Sabine Gröbner

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Handyphobia
GPM 5/01 Bürger protestieren, Forscher streiten — gefährdet der Mobilfunk die Gesundheit? Eine verbesserte Vorsorge soll mögliche Risiken verringern



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Von Wolfgang Hassenstein und Susanne Saenger (Illustrationen)

Die gute Nachricht: Trotz intensiver Forschung gibt es bislang keinen Beweis, dass Handys oder Mobilfunksender krank machen. Weder experimentell noch epidemiologisch, also durch die statistische Auswertung von Patientendaten, konnten Mediziner Gesundheitsschäden durch elektromagnetische Strahlen in Feldstärken und Frequenzen, wie sie beim Mobilfunk auftreten, nachweisen. Die schlechte Nachricht: Immer wieder gibt es ernst zu nehmende Hinweise, dass die Strahlen zumindest Vieltelefonierer doch gefährden könnten.


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Solche feinen Unterscheidungen sind nötig, um die erregte Debatte um Mobilfunk-Strahlen zu verstehen. Denn unbestritten ist nur die rasante Geschwindigkeit, mit der Handys binnen weniger Jahre unseren Alltag verändert haben. Schon 50 Millionen Mobiltelefone gibt es in Deutschland; in zwei Jahren wird "statistisch gesehen" jeder eins haben.


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Mit dem anstehenden Ausbau des UMTS-Netzes verdoppelt sich die Zahl der Sendeanlagen in den nächsten Jahren vorübergehend auf etwa 100.000, bis die alten Netze abgelöst sind. Doch vor allem in Süddeutschland wehren sich Anwohner gegen die "Verstrahlung" ihrer Nachbarschaft, und die Website der Anti-Elektrosmog- Initiative "Bürgerwelle" meldet 200.000 Besucher monatlich. Nun will die Bundesregierung die Bevölkerung besser vor "möglichen gesundheitlichen Gefährdungen" schützen und kündigt an, die Forschungsmittel jährlich zu verdoppeln – 8,5 Millionen Euro stehen bis 2005 zur Verfügung.


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Zwar suchen weltweit bereits tausende Mediziner nach Auswirkungen des Mobilfunks. Doch erst kürzlich befand das Öko-Institut in Darmstadt, es gebe "gesicherte Erkenntnisse nur in sehr eingeschränktem Umfang". Zudem ziehe sich durch das Forschungsgebiet "die Problematik, dass durch ein Forscherteam gefundene Effekte durch andere Forschungsteams nicht verifiziert werden können". Wiederholten Forscher also Versuche von Kollegen, die negative Handy-Einflüsse gefunden hatten, kamen sie stets zu anderen Ergebnissen. Einig ist sich die Fachwelt nur über eine thermische Wirkung von Handy-Strahlen: Wie ein Mikrowellenherd erwärmen sie in unmittelbarer Nähe das Körpergewebe. Dagegen fehlt für einen "nicht thermischen" Effekt schwacher elektromagnetischer Felder außer Beweisen auch eine schlüssige Wirkungstheorie.


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Um zu prüfen, ob die geltenden Grenzwerte für Sendeanlagen ausreichen, sichteten neben den Darmstädter Gutachtern drei weitere Institute im Auftrag der T-Mobil, des größten deutschen Mobilfunkanbieters, die Fachliteratur. Doch die vier "Metastudien" kamen zu verwirrend unterschiedlichen Urteilen. Entwarnung gibt Jiri Silny vom "Forschungszentrum für elektromagnetische Unverträglichkeit" in Aachen: "Trotz mehrfacher Versuche ist es nicht gelungen, schädliche Wirkungen von Feldstärken zu reproduzieren, denen Handybenutzer ausgesetzt sind. Eine Wirkung der 1000- bis 10.000-mal schwächeren Felder der Basisstationen ist daher unwahrscheinlich."


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Roland Glaser von der Berliner Humboldt-Universität sieht dagegen "einige wenige ernst zu nehmende Befunde an Probanden, die auf &Mac226;Effekte‘ an Menschen in einem Dosisbereich unterhalb der Grenzwerte hinweisen". Auch wenn beobachtete Hirnstrom- und Hormonveränderungen in der Größe alltäglicher Reaktionen auf Lichtreize oder Geräusche lägen, wiesen sie doch, "falls sie sich als reproduzierbar bestätigen ließen, auf bisher unbekannte Wechselwirkungen der Felder mit dem biologischen System hin." Folgerung: Forschungs-, aber kein politischer Handlungsbedarf.


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Am unbequemsten fällt das Urteil des privaten "Ecolog-Instituts" in Hannover aus. Zwar sieht auch der Gutachter Peter Neitzke, dass für Mobilfunk-Risiken "klassische medizinische Beweise" fehlen. Doch seien die Hinweise "so ernst zu nehmen, dass vorsorglich die Grenzwerte gesenkt werden müssen." Die – unbewiesenen – Nebenwirkungen des mobilen Telefonierens lesen sich wie der Beipackzettel eines Hammer-Medikaments: Stressreaktionen, beeinträchtigte Hirnfunktionen, Schlafstörungen, eine erhöhte Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke, Immunschwäche und gentoxische Effekte. Laut Neitzke bestätigt eine epidemiologische Studie jetzt auch eine Krebs fördernde Wirkung der Handystrahlen: Der Schwede Lennart Hardell stellte kürzlich zumindest für Nutzer des ersten, analogen Mobilfunknetzes ein signifikant erhöhtes Hirntumor-Risiko fest. "Die Ergebnisse sind bemerkenswert", sagt Neitzke, "weil Handys in Schweden viel früher verbreitet waren als bei uns."


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Kurz zuvor hatten allerdings eine dänische und zwei US-Studien keine Hinweise auf eine Zunahme von Hirntumoren gefunden, und die meisten Mediziner halten Warnungen für verfrüht. Klarheit soll eine bis 2003 laufende Langzeit-Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bringen. "Man wird kaum ein zweites Rauchen‘ finden", sagt Joachim Schüz, Krebs-Epidemiologe von der an der Studie beteiligten Mainzer Universität, "aber bei der riesigen Zahl der Handynutzer könnte selbst ein geringfügig erhöhtes Risiko große Folgen haben." Ähnlich sieht es Olaf Schulz, Biologe am Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). "Zwar sind die Gesundheitsrisiken, wenn überhaupt vorhanden, wahrscheinlich klein – für jeden einzelnen besteht also kein Grund zur Panik", sagt er, "doch die Hinweise sind Grund genug, mehr Vorsorge zu fordern."


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Eine Einschätzung, die immer mehr Fachleute teilen. Schon aus wissenschaftstheoretischen Gründen wird sich nie der endgültige Beweis erbringen lassen, dass ein bestimmter Einfluss – wie Elektrosmog – keinerlei schädliche Wirkung hat. So setzt sich unter Politikern und Mobilfunkfirmen die Einsicht durch, dass sie, trotz aller Unklarheiten, die Sorgen der Menschen ernst nehmen müssen. Zwar wird sich das Ecolog-Institut mit seiner Forderung nach generell gesenkten Grenzwerten kaum durchsetzen. Doch für Zonen um Schulen und Krankenhäuser könnte, nach Schweizer Vorbild, ein um den Faktor 10 gesenkter Vorsorgewert kommen. Zudem strebt das Umweltministerium an, die Netzplanung offen zu legen und den Kommunen Mitspracherechte beim Bau neuer Sender einzuräumen.


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Medizinisch wichtiger ist die – allerdings nur begrenzt mögliche – Reduzierung der Strahlung der Handys selbst. Das Umweltministerium will nur solche Geräte als "strahlungsarm" gelten lassen, die unter einem Viertel des derzeit empfohlenen Wertes bleiben (siehe Kasten). Ab Herbst wollen die Hersteller die Emissionswerte öffentlich machen. Wolfram König, Präsident des BfS, plädiert dafür, sie auf den Geräten selbst anzugeben und zudem Kinder, gegenüber denen eine besondere Vorsorgepflicht bestehe, nur in Notfällen mobil telefonieren zu lassen. Als Vorsichtsmaßnahme empfiehlt er, "generell Telefonate mit dem Handy möglichst kurz zu halten".


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Wer die eigene Strahlendosis weiter verringern will, sollte das Handy so oft wie möglich ausschalten und das Festnetz nutzen (und zwar das gute alte Schnurtelefon), ein Headset verwenden (dass es die Strahlen-belastung noch erhöht, hat sich nicht bestätigt) und nicht im Auto telefonieren (nicht nur, weil es verboten ist – in isolierten Räumen erhöht das Handy automatisch die Sendeleistung und damit die Strahlungsintensität). Beim Häuslebau lässt sich optimaler Schutz mit einem weithin sichtbaren Rückzug aus der Hightech-Welt verbinden: Lehmwände und Grasdächer, so fanden Forscher der Uni Kassel heraus, schirmen mehr als 99 Prozent der Strahlung ab.


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