Eine Frau in
Berlin
ISBN: 3-8218-4737-9
Klappentext:
Das ist der Kadaver von Berlin
Wer erfahren will, wie es während des Krieges wirklich war, wird sich
an die Frauen halten müssen. Von jenem Selbstmitleid, an dem die geschlagenen
Deutschen litten, fehlt hier jede Spur. Illusionslose Kaltblütigkeit,
unbestechliche Reflexionen, schonungslose Beobachtungen und makabrer
Humor zeichnen das Tagebuch aus. Niemand, der es liest, wird es wieder
vergessen.
Inhalt:
Hierbei handelt es sich um ein Tagebuch einer Frau in Berlin. Das Ganze
geht über einen Zeitraum von 20. April bis 22. Juni 1945.
Die letzten Kampffähigen Männer wurden zum Volkssturm gerufen. In Berlin
sind fast nur noch Frauen und Kinder. Immer wieder muss alles in den
Keller, wo man vor Luftangriffen sicher ist. Doch kaum ist das vorbei,
belagern die Russen die Stadt. Die Frauen werden vergewaltigt und auch
eventuell vorhandene Ehemänner können nichts dagegen tun.
Einige Frauen nutzen das aus. Sie geben sich einem Mann hin, sind so
vor anderen geschützt und werden mit Lebensmitteln versorgt. Andernorts
herrscht Hunger und Elend.
Später müssen die Frauen helfen, die Maschinen aus den Fabriken zu bringen.
Die Russen nehmen auf ihrer Heimreise alles mit.
Trotzdem versucht jeder irgendwo ein normales Leben zu führen. Aber
auf die Rückkehr der Ehemänner und Freunde kann sich nicht jede freuen.
Ein Buch voller haarsträubender Nachkriegsrealitäten.
Leseprobe:
...Erst zurückgeschaut auf den Rest vom Samstag. Wieder erschien gegen
20 Uhr der Major mit seinem Mongolen. Diesmal zog der aus seinem unergründlichen
Burschentaschen zwei Steinbutts, nicht groß, doch frisch. Die Witwe
panierte und buk die köstlichen Fische. Wir aßen zusammen davon, auch
der Usbek bekam ein Stück in seine Fensterecke gereicht, die er wie
ein treuer Hund stets sogleich besetzt. Eine leckere Sache!
Blieb der Major die Nacht? Allein hätte ich es nicht gewagt, mich zu
entkleiden, hätte mich nicht allein im Zimmer schlafen gelegt, das weiß
ich. Obwohl jetzt die Hintertür verschlossen ist, obwohl draußen kein
Krieg mehr tobt, bleibt ein starker Rest von Angst in uns allen. Angst
vor irgendwelchen Betrunkenen, Wütigen. Gegen die beschirmt uns der
Major. Heute lahmte er. Sein Knie ist noch immer geschwollen. Die Witwe,
die für so was sanfte Hände hat, machte ihm eine Kompresse, bevor er
sich zu mir legte. Er hat mir verraten, mit welch drolligem Kosenamen
ihn die Mutter rief, und hat sich meinen Vornamen, zärtlich verkleinert,
ins Russische übersetzt. Also sind wir wohl Freunde. Trotzdem ermahne
ich mich immer wieder, auf der Hut zu bleiben, möglichst wenig zu reden.
Am Morgen waren wir wieder allein, saßen an Herrn Paulis Bett, frühstückten
gediegen und horchten nach draußen hin. Schließlich wagte sich die Witwe
in das Treppenhaus, rannte aufwärts zur Buchhändlerwohnung, wo immer
noch ein Dutzend Nachbarn beisammen haust. Sie kam zurück kam bat mich:
"Komm, gib mir den Rest Vaseline." Sie schluckt bereits, hat die Augen
voll Tränen.
Gestern Nacht im Dunkeln, so hat sie gehört, ist der Likörfabrikant
zu seiner Frau zurückgekehrt, mitten durch die Front und die Truppen
hindurch, ist zurückgekrochen, geschlichen, zusammen mit der rothaarigen
Elvira, die mit ihm die Stellung in der Likörfabrik gehalten hat - wozu,
weiß ich nicht. Ob sie gemeinsam die Likörflaschen verteidigen wollten?
Es muss wohl ein Urtrieb im Menschen sein, dass er sich bei Bedrohung
an seine Habe krall. ...
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