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Ela
 

Bärenweihnacht oder das Bärli auf dem Weg zum Glück!

In dem großen Kaufhaus ist es leiser geworden. Die letzten Kunden werden zum Ausgang gebeten. Die Kassen werden abgerechnet und die Warentische mit den weißen Tüchern zugedeckt. Die Notbeleuchtung ist eingeschaltet und die letzten Verkäuferinnen, Kassiererinnen und Abteilungsleiter verlassen die Etagen. Das Klappern von trippelnden Stöckelschuhen entfernt sich, während das Diskutieren, Lachen und Zurufen in ein sich entfernendes leises Gemurmel übergeht. Ein letztes Klappern von den Aufzugtüren, das Summen des abwärts fahrenden Lifts und dann ist es auf einmal totenstill.
Ungewöhnlich nach dem langen, hektischen Tag, an dem die Menschen sämtliche Abteilungen übervölkert haben, denn Weihnachten steht vor der Tür! Das Weinen und Zetern von Kindern, denen die Zeit zu lange wurde, die Werbestimmen von den Verkäufern der Sonderstände, eine Durchsage *Herr Müller, bitte an 19!*. Dann der Aufruf *der kleine Kai sucht seine Mutter, bitte kommen sie zur Information!*
Verkäuferinnen mit gestressten Gesichtern, genervte Mütter und natürlich die mitgeführten Hunde, die sich gelegentlich auch bemerkbar machten, denn das hier war nicht ihr Revier!
Die Regale der Spielwarenabteilung sind zugestellt und voll gestopft bis unter die Decke, mit allem, was ein Kinderherz sich wünschen kann und auch mit den Spielzeugen, die gerade als Neuheit auf dem Weltmarkt angepriesen werden und schon bald wieder out sind.
In der Ecke der Puppen und Kuscheltiere jedoch ist Überfüllung angesagt. Hunderte große und kleine Wuscheltiere und Stofftiere jeglicher Art, Form und Farbe warten auf einen Besitzer. In der Ecke ganz hinten, kaum beachtet, sitzt ein kleines zotteliges, hellbraunes Bärchen mit glänzenden Knopfaugen, welches schon im Vorjahr niemand haben wollte. Vor ihm, in allen Größen und Farben aufgebaut sitzen die modernen, waschechten Bären, die ein verführerisch weiches Fell aufzuweisen haben und von den Verkäuferinnen so angepriesen werden, dass sie weggehen wie warme Semmeln.
Das kleine Bärli reibt sich die Augen und gähnt leise vor sich hin. Es will hier weg. Und obwohl es hier nicht alleine hier ist, fühlt es sich hier nicht wohl. Die linke Gruppe der arroganten Bären in allen Pastellfarben bis hin zu pink, blau, gelb und weiß wurden gekauft, während es hier seine Zeit absitzen musste. Natürlich redeten sie nicht mit ihm, er wurde einfach übersehen. Die rechte Gruppe Bären mit solchen Knöpfen im Ohr, die sie stolz zur Schau trugen, war noch arroganter, sie saßen steif da und diskutierten über Amerika und Roosevelt und waren mächtig stolz auf ihre Vorfahren, was er sich jeden Tag aufs Neue anhören musste! Oft stellte er sich schlafend, damit er nichts sagen musste, was hätte er auch erzählen können?
Ach wenn doch nur irgendeine Mutter käme und ihn auswählen würde. Er stellte es sich schön vor, in einer Wohnung bei einer Familie zu sein und von einem Kind geliebt zu werden. Obwohl er Kinder eigentlich gar nicht mochte, er hatte sogar etwas Angst vor ihnen. Mit diesen Gedanken schlief er ein.
Das Lärmen der hereinströmenden Kunden und die plötzliche Helligkeit weckten ihn am anderen Morgen unsanft auf. Wieder so ein nerviger Tag, wenn doch nur die Weihnachtswochen bald herum sein würden. Aber es passierte wieder nichts an diesem Tage. Er saß hinten und wie immer fassten viele Hände nach den bunten und lustigen Bären in der vordersten Reihe.
Gegen Abend, er war schon ganz müde geworden, erschrak er, ein Hand fasste ihn und holte ihn unsanft nach vorne *dann hätten wir noch diesen, jedenfalls in der Preislage*, hörte er die Verkäuferin sagen. *Gut, den nehme ich*, eine freundliche Stimme. Sein Herz schlug lauter, es war soweit. Nun kam er hier raus in die weite Welt, zu lieben Menschen und sogar unter einen Tannenbaum, oh – wie er sich freute! Ob er einem Mädchen geschenkt wurde oder einem Jungen? Noch ehe er sich die Kundin ansehen konnte, verschwand er *Schwupps* in der Tüte.
Der spannende Moment war gekommen, die Person, die ihn bis hierher getragen hatte schloss die Wohnungstüre auf und holte ihn aus der Tüte. Er sah in das freundliche Gesicht einer alten Dame, deren Haar weiß in sanften Locken ihr Gesicht umrahmte. Die großen, von der Arbeit eines langen Lebens verbrauchten Hände, fassten ihn ganz vorsichtig und weich, ja zärtlich an. Ein Duft von gebackenem Brot und halbverblühten Rosen kam ihm entgegen. Die liebevolle Dame sagte zu ihm, *So mein Kleiner, dann wollen wir doch mal sehen, was Gaby zu Dir sagt, wenn Du an Weihnachten bei ihr unter dem Tannenbaum sitzt*, das Bärli rührte sich nicht, wenn das alles nur kein Traum war, genau so hatte er es sich vorgestellt.
Sie setzte ihn in eine Sofaecke auf weiche, weiße Kissen mit gehäkelter Baumwollspitze umrandet, dann ging sie zum Herd, setze den Wasserkessel auf, um sich einen Tee zu bereiten. Das Bärli war zufrieden.
Der Heilige Abend kam schneller als gedacht, auch wenn die alte Dame ihn nicht weiter beachtete, irgendwie fühlte er sich hier wohl. Seine Umgebung hätte er schon noch erforscht, wenn die alte Dame außer Haus war, oder nachts, wenn sie schlief. Doch nun hieß es Abschied nehmen. Ihm wurde eine Schleife um den Hals gebunden, damit er nicht gar so trist aussah, dann wurde er mit Weihnachtspapier verpackt und es ging zu der Familie, die schon bald sein zu Hause sein würde.
Türen klappern, die Treppen runter klappern, Türe auf und wieder zu, über die Strasse, zu einer Bushaltestelle, fahren und wieder hinaus, Bärli konnte die Spannung kaum noch ertragen. Dann waren sie da. Beim Schellen an der Türe des großen schönen Hauses öffnete man sofort und sie wurden in die festlich geschmückte Wohnung geführt. Dann hörte er die Stimme der alten Dame, *Guten Abend liebe Gaby* *Guten Abend Oma* hörte er eine helle Mädchenstimme.
Schon bald läutete das kleine Glöckchen, ein Zeichen, dass das Christkind hinter der Wohnzimmertüre fertig war und verschwunden. Der Vater öffnete die Türe und eine wunderbare Weihnachtsmusik drang an Bärlis Ohren. *Das ist es, so hab ich es mir vorgestellt*, seine Knopfaugen wurden ganz blank vor Rührung! Mutter, Vater, die Oma und Gaby stehen im Türeingang und singen mit, jeder hat verpackte Geschenke auf dem Arm. Dann sagt Gaby noch ihr Gedicht auf *Denkt Euch, ich habe das Christkind gesehn … * und nun hieß es Geschenke verteilen und die eigenen suchen und auspacken.
Bärli konnte es vor Aufregung in der Verpackung kaum aushalten und endlich spürte es den Griff des Mädchens, das Papier wurde weggezogen und die Kinderhände packten und zogen es zu sich hoch, ein Segen, Bärli blinkerte Gaby zu, doch diese schien es nicht zu bemerken, anstatt ihn nun in den Arm zu nehmen, legte sie ihn achtlos beiseite und machte sich über die große Puppenstube her, und kurze Zeit später enthüllte sie die blanken neuen Schlittschuhe, das Bärli aber saß ermüdet in der Ecke unter Schleifen und zerrissenem Weihnachtspapier vergraben, Müde fielen ihm die Augen zu. Das Stimmengewirr wurde leiser und veränderte sich in ein entferntes Gemurmel.
Plötzlich wurde es wieder wach, von der einsetzenden Stille, die nun das Wohnzimmer erfüllte. Es war dunkel, der Lichterbaum aus und die Familie war zu Bett gegangen. Warum hat Gaby mich nicht mitgenommen? Das Bärli wurde sehr traurig, "sicher bin ich in der falschen Familie gelandet. Es hupfte auf das Fensterbrett und schaute runter in die erleuchtete still gewordene Stadt, hier und da noch das Glitzern der Weihnachtsbäume hinter den Gardinen.
Hier will ich nicht bleiben, ich muss hier einfach wieder weg, sagte das Bärli zu sich selbst und eine dicke Knopfaugenträne kullerte seine flauschigen Bärenwangen hinunter. Er kletterte zum Oberlicht, das nur gekippt war und zwängte sich dadurch. Nun saß er auf dem Fenstersims und fror. Ein Sprung in den nahe stehenden Baum und dann runter, auf die Strasse. Ein eisiger Wind hatte eingesetzt und es fing an zu schneien. Aber das Bärli wollte sich nicht entmutigen lassen und trottete die stille Strasse hinunter einfach stadtauswärts. Bald wurde es ihm kalt und die kleinen Beinchen waren so müde. Die Strasse wurde immer dunkler und die Häuser immer kleiner und hier und da war nur noch ein schwaches Licht durch die Fenster zu sehen. Das Bärli wusste nicht wie lange es so getrabt war seine Bärenseele traurig, sein Herz schwer, so hatte es sich Weihnachten nicht vorgestellt. Seitlich ging es in eine Wegschneise, der es unwillkürlich folgte. Dort stand nur noch ein Haus, ein kleines Gartentor stand ein wenig offen und es huschte hinein, es wollte nur ein Eckchen, wo es sich ausruhen konnte, am Morgen in der früh würde es weitersuchen, irgendwo würde man es sicher erwarten. Es hupfte die drei flachen Stufen rauf und setzte sich in die Türecke, wo der Wind es nicht erreichen konnte. Der Schnee hatte sein Fell zugeschneit, doch die Müdigkeit ließ es hinweg schweben und es träumte wieder von Weihnachtsduft und Stimmen und Liedern…
Im Hause drinnen aber war noch Leben, ein kleines Mädchen saß in dem ärmlichen Wohnzimmer neben dem Kachelofen und Weihnachtslieder ertönte leise aus dem Radio, eine Mutter brachte im Bratäpfel und einen heißen Kakao … aber dann musst du ins Bett, mahnte sie leise, das Kind hatte eine Puppe im Arm, die neue Haare bekommen hatte und neue Augen, ein gehäkeltes Kleidchen und einen Schal… die Augen blickten traurig und es sagte leise, wenn nur Papa heimkäme, wo mag er nur sein, die Mutter wischte sich unmerklich eine Träne aus den Augen und erwiderte, er wird schon kommen, vielleicht im nächsten Frühjahr, wir wollen uns darauf freuen, dann nahm sie das kleine Mädchen in den Arm und tröstete es mit den Worten *da wo Papa im Krieg ist, das ist so weit, er braucht schon eine Weile bis er wieder hier ist. Für das Kind waren die tröstenden Worte der Mutter genug, es ahnte ja nicht wie schlimm ein Krieg sein konnte und was Papa so machte… es machte sich zurecht für die Nacht und die Mutter brachte es zu Bett, wo sie noch eine kurze Weihnachtsgeschichte erzählte, ihm übers Haar strich….dann war es auch shcon eingeschlafen. Draußen begann es fester zu schneien und färbte die Wege, Büsche und Bäume, Häuser und Gartenzäune voll mit dicken weißen Schichten. Das Bärli welches fest schlief bemerkte nicht, wie in der Dunkelheit Schritte im Schnee knirschten und eine dunkle Gestalt zur Türe schritt. Unverhofft blieb sie stehen und ehe sie klingen wollte, bückte sie sich runter zu dem *Etwas auf den Stufen. Eine behandschuhte Hand nahm das Bärli auf, schüttelte es ein wenig, sodass es wach wurde, der Schnee fiel von ihm ab. Bärli starrte erschrocken in ein verhärmtes Gesicht in einer Soldatenuniform, aber die Augen waren sehr gütig und ein schön geschwungener Mund war zu sehen, aber in Trauer fest zugepresst…
Bärli machte vor Schreck wieder die Augen zu und wartete, was nun geschah. Dann pochte und klingelte der Mann an der Tür. Die Mutter, die noch nicht schlief schlurfte zur Tür und öffnete verblüfft, Doch als sie ihren Mann erblickte, den Heimkehrer von der Front, brachte sie kein Wort heraus. Sie umarmten sich stumm und hielten sich fest, Tränen der Befreiung rollten ihnen über die Wangen und ihre Augen strahlten nur so…
Schon bald war der Mann aus dem Mantel und der Uniform, die Frau fachte den Kachelofen noch einmal an, wer wollte nun schlafen? Es war doch Heilig Abend, noch immer staunend zündete sie die Kerzen an dem kleinen Weihnachtsbaum wieder an und sie flüsterten leise. Erst viel später erinnerte sich der Mann an den kleinen Bären, den er im Türeingang gefunden hatte, er hatte ihn im Flur abgelegt, "schau meine Liebe, der Kleine lag vor der Tür, sollte der Weihnachtsmann ihn für unsere Tochter da hingelegt haben? " lächelte er. Was ein Glück, Für ein Geschenk zu kaufen hatte er nun wirklich weder Geld noch Zeit gehabt. Mutter nahm das kleine Bärli sachte in die Hände bürstete sein Fell noch einmal sachte durch und meinte " wie niedlich der aussieht, ja es scheint so, als ob er geradewegs aus dem Himmel zu uns gekommen sei". Bärli durchströmte auf einmal eine Wärme und Glückseligkeit wie nie vorher, er war nicht aus dem Himmel gekommen, wenn die nur wüssten, aber er war angekommen, er war zu Hause und hatte das Glück gefunden.
Die Mutter meinte zu ihrem Mann mit einem kleinen Lächeln, wir wollen ihn der kleinen Maria ins Bett legen, wenn sie aufwacht, wird sie ihn sehen und sich freuen, dass der Weihnachtsmann nachts noch da war….sie schlichen ins Kinderzimmer und wollte den Teddy leise auf ihr Kissen legen, als sie wach wurde, schon umfingen sie zwei Arme! Papa, Papa sie lachte und weinte und konnte es nicht fassen, "Du bist da, ich habe es meinem Schutzengel gesagt, dass er Dich zu Weihnachten nach Hause schicken soll und er hat es gehört" –"ja" meinte der Vater ergriffen und drückte das Gesicht an die Schulter des kleinen Mädchens, "und der Papa bleibt nun für immer hier bei Euch und Dir hat er auch was mitgebracht". Dann legte er ihr das Bärli in die Arme. "Schon wieder gelogen" denkt Bärli lächelnd und kuschelt sich an das duftende junge Mädchen mit dem seidenen braunen Haar, schließt seine Kulleraugen und atmet tief durch, als er die weichen Kinderhändchen fühlt, die ihn sanft umfassen und an sich drücken. Eine dicke Träne kollert seine Bärenwange herunter, soviel Glück war kaum zu fassen, auch nicht an Weihnachten…. Er hatte das Glück gefunden!
© Ela Steiner / Dezember 2003



 

 
 
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