Die Geschichte des Direktantriebs begann 1929, als
sich die Firma Thorens den Direktantrieb für Grammophone patentieren ließ. Es sollten
jedoch noch 40 Jahre vergehen, bis direktangetriebene Plattenspieler Ihren Siegeszug
in Plattenstudios, Radiostationen und ins Heim anspruchsvoller Musikliebhaber beginnen
sollten. Eigentlich beginnt die Geschichte des direktangetriebenen
Plattenspielers mit der Vorstellung des National/Technics SP-10Mk1 im Jahre 1969.
Die Anfänge
Die Anfänge des Direktantriebs sind eng verknüpft mit dem Namen National/Technics und den
Anforderungen an Plattenspieler von Rundfunkanstalten.
Ende der 60er Jahre taten in beinahe jeder Rundfunkanstalt der Welt Plattenspieler der
Marke EMT ihren Dienst. Der EMT 930 erfüllte die Anforderungen der Rundfunkanstalten nach schnellem
Hochlaufen und guter Plattenabtastung mit dem sogenannten Reibradantrieb. Der Motor trieb
ein Gummireibrad, welches wiederum einen Innenteller antrieb. Durch Koppelung eines leichten
Aussentellers mit dem schweren Innenteller wurde ein extrem schnelles Erreichen der
gewünschten Nenndrehzahl erreicht, eine hohe Laufruhe wurde durch die schiere Masse des
Innentellers sichergestellt.
Nachteile dieser Lösung waren die Vielzahl beweglicher Teile und Lager, welche alle mehr oder
weniger resonierten und der unvermeidliche Verschleiß der mechanischen Teile im vom Rundfunk
geforderten Dauerbetrieb.
Im Bestreben die Plattenabtastung zu verbessern, erkannten die Ingenieure bei Technics,
daß eine weitere Verbesserung nur erreicht werden konnte, wenn man die Anzahl der beweglichen
Teile eines Plattenspielers drastisch verringerte. Damit einherging eine Verringerung der
verschleißanfälligen mechanischen Teile und nicht zuletzt eine Verbilligung des Plattenspielers.
Ähnliche Überlegugen stellten zu dieser Zeit nicht nur Ingenieure in Japan an.
Bei Thorens in Lahr wurde 1968 der TD-125 vorgestellt.
Dieser sehr einfach aufgebaute Riemenläufer verringerte gegenüber seinem Vorgänger, dem TD-124,
ein Plattenspieler für den Heimgebrauch mit kombinierten Reibrad-/Riemenantrieb
die Anzahl der beweglichen Teile um drei Viertel. Bereits der TD-125 arbeitete mit einer
elektronischen Motorsteuerung, um einen maximalen Plattentellergleichlauf zu erzielen.
Für den professionellen Einsatz war der Riemenantrieb jedoch aufgrund des unvermeidlichen Schlupfs
zwischen Antriebs-Pully und Gummiriemen ungeeignet - die Hochlaufzeit war einfach zu hoch.
Die Lösung der Japaner sah radikaler aus. Mit dem Aufkommen kräftiger, langsam laufender Gleichstrommotoren
und der Verbilligung von mit Halbleitern realisierten Regelverstärkern eröffneten sich Ihnen
ganz neue Möglichkeiten: Wenn die Motorachse identisch mit der Tellerachse wäre, hätte man nur
noch 1 bewegliches Teil im Gesamtsystem, das zusätzlich sehr langsam lief und ein hohes
Trägheitsmoment besaß - mechanisch käme eine solche Lösung dem Ideal schon sehr nahe.
Da jedoch kein Motor völlig ruckfrei läuft (ein Motor "springt" im Grunde von Motorpol zu Motorpol),
mußte der Antrieb elektronisch geregelt werden. Zu diesem Zweck wurde ein elektronisches
Referenzsignal erzeugt, welches mit dem Signal einer Tachometerscheibe auf der Unterseite des
Tellers verglichen und dessen Differenz der Motorregelung zugeführt wurde. Auf diese Weise erreichte der Technics
SP-10 zusammen mit einem schweren Teller sehr gute Laufeigenschaften. Zudem sorgte diese Art der
Motorsteuerung zusammen mit dem sehr drehmomentstarken DC-Motor für ein extrem schnelles Erreichen
der gewünschten Tellerdrehzahl.
Der Direktantrieb war geboren. 1969 wurde der Technics SP-10 vorgestellt und war ein sofortiger
Erfolg. Rundfunkstationen in der ganzen Welt setzten fortan auf diesen Plattenspieler. Wenig
später schon wurde von Sony das Modell 2250 als Antwort auf den SP-10 vorgestellt und Anfang der
70er Jahre zogen Firmen wie Nippon Columbia (Denon), Victor (JVC), Pioneer, Sansui nach.
Direktantrieb zu Hause
Die japanischen Ingenieure hatten aber noch weitere Aspekte im Hinterkopf. Ende der 60er begannen
weltweit immer mehr Musikliebhaber auch zu Hause hochwertige Stereoanlagen aufzustellen. Das
Marktsegment "Unterhaltungselektronik" begann geradezu zu explodieren. Mit der Verringerung
der teuren und schweren mechanischen Teile innerhalb eines Plattenspielers erhofften sich die
japanischen Firmen eine Verringerung der Produktionskosten für hochwertige Plattenspieler.
Waren bis dahin Firmen wie Thorens, Dual und Garrard nahezu ohne Konkurrenz, ermöglichte es der
Direktantrieb japanischen Firmen gleichwertige Plattenspieler bei vergleichsweise geringen
Produktions- und nicht zuletzt Transportkosten anzubieten.
Naturgemäß war es auch hier Technics, die mit dem Modell SL-110 hier die Vorreiterrolle spielten,
jedoch hatten Mitte der 70er Jahre alle japanischen Firmen Direktantriebler im Angebot. Nur
die billigsten Einsteigermodelle waren damals noch mit Riemenantrieb ausgestattet.
Die Perfektionierung
Die von Technics entwickelte Motorsteuerung war zwar nicht schlecht, hatte jedoch auch ihre
Probleme. Durch die Tachometersteuerung erfolgte eine Korrektur ja erst, wenn bereits eine
- wenn auch geringe - Abweichung gegenüber dder Nenndrehzahl bereits aufgetreten war. Zudem
zeigte sich, daß die Sauberkeit der Referenzspannung essentiell für das Funktionieren des Systems
war.
EMT mußte auf den SP-10 reagieren und man tat es auf die typische von EMT gewohnte kompromißlose
Art und Weise. 1976 wurde die Plattenabspielmaschine 950 zum Preis von damals 8299,- DM
vorgestellt. EMT hatte den ultimativen Rundfunkplattenspieler entwickelt, Features wie Rückwärtslauf
leichte Bedienung und eine kompromißlos stabile Bauweise brachten EMT in ihr angestammtes Terrain zurück.
Der 950 und später auch der kompaktere 948 war der legitime Nachfolger des 930 und fand überall
in der professionellen Welt Verwendung.
Es handelte sich ebenfalls um einen direktangetriebenen Plattenspieler mit Tachometersteuerung, jedoch
wurde die Referenzspannung mittels Hallgenerator erzeugt und war auf diese Weise nahezu unabhängig
von äußeren Einflüssen wie Temperatur oder Schwankungen des Stromnetzes.
Nippon/Columbia, unter dem Markennamen Denon Japans Rundfunkausstatter Nummer eins, setzte mit der DP-Serie dagegen. Bei
diesen Direktläufern wurde das Differenzsignal durch Abtastung eines Magnetrings unterhalb des Plattentellers
durch einen Tonkopf abgetastet. Dadurch erreichten die Denon-Ingenieure, daß die zunächst weiterhin FG-Servo gesteuerte
Motorsteuerung kontinuierlich die Geschwindigkeit regeln konnte, bevor überhaupt eine nennenswerte Abweichung
von der Nenndrehzahl auftrat.
Andere japanische Hersteller optimierten die Motorregelelektronik durch Vorstellung der PLL (Phase-
Locked-Loop) Schaltung, bei der schon bei geringsten Phasenänderungen des Plattentellers gegenüber der
Referenz die Regelung ansprach und so nur eine ganz geringe und zudem konstante Phasendifferenz
zwischen Plattenteller und Referenz blieb. Letztendlich entschied bei kompromißloser Realisierung
nur noch die Güte des Referenzsignals über den Plattentellerlauf. Mit dieser Einsicht war es
nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die ersten Firmen die Eigenschaften von Quartzen bedienten,
um "quartzgenaue Referenzsignale" zu erzeugen.
Alle diese Plattenspieler aus der Mitte bis Ende der 70er zeichnen sich durch weit verbesserte Laufeigenschaften
gegenüber ihren Vätern aus. Die Top-Laufwerke dieser Zeit von Technics, Denon, Sony, JVC, Kenwood, Pioneer
sind klanglich auch heute noch durchaus aktuell.
Die Krönung und das Ende
Ende der 70er Jahre war die japanische HiFi-Industrie in einer einmaligen Lage. Der weltweite
Markt war erobert, der Yen stand tief und eine riesige Anzahl hochqualifizierter Ingenieure
brachte immer neue Innovationen aus den Labors. Nachdem der Markt mit hochwertigen Plattenspielern
gesättigt war und die Einführung der Compact-Disc unmittelbar bevorstand, präsentierten nahezu
alle japanischen Hersteller Ende der 70er Jahre Flaggschiffe, die sich durch verschwenderischen
Materialeinsatz, excellenter Fertigungsqualität und innovative Ideen auszeichneten.
Plattenspieler, wie der Sony PS-X9, der Kenwood L-07D, der Technics SP-10Mk2 oder der Denon DP-100
markierten das Ende einer Evolution mit nicht mehr messbaren Werten für Gleichlauf und Rumpel-
Fremdspannungsabstand sowie einer Audioqualität,
die selbst heute, 20 Jahre später, noch voll überzeugen kann. Diese Plattenspieler waren
immer Imageträger für ihre Firmen, es waren Modelle, bei denen Entwicklungs- und Fertigungs-
kosten kaum eine Rolle spielten, ihre Produktion wurde mehr oder weniger von den zahllosen
Mittelklassemodellen subventioniert.
1982 läutete die CD die Götterdämmerung der Direktläufer ein.
Alle japanischen Firmen bündelten ihre Entwicklungskapazitäten fortan im Bereich
der Digitaltechnik, der professionelle Markt schwenkte sofort auf das neue Medium um.
Die Verteuerung der Arbeitskosten und der Kursgewinn des Yen Anfang der 80er Jahre läutete das
Ende der großen japanischen Ingenieursleistungen ein von nun an hatten die "Cost-Cutters" das
Sagen. Die Ende der 70er entwickelten Analog-Schlachtschiffe fielen diesem neuen Kostendenken
als erstes zum Opfer. Wie Dinosaurier waren Sie im Rahmen Ihrer Evolution immer größer, aufwendiger
und schwerer geworden und die CD bedeutete für Sie das Ende.
Ende der 80er Jahre bediente lediglich Technics den professionellen Markt mit dem SP-10Mk2,
Hersteller wie EMT und Denon hatten die Fertigung professioneller Direktläufer aufgegeben.
Der Consumer-Markt wurde nur noch mit billigsten Plastikkisten bedient. Kleinere Firmen wie
Luxman oder Micro-Seiki waren gezwungen, ihre Top-Modelle mangels Zulieferer auf Riemenantrieb
umstellen, lediglich der schweizer Hersteller Goldmund verblüffte Mitte der 80er die Fachwelt mit
seinen ebenfalls direktangetriebenen Schlachtschiffen, welche jedoch in Preisregionen lagen, die
für die meisten Audiophilen etwas zu hoch lagen.
Renaissance des Direktantriebs in den 90ern
Mit der Erfindung eines neuen Musikstils, des Rap, wurden Direktläufer, wie der Technics SL-1200Mk2
wieder populär. Diesmal dienten Sie DJ's als regelrechte Musikinstrumente. Die einschlägigen
Techniken wie Scratching und Spinning erforderten starke Motoren und robuste Regelungen. Man
sollte dies nie mit einem Linn LP-12 ausprobieren...
Technics reagierte und präsentierte für den DJ-Markt eine Neuauflage des Technics SL-1200, der
jedoch die Qualitäten des Vorgängers bei weitem nicht erreichte, ebenso wie die zahllosen Nachbauten
von Firmen wie Omnitronics, Vestax und anderen.
Auf dem Heimsektor war der Direktantrieb tot, Kleinseriengeräte wie der Goldmund Reference
bewiesen zwar, daß es sich um das überlegene Antriebskonzept handelte, doch war die Herstellung
eines Direktläufers in Kleinserie für kleinere Firmen unrentabel (Der angesprochene Goldmund kostete
bei seinem Erscheinen Ende der 80er Jahre über 18000,- Euro!).
Mitte der 90er begannen jedoch viele Enthusiasten die Vorzüge von Direktläufern wiederzuentdecken.
Billig gekauft bei Auflösungen von Radiostationen oder von Privatleuten, die auf die vermeintlichen
Vorzüge der CD hereinfielen, waren viele Enthusiasten überrascht, wie gut diese Dinosaurier klangen,
wenn man sie in entsprechende Zargen einbaute und mit modernen Tonarmen und -abnehmern kombinierte.
DirectDrive heute
Die Zeiten, in denen man einen Denon DP-2000 für 200,- Euro kaufen konnte, sind vorbei. Die
Radiostationen haben den Großteil Ihres Analog-Archivs auf Rechnern gespeichert oder auf CD's
überspielt. Plattenspieler sind nur noch äußerst selten im Einsatz. Während der großen
Aussonderungswelle Anfang der 90er war es nicht selten einen EMT948 für unter 500,- Euro zu
bekommen. Technics SP-10er erhielt man an nahezu jeder Ecke für 200,- Euros.
Heute explodieren die Preise. Für viele guterhaltene Geräte wird mittlerweile der Neupreis
gefordert, EMT's gelten aufgrund der hohen Nachfrage in (Ironie des Schicksals) Japan geradezu
als Kapitalanlage. Auch ist das Angebot klein geworden. Viele Direktläufer fielen Defekten
zum Opfer und landeten auf dem Müll der Geschichte. Ersatzteile sind lediglich für EMT's noch
in begrenztem Umfang vorhanden. Auch scheinen sich viele Leute, die sich seinerzeit beim
Erscheinen dieser Geräte, diese nicht leisten konnten, jetzt 20 Jahre später,
ihren Jugendtraum erfüllen zu wollen. Gerade Geräte mit markanter Optik, wie ein Micro Seiki
DQX-1000, werden zu hohen Preisen gehandelt.
An Einbaulaufwerken, wie dem Technics SP-10 ging diese Entwicklung nicht vorbei, aber nach wie
vor scheuen viele Enthusiasten die Anfertigung einer geeigneten Zarge und so sind gute Modelle
für etwa 500,- Euro erhältlich. Damit ist der Technics SP-10 zur Zeit die wohl günstigste
Möglichkeit ein Top-Analog-Frontend aufzubauen.
Die großen Luxus-Laufwerke, wie Nakamichi und Goldmund werden ebenfalls nicht mehr billiger. Nach
wie vor existiert hier auf dem Markt nichts Gleichwertiges.
Aber - wenn man nur lange genug sucht, bin ich sicher daß man auch heute noch irgendwann seinen
Traum findet, es gibt sie noch, diese wundervollen direktabgetriebenen Plattenspieler.