Die Mehrheit wird immer grauer

Wenn man sich heute in technischer Weise auf das Medium Malerei
einlässt, dann muss man es mit dem Wissen tun, dass es sich dabei
um ein Kunstmittel handelt, das aus der täglichen Kommunikation
seit über 100 Jahren herausgefallen ist, - und dennoch bis heute für
Gesprächsstoff sorgt.
Auch wenn es manche Diskussionen lieber unterschlagen, so sind
doch die meisten Schübe, die zu den Avantgarden des 20. Jahrhunderts
geführt haben, aus Überlegungen entsprungen, die im Auseinander-
setzungsfeld um die Möglichkeit oder Unmöglichkeit von Malerei lagen.
Noch immer spielt das Medium diese herausragende Rolle und kann als
Spiegel für viele Fragen dienen, die gleichnishaft die sichtbare Wirklich-
keit auf die Probe stellten.
Die Frage nach dem alten Medium Malerei stellt sich dabei jedes Mal
anders und sollte im Bewusstsein dieser historischen Verwicklungen
gesehen werden.

Dass sie heute noch mehr sein kann als nur ein Korrektiv zu neueren
Medien zeigen die Bilder der jungen Münchner Malerin Daniela Trixl.
Sie sind geprägt von einem fast anachronistisch anmutenden Reichtum
an Farben und Formen.
Gleichbedeutend stehen dabei Leinwände und Papierarbeiten neben-
einander und finden sich, gehängt in Gruppen, Reihen oder zu Feldern
verdichtet, in überzeugenden Raumbildern zusammen.
Nähert man sich dem Einzelbild, erscheinen einige Motive oder be-
stimmte Stimmungen bekannt.
Namen wie Newman, Fontana oder Rothko kommen in den Sinn und
überraschend fühlt man sich angesichts eines grünen Kirchturms an
Macke erinnert.

Tatsächlich basiert Trixls künstlerische Strategie entscheidend darauf,
Bilder, die um das entstehende herum bereits existieren, zu bearbeiten
und zu verfolgen.
So versichert sich die gegenstandslose Malerei bei Daniela Trixl ihres
gesamten Repertoires, erkundet in seltenen Ausnahmefällen sogar die
Welt der Dinge.
Durchgespült von der Kunstgeschichte bleibt sie letztlich dann doch
erstaunlich unbeeindruckt von ihr und gelangt, ohne die Quellen zu
leugnen, zu neuen, eigenen Bildfindungen von erfreulicher Leichtigkeit.
Um einem Irrtum vorzubeugen: Diese Malerei ist nicht ausschließlich
durch kunsthistorische Bezugspunkte bestimmt.
Vielmehr führt Trixls spezielles Verfahren malerischer Aneignung trotz
der radikal eklektizistischen Referenzmischung zu ganz freien, selbst-
ständigen Bildfindungen.

Dass ihre Bilder so selbstverständlich zu überzeugen vermögen, liegt
wohl nicht zuletzt am malerischen Duktus, der die Schnelligkeit und
die damit verbundene große Sicherheit des Pinsels verrät.
Hinter dieser souveränen Beherrschung der Mittel steht die Ernsthaftig-
keit einer leidenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Ungegen-
ständlichen.
So thematisiert sie klassische Probleme der Malerei,wie beispiels-
weise Fragen nach Farbgesetzen und Fläche-Raum-Verhältnissen
unter Reflexion der Malereigeschichte und des eigenen Verhältnisses
zu fremden Bildwelten.
Um die Möglichkeiten des Tafelbildes auszuloten, wählt sie meist
verhältnismäßig moderate Formate.
Nach und nach entsteht so ein handhabbares Archiv autonomer
Einzelbilder, das unterschiedliche Aspekte dessen, was konkrete
Malerei sein kann, erfasst.

Aus dieser Vorgehensweise folgt konsequent, dass jede Leinwand im
Grunde niemals das eine Meisterwerk bedeuten kann, sondern die
Möglichkeit der Serie beinhaltet, die in den derzeitigen Prozess der
Bilderhortung eingeschrieben ist.
Wechselnde Kombinationen einzelner Motive bereichern diesen
künstlerischen Dialog.
Folgerichtig sollten ihre Oberflächen also nicht als Ausdruck der
subjektive Weltsicht eines Künstlerindividuums interpretiert werden,
sondern als kalkuliertes Konzept, als Zeichen des noch immer
virulenten utopischen Potentials der Malerei.


Susanne Prinz (2003)

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