"Und vielleicht wird aus dir ja auch mal so ein richtig cooler Hip Hopper."
Mami, ich will ins Natrix
(Wochenendliche Lächerlichkeit)
Hallo, ich bin die Dings, 15 Jahre und will heute Abend ins Natrix.(Grins, blöde um genau zu
sein) Sätze, die verboten gehören, gibt es zuhauf, in allen Couleuren. Dieser hier ist mit
Abstand einer der Schlimmsten.
Fangen wir von vorne an. Natrix. Das wird wohl vom Namen her kaum jemandem bekannt
sein, was auch soweit kein Problem und keinesfalls vonnöten ist, allerdings ist es eben doch
ganz gut zu wissen, von was wir reden, um diesen Satz in all seiner Lächerlichkeit erfassen zu
können. Vielleicht erinnert sich der Ein oder Andere noch an seine Jugendzeiten. Damals
waren es immer die Jungs, die, kaum hatten sie ihren ersten feuchten Traum hinter sich, ihren
ach so geschätzten Eltern in den Ohren lagen, um die Erlaubnis zu bekommen zumindest im
Bezug auf Diskotheken die Jungfräulichkeit verlieren zu dürfen. War man dann zum ersten
Mal drin, war natürlich alles Scheiße. Die Mädels waren Frauen, weil die Weiblichkeit des
eigenen Jahrgangs entweder zu Hause vor der Nähmaschine saß oder eben im Stall ausmisten
musste. Frauen an die Front. Oder ist das jetzt etwa eine folgenschwere Verwechslung
meinerseits? Wie dem auch sei, auf jeden Fall war es ein Riesenreinfall. Heute hat sich das in
soweit geändert, als dass Mädchen frühreif sind. Zahnspange mit 10, erster Freund mit 11, in
die Zeit fällt dann auch der Menstruationsstart. Start deswegen, weil es dann abgeht und zwar
richtig. Mit 12 die Zahnspange raus, den Kerl auslachen, der einen damit irgendwie "süß"
fand und sorgsam kümmernd die ganze fünfte Klasse zwischen Deutsch und Sport die Hand
hielt weil er dachte, das würde ewig halten. Zumindest aber so lange, bis es einen neuen Papst
gibt. Viele wollen ja gehört haben, das sei dieses Jahr. Stellt euch das nun mal vor: Die
beiden aus der Fünften bis heute - das sind ja...puh, so viele Jahre. Ne, hätte ja auch gar nicht
sein können. Die würden ja auch heute gar nicht mehr zusammen passen. Sie hat längst
Silikonbrüste und er noch nicht einmal den Führerschein. Trauerspiel. Mit 13 dann endlich
der erste Freund mit Auto, klar, Ältere sind eh besser, schnell gemerkt, dass der es aber nun in
Analogie zu dem Film Kids so gar nicht auf den Charakter anlegt und eben Mama um die
Pille angebettelt. Zumindest mal zum Frauenarzt. Wenn ja, bitte bei Abschnitt c weiterlesen.
Haha. Das wird schon mit dem Arzt. Früher oder später, wahrscheinlich dauert es dem coolen
Boy aber doch zu lange und er sucht sich eine, die wenigstens 14 ist. Die Pille kommt spät,
aber sie kommt. Ja, damals in den 60ern war sie Symbol einer neuen Gesellschaft, sexuelle
Emanzipation der Frau, dazu der Bikini, alles war auf einmal super. Ein halbes Jahr später
dann der Leistungsabfall in der Schule, die erste Zigarette, am Wochenende weggehen, immer
ein halbes Stündchen länger als erlaubt, merkt ja keiner. Soweit hört sich das ja alles noch
wie der Beginn einer Drogenkarriere mit Endstation Babystrich an. Arme Natalie. Aber,
Entwarnung, ist nur eine normale Teenagerkarriere. Endlich der erste Geschlechtsverkehr mit
14. Dann ist der Sprung zum Erwachsenen natürlich auch nicht mehr groß und so sind wir
dann also endlich bei unserem Ausgangssatz. Das Natrix lockt die flügge gewordene Tochter.
Länger als ein halbes Jahr kann man ihr das dann ja auch kaum verbieten, wäre schließlich
unmenschlich und sowieso vertraut man ihr ja. Diese ganze Tagebuchgeschichte gibt es ja nur
als Witz, in der Realität sieht das alles noch mal viel besser aus. Da tratscht Mutter neben
Whisky und Heroinspritze auch gern mal über die letzte Nacht. Gut, das war jetzt vielleicht
wirklich gemein. Wahrscheinlich sind gar nicht alle Frauen so schlimm, wie die frustrierten
Männer das immer hinstellen. Sonst würden sie ja auch mitkommen ins Natrix. Dieser
Tempel der sogenannten Black-Music ist also der neueste Trend des Rhein-Main Gebietes. Im
Gegensatz zu der Kommerz-Disko A5, ebenfalls in Darmstadt angesiedelt, hat das Natrix aber
nur einen Strahler. Das ist immer das Erste, was man so hört. Nur einen Strahler. Manno.
Großer Eingang, innen nicht so nett, eher ein bißchen verrucht. Total black halt, von Jungs
aufgezogen, die "eigentlich schwarz" sein sollten. Tief in ihrem Innern sind sie das ja auch,
nur Schuhcreme und 25 Minuten XXL-Solarium täglich kehren das Innere nun auch nicht
unbedingt nach außen. Anglizismen sind im Natrix allgegenwärtig und beherrschen die
kommunikative Atmosphäre wie der Polarstern den klaren Nachthimmel. Das ist doof für
Germanisten. Aber die kommen eigentlich gar nicht hierher, weil sie bei den "Chicks" oder
auch "Chicas" ja sowieso "no chance" hätten, "man". Puh, ja, klar. Nicht einmal bei der
Dings, die natürlich ihre Mama so weit gekriegt hat, dass sie hin darf. Zwei Stunden
Hardcore-Badezimmer, nachdem zwei Drogeriemärkte und ein Kosmetikladen aufgekauft
wurden. Und dann darf sie ihren ersten Schwarzen, Afro-Amerikaner, wie auch immer, live
sehen. Das Gestaune ist groß. Das Gestöhne kommt später. Von Rassismus merkt man da
nicht viel, zumindest nicht gegenüber farbigen. Chinesen sind da aber nicht. Klar. Die Texte
von Nellys neuem Album können alle auswendig, da läuft aber nur ein Lied, "Dilemma"
nämlich, das ist ja auch wirklich gut, der Rest ist für alle 15 jährigen irgendwie totaler
"Underground". Aber "freakig" auf jeden Fall, "yo". Tanzen ist angenehme
Nebenbeschäftigung. Schließlich verläuft alles zu einem schwammigen Brei, weil auch
Smirnoff Ice nicht so ohne ist. Im Grunde hört sich ja dann auch jedes Lied gleich an und so
unterschiedlich sind die Kerle nicht, alle hellblaue, zu weite Hosen, plus schwarzes Hemd und
Kette mit Kreuz, abwechselnd Gold und Silber. Jeder 1,5te spricht nur englisch, weil, man
höre und staune, das Natrix ja ursprünglich eine Ami-Disko war. Wurzeln werden heute
allenthalben verleugnet. Überall dann diese Weißbrote zwischendrin, die das Balz-Ritual
empfindlich stören, manchmal, wenn alles super läuft, aber auch Teil desselben sind. Wenn
ein Herr Friedmann jetzt Rassismus-Vorwürfe aus seiner Designertasche hervorholt, dann hat
er nichts verstanden. Die Dings wird natürlich ständig angemacht, ihr wahres Alter bleibt
geheim. Mit geübtem Blick prüft sie was die einzelnen Kandidaten zu bieten haben, küsst
vielleicht ein bisschen rum, lässt die Hände gleiten und dann geht sie irgendwann, viel zu
früh, nach Hause. In der Realschule kann sie dann prahlen, ein wenig. Vom Gymnasium ist
sie nach der siebten Klasse dann ja runter. Sie wollte eigentlich sowieso nie Abi sondern nach
der 10 eine Ausbildung machen. Eine Woche später fährt dann mal ein Straßenkreuzer mit
amerikanischem Nummernschild vor und holt sie ab. Natürlich soll er auch mal aussteigen.
Die Freundinnen kichern blöde, so wie sie das immer tun, wenn ihnen nichts mehr einfällt.
Eine sagt zwischen dem ganzen pubertären Gegacker was von "Geil" und "Schokobabies
machen". Keiner versteht, was er sagt, weil englische Vokabeln nie so toll waren. Total
tolerant sind sie, klar. Irgendwann fahren alle nach Hause, die Dings lässt sich gut
durchvögeln, so wird sie das am nächsten Tag zwischen Jugendclub und Tanzstunde
beschreiben. Nie wieder wird sie den Satz: "Mami, ich will ins Natrix" sagen. In Zukunft
heißt es: "Mami, ich geh ins Natrix". Und irgendwie ist das dann immer noch lächerlich. Nur
hat es eben auch seine guten Seiten. Bald gibt es diesen unsäglichen Satz gar nicht mehr. Und
Rassismus sowieso nicht, klar. Vielleicht aber eine Menge Schokobabies.
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