Ich sage nicht oft “ja” zum Leben, wenn das nicht eh schon überall bekannt ist, erkennt es jedermann am immer gleichen, mürrischen, teilweise verachtenden wie verzweifelten Blick meinerseits, der sowohl auf Fotos wie auf Videos einen beachtlichen Wiedererkennungswert aufbringt. Manchmal ist es dann aber doch so, dass Dinge geschehen, zu denen man gern ein „ja“ riskiert. Eine Tutantenreise an die Ostsee, die ein reichliches Maß an etweiligen Drogenkonsum versprach, würde mich vielleicht für ein gutes Wochenende ah 48 Stunden, soll bedeuten ein ganzer Tag und zwei halbe, aus meiner großen, zugegebenerweise stark egozentrischen, Depression ziehen können. Am Freitag, den 28. November 2003 begann also alles. Wir mussten vorher noch den Schultag absolvieren, was ich zwar ziemlich beschissen fand, aber es machte mir auch nichts weiter aus ... anders bei anderen der Gruppe, die den Schultag teilweise als unheiliges, den Spaß blockierendes Teufelswerk verfluchten. Ramona war an diesem Tag seltsam nett zu mir, ich fragte mich wieso, hörte allerdings auf zu fragen als die Fragen zu nerven begannen und ich merkte, dass das Fragen wohl eh keine Antworten bekommen würde. Gemeinschaftskunde war die letzte Stunde, bevor nicht mehr viel außer der Fahrt vor uns stand. Als der Unterricht dann auch mit einer seltsamen Diskussion Erdems, der scheinbar seine Eltern vorteilshafterweise wegen Steuerbetruges umbringen würde, um an den BMW des Vaters zu kommen, beendet wurde, war meine einzige Aufgabe dann noch, nach Hause zu fahren, meine mit Unterhosen, Unterhemden, Socken, Hosen, T-Shirts, Langhemdshirts, Coca Cola, Schokolade, Weingummis, Waschtasche inklusive Zahnbürste, aber ohne Zahnputzbecher, Zahncreme, Rasierschaum und Nassrasierer und DVD’s von den Tarantinofilmen True Romance und Killing Zoe und den Drogen...dingsda Trainspotting ... abzuholen und zurück zur Schule zu fahren. Ich holte also mein Zeug, verspeiste noch ein Brötchen auf dem Weg und kam letztendlich beim bereits wartenden Quotenkoreaner Chae an, kurz bevor auch Jungmann’s P.I.M.P. Mobil auf dem Parkplatz des Paulinums der Schule anhielt. Auf Fabian durfte und musste noch gewartet werden ... seine Verspätung hielt er für eine immer wiederkehrende Zurückgabe metaphorischer Beleidigungen in einem Spiel des gegenseitigen Zuspätkommens. Von seiner werten Mutter kutschiert, brachte er die für die Reise nötigen Utensilien mit und hatte zudem Lebensmittel, Bier und Teqiula eingepackt. Nicht zu vergessen sind außerdem die anfangs schmackhaften, selbstgemachten Waffeln der Mutter, wobei ich an dieser Stelle bemerke, dass die Herstellung von Waffeln kaum Lob verdienen dürfte, höchstens dem Waffelblech darf gedankt werden, welches zu dem Zeitpunkt allerdings leider nicht anwesend war. Ich schreibe „nicht zu vergessen“, da die Waffeln zu einem späteren Zeitpunkt noch eine solche Trockenheit erreichen sollten, dass sie nach stundenlangem Kauen einen wohligen Platz im Hals finden würden und sich weigern werden, ihren Weg zum Magen fortzuführen. Im Stillen schwor ich mir Rache ... an dieser Stelle dann auch für eine Sache, die gegenwärtig noch gar nicht geschehen ist, sondern nur vorweggenommen wurde. Jürgen Jungmanns Wohnmobil war das U-Boot der Autos, einfach, weil es auf Beton genauso schnell vorwärts kam wie eben genannte Unterseevehikel. Trotzdem erfreuten sich Chae und ich am reichhaltigen Platz auf den Rücksitzen, während Fabian entschloss, es sich vorne bequem zu machen. Jungmann überfuhr zwei rote Ampeln, diverse Tiere und den Weihnachtsmann, er hatte außerdem die seltsame Angewohnheit, mitten auf der Strecke den Wagen anzuhalten, auszusteigen und wegzulaufen. Dies geschah insgesamt dreimal. Die unendliche Betonfahrbahn war nicht wirklich frei, Stau hatten wir allerdings auch keinen. Die Geschwindigkeit aller Fahrzeuge wurde zumindest soweit runtergedrückt, dass sie an unsere potentielle Höchstgeschwindigkeit angepasst wurde. Im Großen und Ganzen verlief die Fahrt allerdings zu unserer Zufriedenheit. Wir verfuhren uns lediglich zweimal, mussten ebenso zweimal nach dem Weg fragen und überhaupt hielten wir es für angebracht, statt den direkten Weg über die Landstraßen den über die teilweise unbepflasterten Nebenwege zu nehmen. Wir fuhren 15:30 los, kamen gegen 19 Uhr an, Chae musste nur einmal pinkeln. Antonia, Alina und Janina, welche bereits einige Stunden früher losfuhren als wir, begrüßten uns dann aber auch freundlicherweise prombt, schließlich war unser Ankommen bereits lautstark aus weiter Entfernung zu hören. Im Übrigen kam die zweite Gruppe mit Sebastian, Erdem, Ramona und Piewinski, welche zwischen 4 und 5 Uhr losfuhr, 5 Minuten später auch an. Scheinbar war das alles tatsächlich strategisch durchdacht, so dass wir allesamt mit gleichem Recht demokratisch in die drei Wohnungen verteilt wurden konnten. Sinus Pi bezog die zweite, aus unserer Sicht schönere Wohnung. Wir durften da aber nicht rein, irgendwie wurde uns das Veto genommen, also mussten wir jene gegenüber nehmen. Unsere Wohngemeinschaft bestand damit aus Fabian, Chae, welcher immer noch nicht pinkeln musste, mir und Herrn Jungmann, was zur Folge hatte, dass auch alle Lebensmittelutensilien in unserer Bude gestapelt wurden, was zur Folge hatte, dass unsere Bude das Zentrum jeglichen Verkehrs, ausgenommen des geschlechtlichen, wurde und was auch zur Folge hatte, dass erstens niemand Sex hatte und zudem unsere Bude ständig belebt war. Als Abendessen gab es Pizza, was mir gefiel, als Belag gab es Mais und Tomaten, was mir nicht gefiel. Ich aß es trotzdem ... wenn man einer von den Menschen ist, die ihre kindliche Sturheit in Bezug auf das Konsumieren gesunder Nahrung noch nicht abgelegt haben, ist es wichtig, sich dies niemals anmerken zu lassen, da Blicke des Ekels in einer sozialen Gruppe niemals gut ankommen würden, denn irgendwer würde sich schon angesprochen und angepisst fühlen, obwohl es ja bei weitem nicht an den Fähigkeit des zuständigen Koches liegt, sondern an den behinderten Geschmacksnerven des Konsumenten, welcher also bei weitem nicht die Absicht hatte, irgendjemanden mit seinem Nichtschmecken zu beleidigen. Nebenbei ist es möglich, dass Chae auf Klo war, ich bürge aber nicht dafür. Zum Essen gab es dann noch für jeden ein Beck’s Gold. Die Alkoholdroge als Einstieg ist ja bereits geradezu klassisch, wobei Bier vielleicht nicht wirklich den Stellenwert stilsicherer Besäufnisse besitzt ... höchstens unter Assozialen, Nazis oder klugen Leuten, die Geld sparen wollen. Die Qualität des Goldenen Beck’s sei dabei auch noch außen vor gelassen – zwar ist der milde Geschmack bemerkenswert, genauso aber der hinterhältige Marketingtrick, eine transparente Glasflasche zu nehmen und damit dass von naturaus goldgelbe Getränk im heiligen Glanz erstrahlen zu lassen. Da Chae auch ein Bier trank, musste er mittlerweile einfach schon einmal das Klo aufgesucht haben. Nach dem Essen gab es dann motivierte Unterhaltung in Form des Spieleklassikers „Tabu“. Dabei werden Begriffe erraten, indem diese Umschrieben werden, ohne aber dass vorbestimmte Worte in die Erklärung miteinfließen dürfen. Kommt es doch einmal dazu, weist ein rosa Furzkissen auf den Fehler hin. Bemerkenswert dabei war, dass ich teilweise nicht nur unerlaubte Worte, sondern sogar den Begriff selbst zur Erklärung verwendete. Das schaffte sonst keiner. Gleichzeitig wurde unser Spielchen dann auch von Janina dokumentiert, freundlicherweise aber auch kommentiert. Die Kamerafrau führte den Zuschauer also grundsätzlich mit Einleitungen á la „So wir spielen jetzt Tabu“ ein ... einfach auch für jene, die nicht erkennen, dass wir etwas spielen, dass wir alle an einem Tisch sitzen oder was weiß ich. Damit wird das Video besonders auch für Blinde angenehm, die von der sympathischen Natürlichkeit der Kommentierendin in das Geschehen eingeführt werden. Chae hatte zu dem Zeitpunkt einen roten Kopf. Mein Vorschlag, einen Film zu gucken, wurde nach dem Spielen abgelehnt. Das war schon in Ordnung, wir spielten an Stelle dessen das Next Generation Playstation 2 Spiel „Eye Toy“, bei welchem eine Kamera die Bewegungen des Spielers auffängt und diesen so interaktiv am Spielgeschehen teilnehmen lässt ... auf einer anderen Kamera wurde gleichzeitig wieder die Situation eingeführt ... „So wir spielen jetzt Eye Toy“ ... inklusive sympathischem O-Ton. Spieler mutieren so zu springenden, zappelnden Affen und Zuschauer zu gackernden Gänsen. Zugegeben, dass ganze ist äußerst witzig mitanzusehen und macht auch Spaß ... für 48 Minuten. Trotzallem war Eye Toy das Event des Tages, so dass sich bis Mitternacht immerwieder Zappelaffen fanden. So auch Erdem, der seine Disco-Tanz-Technik stilsicher auf das Boxen übertrug... möglicherweise geschah dies aber auch umgekehrt. Ich selbst entschied mich in dieser Zeitperiode dann dazu, der Realität zu entsagen und mich auf eine Reise zu neuen Welten zu begeben ... Ziel: Mexico. Der Tequila wurde geöffnet, die Zitronen geschnitten, das Salz gestreut, die Gläser gefüllt, das Salz geleckt, die Gläser getrunken und die Zitrone ausgelutscht. Die stilvolle Prozedur wurde 8 mal wiederholt ... Chae hatte nach wie vor einen roten Kopf, Erdem war so besoffen wie nüchtern und ich spürte vorerst noch gar nichts. Nicht zu vergessen aber auch Fabian, bei welchem Alkohol scheinbar zu einer Betäubung der heterosexuellen Orientierung führte. Ab dann liebte er Chae. Es war irgendwann gegen 11, als der Alkohol zu wirken begann. Aus jetziger Sicht ist es mir Entfallen, ob wir zuvor, oder danach noch einmal an den Strand gingen. Ich glaube aber sogar vor dem ganzen Tabu – Eye Toy Gespiele. Ich entschuldige mich damit jetzt beim Leser für die chronologische Unordnung, für den Verlauf der Geschichte ist es allerdings eh nebensächlich, da am Strand sowieso nichts besonderes geschah. Ein weites Meer war bei Nacht nicht zu sehen ... dass man im Dunkeln nichts sieht, wollte mir allerdings niemand glauben. Schön war aber der klare Sternenhimmel, der sich so völlig vom städtischen Grauhimmel unterschied. Es schloss sich noch eine kurze Wanderung durch den Wald an. Ramona war nachwievor ungewöhnlich nett zu mir – was aber nicht zur Schlussfolgerung führen soll, dass ansonsten dicke Luft herschen würde. Die Diskussion mit ihr während des nächtlichen Ausfluges gab mir Aufschluss über diverse Religionen und dass es im Budhismus, mit welchem ich gewöhnlich eigentlich sympathierte, keine Geschenke gibt. Ob Juden dann auch tatsächlich 7 Tage im Jahr haben, an denen es reichlich Bescherung gibt, weiß ich leider immer noch nicht. Ich kam dann zu dem Schluss, dass es sich eh alles um Liebe dreht, dass dies der Sinn allen Seins sei und das Menschen dumm sind. Dies sind die Geschehnisse des ersten Tages, zugegeben zeitlich nicht ganz korrekt. Ich war nicht so betrunken, wie ich erhofft hatte und dass sich die gesamte Sippe bis tief in die Nacht bei uns breit machte, passte mir auch nicht. Das darf ich aber gar nicht schreiben, geschweige denn so meinen, denn ich mag ja alle. Zum Abschluss, als sich die meisten in ihre Gemächer verzogen, entschieden sich Fabian, Ramona, Antonia, Alina und ich dazu, nochmals nach draußen zu gehen. An der frischen Luft bemerkte ich dann auch meinen doch nicht allzu verachtenswerten Alkoholspiegel, welcher mich dazu ermutigte zur Freude aller gemeinsam mit Fabian spontan ein Poem über Ramona zu verfassen, während wir zivilisiert an den Strand gingen. Meine Müdigkeit schien aber langsam den Alkohol zu übertrumpfen, so dass meine Erinnerungen nur noch sehr vage sind. Zurück daheim entschlossen wir, uns noch den Tarantino-Film „Killing Zoe“ anzusehen. Chae, welcher den blutigen Streifen eigentlich auch sehen wollte, war längst im Bettchen und schlief seinen Rausch vom Bier aus. Nach dem Filmvergnügen war es nun an der Zeit, Cannabis zu konsumieren. Eine andere Welt würde ich nicht mehr entdecken können, dass war mir klar, dafür war es viel zu spät. Doch ich versprach mir ein noch größeres Vergnügen an dem Film „Fear and Loathing in Las Vegas“, welchen wir uns danach noch zur Hälfte ansahen. Leider verstummte die anfängliche Heiterkeit dann dadurch, dass Ramona einschlief, Alina eigentlich nur darüber rätselte, ob Johnny Depp der Hauptdarsteller sei und ich nur wie doof durch die Gegend hüpfte. Ich verhielt mich darauf unsozial und beendete den Abend. Mein Verschwinden im Badezimmer war Zeichen dafür, dass sich alle sich in der Wohnung befindlichen Individuen in ihre eigenen Betten verziehen sollten. Nach Pinkeln, Zähneputzen und allgemeiner Wäsche erkannte ich dann zu meiner Verwunderung, dass mein Plan tatsächlich von Erfolg gekrönt und jeder verschwunden war und ich mich darauf gähnend und halbzufrieden in mein eigenes Schlafgemach verziehen konnte.
Der nächste Tag begann 11 Uhr. Eigentlich begann der Samstag bereits nach Mitternacht, aber ich mag die jüdische Auffassung, dass folgende Tage immer dann beginnen, wenn man neu aufwacht. 6 Stunden schlaf in einem viel zu kleinen Bett führten nun aber auch dazu, dass ich meinen eigenen Rekord in „dicke Augenringe“ toppte, dass ich traditionsbewusst unfreundlich und muffelig zu allen war („alle“ soll hier auch mein Missfallen dazu andeuten, dass sich die gesamte Gruppe abermals in unserer Wohnung breit machte, was mir ja bekanntermaßen nicht passte) und dass ich mich übelst mit mir selbst gestritten habe, dass ich nüchtern bin. Auf Drogen einzuschlafen und nüchtern aufzuwachen ist mit das schlimmste, was einem nach langen Nächten passieren kann. Karge, kühle, unsäglich brutale Realität ... alles erscheint viel zu echt. Wie auch immer ... ersteinmal war Duschen angesagt. Dazu noch eine blitzschnelle Rasur mit dem grandiosen Gilette Mach 3 Turbo und fertig ist das frische „Gute-Morgen-Muffelgesicht“. Nach einem schnellen Frühstück verbrachte ich die folgenden Stunden nun in einem sehr gelangweilten Zustand. Ich erspähte Fernseher, auf denen Muntermacher wie „Deutschland sucht den Superstar“ oder seltsame DSF Autosendungen liefen. Zwar versuchte ich es, aber leider konnte ich mich nicht wirklich integrieren und so pendelte ich zwischen den Wohnungen, um als seelenloser Zombie den anderen TV-Zombies beim Nichtstun zuzusehen. Ich sah mir dann ein paar Minuten einen Film mit dicken Leuten an, den ich aber auch nicht wirklich toll fand – Erdem schon. Eine kurze Runde Roulette machte mich, nachdem ich all mein Geld nach 5 Minuten verlor, später auch nicht wirklich fröhlicher. Witzig war allerdings dass Kartenspiel, dass mir danach beigebracht wurde. Skibo o.ä. hieß dieses spaßige Spiel, dass mich Anfangs verzückte, da ich bereits die erste Runde haushoch gewann. In weiteren Runden erkannte ich allerdings den gewaltigen Glücksfaktor des Kartenspiels, was auch zu einer proportionalen Steigung des Frustfaktors meinerseits führte ... oder anders ausgedrückt: Ich verlor die nachfolgenden Runden, dass ging mir mächtig auf’n Sack. Überhaupt war die gesamte Nachmittagsstimmung mehr als dürftig. Fast eskalierend wirkte sich allerdings das nicht wirklich soziale Verhalten von Sebastian und Menthor Erdem aus, welche viel lieber ihr Ego pushten und wieder und wieder gegen einen virtuellen Roboterboxer gewannen, als sich bei der Zubereitung des Abendessens zu beteiligen oder das Geschirr vom Essen zuvor abzuwaschen. Ich blieb allerdings unparteiisch und vollendete ohne Murren meine Aufgabe, das Gemüse für den Salat zu verstümmeln. Trotz allem gab es dann aber schmackhafte Pasta, zubereitet aus portionierten Nudeln, portionierter Tomatensoße und ebenfalls portionertem Käse. Die Stimmung hellte auf, ich Versprach mir Drogen um die Tendenz zu halten. Um die Frist bis dahin zu überbrücken, genehmigten wir uns dann noch ein paar Runden Eye Toy, dankenswerterweise wurde das natürlich auch wieder fein aufgezeichnet, inklusive der unmissbaren Kommentare. Fabian schien allerdings den Gefallen daran verloren zu haben und reagierte mit Frust, als ein unsagbarer Betrugsversuch von Ramona und mir aufflog und Janina dezent, aber direkt und spontan das Geschehen aufnahm und mit „Die schummeln ja ... schau mal Piewi die schummeln ja ... wie findest du denn das Fabian?“ unterlegte. Ehrlich ... dass ganze klingt so unvorstellbar konstruiert, dass Gänsehaut nur eine Vorstufe zum Amok sein dürfte. Sinus Pi + Ramona entflohen dem Ganzen darauf und gingen an den Strand. Fabian und ich genossen dort dann noch den übriggebliebenen Rest der Cannabistüte vom Vortag. Der Strand präsentierte sich mir dann auch in einer völlig neuartigen Form mit nicht enden wollendem Pfad und einer Treppe, die zum Himmel führte. Die veränderte Umgebung lag wohl aber auch der Tatsache zur Grunde, dass wir diesmal den linken, nicht den rechten Weg einschlugen. Ein Huckepackrennen sollte dann unsere Rückkehr zum Haus einleiten. Ich gewann, was mich erfreute, nur wurde ich daraufhin beschuldigt, ein schmückendes Erbstück geklaut zu haben. Ich verzichtete auf eine Aussage und schwor gleichzeitig, nie wieder in die Zelle zurückzukehren. Zurück im Haus begann nun das große Besäufnis. Das Ganze mit einem Spielchen zu verbinden, scheiterte allerdings kläglich, da eine Trinkstrafe keinen Sinn machte, solange die meisten eh mit Vergnügen den einen oder anderen Kurzen wegspülten. So warfen wir uns in hitzige Politikdiskussionen, dessen Hauptthema die Formung eines neuen Staates war. Dieser Staat, soweit ich es rekonstruieren kann, wird eine neue, schöne Welt unter kommunistisch diktatorischer Herrschaft erschaffen, was mir im Ganzen sogar gefällt, da ich als zweites Oberhaupt weit über allem stehe – die Führung sollte Ramona übernehmen. Die idealistischen Ziele der neuen Politik verbieten mir solch widersprüchliche Gedanken allerdings, schließlich handle ich im Sinne des Volkes, denn ich bin das Volk. Richtig ist aber tatsächlich wohl, dass mir eine Reform mit Cannabislegalisierung fast ausreichen würde – eine gemeine Behauptung eigentlich. Als Konkurenz zu uns, entwickelten Fabian und Erdem einen weiteren Staat mit dem Namen „Fabdem“, dessen neugegründeter Status allerdings keine Hürde für die außergewöhnlich hohe, technologische Entwicklung und der übermächtigen, militärischen Stärke, von Beginn an, darstellen würde. In all dem Kampfgebrüll der Beteiligten, dessen Argumentationen zusammenfassend also der Intellektualität von Betrunkenen glich, einfach weil es wohl Betrunkene waren, kam ich dann allerdings zu einer mir verstörenden Erkenntnis und zwar, dass ich es seit Jahren versäumte, eine potenziell grandiose Freundschaft auch dementsprechend zu pflegen. Die intelligenteste Philosphie entsteht grundsätzlich unter Drogeneinfluss – das ist meine Philosophie. Der rotausgeleuchtete Hexenkessel verlangte nun nach einem Film – ob es tatsächlich alle oder doch nur einer war, ging im Durcheinander von Gelalle, Gelächter und Eye Toy unter. Wahrscheinlich war es nur einer. Die Wahl traf auf Trainspotting, ein mitunter sehr seltsames Drogendrama, dessen grotesker Inhalt die angeheiterte Truppe allerdings gänzlich überforderte, so dass die Interessierten den Film nur mit lautstarker Gegenkulisse „genießen“ konnten. Letztere bestand zu einem Großteil, wie sollte es auch anders sein, aus Erdems markanter Fröhlichkeit, so dass er wohl auch der einzige war, der sich letztendlich an Opiumzäpfchen, die wegen Durchfall aus einem völlig versifften Klo gefischt werden mussten, erfreuen konnte. Ein anderer Teil der Ablenkung bestand aus Sebastians ständigen Vorwürfen, alle Elemente des Filmes seien stark homosexuell geprägt. Den Film abzuschalten war die einzig sinnvolle Konsequenz. Meine Seele schrie nun nach Ruhe und Besinnlichkeit, mein Geist war überfordert vom urmenschlichen Feste der Sippschaft, mein Hirn verlangte nach Weed. Überzeugt von dem Ratschlag eines Bekannten, eine völlig reine Tüte zu basteln, verschwendete ich meine gesamten Reserven an dieser Sünde. Die Bauarbeiten stellten Fab und mich allerdings vor ein nicht zu unterschätzendes Problem. Unserer Bitte, neue Papers zu kaufen, kam man am Samstag Morgen nur halbherzig nach, so dass die Größe der Papierchen nur die Hälfte der uns gewohnten Länge entsprach, was die Prozedur zu einer wahrlich elendigen Fummelei ausarten ließ und zusätzlich beim ständigen Neubau einige milligramm wertvoller Ressourcen vernichtete. Den Hürden trotzend bekam ich trotzallem einen, vielleicht etwas verkrüppelten, kleinen Joint hin, der genau die richtige Größe für eine solche Purheit besaß. Also schlüpften Fab und ich abermals in unsere Kampfkleidung und verzogen uns halbheimlich zum Strand, um unserer grünen Leidenschaft nachzugehen. Vor der Tür standen derweil, traditionsbewusst lästernd, Ramona und Sebastian. Weniger traditionsbewusst war der glühende Tabak in der Hand der erstgenannten. Mit dem ungewissen Gefühl des Verfolgtwerdens kamen wir Minuten später abermals am Strand an. Hoffnungsvoll legte ich mir die Tüte in den Mundwinkel und entzündete den Zipfel mit rücksichtsvollem Feingefühl. Meine Erwartungen bestätigten sich. Der Rauch ging angenehm den Hals herunter, völlig ohne Kratzen. Die Wirkung stellte sich bereits nach den ersten fünf Zügen ein. Gefühle der Klarheit und Offenheit überkamen mich, ich spürte die Hand Gottes auf meiner linken Schulter. Tatsächlich war mein Hirn vernebelter denn je, Bildung wurde zum Inbegriff der Einbildung. Ich vernichtete die Tüte nach zahlreichen Zügen, Fabian benahm sich überraschend bescheiden, obwohl auch ihm die starke Wirkung ins Gesicht geschrieben war. Starke Drogenwirkungen führen leider aber auch immer zu nicht zu unterschätzendem Verlust der Körperkontrolle. Was ich erst später bemerken sollte, war also, dass ein leichter Sturz über einen Stein meine Hose im Schritt ruinierte. Noch völlig euphorisch flogen Fab und ich zurück nach Hause. Dort angekommen mutierte ich zum kopflosen Huhn. Was andere taten, war für mich nicht weiter von Interesse, selbst was Fabian tat, kann ich beim besten Willen nicht mehr nacherzählen. Wie ein Schatten flog ich über die Flure, als ich plötzlich ein Geräusch aus einem der Wohnungen entnahm. Die Person, welche die Laute von sich gab, erwies sich tatsächlich als äußerst verdächtig. Ob Sebastian nach meiner Vermutung nun wirklich ein verdammter Drogenfahnder ist, konnte ich aber nicht beweisen. Trotzdem zwang ich mich dazu, der Situation Herr zu bleiben und mich nicht von der faschistischen Propaganda beeinflussen zu lassen. Ich entschied mich dazu, dass Klo zu besetzen – da der Drogenfahnder das selbe vorhatte, hielt ich es für äußerst sinnvoll, mich nach meinem Geschäft vorerst im kühl-weißen Raum niederzulassen, um so die feindliche Übernahme zu verhindern. Erst, als die Luft rein war, entriegelte ich die Tür und ging voller Stolz durch das nun gesicherte Gebiet. Der miese Drogenfahnder musste sich nun oben verkrochen haben. Es stank mir, dass sich über das ganze Wochenende alle Drogenfahnder immer in unserer Wohnung niederlassen mussten. Steht man unter Drogeneinfluss, gibt es demzufolge nur eine Regel, um vor den Gesetzeshütern zu bestehen: man darf sich nichts anmerken lassen. Geschickt und clever, wie ich war, schnappte ich mir also dass vom Koreaner, der es irgendwie geschafft hatte, in das Haus zu kommen, mitgebrachte Mathematikbuch und verkroch mich gut getarnt in einer Ecke. Die Gefahr schien gebannt zu sein, als man mich fragte, ob wir uns zum Abschluss des Abends noch eine DVD ansehen könnten. Ich be-ja-te die Anfrage. Ein Nein währe wahrscheinlich zu suspekt rübergekommen. Also sahen wir uns den letzten und ohne Zweifel blutigsten unserer Filme an: True Romance. Jungmann und Ramona zogen sich derweil in eine Ecke der Küche zurück und führten während unseres Filmgenusses eine gescheite Diskussion über was weiß ich. Dabei ist es wirklich bemerkenswert, dass mir das Thema der Diskussion nicht bekannt ist, übertönten die Stimmen der beiden doch tatsächlich ohne Mühe den vom Film lautstarken Einsatz von Gewalt, großkalibrigen Waffen und Gekreische. Das brutale Machwerk schien die chaotische Stimmung der Gruppe aber tatsächlich zum Abschluss zu bringen. Nachdem der Abspann über den Bildschirm zog, verzogen sich die meisten mehr oder weniger wortkarg aus dem Zimmer in ihre Betten. Einzig und allein Jungmann, Sebastian, Ramona und ich blieben übrig. Zu entspannter Musik wollten wir nun auch den Samstag ausklingen lassen, womit eigentlich auch die Ereignisse der Tutreise beendet wären. Mein persönlicher Abschluss war dann nur noch die Ernüchterung, als ich dass aufgerissene Loch in meiner Hose entdeckte. Es gab also keinen Grund, weiter gegen die Müdigkeit anzukämpfen, außer vielleicht, dass die fortgeschrittene Uhrzeit von 4 mich mit dem Gedanken spielen ließ, durchzumachen. Kontinuierliche Müdigkeit halte ich, obwohl sie stärker sein mag, immer noch für angenehmer, als die brutal-nüchterne Müdigkeit nach zu wenig Stunden schlaf. Allerdings wollte sich meinem Plan niemand anschließen – ich fühlte mich geradezu ausgeschlossen, aber dass nicht erst seit dann – und ein wenig trinken wollte erst recht niemand mehr. Schade ... so gingen wir alle schlafen und erwachten halbtot am nächsten morgen, um uns der letzten, wirklichen Aufgabe zu stellen und zwar der Säuberung der Zimmer. Besonders problematisch gestaltete sich dabei unser Klo und die damit verbundenen, gelben Restspuren unseres Asiaten. Selbstverständlich dementierte er seine Schuld daran. Ich halte es nun für sinnlos, noch groß auszuführen, wie und warum wir die Zimmer noch säuberten, wischten und durchsaugten oder wie wir noch ein paar Runden Tabu gespielt haben, während wir auf Antonias Mutter warteten, welche die Aufgabe hatte, eine Gruppe zurück nach Hamburg zu fahren. Es geschah nichts witziges mehr und ich werde es hier auch nicht als witzig gestalten. Was hier steht ist die Wahrheit, die reinste Wahrheit und die zynischste Ehrlichkeit meinerseits, original mit irre langen Sätzen, seltsam verschachtelter Grammatik und einem Schlusssatz, der so überraschend wie befreiend kommt.
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