichtung des spätgotischen Langhauses.

Eine Untersuchung am Dachboden durch B. ULM ergab, daß der Turm einheitlich als Quaderbau von Grund auf Mitte des 15. Jhdts. errichtet worden war und bis zum Neubau des got. Langhauses freistand. Die umlaufenden Kaffgesimse sind nach Beobachtung des Autors auch an der Ostseite am Dachboden zu sehen. Erst 1480 wurde der Turm durch eine querliegende Vorhalle, welche ein Hälfte der Westempore trägt, an das Langhaus angeschlossen. Die Datierung des Turmes in die Mitte des 15. Jhdts. wird bei B. ULM nicht begründet. Der einheitliche Aufbau bis zum barocken Glockengeschoß und die Tatsache, daß der Turm ursprünglich vor der Kirche freistand, gibt keinerlei Anhaltspunkte für eine solche Datierung. Die von W. BUCHOWIECKI (1950) überlieferte Jahreszahl von 1114 ist nicht gesichert. Der Typus des geschlossenen Turmes mit Schlitzfenstern und umlaufendem Sockel könnte auch ins ausgehende 13. Jhdt. datiert werden. Damit wäre eine Lösung für die Turmfrage, die durch die Urkunde von 1264 aufgeworfen wird, gefunden. Falls dies zutrifft, wäre der Turm bei St. Georgen im Attergau in die Reihe der freistehenden hoch- bis spätmittelalterlichen Stadttürme, wie z. B. in Villach und Hartberg, einzugliedern. St. Georgen besaß im Mittelalter zwar nicht das Stadtrecht, jedoch wird es als Gerichtsort und Sitz der Hofmark der Bamberger Bischöfe genannt und hat somit eine höhere Stellung.

 

4. Suben (BH. Schärding): Hl. Augustin

Die Kirche des ehemaligen Augustiner-Chorherrenstiftes, heute Pfarrkirche, wurde bis auf den Westteil als barocker Neubau zwischen 1766 und 1770 errichtet. Der mächtige Westturm, ein quadratischer Quaderbau mit zweigeschossigem achteckigen Glockengeschoß aus dem 17. Jhdt., zeigt am Außenbau einen verputzten romanischen Rundbogenfries und darunter eine Glockenstube mit je drei Rundbogenfenstern. Der sonst ungegliederte Außenbau wird von Schlitzfenstern durchbrochen. Das niedrige Erdgeschoß des Turmes mit gratigem Kreuzgewölbe hat gegen das Langhaus zu abgefaste Pfosten eines Portals, dessen obere Fortsetzung im ersten Obergeschoß festzustellen ist. Dieser Raum wird durch kräftige, gekehlte Diagonalrippen gewölbt, die nahezu halbkreisförmig angelegt sind. Die Schildbögen weisen leicht spitzbogige Form auf. Die Abdrücke der Schalungsbretter des Gewölbes sind noch zu erkennen. Aus dem Baubefund geht hervor, daß Eingangshalle und erstes Obergeschoß ursprünglich einen Raum bildeten. Das heute zweite Obergeschoß hatte vor der Veränderung durch ovale Stukkmedaillons in der l. H. d. 17. Jhdts. ebenfalls ein Kreuzgewölbe, wie die Reste diagonal gestellter Steinkonsolen in den Ecken belegen. An der Wand - gegen die Kirche zu - sind zwei mächtige, gekehlte Konsolsteine zu erkennen. Nach der ÖKT befand sich unter dem linken Konsolstein eine romanische Säule, die heute im Schärdinger Museum verwahrt wird. Eine bogenförmige, später mit Ziegeln vermauerte Öffnung führt ins Langhaus. E. SIEGRIS (1927) hat in der ÖKT einen Rekonstruktionsvorschlag eingebracht, der das zweite Obergeschoß des Turmes gegen Osten zu mit einer Dreisäulenstellung, die ein zweiteiliges Fenster freiläßt, zeigt, und interpretiert das zweite Geschoß als ehemalige romanische Westempore über einer hohen Vorhalle. Die übrigen Geschosse werden durch den Turmschacht gebildet.

Die Datierung des Westturms von Suben, der offensichtlich als Vorhallenturm mit darüberliegender Empore zu denken ist, hängt vom romanischen Säulenfund ab. Die Säule hat eine attische Basis mit Eckknollen, einen nahezu zylindrischen, kurzen Schaft und ein Kapitell, das an den Eckblättern zwei menschliche Köpfe, ein Schneckenhaus und eine Weintraube zeigt. Die Säule wird um 1135 datiert. Eine got. Grabplatte der Stifterin Tuto um 1425 zeigt ein romanisierendes Kirchenmodell mit Westturm, das gewisse Anklänge an die romanische Kirche, demnach eine Basilika mit Dreiapsidenschluß, haben könnte. Auch die Proportionen des barocken Neubaus lassen auf die Verwendung älterer Mauern eines dreischiffigen Baus schließen. Mit dem Gründungsbau um 1084 dürfte das Stiftermodell jedoch nichts zu tun haben, wohl aber mit der noch im 15. Jhdt. bestehenden romanischen Kirche, die auf die Umwandlung des Stiftes um 1146 durch den Enkel Bischof Altmanns von Trient in ein Augustiner-Chorherrenstift zurückgeht. Die Datierung der Emporensäule mit 1135 ist zweifellos zu eng gesehen sie gehörte aber sicher zum Gesamtkonzept der ersten Hälfte des 12. Jhdts.


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© studiolo 19.06.99 21:39