RELATIEFÖKONOMIE

 

REITERS WESTLICHE WISSENSCHAFT

ALS VOLKS(WIRTSCHAFTS)VERDUMMUNG:
KRITIK DES KAPITALISMUS DER DUMMEN KERLS
...

 

 

 

(I)    Der bekannte Dramatiker (und weniger bekannte Wahrheitsfreund) Bertolt Brecht notierte in Form eines Poems vor fünfundfünfzig Jahren, im Juni 1953, über „Nicht feststellbare Fehler der Kunstkommission“ und damalige Kunstkommissionäre: „Trotz eifrigsten Nachdenkens / Konnten sie sich nicht bestimmter Fehler erinnern, jedoch / Bestanden sie heftig darauf, / Fehler gemacht zu haben.“[1] 

 

 

(II)   Am 050308 veröffentlichte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) unterm Titel „Schrumpfende Mittelschicht“ (s)einen neuesten fünfzehnseitigen „Wochenbericht“[2]. Die dort von einem der führenden deutschen Wirtschafts(forschungs)institute plakativ verbreiteten Daten wurden rasch noch plakativer rechts-mitte-links von FAZ („Die Mittelschicht schrumpft“, 050308: 12) und FAS („In Deutschland stimmt die Balance nicht mehr, 090308: 40) übern „stern“[3] bis zum alternativen Weltökonomen Dr. Joachim Jahnke larmoyant plappernd  weitergereicht[4].

 

 

(III)   Wie bekannt und zuletzt auch von der FAZ (060308: 12) erneut bestätigt – sanken auch im letzten Jahr (2007) die mit 27.083  € jährlich (knapp 2.257 € monatlich) angegebenen „Bruttodurchschnittsverdienste“  bei einer Jahresinflation von 2,3 Prozent trotz Nominalsteigerung (von 1,3 Prozent). Analog soll auch im letzten DIW-Berichtszeitraum (2006) das Realeinkommen derer, die als „Durchschnittsverdiener“  zur „Mittelschicht“ zu zählen sein sollen, gesunken sein: „2006 gehörten nur noch 54 Prozent zur Gruppe der Durchschnittsverdiener, das entspricht rund 44 Millionen Menschen. 2000 betrug der Anteil noch 62 Prozent [...] Von dem Abstieg seien vor allem ´klassische´ Familienhaushalte betroffen.“ (FAZ 050308: 12).

                                                                                         

 

(IV)   Bestimmt wird die „Mittelschicht“ und wer dazu gehört vom DIW durch eine breite Spanne um den sogenannten statistischen Medianwert: Nach unten wird aus der „Mittelschicht“ rausgespien, wer über weniger als 70 Prozent dieses Werts als Haushaltseinkommen verfügen kann (-> „Unterschicht“). Nach oben darf sich verabschieden, wer mehr als 150 Prozent hat (-> „Oberschicht“). Und der Plot der publizistischen DIW-Veranstaltung: Grad so, als wären die Nettofamilieneinkommen (2006) und ihre Entwicklung seit 2000 ein Staatsgeheimnis, wird im 15-seitigen DIW-Wochenbericht keine einzige €-Zahl mitgeteilt. So daß auch keine/r, der/die die Relatiefdaten liest, sich in eine soziale Beziehung zur Mittelschicht setzen kann. Das ist nachhaltige dum-dum-dum-Ökonomie oder Volks(wirtschafts)verdummung. Und keiner der von mir durchgesehenen Zeitungs-, Zeitschriften- und sonstiger Berichter hat angemerkt, daß hier jede reale DIW-Bezugsgröße fehlte, was vorausgesetzt hätte, daß es bemerkt worden wäre ... konkret befragt, konnte schließlich auch die zwei Mal um Aufklärung ersuchte DIW-Pressestelle mit keinem €-Datum dienen, sondern sich nur in beredtes Schweigen hüllen ...

 

 

(V)  Gleichwohl gelang es wie auch immer, die Grundbezugsdaten (in €) der DIW-Berechnungen zu erhalten: Unterlegt wurde 2006 als durchschnitts-reales Haushaltsnettoeinkommen der Medianwert von 16.243 € (monatlich etwa 1.354 €). (Der Medianwert und nicht der arithmetische Mittelwert wird ökonomiestatistisch deshalb benützt, weil er weniger stark Abweichungen - typischerweise als durch Quadrierung positivierte Standardabweichung berechnete Streuungen, die hier nicht mitgeteilt wurden - ausdrücken soll.) Der westliche Medianwert soll  2006 16.851 € (monatlich etwa 1.404 €), der östliche 14.242 € (monatlich etwa 1.187 €) betragen haben. Das bedeutet: Jeder realexistierende Privathaushalt, der im gegenwärtigen Deutschland in den sogenannten Fünf Neuen Ländern, der Ex-DDR (ohne Berlin), 830 € netto monatlich und weniger zur Verfügung hat – ist östliche Unterschicht (Ossi-Uschi), die östliche Oberschicht (Ossie-Oschi) beginnt ab 1.780 € netto monatlich, die östliche Mittelschicht (Ossie-Mischi) streut von 830 € bis 1.780 €.

 

 

(VI)   Analoges läßt sich sobald die drei DIW-Grunddaten bekannt sind fürs westliche Altreich, die alte BRD, berechnen: Die Wessie-Mischi liegt zwischen 983 und 2.106 € monatlichem Haushaltsnetto, wer weniger als 983  € netto monat/haushaltlich zur Verfügung hat, ist Wessie-Uschi, wer 2.106 € und mehr hat, ist Wessie-Oschi. So simpel ist das mit den eindimensional auf Basis von Haushaltseinkommensstatistik(en) berechenbaren sozialökonomischen Schichten, die entgegen der subjektiven Meinung des Ex-Vizekanzlers und -SPD-Vorsitzenden Franz („Netto“) Münteferring in dieser Form keine Erfindungen von Soziologen, sondern Ausfluß des DIW-Wochenberichts 10/2008 vom 050308 sind.

 

 

(VII)   Soziologisch im wirklichkeitswissenschaftlichen Sinn läßt sich mit diesem sozialökonomischen Dünnpfiff von „Reiters Westlicher Wissenschaft“ (Walter E. Richartz) meiner so subjektiven wie unmaßgeblichen Meinung nach weniger als wenig anfangen. Wohl ließe sich überschlägig extrapolieren, daß in Deutschland heuer – und ganz unabhängig vom höchstfiktiven gesamtdeutschen „Eckrentner“-Monats(brutto)einkommen in Höhe von derzeit etwa 1.180 € – ein durchschnittliches reales Ostrentnerpaar mit derzeit etwa 1.496 € monatlichem Haushalts(netto)einkommen satt in der östlichen Mittelschicht liegt – während, vice versa, das vergleichbare durchschnittliche Westrentnerpendent mit derzeit etwa 1.224 € monatlichem Haushalts(netto)einkommen relativ abrutscht und sich gegenüber seinem FNL-Gegenstück benachteiligt fühlen könnte ...

 

 

(VIII)   Damit gilt wirklichkeitssoziologisch: „Fragen über Fragen“ (Bertolt Brecht) - etwa diese im speziellen entsprechend des Anlasses: Ist die - angebliche oder wirkliche - Mittelstandsschrumpfung seit 2000 um jährlich etwa ein Prozent nicht möglicherweise auch Ergebnis forcierter „westlicher“ Frühverrentungspolitik ? Oder, allgemeiner: Ist jeder und jede, die oder der Peter-Hartz-Vier zum Überleben erhalten muß, deshalb schon sei´s östliche sei´s westliche Unterschicht ? Auch dazu schweigen diese „Bücher der Wissenschaft“ (Leopold v. Wiese). Und sollte mich jemals so´n/e neue/r deutsche/r Relatiefstökom/in anpumpen – ich schenk ihr/ihm gern fünf Teuro (5 €)  - unter einer einzigen Voraussetzung: nie wieder von ihm/ihr was zu lesen/hören ...

 

 

 

 

 

 

 

[1]

http://books.google.com/books?id=9f97AIvgINcC&pg=PA334&lpg=PA334&dq=fehler+der+kunstkommission+brecht&source=web&ots=R5tgSJnL0T&sig=8uIaEllIrbYVIA_1vdZt0nXO4Is

 

[2]

75. Jg. 2008, Nr. 10 -> http://www.diw.de/documents/publikationen/73/79586/08-10-1.pdf

 

[3]

http://www.stern.de/wirtschaft/immobilien/verbraucher/:Schrumpfende-Mittelschicht-Die-Jahre/613084.html: „Die goldenen Jahre sind vorbei“

 

[4]

http://www.jjahnke.net/mittel.html: „Mit-Verlierer der neo-liberalen Globalisierung“

 

 

 

Richard Albrecht

 

 

 

Editor des unabhängigen HWM moz.art1

è    http://www.oocities.org/de/earchiv21/moz.art1.htm

 

 

 

Dieser Text steht copyleft im earchiv21

è    http://www.oocities.org/de/earchiv21/relatiefoekonomie.htm