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Das Interview der Zeitschrift CINEMA mit Hans de Beer, dem Zeichner der Bilderbücher, mit dem Verleger Davy Sidjanski und mit Thilo Graf Rothkirch, dem Regisseur des Films.

CINEMA: "Wie ist die 'Eisbär'-Idee entstanden?"
Hans de Beer: "Das war das erste Projekt für Kinder, das ich an der Akademie gemacht habe, und da habe ich ein Tier gewählt, das damals noch nicht benutzt wurde. Ein kleiner Eisbär ist auch sehr niedlich."

CINEMA: "'Der kleine Eisbär' ist zwar eine deutsche Produktion, aber doch auch für den internationalen Markt. Wie verkaufen sich denn die Bücher in den Vereinigten Staaten?"
Davy Sidjanski: "'Der kleine Eisbär' ist ein weltweiter Erfolg. In Amerika haben wir allerdings nie Bestsellerzahlen erreicht. Das liegt sicher nicht am Charakter, sondern daran, dass wir ein sehr, sehr kleiner Verlag waren, als wir den 'Eisbären' in Amerika rausbrachten. Wir machen unsere Bücher in Englisch ja selber. Der 'Eisbär' hat keinen glücklichen Start in Amerika gehabt."


CINEMA: "Hat der Kinofilm dann eine Chance in Amerika?"
Davy Sidjanski: "Wir glauben dran. Aber das Verfahren in Amerika ist einzigartig auf der Welt: Es kommt kein Kinofilm ohne ein Test-Screening mit Kindern auf den Markt. Aufgrund des Erfolgs wird festgelegt: Kommt der Film überhaupt ins Kino? Steckt man wenig Geld in die Werbung oder bringt man ihn groß raus - mit einem Marketing von 20 Millionen? Die Tests werden Anfang nächsten Monats in Amerika stattfinden, dann haben wir die Antwort. Zumindest wird der Film sicher auf Video kommen oder im Fernsehen."

Thilo Graf Rothkirch: "Eine Basis ist natürlich, dass unser Produktionspartner Warner Bros. ist. Willi Geike von Warner Bros. hat unter sich den zweitgrößten Kinomarkt nach Amerika. Wenn der Film auf dem deutschsprachigen Markt besteht, dann ist das eine Basis, die dem Management in Amerika plausibel machen kann, dass man diesen Film international einsetzt. Wir haben alle gesehen, dass der 'kleine Eisbär' ein Potenzial hat, das über Deutschland hinausgeht. Deswegen haben wir auch ein für deutsche Verhältnisse sehr hohes Budget und haben mit international erfahrenen Künstlern und Zeichnern gearbeitet, um internationale Qualität herstellen zu können."

CINEMA: "Wie erklären Sie sich den Erfolg vom 'kleinen Eisbär'?"
Hans de Beer: "Ich denke, dass die Atmosphäre der Bücher und Filme das Geheimnis ist. Lars ist ein Kind im Bärenfell. Er ist nicht zu vermenschlicht, ein richtiges Tier - aber mit Kindergedanken. Er ist anerkannt bei den Kindern für die Botschaft, dass man durch Freundschaft, Offenheit und Unbefangenheit reicher wird und dass man Probleme, die sehr groß erscheinen, lösen kann."


CINEMA: "Hatten die Macher der 'Sendung mit der Maus' Einfluss auf die Gestaltung der Fernsehgeschichten?"
Davy Sidjanski: "Ja, Siegmund Grewenig war sehr stark beteiligt, aber in Zusammenarbeit mit uns. Zusammenarbeit ist bei diesem Charakter enorm wichtig. Die Atmosphäre muss in den verschiedenen Medien anders dargestellt werden. Im Buch haben wir eine statische Illustration, wo man den Moment vor oder nach der Aktion darstellen muss. Die Hintergründe müssen die Atmosphäre bringen. Das ist im Fernsehen und im Kino ganz anders: Um dort Atmosphäre zu gestalten, haben wir das bewegte Bild, wir haben Musik und Stimmen. Viel mehr Elemente müssen übereinstimmen."

CINEMA: "Der Kinder- oder Familienfilm ist lange stiefmütterlich behandelt worden. Wie kommt es, dass man plötzlich die Kinder wieder entdeckt?"
Thilo Graf Rothkirch: "Das liegt auch an den Personen, die hinter so einem Projekt stecken. Unter Willi Geike hat Warner Bros. den 'Kleinen Vampir', die 'Augsburger Puppenkiste', die 'Furchtlosen Vier' usw. rausgebracht, mit uns zusammen war's 'Tobias Totz'. Gerade Warner Bros. Deutschland ist einer der Förderer des Familienfilms. Das gibt natürlich Impulse, denn diese Filme sind alle erfolgreich."

CINEMA: "Was ist das Besondere daran, für Kinder zu arbeiten?"
Hans de Beer: "Vorher habe ich auch für Erwachsene gearbeitet, aber für Kinder macht's als Autor viel mehr Spaß."
Davy Sidjanski: "Kindern kann man noch was mitgeben, man kann sie noch beeinflussen."

CINEMA: "Empfinden Sie das auch als besondere Verantwortung? Weil Kinder ja viel weniger selektieren?"
Hans de Beer: "Ich denke, dass Kinder eher kritischer sind, dass Erwachsene alles nehmen, was geboten wird. Kinder sind sehr kritisch, man sollte das nicht unterschätzen."

Davy Sidjanski: "Wir alle haben ja in uns ein starkes Kind, deshalb wagen wir es überhaupt, etwas für Kinder zu produzieren. Ich wäre nicht Bilderbuch-Verleger, wenn ich nicht ein starkes Kind in mir hätte. Thilo und seine Frau Maya haben zwei Kinder, die sie oft als Testpersonen benutzt haben, nicht nur für den 'Eisbären'. Aber das hilft nur ein Stück weit, im Endeffekt müssen wir das mit uns ausmachen."

CINEMA: "Ist es eine bewusste Entscheidung, auf Gewalt zu verzichten?"
Hans de Beer: "Oh ja, es ist kein Aktionsfilm, es gibt keine 'Bösen'."

Davy Sidjanski: "Es gibt Böses drin wie das schwarze Schiff, aber das haben wir bewusst nicht personifiziert oder mit Menschen besetzt, denn sonst hätten wir uns entscheiden müssen: Sind die jetzt gelb oder schwarz, welche Hautfarbe haben diese Menschen? Es soll ja auch keine Anklage gegen den Menschen oder irgendwelche Tiere sein."

CINEMA: "Sie benutzen also tatsächlich ihre Kinder zum Testen?"
Thilo Graf Rothkirch: "Ich bin Kinderfilm-Macher seit vielleicht 15 Jahren. Die Kinder sind fünf und sieben, also habe ich vorher natürlich auch ohne sie produziert. Ich habe auch immer gedacht, eigentlich genügt mein eigenes kindliches Mitdenken. Meine Frau und ich überprüfen einen Film in allen Phasen. Wir gucken ihn z.B. auf Video in der Storyboard-Phase. Bei so einem Prozess ist unsere ältere Tochter mal dabei gewesen. Da saß also eine Dreijährige 70 Minuten lang konzentriert vor diesem Videobild, teilweise waren das nur Skizzen! Später konnte sie Dialoge nachsprechen. In dem Moment habe ich gemerkt, wie ernst man ein Kind nehmen muss. Beim 'kleinen Eisbären' haben wir, auch der zweite Regisseur Piet de Rycker, in einer bestimmten Phase unseren Kindern den Film gezeigt. Wir haben die Kinder sagen lassen, was sie gut und was sie schlecht fanden. Bei seinen und unseren Kindern waren die Fragen dieselben, und daraufhin haben wir Dinge geändert. Das Test-Screening, das wir später in Hamburg hatten, war eigentlich nur eine Bestätigung."


CINEMA: "Sie haben bewusst darauf verzichtet, ins Ausland zu gehen?"
Thilo Graf Rothkirch: "Unser Studio produziert gerne. Gerne Produzieren heißt auch, ein Team aufzubauen. Es ist nicht nur menschlich schön, mit Leuten zu arbeiten, die man seit Jahren kennt. Es gibt auch eine Produktionssicherheit, wenn man genau weiß, welchem Zeichner man welchen Charakter gibt. Unsere Philosophie ist ganz einfach: Wir mögen den Ort, an dem wir arbeiten - in einer Dachetage in Berlin-Kreuzberg - und arbeiten da gerne acht bis zehn Stunden. Das geht auch den Mitarbeitern so, die fühlen sich da wohl. Das hängt natürlich nicht nur mit den Räumlichkeiten zusammen, wenn man so ein Projekt wie den 'kleinen Eisbären' hat. Man wird dann von den Figuren und der Idee, die dahinter steht, gefangen. Dann ist man auch in der Lage, zweieinhalb Jahre daran zu arbeiten. Als Regisseur muss man zu allem Zugang haben. Dreamworks und Walt Disney lassen anspruchsvolle Projekte auch nicht im Ausland produzieren, sondern holen die Top-Teams zu sich."

CINEMA: "Im Film könnte die Konfrontation zwischen Eisbären und Robben für Rassendiskriminierung stehen, das schwarze Schiff für Umweltzerstörung - verstehen Kinder die Parallelen zur Gegenwart?"
Hans de Beer: "Ich denke schon. Das sind Themen, die täglich behandelt werden. Wir wollen keine ideologische Botschaft überbringen, aber schon ein gewisses Gefühl."

Davy Sidjanski: "Wir geben den Kindern die Technik, wie man Probleme löst. Nicht auf rationaler Ebene, sondern auf der Erlebnisebene."

CINEMA: "Haben Sie als Zeichner das Gefühl, dass das noch Ihr 'kleiner Eisbär' ist, oder mussten Sie schon viel von ihm abgeben?"
Hans de Beer: "Nein, vorher hatte ich Angst davor, aber ich habe überraschend viel Kontrolle und Einfluss gehabt. Ich habe praktisch in allen Phasen meine Meinung sagen können, und die galt auch fast wie ein Veto."

CINEMA: "Inwieweit ist Marketing notwendig, um einen Kinderfilm populär zu machen? Disney ist da ja sicher ein Vorreiter."
Davy Sidjanski: "Die Bücher haben uns ja den Weg schon geebnet. Beim Test-Screening kannten 75 Prozent der Kinder, die zufällig ausgewählt wurden, den 'kleinen Eisbären'. Deshalb können wir es uns leisten, mit nur sechs, sieben Merchandising-Artikeln auf den Markt zu kommen, und das sind ganz ausgewählte Sachen. Steiff macht zwei Plüschtiere. Das ist ein großes Kompliment an uns."

Hans de Beer: "Es werden nur normale Bildträger produziert, wie z.B. T-Shirts. Das war eine Bedingung, die ich von Anfang an gestellt habe, denn ich finde, dass man mit einem Charakter wie dem 'Eisbären' keinen Ausverkauf betreiben kann."

CINEMA: "Wir bedanken uns für das Interview!"

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