Im weiten Feld der Abstraktion

Daniela Trixl im Gespräch mit Susanne Prinz


SP: Deine Bilder unterscheiden sich technisch und thematisch zum Teil erheblich. Handelt es sich um eine bewusste Abgrenzung zu den kunsthistorisch identifizierten Strängen der Abstraktion? Anders gesagt, möchtest du nicht in eine bestimmte Richtung gedrängt werden?

DT: Für mich ist es wichtig, mich in dem Feld der Abstraktion frei bewegen zu können, Bezüge herzustellen zu bekannten Positionen, aber darüber hinaus zu eigenen Bildern zu finden. Ein abstraktes Bild muss für mich nichts Überpersönliches oder Unpersönliches haben, im Gegenteil, für mich ist es Ausdruck der Person durch eine Geste, oder den persönlichen malerischen Stil.

SP: Also die Folie der Kunstgeschichte ist für dich nicht unwichtig – wenn ich das richtig verstehe – sondern sie ist quasi verinnerlicht, so dass jedes Zitathafte nicht explizit ist, sondern eher aus einem großen Fundus von Bildern stammt, die du im Laufe deiner Arbeit aufgenommen hast.

DT: Ich wollte mein Bewegungsfeld erweitern und habe diese Bezüge daher auch eine Zeit lang gesucht. In letzter Zeit komme ich eher dahin, Ideen und Motive aus meiner unmittelbaren Alltagswelt zu verwenden. Indem ich aus der visuellen Welt Ideen für meine Bilder entnehme, vollziehe ich den Abstraktionsvorgang eigentlich wieder nach.

SP: Das ist fast eine Annäherung an die Abstraktion im Geiste. Du bist also wieder aus der Welt der Bilder, die eine Weile dein Referenzsystem gebildet hat, wieder herausgetreten.

DT: Es gibt meistens Ideen als Ausgangspunkt, die sich dann aber beim Malen noch mal ganz anders befreien, und das geht am besten in großen Formaten, da man hier dem Bild eins zu eins gegenübersteht.

SP: Wenn du deine Bilder und Ideen außerhalb des Ateliers sammelst, bedeutet dann das Konzept des Flaneurs etwas für Dich? Siehst du sie als Übersetzungen bestimmter Eindrücke?

DT: Flanieren, im Sinne von Durch-die-Welt-Streifen und etwas aufnehmen ist ein Teil meiner Arbeitsweise. Allerdings interessiert mich dann mehr, was aus den Eindrücken wird, wenn sie im Atelier wieder zu ganz eigenen Bildfindungen werden. Ich bewege mich da bestimmt weiter vom gesehenen Eindruck weg, als beispielsweise die Impressionisten, weil ich die vorgefundenen Erscheinungen mehr als Anstoß nehme, dass etwas Eigenes in Gang kommt.

SP: Manchmal findet sich auch eine Art malerische Geste ein.

DT:"Gestisch" war für mich eigentlich eher immer ein unangenehmer Ausdruck, etwas aus den 50er oder 60er Jahren, ein bisschen das Klischee von abstrakten Bildern. Aber vielleicht reizt es mich gerade deswegen, so etwas heute wieder zu machen, weil es ein bisschen verpönt ist. Mir geht es aber nicht in erster Linie um die Geste, sie kommt eher einfach mal vor im Lauf der verschiedenen Bezüge, die sich in den Bildern bewusst oder unbewusst einstellen.

SP: Die Bilder des letzten Jahres sind zum Teil von einer neuen leuchtenden Farbigkeit. Liegt dem ein spezifisches Farbsystem zugrunde, deklinierst du z.B. bestimmte Kontraste durch?

DT: Nein, die extremen Farbkombinationen entstehen erst im Moment auf der Leinwand. Allerdings habe ich eine ganz bestimmte Palette. Es gibt natürlich die Grundfarben Gelb-Rot-Blau. Dazu kommen neuerdings Magenta, Orange, helles Gelb. Es steht schon eine bewusste Entscheidung dahinter, die Palette zu verändern, allerdings keine individuelle für jedes Bild. Darüber hinaus tendiere ich grundsätzlich zu ungewöhnlichen Farbzusammenstellungen. Manche Bilder kommen ja auch von Motiven, die bestimmte neue Kontraste vorgeben - wie Flaggen oder Plakate. Es hat sich zum Beispiel ein durchmischtes Weiß als Hintergrund ergeben oder ein samtiges Schwarz, das als Kontrast zu den Farben eine größere Intensität erzeugt, auch bei solchen Farben, die schon lange zu meiner Palette gehören.

SP: Die Folge ist auch eine kühle, elegante Oberfläche.

DT: Die Kühle kommt auch von der harten Oberfläche, die kein Versumpfen zulässt. Die Farben sind eher dünn aufgetragen, so dass sie fast wie auf Papier wirken.

SP: Hat es eine Bedeutung für dich, welche Materialien du auf deinen Keilrahmen vorfindest? Könnten es auch ungewöhnliche Materialien sein?

DT: Die Materialität des Bildes ist eigentlich nicht so das Thema. Das halte ich am liebsten möglichst pur und unkompliziert. Deswegen gibt es viele Bilder auf Papier und dann noch mal auf Leinwand, weil ich das eher virtuell sehe, das Bild kann sich auf verschiedenen Untergründen niederschlagen, auf eine weiß grundierte Leinwand, auf Papier oder direkt auf die Wand.

SP: Deinen Bildern scheint auch ein poetisches Konzept zu unterliegen, ein Subtext, der sie verbindet. Wie wichtig ist der Aspekt des Narrativen? Wäre eher der Begriff der filmischen Sequenz oder der einer Serie ein sinnvoller Begriff, um deine Bilder zu beschreiben?

DT: Vielleicht ist es eine Art filmische Herangehensweise, sich Ideen aus der visuellen Welt zu holen und sie in Bilder einfließen zu lassen. Es kommen dann unterschiedliche Sequenzen in den Hängungen zusammen und ergeben eine Art "Film" für den Betrachter, aber es sind abstrakte Sequenzen, die höchstens Assoziationen auslösen, aber keine Geschichten erzählen, und die Titel geben auch keine zusätzlich Bedeutung. Sie sind einfach irgendwann nebenbei angefallen. Man könnte schon eher sagen, dass über einige Monate Reihen von Bildern entstehen. Man kann sie auch als Serien bezeichnen.

SP: Der Begriff „Serie“ hat etwas prinzipielles, stört dich das?

DT: Nein eigentlich nicht.
Ich verstehe unter „Serie“ eine abgeschlossene Reihe von Bildern, die in einem gewissen Zeitraum gemalt wurden. Es wird kein Motiv durchvariiert, sondern es finden unterschiedliche Ideen zusammen.

SP: Zur Rolle der Kunstgeschichte: Interessieren Dich eher Brüche oder die Kontinuitäten in der Malerei?

DT: Eigentlich interessiert mich immer, wie eine Malereiposition an Traditionen anknüpft, aber dann auch zu etwas Neuem findet, was vielleicht erstmal aneckt oder befremdlich wirkt. Aus dem luftleeren Raum passiert so was ja meistens nicht, sondern es gibt immer eine Verbindung zu vorangegangenen Positionen.

SP: Die Frage war auch als Frage nach bestimmten Heroen in der Kunstgeschichte gemeint. Hast du die?

DT: Ich habe mich während meines einjährigen Aufenthaltes in Florenz viel mit den Renaissancekünstlern beschäftigt, Wandmalereien von Masaccio zum Beispiel, die auch etwas sehr farbiges und flächiges haben. Oder die Bilder von Pontormo, die ich dort kennen lernte, haben mich mit ihrer kühlen Palette beeindruckt. Aus der neueren Kunstgeschichte waren es Künstler aus dem abstrakten Expressionismus wie Barnett Newman oder de Kooning, die wichtig waren, weil sie den europäischen Malereiansatz weitergeführt und befreit haben.

SP: Da gibt es ja singuläre Künstler wie Matisse, dessen Spätwerk mir manchmal deiner Arbeit nah zu sein scheint, oder Leute wie Palermo, Ruthenbeck, Knoebel, Giese, die eng zusammengearbeitet haben und zunächst auch als Gruppe wahrgenommen wurden. Anders gefragt, dir liegt offensichtlich das Programmatische nicht, aber wie ist es mit kooperativen Arbeiten. Würde dich das interessieren?

DT: Wenn mit "programmatisch" gemeint ist, dass das Programm durch eine Gruppe vorgegeben ist, dann liegt mir das weniger. Ich mag aber Kooperationen mit anderen Künstlern, wenn man Bezüge zwischen den Arbeiten herstellen kann und sich Spannungen ergeben. Es ist dann fast interessanter, man kommt punktuell zusammen und schaut, was passiert.


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