WAS NUN?
Was nun? Rassismus bestimmte die letzten Wahlen in den Alpenlanden, und wer die Ausrede bemüht, viele hätten bloß des Protestes wegen für den rassismus gestimmt, irrt oder lügt wissentlich, vielmehr wählten insgeheim nur der rassitischen Hetze wegen unzählige den Protest, denn der Kern ihres Protests war ein autoritärer, menschenverachtender und xenophober, mithin ein rassitischer.
von Doron Rabinovici
Mehr noch; auch unter jenen, die gegen die Rechtsextremen stimmten, entschieden sich nicht wenige aus chauvinistischen und wiederum autoritären Gründen für eine Regierungspolitik, die mit den Hasen läuft und mit den Hunden hetzt; die gegen Afrikaner wütet, gegen alles Fremde mobilisiert und sich Boulevard und Populismus vorauseilend unterwirft. Gewiß, auch anderswo gewinnen Rechtspopulisten an Kraft, doch nirgends in Europa errang das rechtsextreme Potential über solche Macht über die gesamte Öffentlichkeit und die politische Kaste. Ein Staat verkommt zur Wahlheimat der rechtsextremen. Zudem scheint zuweilen, als betrieben die Freiheitlichen in Wien Opposition und Regierungspolitik zugleich. Kurzum; Österreich ist die auf Erden hervorragendste Widerlegung der geotektonischen Erkenntnis, daß kein Sumpf keine Gipfel habe. Haiders Erfolg liegt nicht an seinen Wahlversprechen, und deshalb ist es im Übrigen sinnlos, darauf hinzuweisen, daß sie nicht finanzierbar wären. Seine rassistischen Verkündigungen werden mit Begeisterung und wider besseren Wissens aufgenommen. Mit Macht macht er Lust, und mit Lust macht er Angst. Viele glauben an ihn, ohne ihn je irgendwas zu glauben. Vertrauenswürdig und glaubhaft klingt er bloß, wenn er erklärt, daß er mit allem aufräumen möchte, was nicht bodenständig und heimatlich scheint. Zweifellos ist Haider nicht das Problem, sondern alleinig dessen Symptom, aber eben deswegen muß sich mit ihm auseinanderse’tzen, wer gesellschaftliche Lösungsvorschläge anbieten will. Weshalb beherrscht diese Opposition das gesamte Klima in Österreich? Um hierauf eine Antwort zu finden, müssen internationale von besinderen Bedingungen unterschieden werden. Der Verlust des Politischen ist keine österreichische Eigenheit. Im Zuge der elektronisch-industriekllen Revolution und jener ökonomischen Veränderungen, die mit dem Schlagwort Globalisierung verortet werden, scheiterte mehr als bloß die sowjetische Dikatatur. Jegliche gesellschaftliche Alternative, ja alle emanzipatorischen Strategien gegen die Interessen der Wirtschaft, gerieten mit einem Mal in Verruf. In vielen Ländern führte diese Entwicklung, der hier angedeutete Trend, zu einer neoliberalen Wende, zu einer antisozialen Attacke gegen zivilisatorische Errungenschaften zwar, aber nicht zur Verletzung des demokratisch parlamentarischen Fundaments. Ganz anders hierzulande, und deshalb sind selbst neoliberale, populistische und rechtskonservative Politiker in Europa recht beunruhigt, wenn sie vom Rechtsruck in Österreich hören. Was ist das Wesen dessen, das nun auch im Aufruf der Demokratischen Offensive mit dem von Sigrid Löffler geprägten Begriff "Verhaiderung" bezeichnet wird? Vergessen wir nicht, zu Haiders Chareakterisierung gehört, daß er nicht mit einem Wort umschrieben werden kann, weil ihm gestattet wird, unterschiedlichste politische Bereiche abzudecken, die sich in anderen Ländern ausschließen. Wenn mithin gefragt wird, ob Haider eher mit einem Rechtspopulisten wie Newt Gingrich, mit dem rechtsextremen Pat Buchanan oder mit dem Rechtsradikalen nach der Art des David Duke vom Ku-Klux-Klan zu vergleichen wäre, dann fällt die Entscheidung schwer, weil Jörg Haider Gingrich, Buchananan und Duke in einer Person sein darf. Er kann den alpenländischen Berlusconi, Fini und Bossi zugleich abgeben, weil im österreichischen, sozialpartnerschaftlichen Klientensystem nach 1945 ohnehin kaum je Wert darauf gelegt wurde, nach ideologischen Differenzen zu fragen und antinazistische Mindeststandards einzufordern. Über alles Trennende wurde das Gemeine gestellt. Drei Aspekte machen den Haiderismus aus. Zum einen geht es um die Traditionen des Dritten Lagers, das die Niederlage des Dritten reiches nie verwunden hat. Haider überschreitet die Grenzlinie zwischen Zweiter Republik und Nazismus nicht aus bloßer NOstalgie. Das historische Ressentiment hat ganz aktuelle Gründe; der antiemanzipatorische Reflex dient der Rechtfertigung gegenwärtiger Ungerechtigkeiten und zukünftiger Barbarei. Zweitens verstößt der freiheitliche Populismus gegen die Grundregeln parlamentarischer Demokratie. Einzelne Kritiker werden durch Lügen niedergemacht. Die Angstmache ist das Erfolgsrezept der Rechtsextremen, und die Mutlosigkeit ihrer etablierten politischen Gegner läßt sie triumphieren. Haiders Opportinismus ist kein Zeichen von Beliebigkeit. Ihm ist jedes Mittel recht, das zur Macht führt; hierin liegt der Kern seiner autoritären Gesinnung. Das freiheitliche Programm ist Jörg Haider. Das Parteicredo ist ein säkularisierter Führerkult. Die Ideologie ist der Absurd jenes Ungeistes, der glaubt, daß bloß das GUte schafft, wer stets das Böse will. Letztlich aber ist der Rassismus das Kernstück der Haiderschen Politik, und es gilt ihn als solchen zu bezeichnen, ohne im Diminuitiv blß von berechtigten Ängsten, Fremdenhaß oder Ausländerhetze zu plauschen. Wenn die Freiheitlichen von "Überfremdung" sprechen, wenden sie sich nicht allein gegen Migrationsprobleme. Ihre Aggressionen richten sich gegen die "Umvolkung" und folgen dem rassitischen Konzept eines "Volkskörpers". Wer gegen diese Haiderische Trias vorgehen, wer den Vormarsch der Rechtsextremen in Österreich stoppen möchte, muß zuallererst der Angstmache entgegentreten und den Opfern und Gegenern seiner Hetze wieder Mut machen. (...) Haider kann politisch geschlagen, ja, kann endgültig geschrumpft werden, wenn die politische Auseinandersetzung endlich aufgenommen wird. Statt das Staatsschiff dem Sturm zu überlassen und in Panik zu verfallen, gilt es, klaren Kopf zu bewahren und gegen den Wind zu segeln. Wer deshalb den Angriff der Freiheitlichen gegen den Grundkonsens der Zweiten Republik, kontern möchte, wer Meinungshetze und Populismus überwinden will, muß einen Kurs gegen die Mediaprint wagen. Österreich braucht ein Medienkartellverbot und eine Presseförderung, welche die Macht des Boulevards einzuschränken hilft. Eine plurale und qualifizierte Öffentlichkeit ist kein intelektueller Luxus, sondern eine demokratische Notwendigkeit. Um den autoritären Protest entgegenzuwirken, muß zudem die sozialpartnerschaftliche Konsenspolitik reformiert und das Proporzsystem abgeschafft werden. Allein der Abschied von den austrofaschistischen Traditionen des Kammerstaates ermöglicht der parlamentarischen Opposition, die inhaltliche Auseinandersetzung zu eröffnen. Zweitens; der Rassismus der Freiheitlichen verkehrt soziale Konflikte in vermeintlich ethische Auseinandersetzungen. Der Haß kann sich deshalb gegen ausländische mArbeitnehmer richten, da sie ohnehin bereits ausgegrenzt sind. Im Unterschied zu anderen Ländern und im Gegensatz zu den Idealen der Arbeiterbewegung herrscht in derb österreichischen Gewerkschaft nicht das Prinzip der Solidarität, sondern das Primat der nationalen Divergenz. Ausländische Arbeitern wird das passive Wahlrecht vorenthalten. Sie dürfen sich selbst nicht vertreten. Erst wenn sie nicht mehr schiere Objekte der heimischen Politik sind, werden sie den Rassismus abwehren können. Zudem sollten die österreichischen Gesetze dem allgemein gültigen Standard der europäischen Antidiskreminierungsgesetze angepaßt werden. Bloß wer endlich über Recht und Macht verfügt, taugt nicht mehr zum Opfer und Sündenbock. Ebenso ist der Kampf gegen die Geschichtsverleugnung des dritten Lagers zu gewinnen, wenn seine Gegner politisches Denken wieder wagen wollten. Zum einen gilt es protonazistische Reminiszenzen jegliche Toleranz zu verweigern, doch letztlich muß der Verklärung dieser Vergangenheit mit sozialen Konzepten einern emanzipatorischen Zukunft geantwortet werden.
