Perfect Blue
Pate für den Titel „Perfect Blue“ stand die
sogenannte „Blue Box“, welche verwendet wird, um reale Schauspieler in
künstlich generierte Hintergründe einzufügen. Übertragen auf den Film
bedeutet das ein loses Ineinandergehen von Traum und Wirklichkeit, die
Illusion ist perfekt und der Zuschauer bemerkt davon rein gar nichts – eine
Thematik, derer sich später auch David Lynch in seinem desillusionierenden
Thriller „Mulholland Drive“ teilweise annahm. Übertrieben konsequent lässt
Satoshi Kon die Story dann auch diesem Konzept folgen und belässt es dann
auch nicht dabei, sich lediglich auf die Identitätskrise des Hauptcharakters
Mima zu konzentrieren. Das Problem von Perfect Blue ist dann letztendlich
auch der eigentliche Kniff der Story, denn während man es dabei belässt,
Mima als einzige Identifikationsfigur zu sehen, prasselt parallel dazu noch
mindestens eine weitere gespaltene Wahrnehmung, derer sich der Film
ebenfalls durch Visionen und / oder Traumsequenzen annimmt, auf den
Zuschauer ein, wobei die eigentliche Perspektive nach wie vor auf Mima
gerichtet bleibt. Der eigentliche Reiz der Geschichte besteht nun darin, wie
durch diesen überaus geschickt konstruierten Bogen Traum und Realität völlig
nahtlos vermischen und man selbst schnell daran verzweifeln kann, dem
Geschehen folgen zu können und dies ist beim ersten Mal anschauen durchaus
anstrengend. Wirklich blöde ist dann nämlich, dass, lässt man sich auf
diesen Psychostrudel nicht ein, der Ausgang der Geschichte schnell erraten
ist und der Film einem dann eben als lediglich völlig überladener und
gewöhnlicher Thriller vorkommt, dabei sind die zahlreichen Twists der
Handlungen eigentlich so überzeugend, dass es, zumindest theoretisch, fast
unmöglich ist, die Auflösung vorherzusagen, allerdings muss man diese eben
auch verstehen. Tut man dies, entfaltet sich Perfect Blue nämlich, ähnlich
wie sein Handlungsgerüst, als faszinierender, intelligenter Genremix, der
eigentlich nur oberflächlich ein „Wer ist der Mörder“-Thriller ist, anfangs
allerdings ein wenig zu lose damit umgeht. So beginnt das Ganze fast
knallbunt und reichlich zynisch als Satire auf den völlig überreizten Markt
für Popidole, speziell in Japan, und wie krankhaft fanatisch Einige ihre
Idole bereits anhimmeln und sie auch als persönlichkeitslose Spielzeuge
sehen. (Interessant dazu beispielsweise die Szene zu Beginn, während der
Mi-Maniac Mima auf der Bühne so beobachtet, als würde sie wie eine Puppe auf
seiner Hand tanzen). Perfect Blue entwickelt sich darauf mehr und mehr zu
einem Identitätsdrama. So richtig schlimm ist das dann aber auch nicht, zumindest nicht, wenn man sich bei Perfect Blue auch darauf einlässt, dass dieser mehr als nur ein verwirrender Massenmörderthriller ist, denn dafür bietet der Film unter seiner dreifachen Verschachtelung einfach eine viel zu komplexe und interessante Charakterstudie und ist darüber hinaus noch ein erfolgreiches Experiment, die komplexe Handlung nicht nur für die Verwirrung auszunutzen, sondern tatsächlich überzeugend Wahrheit und Lüge, Realität und Traum, ohne dass man es bemerken würde, ineinander übergehen zu lassen. Darüber hinaus gibt es für die Gorefreunde dann auch noch die ein oder andere, wirklich blutige Szene (wahnsinnig brutal z.B. die Eispickelszene mit dem Fotographen), schön kühl und emotionslos insziniert und dann ist das Ganze mit 75 Minuten Laufzeit auch äußerst straff erzählt und bietet kaum mal eine Verschnaufpause, ohne allerdings jemals überladen zu wirken. Zu Beginn geht Perfect Blue nicht straff genug mit seinem Genremix um und das Ende ist leider ziemlich bitter (enttäuschend), dafür gibt es Abzüge, trotzdem ist das Ergebnis beachtlich und die Genialität der Handlung ist nicht zu bestreiten. Kein Meisterwerk, aber Kult auf jeden Fall und mit beachtlichem Wiederguckwert. Dafür 8 von 10 Punkten.
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