"Der Yalu fliesst" von Mirok Li, eine Erzählung über eine Kindheit in Korea. Mirok Li ist in Deutschland gestorben.
Für Reiselustige meiner Meinung nach ein Muß: "Reisegast in Korea" von Alice Aarau, Ben Hur, Sonia Hur
Den nächsten Tag verbrachten wir in Seoul. Insadong mit den vielen kleinen Andenkengeschäften, der Jogyesa Tempel mitten in einer Fußgängerzone, der Gyeongbokgung Palast mit seinem wunderbaren Park und dem Koreanischen Völkerkunde Museum, und auf meinen Wunsch auch das Kyobo Kaufhaus mit seinem riesigen Büchersortiment. Hier kann man z. B. koreanisch-deutsche Lexika und Lehrbücher sehr viel günstiger erstehen als in Deutschland – falls man sie hierzulande überhaupt findet. Es war eine besondere Stimmung an diesem Tag, weil die Feierlichkeiten zu Buddhas Geburtstag unmittelbar bevorstanden. Entlang der Strassen waren überall Lampions aufgehängt und rings um den Jogyesa Tempel wurde einiges an Aktivitäten geboten.
Es war immer wieder faszinierend zu sehen, wie neben riesigen Leuchtreklametafeln und achtspuriger Strasse, inmitten von spiegelnden Riesenkomplexen an Bürogebäuden und Hochhäusern kleine Steinhäuschen mit dem traditionellen Dach aus alter Vorzeit auftauchten. Allein um Seoul zu entdecken, hätten meine wenigen Urlaubstage nicht ausgereicht...
Seoul - Natur und Technik, Tradition und Moderne
Früh morgens starteten wir los Richtung Seorak–Gebirge. Es war herrlich, auf der Fahrt die Landschaft und die ländliche Umgebung zu betrachten. Wellige Hügel bis obenhin bedeckt mit Wald, stille Seen, Reisfelder, Hotelkomplexe und Hochhäuser neben Dörfern mit dem typisch geschwungenen Ziegeldächern, geschäftige Menschen überall und viele Baustellen. Hier wird jeder einigermaßen ebene Grund genutzt, um Wohnfläche zu schaffen. Und jede freie Minute genutzt, um einen Ausflug zu machen. Bergsteigen wie in den bayrischen Alpen, wo man vielleicht auch manchmal das Glück hat, alleine auf einem Gipfel zu stehen, hat hier eine ganz andere Qualität. Busse mit Schulkindern und Senioren, viele Familien und sonstige Ausflügler ziehen in einem stetigen Strom dem Ziel entgegen. Wir wanderten zu den Biryong Wasserfällen und genossen wirklich atemraubende Ausblicke, allerdings auch viele in den Fels gelassene Metalltreppen und reichlich Menschen. Auf dem Rückweg besuchten wir den Shinheung–Tempel und der Anblick einer überdimensional großen steinernen Buddhastatue beeindruckte und rührte mich zutiefst.
Den 7. Mai verbrachten wir wieder in Seoul, leider bei immer noch strömenden Regen. Der riesige Fluss Han mitten durch Seoul, der olympische Park (dessen Skulpturenanlage leider auch gerade im Umbau begriffen war) – wir beschlossen eine Einkaufstour zu machen und ich besorgte die üblichen Souvenirs für die Daheimgebliebenen. Ein spezielles und komisches Ereignis ist auch das Nanta-Theater; eine musikalische Vorführung, bei der die Musik ausschließlich mit Kochutensilien erzeugt wird. Im Apartment meiner Gastfamilie wurde mir gezeigt, wie man Kimbap zubereitet. Eine Reishülle gefüllt mit Karotten, Rettich, Fisch u. a. eingewickelt in Seetang. Ein beliebtes Essen für zwischendurch und ideal zum Mitnehmen für unterwegs, man sieht in den Parks sehr oft Familien unter einem Baum zusammensitzen und Kimbap scheint immer dabei zu sein.
Am Abend wurde ich in die Kunst des Yut- Spieles eingeführt (Im Prinzip ähnlich wie Mensch-ärger-dich-nicht, statt Würfeln werden jedoch kantige Stäbe benutzt, die entsprechend markiert sind). Den Grund dafür sollte ich am nächsten Tag erfahren... Dieses Jahr fiel Buddhas Geburtstag auf den 8. Mai und die ganze Familie bereitete sich auf den Besuch des Tempels in Anyang vor. Ich war sehr überrascht zu sehen, dass der Tempel mitten in der Einkaufstrasse in einem ganz normal scheinendem Haus zu finden war. Nichts deutete auf einen Tempel hin. Es gab einen großen Raum, in dem später gegessen wurde und ein Stockwerk höher einen weiteren Raum, ausstaffiert mit ein paar großen und vielen kleinen Buddhastatuen. Für mich irgendwie beschämend, wenn ich an die Protzbauten der Christen denke, die überall in Korea (meist auf erhobenen Plätzen) zu sehen waren... Jeder schnappte sich eine Decke oder einen Teppich und setzte sich auf den Boden bis die Zeremonie begann. Blumen wurden mit einer Spende gekauft und vor den Statuen abgelegt, danach wurde gemeinsam gespeist, Bibimbap oder Curry. Und dann ging es erst richtig los...der Raum mit den Buddhastatuen diente nun als Fläche für, na ja, bei uns würde man sagen – Spielhölle. Alle Anwesenden wurden in Pärchen eingeteilt und mit Enthusiasmus und sehr viel Engagement wurde dem Yut-Spiel gefrönt. Ein sehr seltsames Gefühl, angesichts der Buddhastatuen ringsherum, aber das schien niemanden zu stören. Die Wogen der Begeisterung oder auch des Missmuts schlugen hoch – vergleichbar etwa wie bei uns Fasching in Köln – eine sehr humorvolle und dennoch ernste Angelegenheit. Am Ende verteilte der Priester reichlich Geschenke an die Gewinner und ich bekam als besondere Aufmerksamkeit ein Paar Ohrringe und ein buddhistisches Armband zum Abschied. Kamsahamnida!
Für den folgenden Tag war eine Fahrt nach Suwon und zum "Korean Folk Village" vorgesehen. Es scheint egal zu sein, in welche Richtung man fährt, die Strassen hier sind immer voller endloser Autoschlangen und die Städte ein einziger zähfließender Stau. Umso überraschter ist man dann immer wieder, wenn plötzlich eines der mächtigen alten Stadttore inmitten einer Kreuzung auftaucht. Im Korean Folk Village werden einem auf sehr eindrucksvolle Weise die vergangenen Zeiten nahe gebracht: sowohl die Häuser der kleinen Bauern als auch die der Großgrundbesitzer sind authentisch nachgebaut und man findet sogar Handwerker, die z.B. Strohsandalen in der früher üblichen Technik herstellen. Neben einem kleinen Markt gibt es auch hier wieder ein Museum, Andenkenläden, ein Restaurant, in dem es das beste Bibimbap gibt, dass ich je gegessen habe, ein Teehaus und vieles andere mehr. Die vielen Schulklassen nutzten jede Gelegenheit ein Gespräch anzuknüpfen und ein paar Brocken Englisch auszuprobieren und die Überraschung und Freude war groß, wenn ich mich an koreanischen Vokabeln versuchte. Auf dem Rückweg hielten wir an einer Tankstelle. Ein Erlebnis für sich. Hier muss man nicht einmal aussteigen, gibt nur den gewünschten Betrag an und schon wird das Auto aufgefüllt, die Scheiben gewischt und ein Geschenk durchs Fenster gereicht. Und immer mit einem Lächeln.
Der letzte Tag vor der Abreise bricht an, die Zeit ist wie im Flug vergangen .. noch einmal nach Seoul, dieses Mal bei Sonnenschein. Frau Lee bricht in Begeisterungsstürme aus, als sie am Han-Fluss eine Fahrradvermietung entdeckt und wir radeln den Fluss auf und ab. Auf meine Nachfrage bekomme ich erklärt, dass es in Korea nahezu nicht möglich ist in den beengten Wohnanlagen Fahrräder unterzubringen und auch durch die gebirgige Landschaft und den teilweise schlechten Zustand va. der kleinen Strassen radfahren nicht immer vergnüglich ist. Wir entern eines der Touristenschiffe, die den Han-Fluss rauf- und runterfahren und bewundern die Skyline von Seoul. Ein Spaziergang in einem Skulpturenpark und dann zur Music hall. Neben einem Museum für Musik findet man dort auch eine Freifläche, um allerlei traditionelle koreanische Spiele ausprobieren zu können, z.B. die koreanische Wippe, bei der man sich gegenseitig mittels eines Brettes in die Luft schleudert.
Wir genossen eine Aufführung mit traditioneller Musik und Tanz, sehr ungewöhnlich für europäische Ohren, aber schön anzuschauen. Gleich gegenüber nahmen wir das Abendessen in einem traditionellen koreanischen Restaurant ein. Eines der Highlights auf dieser Reise! Rein äußerlich erinnerte das Gebäude eher an eine Bahnhofshalle. Ziemlich hoch und mit einem Mittelgang. Rechts und links davon je ein riesiges Podest, natürlich wurden die Schuhe ausgezogen, bevor man es betrat. Auf den Tischen der Gäste waren unzählige Schüsselchen zu sehen, bis auf den letzten Fleck vollgeladen. Es kam mir etwas seltsam vor, dass wir uns ausgerechnet an einem völlig leeren Platz niederließen. Das Rätsel löste sich, als zwei Männer das Essen servierten: sie brachten gleich den ganzen Tisch, vollbeladen mit Schüsseln natürlich! In Deutschland weiss ich mit Tofu nichts anzufangen, aber wenn man hier einmal den eingelegten Tofu probiert hat, träumt man davon... Alles lief im Eiltempo ab, kaum war der Tisch abgesetzt, huschte eine Frau mit Schere und Messer bewaffnet heran und zerlegte in Windeseile Fisch und Gemüse mundgerecht. Abgeräumt wurde natürlich auf die gleiche Art: der ganze Tisch auf einmal...
Das letzte Frühstück, Reis mit Curry nach Art der Hausfrau, einfach phänomenal... Der Abschied fällt schwer, aber es wird sicher ein Wiedersehen geben. Diese grüne Hügellandschaft einmal in den Herbstfarben zu sehen, kann ich mir nicht entgehen lassen.. und natürlich will ich meine lieb gewonnenen Freunde wiedersehen. Obwohl die Zeit viel zu kurz war, denke ich, dass ich etwas für mein Leben mitgenommen habe, dass man in Deutschland nicht so ohne weiteres lernt: jeder Mensch hat Respekt und ein freundliches Gesicht verdient.