Herr Traube hatte die Untersuchung verschiedener Verbindungen des Chroms
zum Gegenstand seiner Dissertation gewählt: dieses Metall ist in neuerer
Zeit von vielen talentvollen und erfahrenen Chemikern untersucht worden und
es ist daher nicht zu verwundern, daß seine Untersuchung keine neuen Thatsachen
von Bedeutung gegeben hat; ich bewog ihn, da seine erste Arbeit mir zu dürftig
schien, sie zu vervollständigen und zu ..., was auch geschehen ist. Die
in der jetzigen Abhandlung beschriebenen Versuche sind mit Sorgfalt und Umsicht
angestellt und zeigen hinreichend, daß der Verfasser sich die nöthigen
Kenntnisse und Bildung erworben hat, um selbständig Untersuchungen anstellen
zu können; besonders hat er die Versuche und Methoden seiner Vorgänger
verbessert. Die Produkte, welche er bei dieser Untersuchung erhalten hat, hat
er mir mitgetheilt; von der Richtigkeit einiger seiner Angaben habe ich mich
durch Versuche überzeugt und an den der übrigen habe ich keine Ursache
zu zweifeln. Ich hege daher keine Bedenken für die Zulassung des Candidaten
zum Examen zu stimmen.
10/12 46 Mitscherlich
Ich habe mit Vergnügen die Abhandlung des Candidaten gelesen. Die Resultate,
welche er erhalten hat, sind zum Theil unerwartet und interessant. Die vielen
Versuche scheinen mit Genauigkeit angestellt zu sein, sie sind Beweise von großem
Fleiße und von Ueberlegung. Ich stimme unbedenklich für die Zulassung
zum Examen.
Heinr. Rose, d. 12. Dezember 1846
Verhandelt Berlin, 28. Dezember 1846.
Auf heute war die Promotionsprüfung des einstimmig zugelassenen Candidaten
Moritz Traube aus Ratibor angesetzt.
Herr Professor H. Rose eröffnete die Prüfung mit Fragen über mehrere Chromverbindungen, welche in naher Beziehung zu denen stehen, mit welchen sich der Candidat in seiner eingereichten Dissertation beschäftigt hat. Das Examen erstreckte sich dann über Oxyde, welche die meiste Ähnlichkeit mit dem Chromoxyd haben, und namentlich über die des Mangans. Der Examinator war mit den Antworten des Candidaten sehr zufrieden, es gieng aus denselben hervor, dass letzterer in der Chemie sich recht gute Kenntnisse erworben hat.
Professor Mitscherlich examinirte den Candidaten über mehrere Gegenstände der theoretischen Chemie, zuerst über die isomerischen Chromoxyde, Zinnoxyde und die Erklärung des Verhaltens dieser Oxyde ... gegen Säuren bei der gewöhnlichen und bei einer erhöhten Temperatur, dann über die mehrbasischen Säuren und über die Oxyde, welche sich mit mehreren ... Säure verbinden, zuletzt über chemische Zersetzungen durch ...substanzen. Der Candidat beantwortete die ihm vorgelegten Fragen richtig und leicht und zeichnete sich ebensosehr durch seine Kenntnisse, als durch eine allgemeine Ausbildung aus.
Professor Magnus examinirte den Candidaten über Elektrizität und nachdem über die Zersetzungserscheinungen durch galvanische Elektrizität. Er zeigte sich in diesem Fache sehr bewandert und antwortete mit großer Bestimmtheit und Klarheit.
In Folge der Erklärung des Candidaten, sich mit Botanik, namentlich dem anatomisch-physiologischen Teil derselben beschäftigt zu haben, gab Prof. Kunth Gelegenheit, den Cand. über die Entwicklungsgeschichte des Eichens und seiner Umwandlung in Samen zu examinieren, wobei die Entstehung der Eierhäute, des Embryosackes, der Samen..., des Albumens und der Embryos zur Sprache kam. Der Candidat zeigte sich in den meisten Gegenständen ziemlich unterrichtet, es schien ihm aber dabei eine recht klare allgemeine Übersicht abzugehen. Da die Botanik nicht das Hauptfach des Candidaten ist, so dürften die darin bewiesenen Kenntnisse vollkommen genügen.
Professor Trendelenburg legte dem Candidaten einige ganz allgemeine Fragen über den Begriff der Philosophie und danach aus dem Gebiet der formalen Logik vor. Der Candidat hat sich nach dem Ergebnis mit philosophischen Studien gar nicht beschäftigt - mit Ausnahme der formalen Logik, in deren Grundbegriffen er sich unter Nachhilfe einigermaßen wieder zurechtfand.
Nachdem sich hierauf der Candidat entfernt hatte, wurde desselben Zulassung
zur Promotion beschlossen, und bestimmt, daß die Dissertation auf dem
Diplom als diligenter elaborate, das Examen als cum laude bestanden sollte bezeichnet
werden.
Lachmann
Anlage 19: Briefe MORITZ TRAUBES.
Dankbrief nach der Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Medizinische Fakultat der Universität Halle:
"Eurer hochgeehrten Medizinischen Fakultät
Erlaube ich mir, für die überaus ehrenvolle Auszeichnung, deren sie mich gewürdigt hat, meinen tiefsten Dank auszusprechen. Den Genuß, den wissenschaftliche Forschung an sich gewährt, fühlt man oft genug durch die an sich selbst gestellte Frage beeinträchtigt, ob das, was man arbeitet, auch wirklich zur Förderung der Wissenschaft beiträgt. Über solche beengende Zweifel vermag nun das Urtheil berühmter Männer der Wissenschaft hinwegzuhelfen und die ungetrübte Freude am Schaffen beginnt erst mit dem wohlwollenden Zuspruch von gewichtiger Seite her. Möge es mir vergönnt sein, Ihnen durch erfolgreiches Streben den Beweis zu liefern, wie hoch erfreuend und anregend die mir gewordene Auszeichnung auf mich gewirkt hat.
Mit größter Hochachtung
Ergebenst
Moritz Traube
früher in Ratibor, jetzt in Breslau Breslau,
2. Juli 1867"
Brief an einen unbekannten Freund:
"Breslau 10.5.75.
Lieber Freund!
Endlich ein Lebenszeichen von Ihnen! Ich freue mich, daß Sie wieder
wohlauf sind u. hoffe, daß Sie mir keine Vorwürfe machen werden,
nicht mit bei der Parthie gewesen zu sein.
Wie gern hätte ich die Reise mitgemacht! Aber es ging wieder einmal nicht.
Die Reise nach Ungarn konnte nicht verschoben werden, und dann waren nebenbei
Vorbereitungen für die Hochzeit meiner Anna nöthig, Herstellung der
Wohnung in moderne ... usw., - Beschäftigungen, die mich auch jetzt noch
vielfach in Anspruch nehmen.
Kommen Sie doch jedenfalls zu Pfingsten her. Sie würden uns Alle sehr erfreuen.
Beste Grüße von
Ihrem M. Traube"
(Anm. d. Verf.: Möglicherweise handelt es sich bei dem Adressaten um
N. PRINGSHEIM, der viel reiste - vor allem nach England, Frankreich und Italien.)
Brief an FRIEDRICH RUEDORFF.
"Breslau 21.3.74.
Geehrter Herr Professor!
In Folge Ihrer freundlichen Aufforderung erlaube ich mir, Ihnen meine Photographie
für das H. Dubois Reymond bestimmte Album inliegend zu überreichen.
An dem Festmahl für den Jubilar bin ich theilzunehmen verhindert, was ich
bei der Hochachtung, die ich für den Gefeierten empfinde, sehr bedauere.
Mit größter Hochachtung
Ergebenst M. Traube"
(Anm. d. Verf.: Im Nachlaß DU BOIS-REYMONDS im Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin befindet sich ein ihm zum 60. Geburtstag gewidmetes Fotoalbum seiner Schüler vom 7.11.1878. Eine Fotografie M. TRAUBES, der nicht zu den Schülern gehörte, ist darin nicht enthalten. Wahrscheinlich handelte es sich hier noch um ein anderes Album.)
Brief an HARRWITZ:
"Ratibor, 30. Maerz 1865.
Lieber Harrwitz!
Es sind nun schon reichlich 4 Wochen, daß ich meine Abhandlung an Dich
abgeschickt habe. Nach Deinem Schreiben vom 19.3. durfte ich endlich bald eine
definitive Mittheilung über das Schicksal derselben erwarten, aber auch
bis heute ist eine solche nicht eingetroffen.
Sollte Herr Prof. Magnus vielleicht keine Zeit haben, sich mit meiner Arbeit
zu befassen, so bitte ich Dich, dieselbe sofort von ihm zurückzuverlangen
u. sie entweder an Poggendorff zu übergeben, oder, falls auch dieser sich
ablehnend verhält, mir solche sofort zurückzuschicken.
Es liegt mir allerdings sehr viel daran, endlich ein sachverständiges Urtheil
über einen Gegenstand zu hören, mit dem ich mich bisher, ganz abgeschnitten
von jedem literarischen Verkehr, in intensivster Weise für mich allein
beschäftigt habe. Aber ich mag andererseits um ein solches Urtheil auch
nicht betteln, da ich bei aller Bescheidenheit ganz fest überzeugt bin,
hier in einem höchst wichtigen, gerade in neuerer Zeit besonders cultivirten
Zweige des Wissens etwas ganz Wesentliches geleistet zu haben. Ich beabsichtige,
mich dann nach Wien zu wenden.
Nochmals um einen sofortigen definitiven Bescheid oder Rücksendung der
Abhandlung bittend bedauere ich sehr, Dir so viele unnütze Umstände
verursacht zu haben u. grüße
Dein Moritz Traube"
(Anm. d. Verf.: Es handelt sich um M. TRAUBES Abhandlung "Über
homogene Membranen und deren Einfluß auf die Endosmose." /13/
M. TRAUBES Brief an K. G. J. WEINHOLD:
"Breslau, 11. Juni 1888
Hochgeehrter Herr Professor!
Ihrem freundlichen, mich ehrenden Wunsche gern nachkommend, erlaube ich mir,
über meinen Lebensgang u. meine wissenschaftlichen Arbeiten Nachstehendes
mitzutheilen:
Ich bin am 12. Februar 1826 in Ratibor geboren, bin Schüler des dortigen
Gymnasiums gewesen und bezog mit dem Zeugniß der Reife Ostern 1842 die
Universität Berlin behüfs Studiums der Naturwissenschaften, später
Giessen, dann wieder Berlin, woselbst ich 1847 promovierte (In Berlin wohnte
ich mit meinem 8 Jahre älteren Bruder Ludwig, dem berühmten Pathologen,
zusammen, dem ich vielfache Anregung verdanke.) .
Nachdem ich dann 1 Jahr als Lehrllng und Volonteur in einer Wollenfärberei
mit wenig Neigung zur Sache zugebracht hatte, studierte ich von Michaelis 1848
ab Medizin, mußte aber im November 1849 nach Ratibor übersiedeln,
um meinem Vater bei Weiterführung seiner Ungarweinhandlung zur Seite zu
stehen, da sein bisheriger Sozius, mein zweiter Bruder Hermann, gestorben, mein
Vater leidend und eine zahlreiche Familie zu ernähren war.
1866, zwei Jahre nach dem Tod meines Vaters, verlegte ich die Weinhandlung,
die inzwischen einen beträchtlichen Umfang erlangt hatte, nach Breslau.
Vor 2 Jahren trat ich aus derselben aus. Schon seit mehr als 2 Dezennien ist
meine Arbeitskraft durch Schlafmangel sellr beeinträchtigt.
1867 wurde ich von der Universität Halle gelegentlich ihres 50jährigen
Jubiläums zum Dr.med., 1886 von der Berliner Akademie der Wissenschaften
zum correspondierendeo Mitglied ernannt.
Meine wesentlichen Arbeiten sind.
1) Über die Gesetze der Zuckerausscheidung im Diabetes mellitus (Virch.
Arch. 21, 415). Hier wurde veröffentlicht, daß es 2 Stadien dieser
Krankheit giebt.
2) Theorie der Fermentwirkungen. (Berlin, Dümmler 1858)
Hier wurde nachzuweisen gesucht, daß der Chemismus des Lebens hauptsächlich
auf der Wirkung von Fermenten, insbesondere auf deren Verhalten gegen Sauerstoff
beruht.
3) Über die Respiration der Pflanzen. (Monatsschr. d. Berliner Akademie
der Wissenschaften 1859, 80). Es wurde nachgewiesen, daß die Pflanzen,
gleich den Thieren Sauerstoff zur Erhaltung ihrer Lebensfunktionen bedürfen
und daß der Sauerstoff von den Zellen aufgenommen wird, die im Wachstum
begriffen sind.
4) Über die Beziehung der Respiration zur Muskelthätigkeit und die
Bedeutung der Respiration überhaupt. (Vierch. Arch. 1861, 21 386 u. 23
196) Inhalt: der Sauerstoff wird nicht, wie man bis dahin angenommen hatte,
in der Blutbahn verbraucht und dient nicht blos zur Wärmebildung, sondern
dringt bis in die Gewebe und dient zur Unterhaltung der Lebensthätigkeit
aller Organe, Muskeln, Nerven, des Gehirns, der Drüsen u.s.w. Auch verbraucht
die Muskelfaser bei ihrer Arbeit (d.h. bei ihrer Kontraktion) nicht ihre eigene
Substanz, sondern überträgt den Sauerstoff auf in der Muskelflüssigkeit
gelöste stickstofffreie Körper. Diese Theorie ist, insofern sie die
volle Bedeutung der Athmung, als des wichtigsten, bei allen Thätigkeiten
der Organismen betheiligten Lebensprozesses, zuerst klar gesagt hat, wie ich
wohl annehmen darf, eine der Grundlagen der neueren Physiologie geworden. Daß
sie von mir herrührt, ist, nachdem sie mehrfach ohne Quellenangabe benutzt
wurde, erst vor nicht langer Zeit anerkannt worden.
5) Experimente zur Theorie der Zellenbildung und Endosmose. (Reich. u. Dubois
Reymond's Archiv 1867, 87 , der bisher für unerklärbar gehaltene Prozeß
der Bildung der Membran der Zellen (insbesondere der Pflanzen) u. ihres Wachstums
wurde der Hauptsache nach auf einfach physikalische Grundlage zurückgeführt.
Die zur Erklärung dienende physikalische Thatsache selbst, die Bildung
von Membranen überhaupt u. der Vorgang der einseitigen Osmose wurde von
mir erst gefunden.
6) Über Fäulniß und den Widerstand der Organismen gegen dieselbe.
(Gscheidlen u. M. Traube. Schles. Ges. 13. Febr. 1874).
7) Meine Versuche über Wasserstoffsuperoxyd (in den jüngsten Jahrgängen
der Berichte d. d. chem. Ges. u. in Sitzungsberichten d. Akademie der Wiss.
1887, 1041) führten zur Ermittlung einer bisher rätselhaften Konstitution.
Gegen diese sind Einwendungen erhoben worden, die zu widerlegen ich im Begriff
bin.
8) Meine Versuche "Über langsame Verbrennung" (in den jüngsten
Jahrgängen der Ber. d. d. chem. Ges.) führten zur Klarlegung des bisher
dunklen Ursprungs der sogenannten Ozonisierung oder Oxydierung des athmosphärischen
Sauerstoffs u. widerlegten die bisherigen Hypothesen darüber, diese Versuche
sind, insofern sie die chemische Grundlage für die Lehre von der physiologischen
Verbrennung bilden sollen, noch nicht abgeschlossen.
Wie Sie sehen, verblieb ich nicht innerhalb des Geheges einer Spezialwissenschaft,
sondern machte mit Vorliebe Excursionen in die Gebiete der Pflanzen- u. Thierphysiologie.
Immerhin gab es für meine wechselnden Bestrebungen einen "ruhenden
Pol". Es ist vornämlich der Sauerstoff, jener wunderbare Bestandtheil
der Athmosphäre, der alles Leben unseres Planeten unterhält, dessen
chemische Wirkungen ich aufzuspüren suchte.
In meiner Heimath Breslau haben meine Arbeiten nur wenig Berücksichtigung
gefunden. Um so lebhafter ist der Dank, den ich Ihnen für Ihr freundliches
Interesse ausspreche.
Mit ausgezeichneter Hochachtung
Ihr
sehr ergebener
M. Traube"
Brief an Auwers
Breslau, 21. August 1886
Hochgeehrter Herr,
Die Ehre, die mir durch die Erwählung zum correspondirenden Mitglied der
physikalisch-mathematischen Klasse der Königlichen Akademie der Wissenschaften
zu Theil wurde, hat mich hoch beglückt. Diese Auszeichnung von Seiten der
hervorragendsten Forscher giebt mir die wohlthuende Gewähr, daß meine
Bemühungen, der Wissenschaft zu nützen, doch nicht ganz vergebliche
gewesen sind. Wollen Sie die Güte haben, den Mitgliedern der mathematisch-physikalischen
Klasse meinen innigsten Dank übermitteln zu wollen.
Mit größter Hochachtung zeichne ich
Ihr ergebenster
M. Traube
An
den vorsitzenden Sekretar der physik. math. Klasse der Königlichen Akademie
der Wissenschaften, Herrn Geheimen Regierungsrath Professor Dr. Auwers
Berlin
Wahlvorschlag zum korrespondierenden Akademiemitglied
10.6.86
Moritz Traube, geb. 12. Februar 1826 zu Ratibor, besuchte das dortige Gymnasium,
das er Ostern 1842 mit dem Zeugniß der Reife verließ. Er studirte
zunächst in Berlin Naturwissenschaften, arbeitete l844 in Gießen
bei Liebig und beendigte seine Studien wieder in Berlin, wo er auf Grund seiner
Inaugural-Dissertation "De nonnullis Chromii connubiis" als Dr. phil.
promovirte. Nach einer kurzen praktisch chemischen Thätigkeit begann er
auf Anregung seines Bruders, des Professors der Medizin Ludwig Traube Medizin
zu studiren. Familienverhältnisse nöthigten ihn, schon nach kurzer
Frist diese Studien wieder zu unterbrechen und die Weingroßhandlung seines
Vaters zu übernehmen, die er 1866 von Ratlbor nach Breslau verlegte und
welche sich noch heute in seinem Besitze befindet.
Mit der Übernahme eines umfassenden Geschäftsbetriebes würden
die Meisten der Wissenschaft Lebewohl gesagt haben. Nicht so Moritz Traube.
Seinem Forschungstriebe war es möglich, neben den Anforderungen, welche
die Ausübung seines Berufs an ihn stellte, die nöthige Zeit zu finden,
um die früher begonnenen Arbeiten auf dem Gebiete der theoretischen und
physiologischen Chemie wieder aufzunehmen. Die Erfolge, welche er auf diesen
Gebieten erzielt hat, sind in höchst ehrenvoller Weise schon im Jahre 1867
von der medizinischen Fakultät der Universität Halle anerkannt worden,
welche Moritz Traube gelegentlich des Jubiläums der Universität zum
Doctor medicinae honoris causa ernannte.
Die wissenschaftlichen Arbeiten Traubes lassen sich in vier Gruppen eintheilen,
die untereinander in engem Zusammenhang stehen.
Ein Theil derselben beschäftigt sich mit der Theorie der Fermentwirkungen,
hier hat Traube zum ersten Male eine Theorie aufgestellt, welche der Hauptsache
nach in alle späteren Gährungstheorien übergegangen ist und sämmtliche
Gährungs- und Fäulniserscheinungen einheitlich vom chemischen Standpunkte
aus erklärt. Eine große Anzahl wertvoller Beobachtungen und Experimente
diente ihm als Stütze seiner Theorie und zur Abwehr von Angriffen auf dieselbe.
Seine Studien über Alkoholhefe greifen in das pflanzenphysiologische Gebiet
über, indem sie die Bedingungen kennen lehren, unter denen die Hefepilze
auch in Sauerstofffreien Medien leben können, von praktischer Bedeutung
ist die Entdeckung einer Methode zur Darstellung von reiner Hefe ohne fremdartige
Mikroorganismen.
Eine andere Gruppe der Traube'schen Forschungen betrifft die Beziehungen der
Athmung zur Muskelthätigkeit der Thiere, wie zum Wachsthum und Stoffwechsel
der Pflanzen. Daß sich der Athmungsproceß der Thiere vorzugsweise
in den Geweben abspielt, daß aber Oxydationen in der Lunge und in den
Kapillaren, der Athmung in den Geweben gegenüber, von untergeordneter Bedeutung
sind, war bereits allgemein anerkannt, als Traube diese Frage zu bearbeiten
begann. Ebenso war auch bereits bekannt, daß bei der Pflanze Zellenbildung
und Zellenwachsthum an die Aufnahrne von Sauerstoff gebunden sind, daß
also die Pflanzen nicht nur eine reducirende, sondern den Thieren ähnlich
auch eine oxydirende Wirkung üben, daß aIso die Pflanzen wie die
Thiere bei Abwesenheit von Sauerstoff ersticken. Traube's Arbeiten haben aber
wesentlich dazu beigetragen, diesen Wahrheiten eine allgemeinere Anerkennung
zu verschaffen als sie vorher besessen hatten. An dieser Stelle mag auch der
schönen Versuche gedacht werden, durch welche Traube die Zellenbildung
schematisch zur Anschauung bringt, indem er einen Tropfen Leim mit einem Tropfen
Tanninlösung zusammentreten läßt.
In naher Beziehung zu diesen Studien steht eine dritte Gruppe von Arbeiten Traube's,
zweifelsohne die wichtigsten, welche wir diesem Forscher verdanken, sie betreffen
den Ursprung der Muskelkraft.
Liebig hatte die Ansicht ausgesprochen, dieselbe werde durch Verbrennung der
Eiweißkörper erzeugt, in welchem Processe sich in Folge regressiver
Metamorphose die von ihm entdeckten Fleischbasen Kreatin, Kreatinin und Sarkofin
sowie eine Reihe ähnlicher Körper wie Sarkin, Xanthin und Hypoxanthin
bilden sollten. Traube wurde durch theoretische Betrachtungen zu dem Schlusse
geführt, daß die Muskelkraft der Oxydation stickstofffreier Substanzen
wie Glykogen, Traubenzucker, Inosit u.s.w. ihre Entstehung verdanke. Diese auf
dem Wege der Spekulation ermittelte Wahrheit ist später von Bischoff und
Voit am Hunde, von Fick und Wislicenus am Menschen außer allen Zweifel
gestellt worden und es muß daher die Traubesche Arbeit geradezu als eine
bahnbrechende bezeichnet werden.
Ein vierter großer Cyklus von Arbeiten, welcher zur Zeit noch nicht abgeschlossen
ist, beschäftigt sich mit der Aktivierung des Sauerstoffs. Die bisher publicirten
Abhandlungen haben vorzugsweise die Constitution des Wasserstoffsuperoxyds und
eine Reihe damit zusammenhängender Fragen zum Gegenstand. Durch eine Anzahl
höchst subtil angestellter Versuche wird bewiesen, daß der Sauerstoff,
um auf die oxydirbaren Körper zu wirken, der Vermittlung des Wassers bedarf.
Hierbei wird nicht das Sauerstoffmolekül direkt gespalten, sondern es zerlegt
sich das Wasser durch die gleichzeitige Einwirkung des verbrennbaren Körpers
und des Sauerstoffmoleküls. Hierbei wird aus dem Wasserstoff des Wassers
und dem Sauerstoffmolekül Wasserstoffsuperoxyd gebildet; dasselbe ist also
kein Oxydationsprodukt des Wassers, sondern, wenn man will, ein Reduktionsprodukt
des Sauerstoffmoleküls. Im Sinne dieser Auffassung und im Gegensatz zu
den früheren Annahmen entsteht auch nach Traube's Beobachtungen das Wasserstoffsuperoxyd
am negativen und nicht am positiven Pole der galvanischen Säule.
Die Arbeiten, welche vorstehend in dürftigen Umrissen verzeichnet sind,
lassen Moritz Traube als einen ebenso vielseitigen wie eigenartigen Forscher
erscheinen, der auf verschiedenen Gebieten neue Wege gesucht und gefunden hat.
Wir glauben für so umfassende Thätigkeit nicht mehr als eine wohlverdiente
Anerkennung zu beantragen, wenn wir Moritz Traube zum Correspondenten der Akademie
für das Fach der Chemie in Vorschlag bringen.
A. W. Hofmann
Rammelsberg
E. Du Bois-Reymond
M. Websky
Pringsheim
H. Landolt
H. Munk
L. Kronecker